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Von Barack Obama zu Donald Trump. Martin Luther Kings Traum vor dem Ende? | USA | bpb.de

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Von Barack Obama zu Donald Trump. Martin Luther Kings Traum vor dem Ende?

Manfred Berg

/ 18 Minuten zu lesen

In den vergangenen acht Jahren stand die Diskussion über die race relations in den Vereinigten Staaten unter der Leitfrage, ob die Wahl des ersten schwarzen US-Präsidenten eine historische Zäsur bedeute. Im November 2008 feierten Barack Obamas Anhänger seinen Wahlsieg als magischen Augenblick, in dem sich der kollektive Traum des schwarzen Freiheitskampfes erfülle. Auch viele Konservative, die Obama nicht unterstützt hatten, werteten seinen Einzug ins Weiße Haus gleichwohl als Bestätigung ihrer Ansicht, dass Amerika das historische Erbe des Rassismus überwunden habe und auf dem Weg zu einer "postrassischen" Gesellschaft sei, in der allein individuelle Leistung zähle und eine besondere Förderung von Minderheiten (affirmative action) nicht mehr nötig sei.

Die anfängliche Euphorie wich allerdings bald der Ernüchterung. Vor allem während Obamas zweiter Amtszeit lösten spektakuläre Fälle tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze – 2014 in Ferguson im Bundesstaat Missouri und 2015 in Baltimore – heftige Diskussionen über Rassismus in den US-Institutionen aus und entfachten wütende Proteste. Obwohl der Präsident deutlich Stellung bezog, warfen prominente afroamerikanische Kritiker Obama vor, er tue zu wenig gegen den Rassismus von Polizei und Strafjustiz. Manche befanden gar, die Lage der schwarzen Amerikaner sei heute nicht besser als Ende der 1960er Jahre, als sich ihre Wut und Frustration in blutigen Unruhen Luft machten.

Eine realistische Beurteilung von Obamas Wirken in dieser Frage muss jedoch berücksichtigen, dass er vor dem klassischen Dilemma afroamerikanischer Politiker stand, auch weiße Wählerinnen und Wähler gewinnen und übergreifende Koalitionen schmieden zu wollen, ohne dabei die schwarze Basis zu verprellen. Zwar gelang Obama dieser Spagat bei den Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 gleich zweimal, aber jeweils nur etwa 40 Prozent der weißen Wählerinnen und Wähler stimmten für ihn – ein historischer Tiefstand für einen US-Präsidenten. Teile der weißen Wählerschaft argwöhnten stets, Obama mache auf ihre Kosten Politik zugunsten der schwarzen Minderheit. Damit war sein Handlungsspielraum gerade in den race relations eng begrenzt. Obama mag daher die in ihn gesetzten hohen Erwartungen enttäuscht haben. Doch mit seinem Nachfolger Donald Trump ist, so fürchten viele Bürgerrechtler, die "Gegenrevolution" ins Weiße Haus eingezogen.

Make America White Again?

Auch wenn Trump im Wahlkampf seine rassistischen und xenophoben Tiraden vornehmlich gegen mexikanische Einwanderer und Muslime richtete, zielten seine Botschaften doch unverkennbar auf die Mobilisierung der Furcht vieler weißer Amerikanerinnen und Amerikaner vor dem Verlust ihrer politischen, sozialen und kulturellen Hegemonie. Ob Trump seinen Wahlsieg entscheidend einem white backlash gegen die von Obama verkörperten Fortschritte der Schwarzen in der amerikanischen Gesellschaft verdankt, ist umstritten. Vor einem solchen wird gewarnt, seit die Bürgerrechtsbewegung vor über 50 Jahren das Ende der Segregation und die rechtliche und politische Gleichberechtigung der schwarzen Minderheit erkämpft hat. Einige Politologen verweisen darauf, dass viele Trump-Wähler aus der white working class 2008 und 2012 noch für Obama gestimmt hatten, aber offenkundig enttäuscht waren, dass der wirtschaftliche Aufschwung während seiner Präsidentschaft an ihnen vorbeigegangen ist. Allerdings hatte Trump auch keinerlei Berührungsängste gegenüber weißen Ressentiments.

Ab 2011 hatte der ehrgeizige New Yorker Immobilienunternehmer öffentlich die Kampagne der sogenannten birthers befeuert, die behaupteten, Obama sei nicht in den Vereinigten Staaten geboren und daher laut Verfassung gar nicht für das Amt des Präsidenten wählbar. Der erste schwarze US-Präsident, so die perfide Botschaft, sei ein Usurpator. Amerikanische Rechtsradikale, die ein rein weißes Amerika durch "friedliche ethnische Säuberungen" anstreben, feierten Trumps Wahlsieg mit "Heil Trump"-Rufen und dem Hitlergruß. Trump distanzierte sich zwar vom lunatic fringe unter seinen Anhängern, aber für den oft geäußerten Verdacht, sein Wahlslogan "Make America great again!" bedeute eben auch "Make America white again!", lassen sich gute Gründe anführen.

Immerhin griff Trump im Wahlkampf die schwarzen Amerikaner nicht direkt an, sondern warb sogar um ihre Stimmen. Jahrzehntelang hätten sie den Demokraten die Treue gehalten, rechnete der Kandidat den afroamerikanischen Wählerinnen und Wählern vor, doch jetzt sei es an der Zeit, etwas Neues zu probieren: "Ihr lebt in Armut, Eure Schulen sind schlecht, 58 Prozent Eurer Jugend sind arbeitslos – Was zur Hölle habt Ihr zu verlieren?", fragte er auf seinen Wahlkampfveranstaltungen. Kritiker empörten sich darüber, dass Trump 40 Millionen Afroamerikaner mit der schwarzen Ghettobevölkerung identifiziere und in Wirklichkeit nur die rassistischen Stereotype seiner weißen Anhängerschaft reproduziere.

Trumps Werben blieb denn auch weitestgehend erfolglos, und nur rund acht Prozent der schwarzen Wählerschaft stimmte für ihn. Doch könnte die gegenüber 2008 und 2012 merklich geringere Wahlbeteiligung der Afroamerikaner entscheidend dafür gewesen sein, dass Hillary Clinton in Wisconsin, Michigan und Pennsylvania mit hauchdünnem Rückstand verlor und Trump damit die Mehrheit im Wahlmännerkollegium zufiel, obwohl er insgesamt rund drei Millionen Stimmen weniger erhielt als seine Konkurrentin. Nach der Wahl bedankte sich Trump öffentlich bei allen schwarzen Wählerinnen und Wählern, die zu Hause geblieben waren. Diese Geste kann nur als Zynismus aufgefasst werden, denn seit Jahren versuchen republikanisch dominierte Bundesstaaten unter dem Vorwand, Wahlbetrug bekämpfen zu wollen, den vornehmlich für die Demokraten stimmenden Minderheiten die Registrierung und Stimmabgabe zu erschweren.

Als Donald Trump einen Monat nach seiner Amtseinführung das 2016 eingeweihte National Museum of African American History and Culture in der Hauptstadt Washington besuchte, bekannte er sich emphatisch zum Kampf gegen "Bigotterie, Hass und Intoleranz". Wie wenig sich der neue US-Präsident jedoch dem Erbe der Bürgerrechtsbewegung verpflichtet fühlt, demonstrierte er mit der Nominierung des erzkonservativen Senators Jeff Sessions aus Alabama für das Amt des Justizministers. Bereits 1986 hatte US-Präsident Ronald Reagan Sessions für das Amt eines Bundesrichters in Alabama nominiert, doch hatte der Senat dem Kandidaten wegen rassistischer Äußerungen die Bestätigung verweigert. Coretta Scott King, die Witwe des 1968 ermordeten Bürgerrechtlers Martin Luther King, hatte Sessions damals beschuldigt, als Staatsanwalt schwarze Wählerinnen und Wähler in Alabama eingeschüchtert zu haben.

Sessions’ Nominierung zum Justizminister, dem für die Durchsetzung der Bürgerrechte wichtigsten Amt auf der Bundesebene, provozierte auch dieses Mal Proteste zahlreicher Bürgerrechtsgruppen sowie des Black Congressional Caucus, dem Zusammenschluss der afroamerikanischen Mitglieder des US-Kongresses. Die liberale Bürgerrechtslobby warf Sessions vor, dass er als Senator gegen nahezu alle Gesetzesvorlagen gestimmt hatte, die die Rechte ethnischer und sexueller Minderheiten stärken sollten. Zudem gilt er als Befürworter einer strikten Begrenzung der Einwanderung. Jeff Sessions, so charakterisierte ihn ein demokratischer Abgeordneter, wolle in die Zeiten zurück, als "Schwarze sich duckten, Schwule sich versteckten, Einwanderer unsichtbar waren und Frauen in der Küche blieben". Die Opposition gegen Sessions’ Nominierung hatte allerdings keinen Erfolg, denn erwartungsgemäß votierte die republikanische Senatsmehrheit für seine Ernennung zum Attorney General.

Seine Unterstützer haben Sessions entschieden gegen den Vorwurf des Rassismus verteidigt. Aber Bürgerrechtler befürchten, der weiße Südstaatler Sessions werde sein Ministerium künftig davon abhalten, zentrale Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung hochzuhalten. Gewiss wird er nicht mit ähnlichem Engagement für die Rechte der schwarzen Minderheit eintreten wie seine beiden afroamerikanischen Amtsvorgänger Eric Holder und Loretta Lynch.

Diese Einschätzung gilt für die Trump-Administration insgesamt, in der weiße Männer in einer Weise dominieren, wie es seit den 1960er Jahren nicht mehr der Fall war. Das einzige schwarze Kabinettsmitglied ist der Neurochirurg Benjamin Carson, der 2016 zunächst selbst in den republikanischen Vorwahlen angetreten war und sich später hinter Trump stellte. Carson genießt internationale Anerkennung als Mediziner, verfügt aber über keinerlei Regierungserfahrung. Als Minister für Wohnungsbau und Stadtentwicklung leitet er ein Ressort, zu dessen Aufgaben die Bekämpfung der Armut in Amerikas Großstädten gehört und das deshalb für die afroamerikanische Bevölkerung besonders wichtig ist. Carson ist allerdings als Kritiker des Wohlfahrtsstaates bekannt und betrachtet Armutsbekämpfung als Aufgabe der Privatwirtschaft und religiöser Gemeinschaften.

Was die schwarze Minderheit von Trumps Präsidentschaft im Einzelnen zu erwarten hat, bleibt jedoch, wie so vieles andere auch, vorläufig unklar. Drohen nach den euphorischen Hoffnungen, mit Barack Obamas Präsidentschaft erfülle sich Martin Luther Kings Traum von einem Amerika ohne Rassismus, nun das jähe Ende dieses Traums und die Restauration der "weißen Vorherrschaft"? Im Folgenden wird ein kursorischer Blick auf vier Themenbereiche geworfen, die seit der Bürgerrechtsbewegung im Zentrum der Debatten über die race relations stehen. Um Trumps Wahlkampfparole aufzunehmen: Was haben die schwarzen Amerikanerinnen und Amerikaner eigentlich zu verlieren?

Überwindung der Rassentrennung

Vor der Bürgerrechtsära herrschte in den Vereinigten Staaten nahezu überall das "Jim-Crow-System", wie die rassistische Kastenordnung und institutionalisierte Rassentrennung im Volksmund genannt wurden. Im Süden schrieb das Gesetz die Segregation vor, im Rest des Landes wurde sie vielerorts informell praktiziert. Die Abschaffung der Rassentrennung war daher das vordringliche Ziel der Bürgerrechtsbewegung und zugleich ihre bedeutendste Errungenschaft. Im Juli 1964 verabschiedete der US-Kongress mit dem Civil Rights Act ein Gesetz, das Rassentrennung in allen Bereichen des öffentlichen Lebens untersagte. Vor allem in den Bereichen Konsum und öffentliche Unterhaltung vollzog sich die Desegregation überraschend schnell. Die Furcht vieler Geschäftsleute vor dem Verlust ihrer weißen Kunden erwies sich als unbegründet, tatsächlich zog das Wirtschaftswachstum sogar an. Die Rückkehr zu einer Whites-only-Welt mit segregierten Parks, Restaurants, Hotels und so weiter ist heute, außer vielleicht in der Fantasie nostalgischer Rassisten, völlig unvorstellbar.

Allerdings ging es bei der Forderung nach Integration von Anfang an auch um Teilhabe am gesellschaftlichen Wohlstand und um Chancengleichheit für die schwarze Minderheit. Insbesondere gegen die Desegregation der Schulen, von der sich afroamerikanische Eltern bessere Bildungs- und Aufstiegschancen für ihre Kinder erhofften, gab es nicht nur im Süden massiven, teils gewalttätigen Widerstand. Erst als Bundesregierung und Bundesgerichte seit Mitte der 1960er Jahre energische Anstrengungen zur Integration der Schulen unternahmen, fiel die Zahl der Schulkinder im Süden, die eine rein schwarze Schule besuchten, innerhalb kurzer Zeit von 80 auf 25 Prozent. Seit den frühen 1990er Jahren jedoch lockerten die Gerichte zuvor bindende Auflagen, weil Zwang angeblich nicht mehr erforderlich sei. Daraufhin passten viele Städte und Gemeinden ihre Schulbezirke wieder den weiterhin stark nach Hautfarbe getrennten Wohnvierteln an, sodass eine De-facto-Resegregation einsetzte. Inzwischen besuchen drei Viertel aller afroamerikanischen Schülerinnen und Schüler wieder Schulen, die mehrheitlich schwarz sind.

Obwohl es keine Belege dafür gibt, dass die Integration des Bildungswesens zulasten der weißen Schüler geht, bleibt das Thema äußerst kontrovers. Verbindliche Vorgaben für die Integration lokaler Schuldistrikte sind bei vielen weißen Wählerinnen und Wählern extrem unpopulär, vor allem wenn sie auf Drängen des Bundes durchgesetzt werden. Unter Jeff Sessions, einem langjährigen Verfechter einzelstaatlicher und lokaler Autonomie, wird das US-Justizministerium vermutlich keine weiteren Anstrengungen zur Integration des Bildungswesens unternehmen. Sollte es der Trump-Regierung gelingen, die Bundesgerichte mit möglichst vielen konservativen Richtern zu besetzen, dürfte auch die Justiz immer weniger bereit sein, entsprechende Vorgaben durchzusetzen.

Wirtschaftliche Teilhabe und Chancengleichheit

Das System der Segregation hielt Afroamerikaner von qualifizierten Tätigkeiten fern und beschränkte sie auf schlecht bezahlte Jobs. Das 1964 im Civil Rights Act kodifizierte Verbot, im Arbeits- und Erwerbsleben aufgrund von "Rasse, Hautfarbe, Religion, Geschlecht oder nationaler Herkunft" zu diskriminieren, ebnete weitreichenden Affirmative-action-Programmen den Weg, von denen nicht nur Schwarze, sondern auch andere Minderheiten sowie die Frauen in Amerika profitiert haben. Der öffentliche Sektor spielte dabei eine Vorreiterrolle, aber auch immer mehr private Unternehmen begannen, gezielt Angehörige von Minderheiten zu rekrutieren. Inzwischen gilt die ethnische Vielfalt der Belegschaft als wirtschaftlicher Vorteil.

Obwohl Ökonomen argumentieren, dass die Öffnung der Arbeitswelt keineswegs auf Kosten der weißen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegangen sei, ist affirmative action bei vielen weißen Amerikanern jedoch als Inbegriff umgekehrter Diskriminierung verhasst. Im Fokus der Debatten um Quoten und affirmative action stehen meist die Elite-Universitäten, deren Abschlüsse als Garantie für steile Karrieren und gut bezahlte Jobs gelten und die für die white working class ebenso unerreichbar sind wie für die sogenannte black underclass. Angesichts des hohen Symbolwertes von affirmative action für ihre weiße Anhängerschaft steht zu erwarten, dass die Trump-Administration nicht nur jegliche Unterstützung des Bundes für gezielte Minderheitenförderung einstellen, sondern diese nach Möglichkeit auch aktiv bekämpfen wird.

Die Reformen der 1960er Jahre haben unbestreitbar zur Entstehung einer vitalen schwarzen Mittelklasse beigetragen. Dennoch ist die materielle Ungleichheit zwischen schwarzen und weißen Amerikanern nach wie vor eklatant. Die Arbeitslosen- und Armutsquoten unter der afroamerikanischen Bevölkerung liegen im Durchschnitt konstant doppelt so hoch wie für Weiße; Mitte der 2010er Jahre lebten knapp unter 30 Prozent der schwarzen Amerikaner in Armut. Die Gründe dafür sind ebenso kontrovers wie die Frage, ob staatliche Maßnahmen daran etwas ändern können. Konservative bestreiten, dass sozialpolitische Maßnahmen den Armen helfen, und warnen, der Wohlfahrtsstaat perpetuiere lediglich eine Kultur der Abhängigkeit. Liberale und Linke sehen die weit überproportionale Armut unter der schwarzen Bevölkerung dagegen auch als Folge von strukturellem Rassismus und fortgesetztem Sozialabbau unter dem Banner des Neoliberalismus.

Auch Donald Trump beklagte im Wahlkampf 2016, dass Amerikas black community sich in einem schlechteren Zustand befinde als je zuvor, und versprach, die schwarzen Ghettos in den Innenstädten zu sanieren. Doch könnte Trumps Versprechen für arme Afroamerikaner eher eine Drohung sein, denn als Geschäftsmann hat der jetzige US-Präsident mit Luxussanierungen sehr viel Geld verdient. Gleichwohl könnten Trumps Ankündigungen, die US-Wirtschaft durch ein gigantisches Infrastrukturprogramm anzukurbeln und durch eine protektionistische Handelspolitik Jobs in die Vereinigten Staaten "zurückzuholen", in Teilen der black community und bei einigen schwarzen Politikern ebenso auf Sympathien treffen wie sein Versprechen, zukünftig würden "illegale Einwanderer" Amerikanern nicht mehr die Arbeitsplätze "wegnehmen". Für die von Globalisierung und Deindustrialisierung gebeutelte schwarze Arbeiterschaft ist Trumps ökonomischer Nationalismus grundsätzlich genauso attraktiv wie für die white working class.

Kriminalitätsbekämpfung und Strafjustiz

In seiner Rede zur Amtseinführung kündigte der neue US-Präsident darüber hinaus an, er werde entschlossen gegen die Bandengewalt und die Drogenkriminalität vorgehen, "die schon zu viele Menschenleben gefordert haben. Dieses amerikanische Blutbad wird aufhören: hier und jetzt!" Tatsächlich war und ist die Gewaltkriminalität in der schwarzen Bevölkerung erschreckend hoch, auch wenn die Kriminalitätsraten seit den 1990er Jahren gesunken sind. Etwa die Hälfte aller Mordopfer in den Vereinigten Staaten sind Afroamerikaner; diese haben ein sechsmal höheres Risiko als Weiße, ermordet zu werden. In mehr als 90 Prozent aller Fälle sind auch die Täter Schwarze. Niemand leidet unter dieser Bandenkriminalität mehr als die innerstädtische afroamerikanische Bevölkerung selbst.

Allerdings ist unklar, wie US-Präsident Trump die Gewalt in den Ghettos stoppen will. Schon heute haben die USA das drakonischste Strafrecht der gesamten westlichen Welt. Derzeit sitzen in Amerikas Gefängnissen mehr als zwei Millionen Strafgefangene ein, die Inhaftierungsquote von über 700 pro 100000 Einwohner ist die höchste weltweit. Afroamerikaner, etwa 12,5 Prozent der Gesamtbevölkerung, stellen knapp 40 Prozent der Gefängnisinsassen, ihre Inhaftierungsquote liegt sechsmal höher als bei Weißen. Kritiker argumentieren, die massenhafte Inhaftierung afroamerikanischer Männer habe ein neues Jim-Crow-System geschaffen, Amerikas Strafjustiz sei nach wie vor durch einen tief sitzenden strukturellen Rassismus geprägt. Als eine der wichtigsten Triebkräfte dieser Entwicklung gilt der seit Jahrzehnten geführte "Krieg gegen die Drogen", der weit überproportional Schwarze hinter Gitter gebracht hat. Inzwischen mehren sich die Stimmen, die eine grundlegende Reform der Strafjustiz und ein Ende der Masseninhaftierung fordern, doch ob diese Gehör finden, ist zweifelhaft, denn nach wie vor ist "Härte gegen Kriminelle" in der US-Politik ein populärer Schlachtruf.

Dass Trump bereit ist, den institutionellen Rassismus in Strafjustiz und Polizei überhaupt als Problem anzuerkennen, geschweige denn etwas dagegen zu unternehmen, darf man getrost ausschließen. Im Wahlkampf präsentierte er sich als strammer Law-and-order-Kandidat, der sich vorbehaltlos mit Amerikas Polizei solidarisierte und die Protestbewegung Black Lives Matter, die Polizeibrutalität gegen Minderheiten anprangert, für den Tod von Polizisten verantwortlich machte. Kurz nach seinem Amtsantritt bekräftigte der Präsident, seine Administration werde alles tun, um das "polizeifeindliche Klima" zu beenden. Unterstützung für ein Ende der Politik des Wegsperrens ist von Trump ebenfalls nicht zu erwarten. Reformer hoffen, bestenfalls werde er sich entsprechenden Initiativen in den Einzelstaaten nicht entgegenstellen.

Politische Partizipation

Neben dem Bürgerrechtsgesetz von 1964 war das Wahlrechtsgesetz von 1965 die zweite große Errungenschaft der Bürgerrechtsbewegung. Das Gesetz unterstellte Wählerregistrierung und Urnengang im Süden, wo Schwarze durch Einschüchterung und Schikanen weitgehend von der politischen Mitwirkung ausgeschlossen waren, der Aufsicht des Bundes. Obwohl die Hüter der weißen Vorherrschaft den Voting Rights Act durch neue Manipulationsversuche auszuhebeln versuchten, erwies sich das Gesetz als äußerst wirkungsvoll, weil das Bundesjustizministerium, die Bundesgerichte und der US-Kongress seine Durchsetzung und Weiterentwicklung entschlossen vorantrieben. Innerhalb kürzester Zeit verdoppelte sich die Zahl registrierter afroamerikanischer Wählerinnen und Wähler und erreichte Ende der 1970er Jahre das Niveau der weißen Südstaatler. Zwischen 1964 und 1970 verzehnfachte sich im Süden die Zahl der gewählten schwarzen Mandatsträger. Das Wahlrechtsgesetz hatte zudem maßgeblichen Anteil daran, dass die Zahl der schwarzen Abgeordneten und Senatoren im US-Kongress zwischen 1965 und 2014 von sechs auf 43 anstieg. Gegenwärtig haben über 10000 schwarze Amerikaner landesweit ein Wahlamt inne.

Für die afroamerikanische Minderheit bleiben politische Repräsentation und Gewicht an den Wahlurnen essenziell. Alle sozialen, wirtschaftlichen und rechtlichen Errungenschaften und Fortschritte der vergangenen 50 Jahre resultierten aus politischen Interventionen, vor allem vonseiten der Bundesregierung. Wo hingegen der politische Wille zur Durchsetzung der Bürgerrechtsgesetze schwand, gab es Rückschläge, wie etwa bei der Resegregation der Schulen. Auch an der Diskriminierung durch Polizei und Justiz wird sich nur durch politisches Handeln etwas ändern. Die Polarisierung der amerikanischen Politik nach Hautfarbe ist dabei freilich ein größeres Hindernis als der "traditionelle" Rassismus. Während die Republikanische Partei sich seit Jahrzehnten zu einer fast ausschließlich weißen, extrem konservativen Partei entwickelt hat, wählt die überwältigende Mehrheit der Afroamerikaner loyal die Demokraten. Die Republikaner sehen daher keine Anreize, schwarzen Wählerinnen und Wählern politische Angebote zu machen, ihr Interesse besteht vielmehr darin, sie möglichst vom Wählen abzuhalten. Als Trump den Afroamerikanern dankte, die sich der Wahl enthalten und ihm damit zum Sieg verholfen hätten, bekannte er sich in seltener Freimütigkeit zu dieser Strategie.

Dabei zeichnet sich in den vergangenen Jahren eine bedenkliche Rückkehr zu den alten schmutzigen Tricks des scheinlegalen Wahlrechtsentzugs ab. Immer mehr republikanisch dominierte Bundesstaaten haben neue Wahlgesetze beschlossen, die Briefwahlen und vorzeitige Stimmabgabe einschränken und von Wählerinnen und Wählern verlangen, sich durch ein offizielles Dokument auszuweisen, über das in einem Land ohne Melde- und Ausweispflicht aber gerade die Armen und Angehörigen ethnischer Minderheiten häufig nicht verfügen. Angeblich sollen diese Maßnahmen Wahlbetrug verhindern, doch Kritiker sehen sie als Versuche, Minderheiten vom Wählen abzuhalten. Zudem schließen viele Bundesstaaten Personen mit einer Vorstrafe ganz vom Wahlrecht aus. Schätzungsweise betrifft dies etwa 5,3 Millionen Afroamerikaner, darunter vier Millionen, die ihre Strafe längst verbüßt haben. Etwa 13 Prozent aller erwachsenen schwarzen Männer können deshalb nicht wählen.

Nach der Präsidentschaftswahl 2016 behauptete Trump, übrigens ohne jeden Beleg, Hillary Clintons Vorsprung bei der Gesamtzahl der Stimmen beruhe darauf, dass drei bis fünf Millionen Stimmen illegal für seine Gegenkandidatin abgegeben worden seien. Vermutlich sollte das "alternative Wahlergebnis" sein Ego befriedigen. Doch Trumps Ankündigung, entschlossen gegen illegale Wählerinnen und Wähler vorgehen zu wollen, könnte auch bedeuten, dass die Partizipationsrechte der Afroamerikaner und anderer Minderheiten weiter unter Druck geraten, vor allem falls ein konservativ dominierter Oberster Gerichtshof den Geltungsbereich des Voting Rights Act einschränken sollte. Ob sich die Republikanische Partei dadurch, dass sie Minderheiten möglichst von den Wahlurnen fernhält, gegen die demografische Entwicklung immunisieren kann, ist allerdings fraglich.

Fazit

Auch wenn viele Wählerinnen und Wähler Donald Trumps sich ein Amerika wünschen mögen, in dem Weiße dauerhaft die demografische und politische Mehrheit bilden, so steht die Wiederherstellung des alten Jim-Crow-Systems gewiss nicht auf der Agenda der Trump-Administration. Diskriminierende Maßnahmen und Gesetze werden sich zudem vermutlich in erster Linie gegen Einwanderer aus Lateinamerika und gegen Muslime richten.

Im Hinblick auf die Errungenschaften der Bürgerrechtsbewegung könnte die Politik der Reagan-Administration zwischen 1981 und 1989 Trump als Orientierung dienen. Auch Reagan hatte unverhohlen an den white backlash appelliert und dann die Durchsetzung der Bürgerrechtsgesetze und Antidiskriminierungsvorschriften bewusst schleifen lassen, war dabei jedoch im Kongress auf Widerstand gestoßen. Ob ein republikanisch dominierter Kongress heute ein Gegengewicht zu einer bürgerrechts- und minderheitenfeindlichen Politik der Trump-Administration bilden könnte, erscheint jedoch zweifelhaft, denn die Partei des weißen, konservativen Amerika hat daran wenig Interesse. Im Gegenteil: Vor allem eine restriktive Auslegung und Verwässerung des Voting Rights Act würde es den Republikanern ermöglichen, ihre politische Vormachtstellung zu zementieren. Durch die Besetzung des Obersten Gerichtshofes und der Bundesgerichte mit konservativen Richtern könnte es der Trump-Administration zudem gelingen, den backlash gerichtsfest zu machen. Den demografischen Wandel, der die weißen Amerikaner in wenigen Jahrzehnten von einer Bevölkerungsmehrheit zur nur noch größten Minderheit machen wird, wird dies jedoch nicht aufhalten können.

ist Curt-Engelhorn-Stiftungsprofessor für Amerikanische Geschichte am Historischen Seminar der Universität Heidelberg. E-Mail Link: manfred.berg@zegk.uni-heidelberg.de