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68 in den Betrieben Die Bewegung von 68 und die Forderung nach mehr Mitbestimmung für Arbeitnehmer

Wolfgang Schroeder Viktoria Kalass Mitbestimmung als Institution Viktoria Kalass Wolfgang Schroeder

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Mitsprache, Demokratisierung und individuelle Teilhabe waren zentrale Forderungen – auch in den Betrieben. Die bestehenden Mitbestimmungsgesetze wurden als unzureichend und destruktiv kritisiert, was in den 70er Jahren zu einer Überarbeitung der Gesetze führte.

Bis heute umkämpft: Das Recht auf Mitbestimmung für Arbeitnehmer (© AP)

Die Forderung, Arbeitnehmer demokratisch an Entscheidungsprozessen in der Wirtschaft zu beteiligen, war seit jeher grundlegender Bestandteil der deutschenArbeiterbewegung. Die Mitbestimmung ist also alles andere als eine originäre Forderung der 68er-Bewegung. Im Gegenteil: Diese übte zuweilen heftige Kritik an einer Mitbestimmung, die sie als Ursache dafür identifizierte, dass grundlegende Alternativen und Reformen kaum eine Chance in Deutschland haben.

Aus der herrschaftskritischen Perspektive der 68er-Bewegung war die Mitbestimmung - getragen von gewerkschaftlichen oder betriebsrätlichen Repräsentanten – eine Institution, die eher dazu beitrug, den herrschenden Status quo zu zementieren als ihn zu überwinden. Rückblickend kann trotzdem davon gesprochen werden, dass die 68er-Bewegung einen Anteil daran hat, dass der Ausbau und die Vertiefung der Mitbestimmungsrechte in den 70er Jahren voran gebracht werden konnten.

Denn sie war sowohl durch ihre Kritik an einer institutionellen Einführung der Mitbestimmungsidee wie erst recht durch ihre Forderung nach einer stärkeren Betroffenen-Partizipation zugleich ein leidenschaftlicher Fürsprecher einer selbstbewussten Mitbestimmungspraxis, wie sie der damalige Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) mit seiner Forderung: "Mehr Demokratie wagen" für eine ganze Epoche beeindruckend zuspitzte.

InfoboxMitbestimmung in Deutschland: Historische Entwicklung

Die Mitbestimmung, heute fest verankerter Bestandteil des Wirtschaftslebens, blickt auf eine mehr als 150jährige Geschichte zurück. Erste Versuche, eine Vertretung von Arbeitnehmerinteressen gesetzlich zu verankern, wurden im Rahmen der Paulskirchenbewegung 1848/49 unternommen. Damals wurde in der Nationalversammlung der Entwurf einer Gewerbeordnung eingebracht, die eine Bildung von Fabrikausschüssen auf betrieblicher Ebene sowie Fabrikräten und Gewerbekammern auf überbetrieblicher Ebene vorsah.

1891 wurde erstmals ein Gesetz verabschiedet, dass die Bildung von Arbeiterausschüssen in Unternehmen auf freiwilliger Basis ermöglichte. Wenige Jahre später (1900 bzw. 1905) wurden unter dem Druck von Streiks Arbeiterausschüsse in allen Bergwerken Preußens und Bayerns mit mehr als 100 Beschäftigten eingeführt.

Im ersten Weltkrieg war schließlich die Zustimmung der Gewerkschaften zum Hilfsdienstgesetz nötig, um möglichst viele Männer zwischen 17 und 60 Jahren zur Arbeit in der Rüstungsindustrie bzw. in einem kriegswichtigen Betrieb zu verpflichten. Im Gegenzug gelang es, Arbeiter- und Angestelltenausschüsse in allen Betrieben, die mehr als 50 Beschäftigte zählten und überdies für die Kriegsindustrie bedeutend waren, zu etablieren.

1920 wurde das Betriebsrätegesetz verabschiedet, dass die Bildung von Betriebsräten in allen Betrieben ab 20 Beschäftigten ermöglichte. Zwei Jahre später folgte ein Gesetz, das die Entsendung von Betriebsratsmitgliedern in den Aufsichtsrat von Kapitalgesellschaften zuließ. Das Betriebsrätegesetz von 1920 bildet, wenn auch die Mitspracherechte zunächst begrenzt blieben, die Grundlage unserer heutigen Betriebsverfassung.

In der Bundesrepublik existieren gesetzlich gesicherte Betriebsverfassungs- und Mitbestimmungsgesetze. Erstmals wurden diese als nationale Gesetze zu Beginn der 50er Jahre verabschiedet und sind seitdem mehrfach überarbeitet worden. Eine Novellierung der Mitbestimmungsrechte von Arbeitnehmern erfolgte in den 70er Jahren.

Auch wenn immer Mal wieder prominente oder weniger prominente Stimmen aus dem Arbeitgeberlager ihr Unbehagen an der deutschen Mitbestimmung artikulieren, scheint es doch so, dass alle politischen Lager grundsätzlich ihren Frieden mit der Institution der Mitbestimmung als Bestandteil des bundesrepublikanischen Wirtschafts- und Sozialmodells geschlossen haben. Selbst BDA und BDI, die Spitzenverbände der Deutschen Industrie, stimmen der Einbeziehung von Arbeitnehmern in unternehmerische und betriebliche Entscheidungen zu.

Dennoch wird besonders im Zuge von Europäisierung und Globalisierung allerorts eine institutionelle Überarbeitung der Mitbestimmungspraxis gefordert. Hier gehen die Vorstellungen von Gewerkschaften und Arbeitgebern sowie zwischen den politischen Lagern jedoch auseinander: Während die einen darauf pochen, die Mitbestimmung auch über die nationalen Grenzen hinaus zu sichern, indem sie auch auf die Produktivität und Innovationsfähigkeit mitbestimmter Unternehmen verweisen, drängen andere auf eine Flexibilisierung und Verschlankung von Mitbestimmungsregularien, weil diese die internationale Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen beeinträchtigten würden.

Mitbestimmung im Kontext von 1968

Die Protestbewegung von 1968, häufig verkürzt auch als Studentenbewegung bezeichnet, wurde in erster Linie von Angehörigen der Mittelschicht getragen. Ausgehend von den Studenten- und Schülerprotesten der "68er" wirkte ihr Engagement auch im Sinne einer Wertebewegung, die gewissermaßen eine Teil-Neugründung der Bonner Republik im mentalen und partizipatorischen Denken und Fühlen einleitete.

Die Tatsache, dass sich die 68er Bewegung in zuweilen unversöhnlich gegeneinander stehende Strömungen spaltete, muss auch für die Mitbestimmungsfrage berücksichtigt werden. Ein Teil schrieb sich den "Marsch durch die Institutionen" auf die Fahnen und engagierte sich verstärkt in Parteien und Verbänden, die dadurch einen beachtlichen Mitglieder- und Beteiligungszuwachs verbuchen konnten.

Ein anderer Teil wandte sich den "neuen sozialen Bewegungen" zu und unterstützte damit neue Formen von Mitsprache und Direktbeteiligung, jenseits der etablierten gesellschaftlichen Kräfte. Ein kleiner Teil befürwortete eine gewaltsame Auseinandersetzung mit der herrschenden Politik, die bei einigen Wenigen sogar im Terrorismus endete.

Es war schließlich der 1969 neu gewählte Bundeskanzler Willy Brandt, der bereits in seiner Antrittsrede deutlich machte, dass er den Geist der neuen Zeit, nach veränderten und verstärkten Formen der demokratischen Mitsprache als wesentlichen Teil seiner Politik verstand:

"Wir wollen mehr Demokratie wagen. [...] Wir werden darauf hinwirken, daß [...] jeder Bürger die Möglichkeit erhält, an der Reform von Staat und Gesellschaft mitzuwirken. [...] Mitbestimmung, Mitverantwortung in den verschiedenen Bereichen unserer Gesellschaft wird eine bewegende Kraft der kommenden Jahre sein."

Mitbestimmung war ein existentieller Bestandteil des sozialliberalen Reformprojektes. Mit der Reform des Betriebsverfassungs- 1972 und der Verabschiedung des Mitbestimmungsgesetzes 1976 konnte dieses Programm politisch umgesetzt werden, wenn auch mit vielen Abstrichen. Einige vor und im Kontext der 68er Bewegung situierte Konflikte, die besonders prägnant für den Anspruch warben, "mehr Demokratie zu wagen", werden im Folgenden kurz exemplarisch dargestellt.

Septemberstreiks

Auch in Deutschland versuchten Studenten, die Arbeiter von ihren Zielen zu überzeugen. (© Günter Zint)

Die so genannten Septemberstreiks stehen für eine eigenständige betriebliche Politik von Arbeitergruppen, ohne eine gezielte Führung der überbetrieblichen Gewerkschaften. Im Gegenteil dokumentieren diese Streiks Kritik an der gewerkschaftlichen Lohnpolitik.

Ausgangspunkt dieser Aktivitäten war die Arbeitsniederlegung von 3000 Stahlarbeitern der Dortmunder Hoesch Werke am 2. September 1969. Diese hatten 20 Pfennig mehr Lohn pro Stunde gefordert. Als die Geschäftsleitung nur 15 Pfennig anbot, legten sie die Arbeit nieder. Am Folgetag beteiligten sich bereits 24.000 Hoesch-Arbeiter an der Aktion, so dass die Unternehmensleitung den Forderungen nachgab. Der Erfolg löste eine spontane Streikwelle aus, die auf andere Branchen übergriff und erst durch Konzessionen der Arbeitgeber beendet werden konnte.

Die Gewerkschaftsführungen waren von den Protesten der Basis überrascht worden. Da die Tarifverträge für die betroffenen Unternehmen noch liefen, die Gewerkschaften also offiziell der Friedenspflicht unterlagen, konnten sie die Streiks auch dann nicht unterstützen, wenn sie es gewollt hätten, ohne sich über die bestehenden Regularien der Arbeitsbeziehungen hinweg zusetzen. Als jedoch die Arbeitgeber Entgegenkommen signalisierten, bemühten sich die Gewerkschaften um die Aufnahme neuer Tarifverhandlungen und schafften es so, sich an die Spitze der Basisproteste zu stellen.

Hintergrund des Aufbegehrens der Mitglieder war die lohnpolitische Zurückhaltung der Gewerkschaftsführungen in den vorangegangenen Lohnrunden. Diese Basis-Proteste veranschaulichen auch den Wunsch der Mitglieder nach mehr Mitspracherechten bei innergewerkschaftlichen Willensbildungsprozessen.

Lehrlingsproteste

Galten die Proteste zunächst als Domäne der Studenten und Schüler, so regte sich gegen Ende der 60er Jahre auch in den Reihen der Lehrlinge Widerstand gegen die Organisation der Ausbildung in Betrieben und Berufsschulen. Im Herbst 1968 schlossen sich Lehrlinge in Hamburg zusammen, um Missstände im Ausbildungswesen aufzudecken. Sie bemängelten den von den Meistern eingeforderten bedingungslosen Gehorsam der Auszubildenden ("Lehrjahre sind keine Herrenjahre"), den Missbrauch von Lehrlingen für Hilfsdiensttätigkeiten und verlangten mehr Demokratie und Selbstbestimmung im Ausbildungsbereich.

Besonders erfolgreich waren die Lehrlinge der Stadtwerke Frankfurt, denen es gelang ihre Interessen im Rahmen eines Streiks durchzusetzen. Die Auszubildenden wehrten sich beispielsweise gegen die von den Meistern je nach innerbetrieblichem Bedarf erzwungenen Berufswechsel während der Ausbildung, gegen Kündigungen ohne Angabe von Gründen während der Probezeit und verlangten ein Einspruchsrecht für Lehrlinge in Personal- und Ausbildungsfragen. Ferner sollte der Arbeitgeber jegliche Benachteiligungen oder Repressionen für Teilnehmer des Streiks verbindlich ausschließen. Nach einer Woche Streik willigte der Oberbürgermeister der Stadt als verantwortlicher Arbeitgeber ein und erfüllte die Lehrlingsforderungen.

Die Interessen der Auszubildenden wurden von Jugendorganisationen der Gewerkschaften und der Parteien aufgenommen und so in den politischen Raum getragen. 1969 wurde das Berufsbildungsgesetz verabschiedet, das das Ausbildungsverhältnis auf eine gesetzliche Grundlage stellte und somit wesentlichen Forderungen der Jugendlichen entsprach. Und im Zuge der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes wurden die Rechte der Jugendvertreter, als eigene Sektion innerhalb der betriebsinternen Arbeitnehmervertretung, erweitert.

Unterschiedliche Vorstellungen von Mitbestimmung

Beide hier angeführten Beispiele wurden autonom von Arbeitnehmern initiiert, ohne dass die Gewerkschaften von Beginn an aktiv in die Protestbewegungen der Beschäftigten einbezogen waren. Zwar schafften es die Gewerkschaften letztlich, sich an die Spitze der Arbeitnehmer zu setzen und deren Forderungen im Sinne der eigenen Organisationsinteressen umzumünzen; dennoch wurden an dieser Stelle Differenzen zwischen Mitgliedern und Gewerkschaftsführung offenbar. So können sowohl Lehrlingsproteste als auch Septemberstreiks durchaus als eine kritische Stellungnahme der Basis an den etablierten Gewerkschafts- und Mitbestimmungsstrukturen verstanden werden.

So verfolgten Mitbestimmungsbefürworter, die besonders im Lager der Gewerkschaften zu finden waren und Anhänger der 68er Proteste, zivilgesellschaftliche Emanzipation und einen Ausbau von Partizipationschancen für den einzelnen Bürger verlangten, mit ihren jeweiligen Forderungen jeweils unterschiedliche Ziele.

Die Gewerkschaften traten für eine Demokratisierung der Wirtschaft ein, die unter anderem durch Mitbestimmung realisiert werden sollte. Verstärkte Mitsprache im Sinne der Gewerkschaften ging jedoch weniger vom einzelnen Arbeitnehmer aus, sondern vielmehr von etablierten Institutionen wie Betriebsrat oder Arbeitnehmervertretern im Aufsichtsrat, die stellvertretend für alle Beschäftigten in wirtschaftliche Entscheidungsprozesse eingebunden werden sollten.

Diese Delegation von Mitspracherechten wurde seitens der 68er Anhänger kritisch beurteilt. Die 68er verstanden sich selbst als emanzipatorische Befreiungsbewegung, um jedem Bürger individuelle Partizpationschancen einzuräumen. Es sollte, um das Individuum gehen, das aus Systemzwängen, die ihrerseits entweder von etablierten Institutionen geschaffen zumindest aber aufrecht gehalten wurden, befreit werden müsse.

Die 68er Bewegung zielte auf einen grundlegenden Wandel des bundesrepublikanischen Wirtschafts- und Sozialmodells; manche Stimmen forderten gar einen Systemumsturz, der mit einer sozialistischen Revolution eingeläutet werden sollte. Den Gewerkschaften wurde vorgeworfen, mit ihren Mitbestimmungsvorstellungen letztlich eine Stabilisierung der etablierten Strukturen herbeiführen zu wollen.

Und auch im Lager der Gewerkschaften wurden Stimmen laut, die den gewerkschaftlichen Mitbestimmungsforderungen zustimmten, aber darüber hinaus eine verstärkte Einbeziehung oder auch Berücksichtigung des einzelnen Arbeitnehmer (direkte Mitbestimmung am Arbeitsplatz, betriebsnahe Ausrichtung der Tarifpolitik, etc.) verlangten.

Zentrale Gemeinsamkeiten und Unterschiede

Was sind also die zentralen Gemeinsamkeiten und Unterschiede der gewerkschaftlich dominierten Mitbestimmungs- und der studentisch geprägten 68er-Bewegung? Beide fordern eine weitergehende Demokratisierung der Bonner Republik. Mehr Demokratie soll in beiden Vorstellungen mittels verstärkter Partizipation realisiert werden. Während das Partizipationsmodell der 68er jedoch stärker vom einzelnen Bürger aus gedacht ist, sieht das gewerkschaftliche Mitbestimmungsmodell eine Delegation von Mitspracherechten an Institutionen vor, die stellvertretend für den einzelnen Arbeitnehmer an Entscheidungen im Bereich der Wirtschaft beteiligt werden.

Obschon die jeweiligen Vorstellungen von Partizipation und Beteiligung differierten, profitierte die Mitbestimmungsbewegung, die sich in den 60er Jahren herausbildete, von den 68er-Protesten. Wenngleich die Mitbestimmung seit jeher Bestandteil gewerkschaftlicher Forderungen war und die 68er Bewegung ihrerseits den etablierten Beteiligungsformen gegenüber kritisch eingestellt war, führte gerade die Intensität, mit der die unzureichende Mitbestimmungspraxis öffentlich thematisiert wurde, dazu, dass die Mitbestimmungsgesetzgebung in den 70er Jahren überarbeitet wurde.

In dieser Zeit sahen sich Mitbestimmungsbefürworter von einem allgemeinen gesellschaftlichen Aufbegehren gegen Obrigkeitsstaatlichkeit, einem gestiegenen Interesse des Einzelnen an Politik und dem daraus resultierenden Wunsch nach mehr Partizipation und Mitgestaltung in ihren Zielen unterstützt. Beflügelt vom Zeitgeist der 68er Proteste gelang es dann schließlich, die Mitbestimmungsgesetze der 50er Jahre weiterzuentwickeln und den Wünschen der Arbeitnehmer nach mehr Mitsprache anzunähern.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Der Politologe Wolfgang Schroeder, geboren 1960 in Mayen, war von 2003-2006 Leiter der Abteilung Sozialpolitik beim Vorstand der IG Metall. Seit 2006 ist er Professor an der Universität Kassel mit dem Fachgebiet Politisches System der BRD und Innovation.

Viktoria Kalass, geboren 1980 in Paderborn, studierte Politikwissenschaft, Mittlere und Neuere Geschichte und Anglistik (Magister) an der Universität zu Köln. Frau Kalass ist seit April 2008 Mitarbeiterin am Lehrstuhl von Prof. Dr. Wolfgang Schroeder. Forschungsschwerpunkte: Industrielle Beziehungen, Gewerkschaften.

Mit dem Begriff der Mitbestimmung werden die institutionalisierten Beteiligungsrechte von Arbeitnehmern an betrieblichen und unternehmerischen Belangen bezeichnet. Diese Teilhaberechte werden in der Regel nicht unmittelbar vom einzelnen Arbeitnehmer selbst wahrgenommen, sondern im Sinne der repräsentativen Demokratie delegiert.

Durch die diversen Mitbestimmungsgesetze soll sichergestellt werden, dass wirtschaftliche Macht nicht missbraucht wird. Zudem soll die Mitbestimmung dem wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt dienen, indem die Interessen der arbeitenden Menschen Eingang in die ökonomischen Entscheidungsprozesse finden.

Mitbestimmung existiert auf verschiedenen Ebenen. In privatrechtlichen Betrieben mit mindestens fünf Beschäftigten kann ein Betriebsrat gewählt werden. Dieser vertritt die Interessen der Belegschaft gegenüber dem Management bzw. der Geschäftsführung und verfügt über abgestufte Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte in personellen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen. Dabei ist der Betriebsrat einerseits dem Schutz der Arbeitnehmer verpflichtet, andererseits unterliegt er der Friedenspflicht – kann also selbstständig keinen Arbeitskampf organisieren – und ist zur Kooperation mit der Geschäftsleitung im Sinne des Unternehmenswohls verpflichtet.

Auf Unternehmensebene entsenden Arbeitnehmer Interessenvertreter in den Aufsichtsrat, der die Arbeit des Vorstands kontrollieren soll. Die Beteiligungsrechte der Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat sind nach Größe und Branche des Unternehmens gestaffelt. In Kapitalgesellschaften mit mindestens 2000 Beschäftigten entsenden Arbeitnehmer und Arbeitgeber die gleiche Anzahl an Vertretern. Diese wählen mit 2/3 Mehrheit den Aufsichtsratvorsitzenden. Findet im ersten Wahlgang keine Einigung statt, kann die Kapitalseite ihren Kandidaten durchsetzen. Kritiker sprechen von einer Scheinparität, da die Vertreter des Kapitals im Zweifelsfall immer ein Übergewicht besäßen.

Demgegenüber verstanden Wirtschaftsvertreter die Mitbestimmung zunächst als wesentliche Einschränkung ihrer unternehmerischen Freiheit und bezweifelten gar die Verfassungskonformität des 1976 verabschiedeten Mitbestimmungsgesetzes. Diese Klage wurde jedoch von den Richtern des Bundesverfassungsgerichts abgewiesen.