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Innenansichten von Trumps Außenpolitik | USA | bpb.de

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Innenansichten von Trumps Außenpolitik

Josef Braml

/ 14 Minuten zu lesen

Grundlegend für die sorgfältige Analyse der künftigen Außenpolitik der USA wird neben außenpolitischen Machtfaktoren insbesondere ihre "Innenseite" sein. Denn es sind Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger innerhalb der Vereinigten Staaten, die äußere Entwicklungen so oder anders "wahr"-nehmen und ihr Handeln entsprechend ausrichten und nicht zuletzt auch gegenüber den Amerikanerinnen und Amerikanern rechtfertigen.

Neue Weltunordnung

Nach Einschätzung führender US-Sicherheitsexpertinnen und -Politiker befinden sich die USA in einer Zeitenwende. "Wir leben inmitten einer dieser historischen, prägenden Zeiten. (…) Wir erleben, wie eine neue Weltordnung – nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Zerfall der Sowjetunion – errichtet wird", warnte im Herbst 2014 der scheidende US-Verteidigungsminister Chuck Hagel seine Landsleute. Die "unipolare Weltordnung", der "unipolare Moment", sei nunmehr vorbei: Das historische Zeitfenster, das den Vereinigten Staaten nach dem Ende der Sowjetunion und der Blockkonfrontation für ein knappes Vierteljahrhundert größeren Handlungsspielraum eröffnete, hat sich wieder geschlossen.

Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Krim im Frühjahr 2014 und seine "hybride" Kriegsführung in der Ostukraine, die die Ukraine und die Sicherheitsarchitektur Europas zu destabilisieren drohen, waren nur ein weiteres Indiz für das Muster einer neuen "Weltunordnung". Denn noch mehr beunruhigen die Weltplaner in Washington seit geraumer Zeit das wirtschaftliche und militärische Wachstum Chinas sowie seine territorialen Ansprüche im Ost- und Südchinesischen Meer. Mit seinem aggressiven Verhalten fordert das Reich der Mitte nicht nur die amerikanische Vormachtstellung in der Region heraus, sondern gefährdet auch die liberale Weltordnung.

Seit dem für viele unerwarteten Ergebnis der US-Präsidentschaftswahlen 2016 droht eine weitere, nicht minder ernst zu nehmende Gefahr für die liberale Weltordnung: Mit Donald Trumps Wahl zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten entschieden sich die Amerikanerinnen und Amerikaner gegen das politische "Establishment" in Washington, gegen ihre Rolle als globale Ordnungsmacht und gegen das freiheitliche Amerika, das vielen Menschen weltweit Vorbild und Orientierung war.

Unter Trumps Führung könnten sich die USA noch stärker nach innen orientieren und wegen der gravierenden Probleme im Innern ihre Ordnungsrolle in der Welt preisgeben. Sollte Trump sein isolationistisches Credo "America first" wahrmachen und, wie im Wahlkampf angedroht, rücksichtslos amerikanische Interessen durchboxen, Sicherheitsallianzen wie die NATO ignorieren und Handelskriege vom Zaun brechen, würde er im gleichen Zug die von den Vereinigten Staaten seit dem Zweiten Weltkrieg gehegte westlich orientierte Weltordnung untergraben.

Während die neue US-Regierung den Rückzug ins nationalistische Schneckenhaus als goldenen Weg sehen könnte, scheut China mit seiner umfassenden Seidenstraßeninitiative "One Belt, one Road" keine diplomatischen Schritte und wirtschaftlichen Investitionen, um den Welthandel in seinem Sinne neu zu ordnen. Während Chinas Staatsführer Xi Jinping sich im Januar 2017 auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos in internationalistischer Rhetorik übte, für offene Märkte warb und die Globalisierung verteidigte, redete Trump bei seiner Amtseinführung dem Protektionismus das Wort, polterte wie im Wahlkampf gegen Freihandel und drohte mit Zöllen.

Europa wird sich auf mehrere Szenarien einstellen und eigene Strategien entwickeln müssen, wie es sich in dieser sich rapide verändernden geopolitischen Machtkonstellation ausrichten will. Es gilt, herauszufinden, wer sich in den Vereinigten Staaten im innenpolitischen Diskurs mit welchen Weltordnungsvorstellungen durchsetzen wird. Das ist auch von großem Interesse für deutsche Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft, denn die Handelsnation Deutschland ist von jener regelbasierten liberalen Weltordnung abhängig, die von den Vereinigten Staaten maßgeblich mitgeprägt wurde und auch wieder zerstört werden kann.

Konkurrierende Weltbilder

Das Leitbild amerikanischer Außenpolitik bewegte sich im Laufe ihrer Geschichte kontinuierlich zwischen Absonderung von der Welt und missionarischem Drang zur Weltverbesserung. Der selbstverstandene Ausnahmecharakter der USA, der sogenannte Exzeptionalismus, manifestierte sich dementsprechend in unterschiedlicher Weise: zum einen, indem die "beinahe auserwählte" Nation, die "city upon a hill", selbstgenügsam der Welt als leuchtendes Vorbild diente, zum anderen, indem sie die Welt aktiv verändern wollte, sei es mit diplomatischen oder militärischen Mitteln, sei es durch Alleingänge oder mit Unterstützung anderer Staaten.

Die Weltbilder der liberalen Internationalisten, die vorübergehend den Ton in der US-Außenpolitik angegeben haben, und der Realisten, die nach dem Debakel des Irak-Krieges 2003 wieder dominanter geworden sind, könnten unterschiedlicher nicht sein. Liberale Internationalisten haben ein optimistisches Menschenbild und wollen eine friedlichere Weltordnung demokratischer Staaten schaffen und Freihandel fördern; sie sind auch bereit, aus humanitären Gründen einzugreifen. Realisten hingegen sehen die menschliche Natur skeptischer und hegen keine Entwicklungsperspektive. Sie haben ein rein machtpolitisch garantiertes zwischenstaatliches Arrangement im Sinn und fordern internationales Engagement mit Augenmaß – nur bei Bedrohung des "vitalen" Sicherheitsinteresses oder wenn äußere Gefahr in Verzug ist. Denn, so die Warnung der Realisten, es besteht auch immer die innere Gefahr der Überdehnung eigener (politischer) Ressourcen. Der aktuelle innenpolitische Widerstand gegen internationales Engagement, ein isolationistischer Reflex, der sich an beiden Rändern des politischen Spektrums in den USA formiert hat, bedeutet Wasser auf die Mühlen der Realisten.

Deren Wortführer versuchen, ihre Vorstellungen im politischen Diskurs durchzusetzen, sprich die Worthülse "nationales Interesse" mit ihren spezifischen Inhalten zu füllen, um ihre partikularen Interessen zu wahren. Im pluralistischen politischen System der USA gibt es seit jeher heftige Auseinandersetzungen zwischen Einzelakteuren, Organisationen und Institutionen, die je nach Politikfeld in unterschiedlichen Machtkonstellationen ausgefochten und entschieden werden. Das relative Kräfteverhältnis der außenpolitischen Grundorientierungen in den Vereinigten Staaten verändert sich dabei im Laufe der Zeit.

Liberale Internationalisten

Bis zur Amtsübernahme Donald Trumps war der außenpolitische Mainstream Washingtons geprägt von einem liberal-hegemonialen Weltbild, gemäß dem die USA die Welt nach ihren Wertvorstellungen und Interessen ordnen. Selbst Barack Obamas außenpolitische Grundorientierung folgte dieser Tradition, auch wenn er seinen Wahlkampf 2008 unter den Slogan "Change" gestellt hatte. Seine Außenministerin Hillary Clinton erklärte ihren durch die wirtschliche Lage und die Kosten der Kriege im Irak und in Afghanistan verunsicherten Landsleuten aber klipp und klar: "Wir können es uns nicht leisten, uns nicht zu engagieren." Und sie ließ keinen Zweifel daran, worum es ging: Das außenpolitische Engagement sei der "Schlüssel für Wohlstand und Sicherheit in unserem Land", denn es gelte, Handelswege und Ressourcen zu sichern und existenzielle militärische Bedrohungen abzuwenden.

Aus Sorge um den außenpolitischen Kurs der Trump-Regierung und um die liberale Weltordnung, die sie durch "tiefe politische Spaltung zu Hause" sowie "verstärkte Instabilität im Ausland" gefährdet sehen, appellieren heute außenpolitische Schwergewichte der Vorgängerregierungen, etwa die ehemalige Außenministerin Madeleine Albright und der ehemalige nationale Sicherheitsberater Stephen Hadley, an die Abgeordneten und Senatoren im Kongress, einen neuen parteiübergreifenden außenpolitischen Konsens zu schmieden, um nicht die Fehler der Vergangenheit zu wiederholen und Amerikas Einfluss in der Welt zu gefährden. Wenn Amerika sich von der Weltbühne verabschiede, so Albright und Hadley, dann würden die Menschen in Afrika, Asien, Europa, Lateinamerika und im Nahen und Mittleren Osten sich von anderen Akteuren und deren Ideen Inspiration und Orientierung holen – seien es Autoritarismus oder extremistische Ideologien.

Damit würden die Vereinigten Staaten jene liberale Ordnung preisgeben, die sie nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges aufgebaut haben. In den Jahrzehnten seit Ende der 1940er Jahre sei es die grand strategy der USA gewesen, eine internationale Ordnung aus Sicherheitsallianzen, internationalen Institutionen und ökonomischer Freizügigkeit zu errichten und anzuführen, um weltweit Freiheit, Wohlstand und Frieden zu schaffen. Für die Vertreterinnen und Vertreter dieser Vorstellung ist es dringend geboten, diese Nachkriegsordnung aufrechtzuerhalten und zu renovieren: Trump solle sich US-Präsident Harry Trumans Außenminister Dean Acheson zum Vorbild nehmen, der dafür plädierte, dass die Vereinigten Staaten mit gleichgesinnten Partnern weltweit "Situationen der Stärke" schaffen, um die "Bedrohungen und Herausforderungen amerikanischer Interessen" abzuwehren.

Die Auffassungen darüber, wie das nationale Interesse der USA definiert und amerikanische Weltordnungsvorstellungen umgesetzt werden sollen, gehen seit jeher weit auseinander. Um die amerikanische Führungsmacht zu erhalten, empfiehlt etwa der liberale Vordenker Joseph Nye, die US-Außenpolitik wieder stärker in einen multilateralen Rahmen einzubetten und ihr auf diese Weise mehr Legitimität und Akzeptanz zu verleihen. Wenn eine Großmacht wie die Vereinigten Staaten ihr nationales Interesse breiter definiere, also globale Interessen berücksichtige und globale öffentliche Güter (wie Sicherheit) bereitstelle, so der Politologe, seien die Partner im Ernstfall möglicherweise eher bereit, ein unilaterales Vorgehen zu akzeptieren. Nye, der in der Regierung Bill Clintons von 1994 bis 1995 stellvertretender US-Verteidigungsminister war, prägte auch den Begriff soft power. Demnach übten die USA dank der Anziehungskraft ihrer Werte und der Vorbildrolle ihres liberalen Gesellschafts- und Wirtschaftsmodells Einfluss auf andere Länder aus, nicht nur mithilfe ihrer "harten" Militärmacht.

Realisten

Im Präsidentschaftswahlkampf 2016 wurden diese hehren Werte mit Füßen getreten. Wegen der Ausschweifungen Donald Trumps sorgten sich Amerikas Freunde; seine Feinde hätten wohl keinen besseren Agenten finden können, um das Ansehen der US-Demokratie zu beschädigen und seine soft power zu eliminieren. Denn Trump konnte sich durchsetzen, obwohl oder gerade weil er die Regeln menschlichen Anstands und demokratische Prinzipien missachtete. Trump war sich seiner Sache sicher: "Ich könnte im Zentrum New Yorks jemanden erschießen, und ich würde keinen Wähler verlieren", prahlte er gegenüber Journalisten, die sich über seine Grenzüberschreitungen wunderten. Die knapp 60 Millionen Wählerinnen und Wähler, die für ihn stimmten, sahen denn auch darüber hinweg, dass er sich über Menschen mit Behinderung lustig machte, Frauen herabwürdigte, gegen Muslime hetzte, Latinos pauschal als "Vergewaltiger und Verbrecher" stigmatisierte und seiner Konkurrentin, der "korrupten Hillary", drohte, sie hinter Gitter zu bringen, sobald er im Amt sei. "Sperrt sie ein!", lautete ein Schlachtruf der Trump-"Bewegung".

Mit seinem ersten Haushaltsentwurf, den er Mitte März 2017 dem Kongress vorlegte, wurde umso deutlicher, dass der neue US-Präsident sich weniger um soft power bemüht, sondern vielmehr Amerikas harte Macht aufrüsten will: 2018 sind knapp drei Milliarden Dollar mehr für Heimatschutz und über 54 Milliarden Dollar zusätzlich für militärische Rüstung vorgesehen – enorme Summen, die vor allem auf Kosten der Entwicklungshilfe, der Umweltbehörde und des Außenministeriums gehen sollen. "Das ist ein Hard-power-Budget", erklärte Mick Mulvaney, der Budgetdirektor des Weißen Hauses, "der Präsident will ein sehr deutliches Signal an unsere Verbündeten und unsere möglichen Gegner senden, dass sie es mit einer Regierung mit starker Macht zu tun haben". Das passt auch in die bisherige Inszenierung Trumps, der sich in seiner Regierungsmannschaft und bei öffentlichen Auftritten häufig mit Generälen umgibt. "If you’ve got them by the balls, their hearts and minds will follow", lautet denn auch ein Bonmot, das hartgesottene Militärs gerne bemühen, wenn sie mit Argumenten "weicher Macht" bedrängt werden.

Das machtzentrische Weltbild wird seinen Vertretern wohl einmal mehr dazu dienen, tektonische Veränderungen der Weltordnung zu erklären. Bereits während der Amtszeit George W. Bushs von 2001 bis 2009 musste die Machtdifferenz zwischen Europa und Amerika als Ursache für transatlantische Spannungen herhalten. Europa sei schwach, Amerika sei stark und nutze deshalb seine Macht.

Selbst wenn man der inhärenten Logik dieser These folgen möchte, wonach militärische Macht und Überlegenheit automatisch dazu verleiten, sie auch nutzen zu wollen, bleibt in demokratisch verfassten Staaten die entscheidende Frage unbeantwortet: Wie können Regierende, in diesem Fall der US-Präsident, ihre Außenpolitik und dabei besonders den Einsatz militärischer Gewalt gegenüber der Legislative und vor allem gegenüber der eigenen Bevölkerung rechtfertigen? Selbst der "mächtigste Mann der Welt" muss gute Gründe anführen, wenn er seinen Landsleuten kriegsbedingte finanzielle und menschliche Opfer aufbürdet.

Isolationisten

Libertäre Republikaner wie gewerkschaftsnahe Demokraten argumentieren aus unterschiedlichen Gründen gegen das internationale Engagement ihres Landes. Erstere sind besorgt um die "innere kapitalistische Ordnung" und das wachsende Haushaltsdefizit und stellen sich gegen kostspielige Militäreinsätze und zunehmend auch gegen Freihandel. Letztere verteidigen die "sozialen Interessen Amerikas" und befürchten, dass Mittel für internationale beziehungsweise militärische Zwecke verbraucht werden und somit für innere soziale Belange fehlen.

Der "Washingtoner Konsens" ist mittlerweile, vor allem mit Blick auf den Freihandel, in den Vereinigten Staaten selbst heftig umstritten: Die "unsichtbare Hand des Marktes" produziert weltweit Gewinner, aber auch Verlierer, nicht zuletzt in den USA. Der sozioökonomisch bedingte Ausschluss großer Teile der amerikanischen Bevölkerung vom gesellschaftlichen und politischen Leben beschädigt das Fundament der US-Demokratie, namentlich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik.

Diese Entfremdung bot eine Chance für den Demagogen Trump, der die tiefe Abneigung vor allem vieler Nichtwählerinnen und Nichtwähler gegen das "Establishment" erkannte und sie im Präsidentschaftswahlkampf weiter befeuerte. Er präsentierte sich als Außenseiter, der dank seines privaten Reichtums unabhängig sei und deshalb Washingtons "Sumpf austrocknen" und Politik für alle Amerikanerinnen und Amerikaner und nicht nur für Betuchte betreiben könne.

Wer hoffte, dass sich Trump als Präsident staatsmännischer und weniger populistisch geben würde, wurde gleich bei seiner Antrittsrede im Januar 2017 eines Besseren belehrt: An seine Anhängerinnen und Anhänger gerichtet, verurteilte Trump die um ihn versammelten Amts- und Würdenträger der Nation als selbstbezogene Klasse, die es sich auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger gut gehen lasse. Das "Establishment" in Washington habe es insbesondere versäumt, die amerikanischen Interessen zu schützen – vor den "Verwüstungen, die andere Länder in den USA anrichten", indem sie amerikanische "Firmen stehlen" und "Arbeitsplätze vernichten". Gemäß seinem Credo "America first" verkündete Trump zwei einfache Regeln, um Amerika wieder zu Wohlstand und alter Stärke zu führen: "Nur amerikanische Güter kaufen und amerikanische Arbeiter einstellen." In seiner ersten Rede vor dem Kongress im Februar 2017 wiederholte er diese Forderungen. Denn er vertrete nicht die Interessen der Welt, sondern jene Amerikas. Aber selbst wenn Präsident Trump entgegen seinen isolationistischen Ankündigungen doch Freihandel betreiben wollte, würde er etwa bei der Verhandlung neuer Handelsabkommen von protektionistischen Kräften im Kongress blockiert.

Perspektiven für Deutschland und Europa

Gemäß dem wirtschaftlichen Nullsummendenken Trumps und seiner Berater sollen die Vereinigten Staaten mithilfe protektionistischer Maßnahmen im weltwirtschaftlichen Wettbewerb wieder "gewinnen" – auf Kosten anderer, insbesondere exportstarker Länder wie China und Deutschland.

Deutschland und Europa müssen sich auf mehrere mögliche Entwicklungen einstellen. Im schlimmsten Fall wird der US-Präsident versuchen, die Europäische Union zu spalten, um die handels- und währungspolitische Konkurrenz zu schwächen. Im günstigsten Fall wird er sicherheitspolitischen Druck auf die Europäer aufbauen, damit diese mehr Geld für (amerikanische) Rüstung und Sicherheit ausgeben. In jedem Fall wird die Trump-Administration sich noch intensiver als die Vorgängerregierung dem asiatisch-pazifischen Raum zuwenden, um den Rivalen China einzuhegen.

Anders als sein Amtsvorgänger Barack Obama, der seine "Hinwendung nach Asien", die Eindämmung Chinas mit einer Transpazifischen Partnerschaftsinitiative handelspolitisch im Verbund mit alliierten Ländern forcieren wollte, setzt Trump offensichtlich allein auf die Wirtschaftsstärke seiner Nation und nimmt dabei nicht nur einen Handelskrieg mit China, sondern auch Verwerfungen mit Amerikas Partnern in Kauf.

Die sich seit Längerem abzeichnende Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten und China wird weiter verschärft. US-Sicherheitsstrategen sehen im wirtschaftlichen Aufstieg und der damit einhergehenden Aufrüstung Chinas eine ernsthafte Bedrohung. Es besteht heute wieder die Gefahr sich selbst erfüllender Prophezeiungen sowie die Unsicherheitslage eines globalen Rüstungswettlaufs: vor allem zwischen China und den USA und ihren Alliierten, die Tribut für die pax americana zollen müssen – sei es in der Wirtschafts-, Handels- oder Währungspolitik.

Dies gilt umso mehr, seitdem Peking nicht mehr bereit ist, in dem Ausmaß wie bisher die Schulden der angeschlagenen Weltmacht zu finanzieren. Chinas Verantwortliche versuchen vielmehr, die eigene Wirtschaft stärker auf Binnenkonsum umzustellen und den Export mit der Seidenstraßeninitiative auch Richtung Europa zu diversifizieren, um sich vom bisherigen Hauptabnehmer USA zu emanzipieren.

Trumps bisherige Aussagen und die Zusammenstellung seines handelspolitischen Personals geben keinen Grund zur Hoffnung, dass die bereits unter seinen Vorgängern angespannten Handelsbeziehungen zu China verbessert werden. Im Gegenteil: Schon seit Längerem fordert der Ökonom Peter Navarro, nun Direktor des Nationalen Handelsrates, der chinesischen Macht die Stirn zu bieten: "Death by China: Confronting the Dragon" lautet etwa der Titel eines seiner Bücher, in denen er die wirtschaftliche und militärische Gefahr Chinas mit kräftigen Pinselstrichen an die Wand malte. Mit allen, vor allem protektionistischen Mitteln will Navarro den "Aufstieg Chinas" stoppen, den er für den "Abstieg Amerikas" verantwortlich macht.

Es war auch nur eine Frage der Zeit, bis Trump deutsche Firmen wegen ihrer Exportstärke öffentlich kritisieren würde: Deutschland konnte im vergangenen Jahr wieder mehr in die Vereinigten Staaten exportieren als es von dort importierte und einen Außenhandelsüberschuss von knapp 50 Milliarden Euro erwirtschaften. Auch Navarro beschuldigte Ende Januar 2017 Deutschland, durch die Niedrigzinspolitik der Europäischen Zentralbank andere Staaten, darunter die USA, "auszubeuten".

Deutsche Politiker und Unternehmer sollten umso mehr auf der Hut sein, als der neue Amtsinhaber im Weißen Haus ohnehin der Ansicht ist, dass Deutschland als Führungsmacht Europa dazu missbrauche, seine eigenen Interessen durchzusetzen, und die Europäische Union geschaffen worden sei, um den Vereinigten Staaten wirtschaftlich zu schaden – so Trump im Januar 2017 im Interview mit der "Bild"-Zeitung und der britischen "Times". Indem er damit auch europakritischen Stimmen auf dem Alten Kontinent das Wort redet, unternimmt er bereits Versuche, mit einer Strategie des divide et impera die Konkurrenz zu schwächen.

ist promovierter Politikwissenschaftler, USA-Experte der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik in Berlin und geschäftsführender Herausgeber des Jahrbuchs Internationale Politik. E-Mail Link: braml@dgap.de