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Editorial | Das letzte Jahr der DDR | bpb.de

Das letzte Jahr der DDR Editorial Das Ende der DDR 1989/90. Von der Revolution über den Mauerfall zur Einheit Verpasste Chancen im 41. Jahr Umkämpftes Erbe. Zur Aktualität von "1989" als Widerstandserzählung "1989" als Erzählung Die Treuhand und die Privatisierung der DDR-Presse West-Berlin. Stimmungsbilder aus dem letzten Jahr

Editorial

Lorenz Abu Ayyash

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Mit dem offiziellen Jubiläumsfest zum 40. Jahrestag der Republik beginnt am 7. Oktober 1989 das letzte Jahr der DDR. Wirtschaftsprobleme und Massenflucht setzen das SED-Regime unter Druck. Seit dem Sommer treffen sich republikweit immer mehr Bürgerinnen und Bürger, um gegen die Herrschenden zu protestieren. Am 9. Oktober sind es 70.000 Menschen in Leipzig, am 4. November 500.000 auf dem Berliner Alexanderplatz. Fünf Tage später fällt die Mauer. Die ersten freien Wahlen in der DDR im März 1990 gewinnt die von der CDU geführte Allianz für Deutschland, die für einen schnellen Weg zur deutschen Einheit steht. Nach fast 41 Jahren Teilung endet am 2. Oktober 1990 das letzte Jahr der DDR.

Diese chronologische Auflistung ist Teil einer tradierten Erfolgsgeschichte, in der kaum abgebildet wird, dass der Ausgang der friedlichen Revolution ungewiss war. Nicht wenige – vor allem in Westdeutschland – meinen, im Herbst 1989 sei der Osten geradlinig auf die deutsche Vereinigung zugesteuert. In den Hintergrund tritt oft, dass in der verschwindenden DDR unterschiedliche Positionen um die Zukunft des Landes konkurrierten. Ebenso war im Erfolgsnarrativ wenig Platz für die erheblichen wirtschaftlichen und sozialen Umwälzungen, die mit dem Vereinigungsprozess einhergingen. Das hat sich in jüngster Zeit geändert.

Wofür steht die friedliche Revolution heute, 30 Jahre nach dem Mauerfall? Wem "gehört" die Revolution, wer darf sich auf sie berufen? Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit diesen Fragen findet derzeit auf unterschiedlichen Ebenen statt: zum Beispiel in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" unter Historikern, DDR-Bürgerrechtlern und Leserinnen und Lesern in einer Debatte über den Einfluss der Oppositionellen auf die Revolution. Auf politischer Ebene taucht selbst der seinerzeit von der SED zur Einhegung der Proteste instrumentalisierte Topos einer "Wende" wieder auf, etwa wenn in Wahlkämpfen in Ostdeutschland Parallelen zwischen der Situation von 1989 und heutigen Verhältnissen gezogen werden.