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Ausgrabungen als Politikum | Jerusalem | bpb.de

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Ausgrabungen als Politikum Biblische Archäologie und das Davidsstadt-Projekt

Joseph Croitoru

/ 16 Minuten zu lesen

Seit jeher ist Biblische Archäologie in Jerusalem mit politischen Zielen verknüpft. Insbesondere in der Davidsstadt südlich der Altstadt wird mit Nachdruck und großem Aufwand versucht, eine ganz bestimmte Lesart der Geschichte Jerusalems zu etablieren.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts, nachdem sich die Archäologie längst als anerkannte wissenschaftliche Disziplin etabliert hatte, entwickelte sich auch die Biblische Archäologie zu einer systematischen Ausgrabungswissenschaft. Westliche Archäologen förderten im damals von den Osmanen beherrschten Palästina wie auch in anderen Ländern der Region neben den Überresten altorientalischer Kulturen nun auch Funde aus biblischer und vorbiblischer Zeit zutage. Die zionistische Bewegung erkannte bereits in ihrer frühen Phase zu Beginn des 20. Jahrhunderts die Bedeutung der Archäologie als Instrument, mit dem der biblisch begründete Anspruch der Juden auf das Heilige Land legitimiert werden könnte.

1913 riefen die Zionisten, die an den biblisch-archäologischen Forschungen in Palästina bis dahin nicht beteiligt waren, dort die Gesellschaft für die Erforschung von Eretz Israel und seinen Altertümern ins Leben. Mit dem Beginn des Ersten Weltkrieges musste sie zwar ihre Aktivitäten unterbrechen. Insgesamt aber hatte der Krieg, in dem die Briten die jahrhundertelange osmanische Herrschaft in Palästina beendeten, für das zionistische Siedlungswerk und die mit ihm verbundenen Altertumsforscher auch positive Folgen. Da sich unter der Ägide des britischen Palestine Exploration Fund englische Archäologen schon seit dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in der Region engagiert hatten, war es nur konsequent, dass die britische Mandatsregierung schon 1920 in Palästina eine eigene Archäologie-Behörde schuf. Für die zionistische Archäologie markierte dies einen Neuanfang, zumal ein Teil der jüdischen Forscher dort angestellt wurde und die Briten dem Zionismus ohnehin wohlwollend gegenüberstanden.

Frühe Grabungen

Unter der britischen Mandatsherrschaft konnte die von den Zionisten vor dem Krieg gegründete archäologische Gesellschaft, die im Ausland unter dem Namen Jewish Palestine Exploration Society bekannt wurde, ihre Aktivitäten nun weiter entfalten. Obgleich sie wegen knapper finanzieller Ressourcen nur wenige Ausgrabungen realisieren konnte, richtete sich schon damals ihr forscherisches Augenmerk auch auf Jerusalem. Zwei der ersten zionistischen Altertumsforscher, Eliezer Sukenik (1889–1953) und Leo Mayer (1895–1959), gruben in den 1920er Jahren nördlich der Jerusalemer Altstadtmauer, wo sie auf antike Mauerreste stießen, von denen sie überzeugt waren, dass es sich um Überreste jener "dritten Mauer" handelt, die der römisch-jüdische Historiker Flavius Josephus in seiner "Geschichte des jüdischen Krieges" erwähnt hatte – eindeutig bewiesen werden konnte dies allerdings bis heute nicht.

Im zionistischen Kontext blieb diese Grabung lange ein Einzelfall. Denn der Ostteil von Jerusalem sollte, nachdem er im israelisch-arabischen Krieg von 1948 von Jordanien besetzt worden war, für israelische Forscher in den nächsten Jahrzehnten unzugänglich bleiben. Mit dem Sieg im Sechstagekrieg 1967 brach für die zionistische Biblische Archäologie eine neue Ära an. Nun konnte man sich in und um die Jerusalemer Altstadt auf die Suche nach Spuren jüdischer Vergangenheit begeben. Kaum zufällig wurde die erste Grabung im eroberten östlichen Teil, an der Südwestecke des Tempelberges, von Benjamin Mazar (1906–1995) geleitet, einem der älteren prominenten Mitglieder der Jewish Palestine Exploration Society und Mitbegründer der sogenannten Jerusalemer Schule, die besonders eifrig das biblische Narrativ durch die Archäologie zu bestätigen suchte. Mazars Grabungen in den Jahren 1967 bis 1978 brachten allerdings, anders als erhofft, hauptsächlich Reste aus römisch-herodianischer und byzantinischer Zeit zutage und nur wenige Spuren jüdischer Besiedlung aus der frühislamischen Epoche.

Die Erwartungen der zionistisch ausgerichteten israelischen Archäologen und Öffentlichkeit wurden zwar enttäuscht. Doch kam der durch Mazar erbrachte archäologische Beleg für den einstigen monumentalen Charakter der herodianischen Tempelanlage ausgesprochen gelegen, da er zum Image des neuen "vereinten Jerusalem" passte, das die israelische Regierung und Jerusalems Oberbürgermeister Teddy Kollek damals für die Stadt aufbauten und das bis heute gepflegt wird. In diesen Zusammenhang gehört auch der Abriss der Überreste des einstigen jüdischen Altstadtviertels, das im Krieg von 1948 massiv zerstört worden war. Dessen bald zügig vorangetriebener Wiederaufbau, der als Symbol der Erneuerung jüdischen Lebens in Jerusalem propagiert wurde, war von Rettungsgrabungen begleitet, die von dem israelischen Archäologen Nahman Avigad (1905–1992) geleitet wurden – auf Funde aus biblischer Zeit stieß man jedoch auch hier kaum.

Kontroversen in den 1980er und 1990er Jahren

Als wenig erfolgreich erwiesen sich in den frühen 1980er Jahren auch die von dem damals für die Klagemauer zuständigen Rabbiner Yehuda Meir Getz (1924–1995) unternommenen Versuche, in den Bereich unter dem Moscheenareal des Tempelberges unterirdisch vorzudringen, wo man die Überreste des ersten, des salomonischen, Tempels vermutet. Der Versuch in diese Tabuzone vorzustoßen, wurde von palästinensischer Seite zum Teil auch mit Gewalt abgewehrt. Bei dem späteren sukzessiven Ausbau des Tunnelsystems unterhalb der Klagemauer ab den 1990er Jahren verzichteten die Israelis auf weitere derartige Abenteuer. Aber den Palästinensern lieferten sie damit dennoch genug Munition für die besonders in islamistischen Kreisen verbreitete Verschwörungstheorie, dass Israel die Tempelbergmoscheen vom Berginneren aus zu zerstören trachte. Rabbiner Getz’ Unternehmungen wurden zudem als Teil einer umfassenden Siedlungs- und Grabungspolitik gedeutet, die darauf abziele, den islamischen Charakter der Stadt auszulöschen und sie jüdisch zu vereinnahmen.

Infolge dieser Verwicklungen verlor die Biblische Archäologie in den 1990er Jahren nicht nur an Ansehen, sondern allmählich auch an Bedeutung. Auch begann eine neue Generation israelischer Archäologen die historische Zuverlässigkeit der biblischen Überlieferung zunehmend infrage zu stellen. Es ging dabei besonders um die Frage, wie die Stadt Jerusalem zur Zeit Davids und Salomons tatsächlich aussah. Die jüngeren Forscher wandten sich gegen Benjamin Mazar und seinen Kollegen Yigal Shiloh (1937–1987) – Letzterer hatte zwischen 1978 und 1985 in der sogenannten Davidsstadt südlich des Tempelberges gegraben –, die behaupteten, dass Jerusalem im zehnten Jahrhundert v. Chr., wie in der Bibel beschrieben, eine große Stadt mit mächtigen Bauten war. Am heftigsten wurde diese These von dem Tel Aviver Altertumsforscher Israel Finkelstein bestritten, der die Auffassung vertrat, dass jenes biblische Jerusalem nicht viel größer als ein Dorf war.

Diesem Expertenstreit schenkte die israelische Öffentlichkeit zunächst kaum Aufmerksamkeit. Ihr Interesse an der zionistischen Bibelarchäologie hatte mit der Zeit auch deshalb nachgelassen, weil seit den 1980er Jahren kaum noch sensationelle Funde gemacht wurden. Hinzu kam, dass die neuen archäologischen Befunde die biblische Erzählung nicht selten widerlegten oder auch widersprüchlich waren, sodass ihre wissenschaftliche Bedeutung dem allgemeinen Publikum nur schwer zu vermitteln war. Vor allem im nationalreligiösen Lager in Israel wurden die neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse ignoriert – hier wollte man nach wie vor nur das biblische Narrativ durch die Archäologie bestätigt sehen. Als jedoch im Oktober 1999 der Tel Aviver Archäologe Ze’ev Herzog in einem mit "Für die biblische Überlieferung finden sich vor Ort keine Beweise" überschriebenen Zeitungsartikel auf den schon länger in der Fachwelt herrschenden Streit aufmerksam machte, entbrannte eine vehemente öffentliche Debatte.

Davidsstadt-Projekt

Wissenschaftler wie Herzog und vor allem Finkelstein, die die Bibel nur mit Einschränkungen als verlässliche historische Quelle betrachten, gerieten unter Beschuss, am heftigsten vonseiten der rechtsgerichteten Nationalreligiösen. Und genau sie sind es, die im Verbund mit Ultraorthodoxen seit gut zwei Jahrzehnten versuchen, unter der Klagemauer und auf dem Areal der im Gebiet des palästinensischen Dorfes Silwan gelegenen sogenannten Davidsstadt südwestlich der Altstadtmauer Fakten im Sinne der zionistischen Bibelarchäologie zu schaffen.

Hier tut sich besonders die 1986 gegründete israelische Stiftung Elad hervor, die Siedlerkreisen nahesteht und die Grabungsstätte in Silwan seit 1997 verwaltet. Elad steht im Hebräischen für el Ir David ("Zur Davidsstadt"). Die Organisation, die das Grabungsprojekt konsequent zu einer touristischen Stätte ausgebaut hat, verfolgt zudem das Ziel, die jüdische Präsenz in Ost-Jerusalem zu verstärken. Zunächst finanziert durch Spendengelder, erhielt sie mit der Zeit auch Zuschüsse vom israelischen Staat, der den gesamten Bezirk zu einem nationalen Archäologiepark erklärt und der Stiftung 2002 offiziell die Zuständigkeit für die Anlage übertragen hat. Kritiker des Projekts klagten wiederholt dagegen – zuletzt 2012 vor dem Obersten Gericht –, konnten aber letztlich nichts ausrichten. So lässt Elad seit Jahren in einer rechtlichen Grauzone weiter graben. Die Grabungsarbeiten gefährden immer wieder die Bausubstanz der Häuser der palästinensischen Anwohner, die man mit umstrittenen Methoden zum Verkauf ihrer Grundstücke und Häuser zu bewegen versucht.

Die touristengerechte Vermittlung bibelfixierter Geschichtsinhalte ist in der Davidsstadt-Anlage Programm. Nicht zufällig zog sie anfangs vor allem Besucher aus nationalreligiösen und Siedlerkreisen an sowie israelische Soldaten, die das Militär im Rahmen von Erziehungskursen seit Jahren dorthin schickt. Das dort eingerichtete Besucherzentrum widmet sich hauptsächlich der biblischen und nachbiblischen jüdischen Geschichte. So ist der Rundgang, der durch verschiedene Fundstätten führt, derart gestaltet, dass die palästinensische Umgebung, in der die Grabungsstätte liegt, weitgehend ausgeblendet ist. Der Elad-Stiftung wird deshalb schon länger vorgeworfen, das ursprünglich als offener archäologischer Park konzipierte Projekt in eine jüdische Siedlung verwandelt zu haben, wo nichts anderes betrieben werde als Besatzungspolitik und Geschichtsklitterung. Solche Kritik hat bislang kaum etwas bewirkt. Allem Anschein nach führte sie aber dazu, dass im Sommer 2005 der Internetauftritt der Anlage überarbeitet wurde. Der Name der Stiftung tauchte von nun an nur noch im Impressum auf; 2007 verschwand er ganz. Bei dieser Gelegenheit wurde die Grabungsstätte auch in "Davidsstadt – das antike Jerusalem" umbenannt.

Deutungsarbeit für die Masse

Das Davidsstadt-Projekt, das seit 2013 großzügig mit staatlichen Geldern gefördert wird, ist mit den Jahren immer weiter gewachsen. Zusätzlich richtet die Elad-Stiftung seit 2000 die jährliche Tagung "Forschungen zur Davidsstadt" in Ost-Jerusalem aus, die inzwischen zu einem medienwirksamen Event geworden ist – ganz nach dem Vorbild der einstigen Zusammenkünfte der Jewish Palestine Exploration Society, die schon vor der Staatsgründung wichtige Treffpunkte für Archäologie und Politik waren. Organisiert werden die Tagungen von dem eigens dafür geschaffenen Megalim-Institut (City of David Institute for Jerusalem Studies). Megalim ist zum einen ein hebräisches Akronym für "Das Hohe Institut für Jerusalem-Studien", was der Einrichtung einen akademisch-wissenschaftlichen Anstrich verleihen soll, zum anderen bedeutet Megalim auf Hebräisch "Wir entdecken" – gemeint ist damit die Erkundung in der Bibel erwähnter Orte mit Hilfe der Archäologie.

Das Institut ist nicht nur darum bemüht, die eigene Deutung der Funde aus der Davidsstadt zu verbreiten – etwa durch die Schulung von Multiplikatoren wie Touristenführern –, sondern es scheint auch bestrebt zu sein, sich beim breiten Publikum als tonangebende Autorität in Sachen Archäologie in Jerusalem zu etablieren. Hierfür wird immer wieder der Kontakt in israelische Regierungskreise und ins akademische Establishment gesucht. So befanden sich bei den vergangenen Fachtagungen unter den Rednern sowohl Politiker als auch prominente israelische Archäologen, die das Davidsstadt-Projekt ursprünglich bewusst gemieden hatten. Sogar Israel Finkelstein folgte 2011 der Einladung, einen Vortrag zu halten – allerdings nur, wie sich dann herausstellte, um die Thesen der mit Elad assoziierten Archäologen zu widerlegen. Diese nämlich versuchen, wo immer möglich, Funde aus der Davidsstadt mit der biblischen Erzählung oder auch mit Flavius Josephus’ historischen Berichten über die jüdische Rebellion gegen die römische Präsenz in Jerusalem in Verbindung zu bringen. So verknüpfte etwa die Jerusalemer Archäologin Eilat Mazar – die Enkelin von Benjamin Mazar – den 2005 auf dem Areal der Davidsstadt von ihr freigelegten "Großen Steinbau" mit dem biblischen Narrativ und erklärte ihn kurzerhand zum Palast König Davids.

Auch wenn Finkelstein 2011 in seinem Vortrag überzeugend darlegte, dass die archäologischen Befunde Eilat Mazars These in keiner Weise bestätigen, so suggeriert doch das Bild auf dem Einband ihrer Publikation zu der Ausgrabung, die im Onlineshop der Anlage erhältlich ist, etwas anderes: Dort ist – romantisch verklärt – eine biblisch gekleidete männliche Gestalt abgebildet, die vom Balkon eines mächtigen Palastes auf die hügelige Landschaft um das alte Jerusalem blickt. Auch der Titel des Buches lässt keinen Zweifel offen, um wen es sich hier handeln soll – er lautet: "König Davids Palast". Diese Lesart vermittelt seit 2017 auch ein Video auf der Internetseite des Megalim-Instituts.

Diese Art der Präsentation kommt beim breiten israelischen Publikum, das sich für die Nuancen der anhaltenden Fachdebatten zwischen nationalistischen Bibelarchäologen und ihren Widersachern kaum interessiert, gut an. Elad hat intensiv am Ausbau des Veranstaltungsangebots in und um die Davidsstadt, das längst auch familiengerechte Aktivitäten umfasst, gearbeitet. So wird systematisch versucht, Israelis aller Gesellschafts- und Altersschichten zum Besuch und zur Teilnahme an einschlägigen Einführungskursen zu animieren, zudem gibt es eine Kooperation mit dem israelischen Erziehungsministerium, das Schulen dazu anhält, Klassenfahrten nach Jerusalem zu veranstalten, bei denen ein Besuch des Davidsstadt-Parks auf dem Programm steht. Diese Strategie scheint aufzugehen, denn die Besucherzahlen, die nach den Angaben von Elad 2017 die Marke von einer halben Million überschritten haben, steigen kontinuierlich – auch dank der an das Ausland gerichteten Werbung.

Umstrittener Museumsplan

Elad sieht sich durch solche Erfolge immer weiter gestärkt und plant, im palästinensischen Silwan direkt am Fuß des Tempelberges ein monumentales Archäologiemuseum zu errichten. Das Areal, auf dem es stehen soll, wurde lange als Parkfläche (Givati-Parkplatz) benutzt. Zwischen 2007 und 2012 gab es dort Ausgrabungen, bei denen israelische Archäologen vor allem auf Reste aus byzantinischer, römischer und frühislamischer Zeit stießen. Aus Letzterer stammt auch eine Tonscherbe mit dem Bruchstück einer hebräischen Inschrift, die nicht rekonstruiert werden und deshalb auch nicht die Theorie bestätigen konnte, dass unter der Herrschaft des Kalifen Umar ibn al-Khattab im 7. Jahrhundert in dieser Gegend Juden siedelten. Auch für die Annahme, ein Schacht aus römischer Zeit könnte jüdischen Rebellen als Versteck gedient haben, fehlt der Beweis. Unklarer Herkunft sind außerdem Baureste aus der Eisenzeit, die somit ebenfalls nicht als jüdisch klassifiziert werden können.

Wie diese Funde in dem geplanten Museum, das auch als Besucherzentrum und Verwaltungsgebäude für den Davidsstadt-Park fungieren soll, präsentiert werden, hatte die Elad-Stiftung in ihrem Entwurf nicht präzisiert. Nicht nur deshalb wurde der Plan schon kurz nach seiner Bekanntmachung Anfang 2014 von mehreren israelischen und israelisch-palästinensischen Bürgerinitiativen heftig kritisiert. Beanstandet wurde auch, dass das Bauprojekt gegen eine ganze Reihe städtebaulicher Regeln verstoße. So würde der monumentale Museumsbau durch seine Größe und seinen Standort – nur 20 Meter von der Altstadtmauer entfernt – das Jerusalemer Stadtbild massiv verändern. Die Kritiker befürchten, dass dadurch das architektonische Erbe der Stadt Schaden nehmen könnte. Außerdem berge die Platzierung direkt vor dem muslimischen Teil des Tempelberges politischen Zündstoff, weil sie als bewusste Provokation verstanden werden könnte.

Darüber hinaus wurde moniert, dass die palästinensischen Bewohner von Silwan zu keinem Zeitpunkt in die Planung einbezogen wurden. Dabei benötigten gerade sie, wo ihnen die Jerusalemer Stadtverwaltung kaum Baugenehmigungen erteile, viel dringender die Mittel und die Erlaubnis, längst überfällige Bildungs- und Sozialeinrichtungen zu bauen. Aus palästinensischer Sicht ist das Bauvorhaben untrennbarer Teil der expansiven israelischen Siedlungspolitik in Ost-Jerusalem, die darauf ziele, auf Kosten der Palästinenser vollendete Tatsachen zu schaffen.

Trotz der Proteste wurde der Museumsplan im April 2014 genehmigt, wogegen die Jerusalemer NGO Emek Shaveh und eine Gruppe von Archäologen beim zuständigen nationalen Städtebauausschuss Einspruch erhoben. Dieser führte dazu, dass Elad ein Jahr später aufgefordert wurde, die eingereichten Entwürfe zu ändern: Der Bau dürfe, hieß es nun, statt sieben nur sechs Stockwerke haben. Doch zu einer Korrektur kam es nicht. Anfang 2016 griff schließlich das israelische Justizministerium, das seit 2015 von Ayelet Shaked von der Siedlerpartei HaBajit haJehudi ("Das jüdische Heim") geleitet wird, in das Genehmigungsverfahren ein: Es forderte den nationalen Städtebauausschuss auf, über die Entwurfsänderung erneut abzustimmen, was im März 2016 geschah und damit endete, dass der Beschluss zur Korrektur des Plans revidiert wurde. Die darauf folgende öffentliche Kritik am Entscheidungsprozess des Städtebauausschusses bewirkte aber nichts: Im Juli 2017 wurde Elad offiziell die Baugenehmigung nach dem ursprünglichen Plan erteilt.

Weitere Projekte

Seitdem konnte die Elad-Stiftung weitere, für die archäologische Landschaft der Stadt möglicherweise folgenreiche Erfolge für sich verbuchen. So wurde ihr nach einem langen Rechtsstreit und trotz öffentlicher Proteste im November 2017 das Recht eingeräumt, ihre Aktivitäten auch auf die an der Südwestecke des Tempelberges gelegene archäologische Stätte "Davidson-Park" auszuweiten. Hier sind derzeit hauptsächlich Funde aus herodianischer Zeit zu besichtigen, aber auch solche aus der byzantinischen und der islamischen Epoche. Präsentation und Vermittlung sind dort weit neutraler als in der nationalistisch ausgerichteten Davidsstadt-Anlage. Kritiker befürchten aber, dass das nicht mehr lange so bleiben wird, wenn Elad diese Stätte wie vorgesehen ab Sommer 2018 betreibt.

Im Frühjahr 2017 hat Elad mit dem "Mikwe-Weg" – er liegt östlich des Davidson-Parks im sogenannten Ophel an der Außenseite der Stadtmauer direkt unterhalb der al-Aqsa-Moschee – ein weiteres ihrer umstrittenen touristisch ausgerichteten Archäologieprojekte für Besucher geöffnet. Die Anlage besteht aus einem System von Brücken und Treppengängen, und der Rundgang führt über freigelegte antike Wasserbecken, die als jüdische Ritualbäder präsentiert werden. Der Mikwe-Weg beginnt nahe dem Ort, wo künftig das umstrittene Archäologiemuseum stehen soll, und endet bei der antiken Treppe, über die man nach Ansicht mancher Forscher einst zum herodianischen Tempel gelangte. Gegner des Projekts beanstanden, dass bei der Präsentation der Funde die Überreste aus islamischer und byzantinischer Zeit zu kurz kämen – es werde eine fiktive Route konstruiert, die jüdische Tempelbesucher benutzt haben sollen.

Ähnliche Bedenken werden gegen den fortschreitenden Ausbau eines Tunnels unterhalb der Davidsstadt geäußert. Er verläuft entlang der Trasse einer freigelegten römischen Straße und soll sich bis unter die Altstadt hinziehen. Das Projekt wurde Ende 2016 von der israelischen Ministerin für Kultur und Sport, Miri Regev, und dem Jerusalemer Bürgermeister Nir Barkat als "Weg der (Tempel-)Pilger" feierlich eingeweiht. Was Elad jedoch dort sonst noch plant, blieb trotz der medialen Inszenierung ein streng gehütetes Geheimnis – bis die NGO Emek Shaveh im Sommer 2017 Licht ins Dunkel brachte, nachdem sie Einsicht in die Pläne von Elad und deren Briefverkehr eingeklagt hatte.

Wie sich herausstellte, ist für einen Abschnitt des Tunnels eine großräumige touristisch-kommerzielle Anlage geplant, die sich stilistisch an die römische Architektur anlehnen soll. Die von Emek Shaveh enthüllten Einzelheiten über die interne Korrespondenz zwischen Elad und israelischen Archäologen belegen, dass das Projekt bei führenden Wissenschaftlern der israelischen Antikenbehörde, die seit Jahren mit der Elad-Stiftung zusammenarbeitet, auf heftigen Widerstand stößt. Der Tunnelausbau, heißt es, der unterhalb eines palästinensischen Wohnviertels verläuft, sei ein nicht kalkulierbares Sicherheitsrisiko für die Ortsbewohner. Die Grabungen – die als "schlechte Archäologie" kritisiert werden – würden wissenschaftlichen Kriterien nicht genügen. Überhaupt wird das Grundkonzept des Projekts infrage gestellt: Mit der Einrichtung einer touristischen Anlage wie auch der "Rekonstruktion" eines angeblichen Weges der Tempel-Pilger würden die römischen Funde ihrer historischen Authentizität beraubt. Die komplexe Geschichte Jerusalems werde dadurch ungerechtfertigterweise "judaisiert".

Die Elad-Stiftung zeigte sich jedoch auch von dieser Kritik unbeeindruckt. Ihre Ambitionen beschränken sich neuerdings auch nicht mehr nur auf den unterirdischen Bereich, sondern streben in die Höhe. So soll die Davidsstadt eine der Stationen der für Jerusalem geplanten Seilbahn werden, deren Bau das israelische Kabinett im Mai 2017 beschlossen hat. Die Zahl der Besucher des Davidsstadt-Parks könnte dadurch nochmals kräftig steigen, so zumindest hofft dessen Leitung. Weiterhin ist Elad an den Planungen für eine 200 Meter lange Seilbrücke über das Gehinnom-Tal – einer breiten Schlucht, die sich vom Fuß des Berges Zion in östlicher Richtung bis zum Kidrontal erstreckt und an den Ostteil von Silwan grenzt – sowie für eine 800 Meter lange Gleitseilbahn im eineinhalb Kilometer südlich gelegenen "Wald des Friedens" beteiligt. Diese Pläne erregen den Zorn linker Aktivisten. So wirft Hagit Ofran, die bei der israelischen Friedensbewegung Peace Now die Aktivitäten der Siedlerbewegung beobachtet, der Stiftung vor, das historische Juwel des Landes, die Jerusalemer Altstadt und ihre Umgebung, in "einen billigen Vergnügungspark mit touristischen Attraktionen von der Art Disneylands" zu verwandeln.

Dass Elad ungeachtet aller Kritik es immer wieder vermag, ihre Pläne in die Tat umzusetzen, verdankt die Stiftung ihren guten Beziehungen sowohl zur Jerusalemer Stadtverwaltung als auch zur Politik. Ein Beleg dafür, dass dieses Band immer fester wird, ist auch die Verleihung des angesehenen staatlichen Israel-Preises 2017 an David Be’eri, den Gründer und Chef von Elad, der – trotz vehementer öffentlicher Proteste – für sein "Lebenswerk" ausgezeichnet wurde. Der für die Verleihung dieser Auszeichnung zuständige Bildungsminister, Naftali Bennett von HaBajit haJehudi, pries Be’eri als "einen der größten Erbauer Jerusalems in der modernen Zeit". "Viele Jahre", so Bennett, "haben wir davon geträumt, dafür gebetet und uns danach gesehnt, in die Stadt, in der sich David einst niedergelassen hatte, zurückzukehren, um sie wieder aufzubauen." Be’eri verwirkliche diesen Traum: "Sein Lebenswerk ist auch unser Lebenswerk." Aus der "Initiative eines Einzelnen", heißt es entsprechend in der Begründung der Jury, sei ein "nationales Werk" geworden. Dass Preisträger Be’eri ein Jahr später selbst zum Juror im betreffenden Ausschuss des Israel-Preises avanciert ist, lässt keinen Zweifel daran, dass die Elad-Stiftung auch künftig von der Regierung volle Rückendeckung erhalten wird.

ist promovierter Historiker und arbeitet als Journalist unter anderem für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und die "Neue Zürcher Zeitung".