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Die Gewaltökonomien der "Neuen Kriege" | Neue Kriege | bpb.de

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Die Gewaltökonomien der "Neuen Kriege"

Monika Heupel

/ 15 Minuten zu lesen

Ein typisches Merkmal der "Neuen Kriege" sind Gewaltökonomien, die auf dem Handel mit natürlichen Ressourcen basieren. Der Artikel skizziert Entstehungsbedingungen und Implikationen für die Konfliktbearbeitung und stellt Instrumente zur Schwächung von Gewaltökonomien vor.

Einleitung

Die These von der Herausbildung sogenannter "Neuer Kriege" hat in der Friedens- und Konfliktforschung eine starke Kontroverse ausgelöst. Viele der Charakteristika, die Mary Kaldor, Herfried Münkler und andere Befürworter der These den "Neuen Kriegen" zuschreiben, seien, so die Kritiker, nicht neu, sondern bereits für Kriege, die vor dem Ende des Ost-West-Konflikts ausgetragen wurden, typisch gewesen. Die These sei demnach nicht nur empirisch falsch, sondern - so eine zugespitzte Schlussfolgerung - diene darüber hinaus der Rechtfertigung militärischer Interventionen. Quantitative Studien konnten die Frage nach der Plausibilität der These von den "Neuen Kriegen" bislang nicht beantworten: Einige Studien stützen einzelne Behauptungen, andere stellen wiederum andere Thesen in Frage. Dass sich mit dem Ende des Ost-West-Konflikts die Finanzierung bewaffneter Konflikte gewandelt hat und sich mithin, wie von den Befürwortern der These behauptet, neuartige Gewaltökonomien herausgebildet haben, wird jedoch auch von Kritikern in der Regel anerkannt. Dass dies Implikationen für die Dynamiken gewaltsamer Konflikte und die Erfolgsbedingungen nachhaltiger Kriegsbeendigung hat, wird ebenfalls nicht in Abrede gestellt.

In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und Politikberaterinnen und Politikberater - zum Teil in Auseinandersetzung mit der These von den "Neuen Kriegen", zum Teil unabhängig davon - die Funktionsweise von Gewaltökonomien untersucht und Gegenstrategien identifiziert und evaluiert. Im Mittelpunkt standen dabei Gewaltökonomien, die sich aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen speisen. Prominente Beispiele sind der Diamantenschmuggel, ohne den die Kriege in Angola und Sierra Leone in den 1990er Jahren kaum hätten (weiter)geführt werden können, und der Drogenschmuggel, der bewaffneten Gruppen in Kolumbien und Afghanistan hohe Einnahmen einbringt. Der vorliegende Artikel konzentriert sich ebenfalls auf Gewaltökonomien, die auf dem Handel mit natürlichen Ressourcen basieren. Nach einer einführenden Begriffsklärung (1) folgt ein Abschnitt zu den Bedingungen und Implikationen (2); im dritten Teil werden Instrumente zur Schwächung von Gewaltökonomien vorgestellt und bewertet (3).

Begriffsklärung

Der Begriff Gewaltökonomie wird in der Literatur nicht einheitlich verwendet. Einem engen Verständnis folgend bezeichnet der Begriff schlicht die Art und Weise, wie Staaten und nichtstaatliche Akteure gewaltsame Konflikte finanzieren. Ein breites Verständnis hingegen begreift Gewalt- bzw. Kriegsökonomien als einen "soziale(n) Raum, in dem die Verteilung und Aneignung von Ressourcen gewaltgesteuert verläuft". Damit rücken die Transformationsprozesse, die Gewaltökonomien in Gesellschaften auslösen, mit in den Blick.

Befürworter der These von den "Neuen Kriegen" unterscheiden Gewaltökonomien, die sich im Kontext der Kriege nach 1990 herausgebildet haben, von Gewaltökonomien, die für frühere Kriege - vor allem die des Ost-West-Konflikts - kennzeichnend waren. Demnach haben sich die Konfliktparteien der sogenannten Stellvertreterkriege abhängig von ihrer (vorgegebenen) ideologischen Ausrichtung insbesondere über Zuwendungen von Groß- und Supermächten finanziert. Nach dem Ende des Ost-West-Konflikts, als die Zuwendungen ausblieben oder zumindest zurückgingen, bauten vor allem nichtstaatliche bewaffnete Gruppen Gewaltökonomien auf, um sich unabhängig von der Gunst mächtiger Staaten versorgen zu können. In Angola und Kambodscha etwa kompensierten die UNITA bzw. die Khmer Rouge das Ende der externen Zuwendungen mit der Vergabe von Konzessionen zur Diamantenförderung bzw. Abholzung von Wäldern. In Somalia und im südlichen Sudan plünderten bewaffnete Gruppen Hilfslieferungen für die Not leidende Bevölkerung. In Kolumbien organisierten linksgerichtete Guerillas und paramilitärische Gruppen Entführungen, erpressten Schutzgelder von Ölunternehmen und kontrollierten den Kokaanbau und -handel. Und in Afghanistan verdienten die Taliban am Opium- und Heroinschmuggel und an der Besteuerung des Warenverkehrs zwischen Afghanistan und Pakistan.

Ressourcenbasierte Gewaltökonomien zeichnen sich durch transnationale Netzwerkstrukturen und eine Verbindung zur sogenannten Schattenglobalisierung aus. So sind es in der Regel ausländische Unternehmen, die von Konfliktparteien Konzessionen zur Ausbeutung von Ressourcenvorkommen erwerben. Die Khmer Rouge etwa haben mit thailändischen Unternehmen kooperiert, die gegen die Entrichtung einer Gebühr Bäume in ihren Gebieten fällen durften. Auch der Absatz der Ressourcen erfolgt typischerweise über ausländische Unternehmen. In Angola kaufte zum Beispiel das südafrikanische Unternehmen De Beers Diamanten der UNITA auf, um sie auf der internationalen Börse in Antwerpen weiterzuverkaufen. Auch Waffenlieferungen werden für gewöhnlich über private Akteure organisiert. In einigen Fällen wie etwa in Liberia lieferten Unternehmen, denen Konzessionen für den Abbau von Ressourcen übertragen wurden, selbst Waffen und anderes Kriegsgerät. In anderen Fällen bezahlten Konfliktparteien mit den Einnahmen, die ihnen aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen zukamen, Zwischenhändler, die Waffen und Kriegsgerät vornehmlich aus Osteuropa lieferten.

Bedingungen und Implikationen

Die Beobachtung, dass seit dem Ende des Ost-West-Konflikts Kriege vermehrt über den Schmuggel natürlicher Ressourcen finanziert werden, hat Forschungen zu den Bedingungen und Implikationen solcher Gewaltökonomien angestoßen. Besondere Aufmerksamkeit wurde dabei der Frage nach dem Zusammenhang zwischen dem Ressourcenreichtum eines Landes und dem Ausbruch eines gewaltsamen Konflikts zuteil. Die Befunde sind bislang nicht eindeutig. Paul Collier und Anke Hoeffler gehen davon aus, dass das Risiko, dass in einem Land ein gewaltsamer Konflikt ausbricht, nicht zwangsläufig mit dessen Ressourcenreichtum steigt. Vielmehr sei das Risiko dann am größten, wenn der Export von Primärgütern etwa ein Drittel des Bruttoinlandsprodukts ausmacht.

Andere Autoren kommen zu dem Ergebnis, dass Staaten, die von der Ausbeutung natürlicher Ressourcen abhängig sind und in denen Konflikte um die Art und Weise der Ausbeutung und die Einkommensverteilung bestehen, einem überdurchschnittlich hohen Kriegsrisiko ausgesetzt sind. Dies erkläre sich dadurch, dass natürliche Ressourcen bewaffnete Konflikte nicht nur finanzieren sondern auch motivieren können und Ressourcenreichtum zudem häufig zur Herausbildung klientelistischer Herrschaftsstrukturen und somit zur Degenerierung politischer Systeme führt. Wieder andere Autoren betonen, dass unterschiedliche Ressourcen das Kriegsrisiko in unterschiedlichem Maße beeinflussen. Demnach erhöhe lediglich Öl das Risiko, dass es in einem Land zu einem gewaltsamen Konflikt kommt, wobei dies insbesondere für separatistische Konflikte zu gelten scheint.

Eine zweite Frage, mit der sich die Forschung auseinandersetzte, war, ob und wenn ja wie natürliche Ressourcen die Dauer gewaltsamer Konflikte beeinflussen. Demzufolge dauern bewaffnete Konflikte und Kriege, in denen sich nichtstaatliche Gewaltakteure über den Schmuggel natürlicher Ressourcen versorgen können, überdurchschnittlich lange. Allerdings müsse auch hier nach dem Einfluss unterschiedlicher Ressourcen differenziert werden. Während Kriege in Ländern mit Edelsteinvorkommen und in Ländern, in denen Opium, Koka und Cannabis angebaut wird, überdurchschnittlich lange dauern, trifft dies für Kriege in Ländern mit Ölvorkommen nicht zu.

In der Literatur werden vor allem zwei Mechanismen genannt, um den Einfluss natürlicher Ressourcen auf die Konfliktdauer zu erklären. Zum einen sei es für Konfliktparteien schlicht einfacher, Kriege am Laufen zu halten, wenn sie Zugriff auf Ressourcen haben. Und zum anderen verändere der Zugriff auf Ressourcen vielfach auch die Motive der Konfliktparteien. Demnach neigen bewaffnete Gruppen - wie beispielsweise die Kriege in der Demokratischen Republik Kongo in den 1990er Jahren gezeigt haben - mit der fortschreitenden Dauer eines Konflikts in stärkerem Maße dazu, Einkünfte aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen zu privatisieren. Um überhaupt Einkünfte zu erzielen, seien bewaffnete Gruppen in der Regel auf das Fortdauern des gewaltsamen Konflikts angewiesen. Die Motivation, den Konflikt beizulegen, sinke entsprechend.

Schließlich wurde untersucht, welche Folgen Gewaltökonomien für die dauerhafte Beendigung gewaltsamer Konflikte haben. Empirische Studien haben dabei gezeigt, dass Gewaltökonomien nach Kriegsende häufig fortbestehen und die Konsolidierung fragiler Friedensprozesse erschweren. Tatsächlich scheiterten in den 1990er Jahren mehrere Versuche der Vereinten Nationen (VN) die Implementierung von Friedensverträgen abzustützen, insbesondere deshalb, weil unzufriedene Konfliktparteien weiterhin Einkünfte aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen erzielen konnten. In Angola und Sierra Leone beispielsweise scheiterten entsprechende Versuche auch deshalb, weil die UNITA und die RUF nach wie vor hohe Einkünfte aus dem Diamantenschmuggel generieren und so ihren bewaffneten Widerstand fortsetzen konnten. In Kambodscha konnten die Khmer Rouge vor allem deshalb über mehrere Jahre die Implementierung eines umfassenden Friedensvertrags blockieren, weil sie beträchtliche Einkünfte aus dem Handel mit Edelsteinen und Hölzern für den Unterhalt ihrer Kampfverbände verwenden konnten. In Mosambik und in Zentralamerika, wo Widerstandsbewegungen den Verlust der Zuwendungen von Groß- und Supermächten nach dem Ende des Ost-West-Konflikts nicht ausgleichen konnten, waren die Voraussetzungen für erfolgreiches Peacebuilding hingegen günstiger.

Instrumente zur Schwächung von Gewaltökonomien

Gerade die großen Schwierigkeiten der VN, gewaltsame Konflikte, die über den Handel mit natürlichen Ressourcen finanziert werden, dauerhaft zu beenden, haben ein Bewusstsein für den Bedarf an effektiven Instrumenten zur Schwächung der für die "Neuen Kriege" typischen Gewaltökonomien geschaffen. Doch welche Instrumente stehen Staaten, internationalen Organisationen, Nichtregierungsorganisationen (NRO) und privaten Unternehmen zur Verfügung und wie effektiv sind sie? Grob lassen sich zwei Typen unterscheiden: Auf der einen Seite kurzfristig orientierte Instrumente, die das Ende gewaltsamer Konflikte herbeiführen und Friedensprozesse in der Anfangsphase stabilisieren sollen. Auf der anderen Seite langfristig orientierte Instrumente, die Strukturen schaffen sollen, welche die Entstehung von Gewaltökonomien verhindern und die Transformation von Kriegs- in Friedensökonomien erleichtern können.

Ein häufig angewandtes Instrument des ersten Typs sind militärische Interventionen, um bewaffnete Gruppen aus Ressourcengebieten zu verdrängen. Bei solchen Interventionen sind ganz unterschiedliche Akteure zum Einsatz gekommen. In Kambodscha entsandte die Regierung reguläre Soldaten, um die Waldgebiete entlang der Grenze zu Thailand zurückzuerobern. In Angola beauftragte die Regierung ein privates Sicherheitsunternehmen, die UNITA aus den Diamantengebieten zu vertreiben. In Sierra Leone bemühten sich Peacekeeper der VN, ihre Präsenz in die Diamantengebiete auszudehnen. Und in Liberia wurde Charles Taylors Regime entscheidend geschwächt, als von Guinea und der Elfenbeinküste unterstützte Milizen lukrative Waldgebiete unter ihre Kontrolle brachten. Militärische Interventionen haben sich als durchaus effektive Strategie zur kurzfristigen Schwächung von Gewaltökonomien erwiesen. In der Tat haben sie in mehreren Fallen die Gewaltökonomien bewaffneter Gruppen deutlich schwächen können und Druck auf bewaffnete Gruppen ausgeübt, Kriegshandlungen einzustellen. Zugleich sind militärische Interventionen aber kein Garant für dauerhaften Frieden: Einer Studie von Philippe Le Billon und Eric Nicholls zu Folge herrscht nur in der Hälfte der Fälle, in denen eine militärische Intervention zur Schwächung einer Gewaltökonomie durchgeführt wurde, fünf Jahr nach der Intervention noch immer Frieden.

Ein zweites Instrument ist die Kooptierung bewaffneter Gruppen: Bewaffneten Gruppen wird zugestanden, weiterhin Einkünfte aus dem Handel mit natürlichen Ressourcen zu erzielen, wenn sie die Kriegshandlungen einstellen und sich dazu verpflichten, die Einkünfte nicht für die Ausrüstung von Kampfverbänden zu verwenden. Alternativ wird einzelnen Kommandeuren erlaubt, weiterhin Ressourcen auszubeuten und zu veräußern, wenn sie den bewaffneten Widerstand aufgeben und sich mit ihren Einheiten von der Führung abspalten. Auch dieses Instrument kann kurzfristig Erfolge aufweisen. So ist es zum Beispiel der kambodschanischen Regierung gelungen, die Khmer Rouge zu spalten, indem sie einzelnen Kommandeuren zusicherte, weiterhin den Holzhandel in ihren Gebieten kontrollieren zu dürfen, wenn sie sich von der Führung um Pol Pot lossagten und den bewaffneten Kampf gegen die Regierung einstellten. Allerdings ist die Kooptierung bewaffneter Gruppen nicht nur moralisch fragwürdig - Akteure, die Gewalt anwenden, werden belohnt - sondern birgt auch erhebliche Risiken: Zum einen können entsprechende Zugeständnisse Nachahmer auf den Plan rufen, die sich ebenfalls Rechte auf die Ausbeutung natürlicher Ressourcen sichern wollen. Und zum anderen ist es kaum möglich, ein von der Bevölkerung akzeptiertes System der nachhaltigen Ressourcennutzung aufzubauen, wenn ehemaligen Konfliktparteien Partikularrechte übertragen werden.

Ein Instrument, das in den vergangenen Jahren große Aufmerksamkeit erfahren hat, sind multilaterale Sanktionen, die den Handel mit natürlichen Ressourcen aus Konfliktgebieten unterbinden oder zumindest einschränken sollen. Der Sicherheitsrat der VN hat seit den späten 1990er Jahren vermehrt den Handel mit natürlichen Ressourcen untersagt, dessen Erlös von nichtstaatlichen aber auch staatlichen Akteuren für die Finanzierung gewaltsamer Auseinandersetzungen verwendet wird. Bereits Anfang der 1990er Jahre unterstützte er ein Moratorium für den Export von Baumstämmen, das die kambodschanische Übergangsverwaltung erlassen hatte, um die Khmer Rouge zu schwächen. In der Folge erließ er Embargos gegen Diamanten aus Angola und Sierra Leone, die nicht mit einem Herkunftszertifikat der jeweiligen Regierung ausgestattet waren, sowie gegen Diamanten aus der Elfenbeinküste, um die Gewaltökonomien der UNITA, der RUF und der Forces Nouvelles zu schwächen. Zudem verhängte der Sicherheitsrat ein Embargo gegen Diamanten und Holz aus Liberia, um den liberianischen Präsidenten Charles Taylor dazu zu veranlassen, nicht länger als Zwischenhändler für Diamanten der RUF zu fungieren. Schließlich untersagte der Sicherheitsrat den Import von Essigsäureanhydrid, das für die Weiterverarbeitung von Opium in Heroin benötigt wird, nach Afghanistan, um Druck auf die Taliban auszuüben.

Die Wirksamkeit der Rohstoff-Sanktionen der VN ist bislang durchwachsen. Gleichwohl hat sich gezeigt, dass Sanktionen vor allem dann einen Beitrag zur Lösung von Konflikten leisten können, wenn ihre Implementierung überwacht wird. So konnten zum Beispiel in Angola die Sanktionen gegen unzertifizierte Diamanten dann Wirksamkeit entfalten, als sich das entsprechende VN-Komitee aktiv um ihre Durchsetzung bemühte und Staaten und Individuen, welche sie verletzten, öffentlich beim Namen nannte. Auch Sanktionen sind in erster Linie ein kurzfristig orientiertes Instrument, welches das Ende eines gewaltsamen Konflikts herbeiführen soll. Allerdings deutet etwa die Entwicklung des Friedensprozesses in Liberia darauf hin, dass sie durchaus auch einen Beitrag zur Konsolidierung fragiler Friedensprozesse leisten können. Dort nämlich knüpfte der Sicherheitsrat die Aufhebung des Exportverbots für Holz nach Kriegsende an die Bedingung, dass die neue Regierung Regeln und Verfahren einrichtet, die eine gerechte und nachhaltige Nutzung der Waldbestände ermöglichen.

Transnationale Zertifizierungsregime für den Handel mit natürlichen Ressourcen sind hingegen explizit auf Dauer angelegte Regelsysteme. Das fortgeschrittenste Regime dieser Art ist das 2003 in Kraft getretene Kimberley Process Certification Scheme, das den Handel mit sogenannten Konfliktdiamanten unterbinden soll und von zahlreichen Staaten, NRO und privaten Unternehmen unterstützt wird. Die Unterzeichnerstaaten verpflichten sich, nur Diamanten zu ex- und importieren, die mit Herkunftszertifikaten nationaler Zertifizierungssysteme ausgestattet sind, die wiederum vereinbarten Mindeststandards entsprechen. Der Kimberley Process hat zweifellos großes Potential, konnte bislang jedoch kaum Erfolge verzeichnen, da die Standards oft nicht durchgesetzt und Verstöße nur in Ausnahmefällen bestraft werden. Ein vergleichbares Zertifizierungsregime für den Handel mit Holz existiert bislang nicht. Allerdings gibt es gemeinnützige private Organisationen wie zum Beispiel den Forest Stewardship Council, der Prinzipien für nachhaltige Waldbewirtschaftung erarbeitet hat, nationale, subnationale und regionale Standards akkreditiert und andere Zertifizierungsagenturen überwacht. Die bisher zertifizierten Wälder befinden sich jedoch vor allem auf der weniger konfliktanfälligen Nordhalbkugel.

Ein weiteres langfristig orientiertes Instrument sind nationale Regelsysteme, die eine gerechte und nachhaltige Ressourcennutzung garantieren. Damit sind Regeln und Verfahren gemeint, welche die breite Bevölkerung angemessen an den Einkünften aus der Nutzung natürlicher Ressourcen beteiligen und Raubbau an der Natur zugunsten kurzfristiger Profite verhindern. Hintergrund ist die Überlegung, dass die Motivation, sich gewaltsam Zugriff zu Ressourcen zu verschaffen, sinken sollte, wenn es auch auf legalem Weg möglich ist, an der Ausbeutung natürlicher Ressourcen zu verdienen. Auch wenn sich mittlerweile viele Regierungen rhetorisch verpflichtet haben, solche Regelsysteme aufzubauen, hapert es durchweg an der Umsetzung. In Kambodscha etwa kam die Regierung ihren Zusagen gegenüber internationalen Gebern nicht nach, den illegalen Holzhandel zu unterbinden und die Vergabe neuer Konzessionen auszusetzen; heute schöpfen in erster Linie Regierungsmitglieder und deren Angehörige Gewinne aus dem Holzhandel ab. In Liberia stellt das System zur nachhaltigen Bewirtschaftung der Waldbestände, das die Regierung vor drei Jahren auf Druck der VN eingerichtet hat, zweifellos eine Verbesserung dar. Gleichwohl ist auch hier die Bevölkerung noch immer nicht in ausreichendem Maße am Management der Wälder und den Einkünften aus dem Holzhandel beteiligt.

Um Gewaltökonomien zu schwächen, die auf dem Handel mit Drogen basieren, stellen transnationale Zertifizierungsregime und Regelsysteme, die eine nachhaltige und gerechte Ausbeutung der Ressourcen eines Landes garantieren sollen, offensichtlich keine geeigneten Instrumente dar. Vielmehr richten sich - wie zum Beispiel in Afghanistan - zahlreiche Bemühungen darauf, alternative Erwerbsmöglichkeiten für die ländliche Bevölkerung zu schaffen, die für ihren Lebensunterhalt auf den Drogenanbau angewiesen ist. Gerade der Fall Afghanistan führt jedoch auch vor Augen, dass dies äußerst schwierig ist. Denn der Anbau von Drogen wirft mehr Geld ab als der Anbau anderer landwirtschaftlicher Produkte. Außerdem geraten Kleinbauern und -bäuerinnen, die Opium oder Koka anbauen, oft in starke Abhängigkeit von ihren Auftraggebern, so dass sie alternative Angebote häufig nicht wahrnehmen können.

Schluss

Gewaltökonomien, die auf dem Handel mit natürlichen Ressourcen beruhen, stellen eine Herausforderung für die VN und andere Akteure dar, die Kriege beenden, Friedensprozesse stabilisieren und den Ausbruch gewaltsamer Konflikte verhindern wollen. In den 1990er Jahren wurden die Herausforderungen, die sich aus dem Entstehen neuartiger Gewaltökonomien ergeben, vielfach ignoriert - zum Teil mit verhängnisvollen Folgen. Erst nach und nach bildete sich ein Bewusstsein dafür heraus, dass effektive Gegenstrategien unerlässlich sind, um der Verstetigung gewaltsamer Konflikte entgegenzuwirken und in fragilen Staaten nachhaltige Friedensstrukturen aufbauen zu können.

In den vergangenen Jahren ist unser Wissen über die Entstehungsbedingungen und die Dynamiken von Gewaltökonomien, aber auch über Präventions- und Reaktionsmöglichkeiten kontinuierlich gewachsen. Trotzdem wissen wir noch immer zu wenig darüber, unter welchen Bedingungen welche Instrumente zur Schwächung von Gewaltökonomien wirken und wie verschiedene Instrumente sinnvoll miteinander kombiniert werden können. Außerdem steckt die Forschung zum Zusammenwirken der unterschiedlichen Charakteristika der "Neuen Kriege" noch in den Kinderschuhen. Einige Forscherinnen und Forscher nehmen an, dass der Wandel der Gewaltökonomien andere Transformationsprozesse, die für den postulierten Formwandel des Krieges kennzeichnend sind, angestoßen hat. Wie aber wirken diese Transformationsprozesse auf die Gewaltökonomien zurück und inwiefern müssen Instrumente zur Schwächung von Gewaltökonomien diese Wechselwirkungen berücksichtigen? An diesen Fragen sollte die Friedens- und Konfliktforschung ansetzen - nicht nur um theoretische, sondern vor allem auch um praxisrelevante Erkenntnisse zu gewinnen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Mary Kaldor, Neue und alte Kriege. Organisierte Gewalt im Zeitalter der Globalisierung, Frankfurt/M. 2000.

  2. Vgl. Herfried Münkler, Die neuen Kriege, Reinbek 2002.

  3. Siehe u.a. Monika Heupel/Bernhard Zangl, On the Transformation of Warfare - A Plausibility Probe of the New War Thesis, in: Journal of International Relations and Development (i.E.).

  4. Klaus Schlichte, Gewinner und Verlierer: Zu den Folgen von Bürgerkriegsökonomien, in: medico international (Hrsg.), Zur Ökonomie der "neuen" Kriege: Ungeheuer ist nur das Normale, Medico-Report 24, Frankfurt/M. 2002, S. 8 - 27, hier S. 8.; ähnlich Georg Elwert, Gewaltmärkte. Beobachtungen zur Zweckrationalität der Gewalt, in: Trutz von Trotha (Hrsg.), Soziologie der Gewalt, Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Sonderheft 37, Opladen 1997, S. 86 - 101.

  5. Vgl. Francois Jean/Jean-Christophe Rufin (Hrsg.), Ökonomie der Bürgerkriege, Hamburg 1999.

  6. UniÃo Nacional para a Independência Total de Angola.

  7. Vgl. Michael Pugh/Neil Cooper (mit Jonathan Goodhand), War Economies in a Regional Context: Challenges of Transformation, Boulder/CO-London 2004.

  8. Vgl. Paul Collier/Anke Hoeffler, Greed and grievance in civil war, Oxford Economic Papers, 56 (2004) 4, S. 563 - 595.

  9. Vgl. Philippe Le Billon, The political ecology of war: natural resources and armed conflicts, in: Political Geography, 20 (2001) 5, S. 561 - 584.

  10. Vgl. Michael Ross, What Do We Know About Natural Resources and Civil War?, in: Journal of Peace Research, 41 (2004) 3, S. 337 - 356.

  11. Vgl. James D. Fearon, Why do Some Civil Wars last so much longer than others?, in: ebd., S. 275 - 301.

  12. Vgl. M. Ross (Anm. 10).

  13. Revolutionary United Front.

  14. Vgl. Monika Heupel, Friedenskonsolidierung im Zeitalter der "neuen Kriege": Der Wandel der Gewaltökonomien als Herausforderung, Wiesbaden 2005; Achim Wennmann, Resourcing the Recurrence of Intrastate Conflict: Parallel Economies and Their Implications for Peacebuilding, in: Security Dialogue, 36 (2005) 4, S. 479 - 494.

  15. Vgl. Philippe Le Billon/Eric Nicholls, Ending 'Resource Wars': Revenue Sharing, Economic Sanction or Military Intervention?, in: International Peacekeeping, 14 (2007) 5, S. 613 - 632.

  16. Vgl. M. Heupel (Anm. 14).

  17. Vgl. P. Le Billon/E. Nicholls (Anm. 15).

  18. Vgl. ebd.; M. Heupel (Anm. 14).

  19. Vgl. Karen Ballentine/Heiko Nitzschke: Die Politische Ökonomie von Bürgerkriegen: Welche Lehren für die Politik?, in: Entwicklung und Zusammenarbeit, 44 (2003) 12, S. 452 - 455.

  20. Vgl. David Cortright/George A. Lopez, Sanctions and the Search for Security. Challenges to UN Action, Boulder/CO 2002.

  21. Vgl. VN-Sicherheitsratsresolution 792 (1992).

  22. Vgl. VN-Sicherheitsratsresolution 1173 (1998).

  23. Vgl. VN-Sicherheitsratsresolution 1306 (2000).

  24. Vgl. VN-Sicherheitsratsresolution 1643 (2005).

  25. Vgl. VN-Sicherheitsratsresolutionen 1343 (2001) und 1478 (2003).

  26. Vgl. VN-Sicherheitsratsresolution 1333 (2000).

  27. Vgl. Daniel Strandow, Sanctions and Civil War: Targeted Measures for Conflict Resolution, Uppsala University, Department of Peace and Conflict Research 2006, S. 27, in: www.smartsanctions.se/litera ture/strandow_content060926.pdf (2.9. 2009).

  28. Vgl. David J.R. Angell, The Angola Sanctions Committee, in: David M. Malone (Hrsg.), The UN Security Council: From the Cold War to the 21st Century, Boulder/CO-London 2004, S. 195 - 204.

  29. Vgl. Partnership Africa Canada/Global Witness, Loupe Holes: Illicit Diamonds in the Kimberley Process, Report vom 28.10. 2008, in: www.globalwit ness.org/media_library_detail.php/674/en/loupe_hole s_illicit_diamonds_in_the_kimberley_proc (2.9. 2009).

  30. Vgl. Antonina Ivanova, Linking Sustainability and Security: The Case of Timber Certification, University of Bradford, Department of Peace Studies, Working Paper, (2007) 10, in: www.brad.ac.uk/acad/peace/pu blications/papers/psp10.pdf (2.9. 2009).

  31. Vgl. Global Witness, Deforestation without limits: How the Cambodia government failed to tackle the untouchables, Report vom 1.7. 2002, in: www.global witness.org/media_library_detail.php/84/en/deforesta tion_without_limits (3.9. 2009).

  32. Vgl. Ian Smillie/Alfred Brownell (eds.), Land Grabbing and Land Reform: Diamonds, Rubber and Forests in the New Liberia, Partnership Africa Canada/Association of Environmental Lawyers of Liberia, Occasional Paper, (2007) 17, in: www.pacweb.org/Do cuments/diamonds_KP/17_Liberia-Land-Grabbing-Re form_Jul2007.pdf (3.9. 2009).

  33. Vgl. Vanda Felbab-Brown, Afghanistan: When Counternarcotics Undermines Counterterrorism, in: The Washington Quarterly, 28 (2005) 4, S. 55 - 72.

  34. z.B. M. Heupel/B. Zangl (Anm. 3).

Dr. rer. pol., geb. 1975; wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Transnationale Konflikte und Internationale Institutionen am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Reichpietschufer 50, 10785 Berlin.
E-Mail: E-Mail Link: heupel@wzb.eu