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Die Deutschen an der Weichsel

Thomas Urban

/ 18 Minuten zu lesen

Von der Wanda, die den Deutschen nicht wollte bis zum Deutschen, der die Wanda nicht will. Das Verhältnis der Deutschen zur Weichsel hat nie einen geraden Lauf genommen.

Panorama der Weichsel in Krakau. Im Hintergrund der Wawel, die Königsburg. (Wladyslaw Sojka, Externer Link: www.sojka.photo, Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by/3.0/de

Wanda und die Deutschen

Um die Hand der Krakauer Prinzessin Wanda hielt der deutsche Herzog Rüdiger an. Als diese ihn aber abwies, schwor der Herzog, sich für diese Schmach zu rächen: Er rüstete ein Ritterheer aus und zog gegen Krakau. Eine Belagerung begann, die Krakauer sahen Hunger und Not heraufziehen. Herzog Rüdiger bot den sofortigen Abzug seiner Truppen an, wenn Wanda ihm doch ihre Hand gäbe. Das wollte die Prinzessin aber nicht. Doch wollte sie auch nicht, dass die Deutschen ihre Stadt brandschatzen. Sie fand einen Ausweg: Sie stürzte sich in die Weichsel und ertrank.

Dies ist die Kurzfassung der in Polen sehr bekannten Sage von "Wanda, die keinen Deutschen wollte". Die aus dem Mittelalter überlieferte Sage belegt ganz zweifelsfrei, dass es in Krakau schon damals Spannungen zwischen dem alteingesessenen polnischen Adel und Ankömmlingen aus den deutschen Landen gab, dass diese Trennlinie also aus dem Mittelalter stammt. Es ist auch der erste Hinweis darauf, dass die Weichsel in den deutsch-polnischen Beziehungen immer wieder eine bedeutende Rolle gespielt hat. An ihren Ufern lebten zunächst Polen und Deutsche in friedlicher Symbiose, die allerdings immer wieder durch heftige Zusammenstöße gestört wurde.

In allen polnischen Residenzstädten stellten deutsche Kaufleute und Handwerker mit ihren Zünften eine bedeutende Wirtschaftsmacht dar, die sie auch in politischen Einfluss ummünzen konnten. Dies brachte die Siedler und ihre Nachkommen unvermeidlich in einen Gegensatz zum polnischen Adel und auch zum Klerus.

Die politische Macht der Städter war so groß, dass sie sich Ende des 13. Jahrhunderts in die Streitigkeiten um die polnische Thronfolge einschalten konnten. So hatten sie ihren Anteil daran, dass 1291 der böhmische König Vaclav (Wenzel) II., ein Vasall des deutschen Kaisers, die Macht in Krakau übernehmen konnte. Eigentlich hatte der kleinwüchsige polnische Herzog Władysław Łokietek (1260-1333), in deutschen Chroniken irreführend Ladislaus Ellenlang genannt, Anspruch auf die Krakauer Burg erhoben, der Adel unterstützte ihn dabei, doch war er militärisch zu schwach, um sich durchzusetzen. Zum Groll des polnischen Adels bot Vaclav daraufhin dem Kaiser an, die Lehnsherrschaft über Polen zu übernehmen. Die wichtigsten Hofämter besetzte er mit Gefolgsleuten, darunter einige deutsche Ritter.

Als Vaclav 1305 starb, konnte sich Łokietek endlich die Herrschaft sichern. Als er aber wegen eines Kriegszugs für längere Zeit Krakau verließ, beschlossen die deutschen Ratsherren unter Führung des Stadtvogts Albert, ihm die Rückkehr zu verwehren. Grund waren offenbar die hohen Kriegssteuern, die der Herzog den Kaufleuten abverlangt hatte. Die Schlüssel der Stadt trugen sie Herzog Bolko aus dem schlesischen Oppeln an, der zwar mit Łokietek verwandt, gleichwohl aber auch Vasall des deutschen Kaisers war.

Doch nach einigen Monaten kehrte Władysław Łokietek an der Spitze eines großen Heeres zurück. Bolko sah die Nutzlosigkeit jeden Widerstandes ein und übergab ihm die Stadtschlüssel. Łokietek hielt anschließend Strafgericht: Zahlreiche der deutschen Patrizier wurden vor den Stadttoren aufgehängt, ihr Besitz wurde eingezogen. Albert kam mit dem Leben davon, er durfte im Gefolge Bolkos abziehen. In der deutschen Geschichtsschreibung galt später der "Aufstand des Vogtes Albert" im Jahr 1311 als Meilenstein im Kampf für das "Deutschtum im Osten", in den polnischen Annalen aber war dieser schlicht ein Verräter.

Ein folgenschwerer Hilferuf

Drei Jahre zuvor, 1308, hatten weichselabwärts in Danzig die Gefolgsleute Łokieteks eine bittere Niederlage hinnehmen müssen: Die aufstrebende Hafenstadt hatte vielerlei Begehrlichkeiten geweckt. Die deutschen Ratsherren lehnten sich gegen die Erhöhung der Steuern durch den lokalen polnischen Adel auf und baten die Brandenburger um militärischen Beistand.

Der Kommandant der polnischen Garnison auf der Danziger Burg beging nun einen folgenschweren Fehler: Er bat den Deutschen Orden, der bereits Land auf der rechten Seite der Weichselmündung besaß, gegen die Brandenburger um Hilfe. Der Herzog Konrad von Masowien, der Großvater Łokieteks, hatte die Ordensritter zwei Generationen zuvor ins Weichselland gerufen, weil er Unterstützung im Kampf gegen die heidnischen Prussen im heutigen Masuren brauchte.

Die Ordensritter, die die militärische Supermacht der damaligen Zeit waren, verjagten im Handumdrehen die Brandenburger aus Danzig – um sich dann gegen ihre Auftraggeber zu wenden. Sie plünderten erst die Stadt, setzten die polnischen Adligen fest und enthaupteten mehr als ein Dutzend von ihnen. Auch diese politische Kehrtwendung wurde später in der deutschen Geschichtsschreibung als Ruhmestat gefeiert, die polnischen Chronisten aber empörten sich über das "Gemetzel von Danzig".

Wladyslaw Łokietek begriff, dass die Ordensritter seine Herrschaft gefährdeten, und versuchte, sie aus dem Land zu drängen. Seine Rechtsberater führten an, sie hielten widerrechtlich polnisches Land besetzt. Ein päpstlicher Legat gab ihm Recht. Doch die Ordensritter erwirkten, offenbar mit Unterstützung des deutschen Kaisers, in Rom eine Aufhebung des Schiedsspruchs. Wenig später starb Łokietek.

Sein Sohn Kasimir III. (Kazimierz, 1310-1370) strengte einen neuen Prozess an. 1339 fand die Verhandlung auf halbem Weg zwischen der Residenz Krakau und dem Ordensland am Unterlauf der Weichsel statt, in dem Städtchen Warschau. Wieder bekam die polnische Krone Recht. Doch der Deutsche Orden ignorierte den Schiedsspruch und blieb. Der "Warschauer Prozess", der den Eintritt der Stadt in die große Geschichte markierte, blieb also folgenlos.

Kooperation statt Konflikt

Kasimir lernte aus dem Prozess: Er beendete alle Konflikte mit den Nachbarn im Westen, er verzichtete auf Schlesien und auf Danzig. Der größere Teil der von der polnischen Krone und dem deutschen Reich ausgehandelten Grenzen sollte sechs Jahrhunderte halten – bis zum Zweiten Weltkrieg. Kasimir nahm somit den endgültigen Verlust der Kontrolle über die Weichselmündung hin, sicherte aber seine Herrschaft an ihrem Oberlauf.

Er machte nicht nur seinen Frieden mit den deutschen Patriziern und Siedlern, die sein Vater noch bekämpft hatte, sondern ließ vor allem Baumeister und Handwerker in den deutschen Landen anwerben. Sie leisteten einen entscheidenden Beitrag zu dem in jedem polnischen Geschichtsbuch stehenden Satz: "Kasimir fand ein Polen aus Holz vor und hinterließ eines aus Stein."

Das gute Einvernehmen zwischen der polnischen Krone und dem von deutschen Ratsherren dominierten Stadtrat belegt auch der Krakauer Fürstentag von 1364. Aus Anlass der Hochzeit des deutschen Kaisers Karl IV. mit einer Enkelin Kasimirs gab Bürgermeister Nikolaus Wirsing ein Festmahl, an dem insgesamt fünf gekrönte Häupter teilnahmen.

Überdies gab Kasimir den in anderen europäischen Ländern verfolgten Juden in seinem Königreich Rechte. In Krakau siedelten sie sich vor allem in der Weichselniederung unterhalb der Königsburg an, der neue Stadtteil war nach ihm benannt: Kazimierz. Auch dehnte er das Königreich erheblich nach Osten aus. Er ging als "Kasimir der Große" in die Geschichte ein.

Polen und Deutsche gegen die Ordensritter

Eine Ansichtskarte der Marienburg von 1893. Im Vordergrund die Nogat. (Public Domain, Wikimedia Commons) Lizenz: cc publicdomain/zero/1.0/deed.de

Doch das Ringen um die Kontrolle der Weichsel hielt an. Der Deutsche Orden demonstrierte seine Macht mit der Marienburg, dem größten Bauwerk nördlich der Alpen. Doch im Laufe der Jahrzehnte verschoben sich die Gewichte zugunsten der polnischen Krone. Die deutschen Patrizier von Danzig, überdrüssig der Steuern, die ihnen der Orden abpresste, stellten sich unter den Schutz des Königs, bewahrten aber ihre politische und wirtschaftliche Autonomie.

Die Deutschen von Danzig bejubelten auch den Sieg des polnisch-litauischen Heeres gegen die Ordensritter in der Schlacht von Tannenberg/Grunwald 1410. Sie wurde zwarInterner Link: zum polnischen Mythos, wie auch das viereinhalb Jahrhunderte später entstandene monumentale Gemälde von Jan Matejko belegt. Doch hatte die Schlacht keinerlei strategische Bedeutung. Denn der Deutsche Orden verteidigte in der Folge seine Burgen an der Weichsel und stellte auch seine Herrschaft über Danzig wieder her.

Nach mehreren erfolglosen Erhebungen gelang es den Danzigern schließlich fast zwei Generationen später doch im Bunde mit überwiegend deutschsprachigen Adligen, die sich zum Preußischen Bund zusammengeschlossen hatten, sich gegen die Ordensritter durchzusetzen. 1454 zog eine Delegation aus Danziger Patriziern und preußischen Adligen weichselaufwärts, um König Kasimir IV. (1427-1492) die Herrschaft über ihr Land anzubieten, falls dieser ihre autonomen Rechte respektiere. Nach einigem Zögern und weiteren militärischen Auseinandersetzungen mit dem Deutschen Orden garantierte der König schließlich den Danzigern das Große Privileg. Er unterzeichnete die vorgefertigte Urkunde, deren entscheidender Satz lauteten: "Geben wir und verleyen unnsir stadt Danczk das sie zcu ewigen geczeiten nymands von eynem herrn halden noch gehorsam zcu weszen seyn sullen in weltlichen sachen."

Mit der Militärmacht des polnischen Königs im Rücken konnten es sich die Danziger leisten, den Unterlauf der Weichsel für den Orden zu sperren. Ihre Flotte griff 25 Patrouillenboote der Ordensritter an und versenkte sie. Ohne die Einnahmen aus dem Wegezoll waren diese nicht mehr in der Lage, die für den neuen Krieg angeworbenen Söldner zu bezahlen. 1455 musste der Orden die Marienburg an die rebellierenden Söldner verpfänden – und diese verkauften sie an den polnischen König.

Die Deutschen und die Blüte von Krakau

Zeichnete sich somit der Niedergang des Deutschen Ordens ab, so erlebten die deutschen Patrizier von Krakau zur selben Zeit ihre Glanzzeit. Weiterhin dominierten sie den Stadtrat und die Zünfte. Sie wurden so reich, dass sie eine eigene Kathedrale bauten – die Marienkirche. In ihr wurde auf Deutsch gepredigt. Die Patrizier brachten die Mittel auf, den berühmtesten und teuersten Bildhauer in die Stadt zu holen, Meister Veit Stoß (1447-1533) aus Nürnberg. Er schuf den 13 Meter hohen Interner Link: Hauptaltar der Marienkirche und blieb drei Jahrzehnte an der Weichsel.

In dieser Zeit zog die Krakauer Universität Gelehrte und Studenten aus ganz Europa an. Zu ihnen gehörte Nikolaus Kopernikus, der aus einer deutschsprachigen Familie stammte. Später wurde er Mitglied des preußischen Landtags und stellte sich, wie ein Großteil der preußischen Ritterschaft am Unterlauf der Weichsel, gegen den Deutschen Orden.

Auch wurde Krakau eines der Zentren der neuen Buchdruckerkunst. Auch dieses Gewerbe war zunächst fast in deutscher Hand. Ein deutscher Meister druckte erstmals ein Buch in polnischer Sprache, ein theologisches Traktat mit dem Titel Raj duszny (Seelenparadies). Dem Verleger Johannes Haller (1463-1525) gestand die Kirche gar das Monopol auf den Druck von Messbüchern zu. Heute gilt er als Patron der polnischen Buchdrucker.

Die vom König Sigismund I. (1467-1548) angeordnete Öffnung der Zünfte auch für Polen führte indes zunächst zu Spannungen. So musste 1501 der Stadtrat der Zunft der Hutmacher befehlen, getrennte Herbergen für polnische und deutschsprachige Gesellen einzurichten, weil es zwischen beiden Gruppen immer wieder zu Prügeleien gekommen war.

Die wirtschaftliche und kulturelle Blüte der Stadt an der Schwelle vom 15. zum 16. Jahrhundert ging in die Annalen als das "goldene Zeitalter" ein. Auch die politische Macht von König Sigismund erreichte ihren Höhepunkt, markiert durch die "Krakauer Huldigung" 1525, ein Markstein der polnischen Geschichte, den ein weiteres Mal Jan Matejko später bildlich umsetzte: Der König nahm die Huldigung durch den letzten Hochmeister des Deutschen Ordens, Albrecht von Hohenzollern, entgegen, der auch sein Neffe war. Sie bedeutete faktisch die Kapitulation der Ordensritter, nachdem sie bei ihren Versuchen, mit militärischen Mitteln ihre alte Machtposition wieder herzustellen, gescheitert waren.

Der polnische König stimmte der Umwandlung von Teilen des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum zu. Zusammen mit den Ländereien des preußischen Bundes entstand später daraus Preußen. Bei den Feierlichkeiten in Krakau aber dachte niemand an künftige Gegnerschaft, im Gegenteil: Polnische Adlige und Ordensritter feierten gemeinsam erst einen Dankgottesdienst auf dem Wawel und anschließend ein großes Fest.

Zunehmend verwischten sich die Grenzen zwischen der alteingesessenen Bevölkerung und den Nachkommen der Siedler aus den deutschen Landen. Vor allem nahm die Zahl der Eheschließungen zwischen polnischen Adligen und deutschen Patriziertöchtern zu. Den einen war es dabei meist um das Vermögen zu tun, den anderen um Ehre und Titel. Die Krakauer Deutschen polonisierten sich innerhalb weniger Generationen, wie sich aus den Taufregistern ablesen lässt: Immer häufiger hießen die Söhne Jan statt Johann oder Paweł statt Paul. 1537 wurde per königlichen Erlass Polnisch die Predigtsprache der Marienkirche, im Jahr 1600 auch Sprache sämtlicher Gerichte in Krakau.

Warschau wird Hauptstadt

Die königliche Residenz war vier Jahre zuvor flussabwärts nach Warschau verlegt worden. Der Grund: Der aus dem schwedischen Hause Vasa stammende König Sigismund III. (1566-1632) hoffte, auch den Thron in seinem Heimatland besteigen zu können. Warschau lag mehrere Tagereisen näher an Stockholm. Die Sigismundsäule auf dem Schlossplatz zeugt bis heute von dieser folgenreichen Entscheidung.

Die Hoffnungen Sigismunds sollten sich indes nicht erfüllen. Zwar wurde er nach dem Tod seines Vaters auch König von Schweden. Doch wollte ausgerechnet einer seiner Onkel ihn nicht anerkennen, er stellte sich an die Spitze einer Adelsfronde. Sigismunds Söldnertruppen unterlagen in diesem kurzen Krieg. Er kehrte nach Warschau zurück, Schweden sah er nie wieder. Insgesamt regierte er 44 Jahre lang an der Weichsel, ohne sich allerdings je Mühe zu geben, Polnisch zu lernen. Hofsprache war zu seiner Zeit Deutsch. Dies hatte seine Frau Anna durchgesetzt, eine Habsburger Prinzessin. Und nicht nur dies: Am Warschauer Hof wurde die Wiener Hofetikette eingeführt. Auch kamen in ihrem Gefolge zahlreiche Adlige und Beamte, die Schlüsselpositionen am Hofe einnahmen. Ein Chronist hielt über die neuen Sitten an der Weichsel fest: "Unter den deutschen Herren hat sich das dem Volke so unsympathische deutsche Wesen eingeschlichen, und die im Volke gärende Verbitterung gegen den König nimmt ständig zu."

Mit der streng katholischen Anna kamen auch Jesuiten nach Warschau. Sie setzten gemeinsam mit der Königin den auch in Glaubensdingen eher lauen Sigismund so unter Druck, dass er die Weichen für die Gegenreformation in Polen stellte. Als Anna nach nur vier Jahren Ehe, in denen sie fünf Kinder zur Welt brachte, starb, heiratete Sigismund ihre damals 17 Jahre alte Schwester Konstanze, die nicht minder fromm war. Ihre sieben Brüder ließ sie größtenteils von deutschen Lehrern und Künstlern unterweisen, doch mussten sie auch Polnisch lernen. Mit dem Tod Sigismunds 1632 verließen die meisten der deutschen Adligen die Stadt.

Sachsen an der Weichsel

Es vergingen zwei Generationen, bis wieder Deutsche an der Weichsel in höchste Ämter aufstiegen: 1697 wurde der sächsische Kurfürst Friedrich August II. (1670-1733) von der Adelsversammlung zum polnischen König gewählt. Wegen seiner Körperkraft bekam er den Beinamen "der Starke". Unter ihm und seinem Sohn August III. (1696-1763) wurde Warschau zur europäischen Metropole ausgebaut. Es entstanden zahlreiche Barockbauwerke. Der italienische Maler Bernardo Bellotto, genannt Canaletto, hat sie auf Leinwand verewigt. Die Bauwut der Sachsenkönige, ihre verschwenderische Hofhaltung und mehrere erfolglose Kriegszüge ruinierten allerdings den Staatshaushalt. Als August III. 1763 starb, war die Krone nicht nur mit dem polnischen Adel völlig zerstritten, sondern auch außenpolitisch am Ende, weil sie nicht mehr über ausreichende Mittel verfügte, ein schlagkräftiges Heer aufzustellen.

Der Niedergang des Königreichs Polen war wegen seiner Finanzprobleme und der politischen Lähmung der Krone durch den Adel nicht aufzuhalten. Die drei Nachbarn – Preußen, Österreich, Russland – nutzten seine innere Schwäche, um in drei Schritten zwischen 1772 und 1795 Interner Link: das Land unter sich aufzuteilen. König Stanisław Poniatowski wurde zur Abdankung gezwungen. Der Oberlauf der Weichsel mit Krakau kam zu Österreich, der Unterlauf einschließlich der begehrten Hafenstadt Danzig zu Preußen, das zunächst auch das Mittelstück mit Warschau bekam.

Preußen in Warschau

Dort marschierte Anfang 1796 ein 10.000 Mann starkes preußisches Kontingent ein. An den Verwaltungsgebäuden wurden Wappen mit dem schwarzen preußischen Adler angebracht, Warschau wurde zum Verwaltungssitz des Bezirks Südpreußen herabgestuft. Eingerahmt von preußischen Gardesoldaten mit bedrohlich aufgepflanzten Bajonetten leistete ein Teil des Adels und des Klerus bei einer Versammlung im Königsschloss den Treueeid auf die preußische Krone. Stadtgouverneur wurde der Generalleutnant Ludwig Ägidius von Köhler.

Von der Regierung in Berlin bekam er den Auftrag, jedweden "jakobinischen Aufruhr" an der Weichsel im Keim zu ersticken. In einem Bericht hieß es: "Warschau ist gewiss ein Sammelplatz von revolutionären und bösen Leuten, die vom Ausland und besonders von Frankreich her ihre Direktion erhalten."

Auf dem Stadtgebiet ließ von Köhler insgesamt 116 Militärposten einrichten, auch überwachten mehrere Abteilungen der preußischen Geheimpolizei die Warschauer Elite. Die "Rebellgesinnten" wurden zur preußischen Armee eingezogen und mussten alle Härten des Drills über sich ergehen lassen. Das Königsschloss stand leer, abgesehen vom Abgeordnetensaal. In ihm wurde eine evangelische Kapelle eingerichtet, was als Demütigung für die katholischen Polen gemeint war. Dass das Hauptgebäude des Schlosses zunehmend verwahrloste, war ebenfalls gewollt: Den Warschauern sollte auf diese Weise der Untergang ihres Königreiches vor Augen geführt werden. Zu den preußischen Beamten, die zum Dienst nach Warschau abgeordnet wurden, gehörte der junge Justizassessor Ernst Theodor August (E.T.A.) Hoffmann (1776-1822). Zu seinen Aufgaben gehörte es vermutlich auch, die jüdische Bevölkerung, deren Rechtsstatus verbessert wurde, zu registrieren und ihr auch Familiennamen zu geben.

Genau zehn Jahre lang blieben die Preußen an der Weichsel, bis Napoleon 1806 mit seinen Truppen von Westen her anrückte. Generalleutnant von Köhler verließ Warschau rechtzeitig, er wurde von zahlreichen polnischen Adligen verabschiedet. Diese waren ihm dankbar dafür, dass er jegliche revolutionäre Bestrebungen unterdrückt und somit ihnen ihr Eigentum gerettet hatte.

Als Napoleon im Dezember 1806 in Warschau eintraf und die neue polnische Regierung empfing, kam es fast zum Eklat: Denn der Verteidigungsminister, Fürst Józef Poniatowski, trug den preußischen Schwarzadlerorden, den ihm König Friedrich Wilhelm II. verliehen hatte. Napoleon äußerte sich später abfällig über den Warschauer Adel. Dieser war wiederum von dem Korsen enttäuscht, weil er die Bitten ignorierte, das Königreich Polen wiederherzustellen.

Nach Napoleons Niederlage dachten die Sieger auf dem Wiener Kongress 1815 erst recht nicht daran, den Polen, die an seiner Seite gekämpft hatten, ihren Staat wieder zu geben. Krakau blieb bei Österreich, der Unterlauf der Weichsel bei Preußen, Warschau aber kam zum Zarenreich. Formal entstand zwar das Königreich wieder, doch die Königswürde ging auf den Zaren über.

Warschau im Ersten Weltkrieg

Genau nach 100 Jahren endete die russische Herrschaft an der Weichsel: Deutsche Truppen rückten 1915 in Warschau ein. Den deutschen Offizieren wurden von der Heeresleitung befohlen, sich höflich aufzuhalten, der Bevölkerung müsse vermittelt werden, dass sie nun vom russischen Joch befreit sei.

Der deutsche Generalgouverneur Hans von Beseler berief ein polnisches Bürgerkomitee, das eine neue Verwaltung aufbauen sollte. Der Vorsitzende des Komitees, Fürst Zdzisław Lubomirski, wurde nach einem Jahr zum Bürgermeister ernannt. Allerdings traten an die Spitzen der Behörden zunächst deutsche Beamte, so dass Deutsch und Polnisch gleichzeitig Amtssprachen waren. Auch mussten die Warschauer Betriebe für die deutsche Kriegswirtschaft arbeiten. Überdies verschlechterte sich die Versorgungslage zunehmend. Im Frühjahr 1916 kam es zu einer großen Streikwelle.

Zu dieser Zeit hatte sich die deutsche Militärmaschine bereits an der Westfront festgefahren. Die Oberste Heeresleitung beschloss daher, eine schnelle Entscheidung im Osten herbeizuführen. Die Polen sollten dafür als Bündnispartner gewonnen werden, polnische Truppen sollten beitragen, die Russen zur Kapitulation zu zwingen. Berlin gab die Parole von einer "Interessengemeinschaft von Deutschen und Polen" aus.

Am 5. November 1916 proklamierte von Beseler im Warschauer Königsschloss in Gegenwart von Vertretern der Warschauer Elite und der katholischen Kirche das Königreich Polen. Überall in der Stadt hingen nebeneinander schwarz-weiß-rote und weiß-rote Fahnen. Am nächsten Tag wurden Plakate in der Stadt geklebt, in denen die Warschauer aufgefordert wurden, sich freiwillig zu den neuen polnischen Streitkräften zu melden. Allerdings fanden sich nur sehr wenige Freiwillige. Das zweite Problem für die deutschen Besatzer bestand darin, dass sich kein Kandidat für die polnische Königswürde gefunden hatte. Sie setzten daher einen vorläufigen Regentschaftsrat ein, der einen König ausfindig machen sollte.

Dazu kam es allerdings nicht mehr. Mit dem Waffenstillstand, der am 11. November 1918 den Ersten Weltkrieg beendete, übernahmen die Polen wieder die Macht in ihrer Hauptstadt. Der Führer der polnischen Legionen, Józef Pilsudski, der nun "amtierendes Staatsoberhaupt" war, erklärte, die Polen würden "keine Rache für deutsche Sünden nehmen" und gestattete den deutschen Truppen einen Abzug in Ehren.

Kommentatoren der Warschauer Presse aber schmähten sie als "geschlagene Kreuzritter". 21 Jahre später kehrte ein Teil von ihnen zurück – in den Uniformen von Wehrmacht und SS.

Naziherrschaft an der Weichsel

Anlass für den Zweiten Weltkrieg war – wieder einmal – ein Konflikt um Danzig. Die Siegermächte hatten auf der Konferenz von Versailles entschieden, die Stadt aus dem Deutschen Reich herauszulösen, obwohl mehr als 95 Prozent der Einwohner Deutsche waren. Außenpolitisch wurde die Freie Stadt Danzig von Polen vertreten, auch unterstand die Stadt der polnischen Zollhoheit. Im Morgengrauen des 1. September 1939 eröffnete das Schulschiff "Schleswig-Holstein" das Feuer auf die Westerplatte, auf der sich eine polnische Kaserne befand, und gab somit das Signal zum Krieg.

Der Angriff der Wehrmacht auf Polen war für die Warschauer und Krakauer keine Überraschung, die polnischen Zeitungen hatten seit Wochen Kriegsstimmung verbreitet und vor allem einen schnellen Sieg der eigenen Truppen in Aussicht gestellt. Um so größer war der Schock, dass bereits am zweiten Kriegstag deutsche Sturzkampfbomber mehrere Weichselstädte bombardierten und dass schon nach weniger als drei Wochen die Bodentruppen den Strom erreichten.

Noch unmittelbar vor dem deutschen Einmarsch in Warschau und Krakau war in der polnischen Elite die Hoffnung verbreitet, dass man auch diese neue Besatzung überstehen werde. Man erinnerte sich daran, dass im Ersten Weltkrieg die Deutschen im Großen und Ganzen korrekt aufgetreten waren. Doch diese Hoffnungen erwiesen sich sehr bald als falsch: Die NS-Führung strebte an, Polen als Kulturnation auszulöschen.

Als erstes erfuhren dies die Professoren der Jagiellonen-Universität in Krakau, die nach dem Ende der Kampfhandlungen im Oktober sich auf die Wiedereröffnung der Universität und den Beginn des neuen Semesters vorbereiteten. Ein Großteil von ihnen folgte der Einladung zu einer Informationsveranstaltung der Besatzungsbehörden über den "deutschen Standpunkt in den Wissenschafts- und Hochschulfragen". Dort aber trat ein SS-Offizier auf, barsch verkündete er, dass die polnische Hochschule aufgelöst sei. Die Professoren wurden von SS-Männern rüde festgenommen, die meisten kamen in Konzentrationslager. Eine große Gruppe von ihnen wurde in Auschwitz erschossen. Nur ein kleiner Teil kam nach internationalen Protesten wieder frei.

Es war der Auftakt zu einer gnadenlosen Jagd auf "Kulturträger", wie es im NS-Sprachgebrauch hieß. Dazu gehörten die Vertreter aller akademischen Berufe ebenso wie Offiziere und Priester. Mehr als 2000 polnische Geistliche wurden von den Deutschen ermordet, darunter fünf Bischöfe. Alle höheren Bildungseinrichtungen wurden geschlossen, den polnischen Kindern wurde nur eine vierjährige Volksschule zugestanden. Auch erklärten die Besatzer alle polnischen Organisationen und Vereine für aufgelöst, ihr Vermögen beschlagnahmten sie.

Dieses Verbot betraf auch Sportclubs. Polen war es bei strenger Strafe untersagt, organisiert Sport zu treiben. Wer an verbotenen Fußballspielen teilnahm, dem drohte das Konzentrationslager. In Auschwitz fanden rund drei Dutzend Spieler der nun aufgelösten Warschauer und Krakauer Spitzenvereine den Tod. Die Deutschen organisierten an der Weichsel eine eigene Fußballliga, an ihr nahmen Mannschaften der bewaffneten Formationen, der Reichspost, der Ostbahn sowie mehrerer Rüstungsbetriebe teil. Das in der Weichselniederung gelegene Stadion der Polnischen Streitkräfte in Warschau hieß nun Wehrmachtsstadion", das Krakauer Wisła-Stadion "Deutsche Kampfbahn". Die NS-Propaganda schrieb unter Berufung auf die deutschen Patrizier des Mittelalters, darunter den Burgvogt Albert, von der "alten deutschen Stadt Krakau".

Auf der Wawel-Burg residierte der Generalgouverneur Hans Frank, ein skrupelloser und raffgieriger Günstling Hitlers. Dem von ihm angeordneten Terror fielen Zehntausende von Angehörigen der polnischen Führungsschicht zum Opfer. Er gehörte auch zu den Hauptverantwortlichen für die Judenverfolgung in seinem Herrschaftsgebiet. Nur ein Bruchteil der in den Ghettos von Krakau und Warschau zusammengepferchten Juden überlebte die deutsche Schreckensherrschaft.

Warschauer Aufstände

Denkmal des Warschauer Aufstands in Warschau (Dhirad, Externer Link: Wikimedia Commons) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Die Weichselmetropole Warschau erlebte zwei Aufstände gegen die Besatzer: Im Frühjahr 1943 erhob sich die heimlich gegründete "Jüdische Kampforganisation" gegen die SS, war aber mit ihrer völlig unzureichenden Bewaffnung völlig chancenlos, der Ghetto-Aufstand wurde grausam niedergeschlagen.

Anderthalb Jahre später, im Spätsommer 1944, versuchte die Untergrundarmee AK angesichts der heranrückenden Roten Armee, Warschau unter ihre Kontrolle zu bringen. Der Aufstand war zwar militärisch gegen die Deutschen, aber politisch gegen den Kreml gerichtet, denn die Polen wollten ihre Befreiung nicht der Roten Armee zu verdanken haben. Da Stalin dies sofort begriff, ließ er die Rotarmisten auf dem rechten Weichselufer abwarten, während die Waffen-SS ein Blutbad unter der Zivilbevölkerung anrichtete; die Zahl der Toten wird auf bis zu 150.000 geschätzt. Anschließend machten Pioniereinheiten der Wehrmacht die Innenstadt einschließlich aller Kirchen, Paläste, Museen, Theater und Bibliotheken dem Erdboden gleich.

Krakau entging diesem Schicksal. Warum, darüber sind sich die Historiker uneins: die einen machen dafür einen schnellen Vorstoß der Roten Armee verantwortlich, andere meinen, der zuständige Wehrmachtsgeneral habe den Zerstörungsbefehl aus Berlin schlicht ignoriert. Stattdessen habe er den sofortigen Rückzug befohlen und somit der Stadt auch erspart, Schauplatz eines Häuserkampfes zwischen sowjetischen und deutschen Truppen zu werden.

Hans Frank hatte sich zu diesem Zeitpunkt längst nach Westen abgesetzt, auch hatte er rechtzeitig ganze Wagenladungen an geraubten Kunstgegenständen abtransportieren lassen. Wenige Tage nach der deutschen Kapitulation fiel er im Mai 1945 der amerikanischen Militärpolizei in die Hände. Das Kriegsverbrechertribunal von Nürnberg verurteilte ihn zum Tode, er starb am Galgen. Zeitzeugen berichteten, er habe sich als Herrscher über Leben und Tod auf der Wawel-Burg über den lateinischen Spruch mokiert, der während der Renaissance über dem Zugang zu den königlichen Gemächern eingemeißelt worden war: "Respice finem!" – Auf deutsch: "Bedenke das Ende!"

Die Weichsel ist polnisch

Mit dem Rückzug der deutschen Besatzer aus den beiden früheren Königsresidenzen war auch abrupt die Jahrhunderte lange Geschichte der Deutschen an der Weichsel geendet. Die Erinnerung an den deutschen Besatzungsterror wirkt bis heute nach: Gerade in den ostpolnischen Wojewodschaften, durch die die Weichsel fließt, gewinnen auch zwei Generationen später bei Wahlen fast durchweg Kandidaten und Parteien, die unter Berufung auf die Kriegserfahrung der Nation vor einer deutschen Dominanz in Europa warnen und die deutsch-polnische Zusammenarbeit möglichst begrenzen wollen. Daran konnten auch Bitten um Vergebung für die Kriegsverbrechen, die Bundespräsidenten und Bundeskanzler bei Besuchen in Warschau ausgesprochen haben, wenig ändern.

Doch was den Politikern in nur geringem Maße gelungen ist, schaffte in den polnischen Städten ein junger deutscher Kabarettist: Steffen Möller spielte bei seinen Auftritten von Krakau über Warschau bis Danzig nicht nur mit deutsch-polnischen Vorurteilen, sondern nahm auch aus der gemeinsamen Geschichte herrührende Phobien aufs Korn. Er zitierte E.T.A. Hoffmann, der sich über manche Sitten in Warschau mokierte, aber seine polnische Frau Michalina heiß und innig liebte. In einem seiner Programme erzählt Möller in Umkehrung der bekannten Krakauer Sage von dem "Deutschen, der Wanda nicht wollte". So hat er mit leichter Ironie den Kreis der Geschichte der Deutschen an der Weichsel geschlossen.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Thomas Urban ist seit 1988 Redakteur der Süddeutschen Zeitung und war viele Jahre Korrespondent in Warschau. Er schrieb unter anderem Von Krakau bis Danzig. Eine Reise durch die deutsch-polnische Geschichte