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"Foto Haber"

Oliver Baumgarten

/ 3 Minuten zu lesen

Frisch aus der Haft entlassen, folgt Gábor Csiky dem Tipp eines Mithäftlings und stellt sich beim Fotografen Háber vor. Hinter dessen Laden, Fotó Háber, verbirgt sich die wichtigste Filiale eines Spionagerings. Schnell gewinnt Csiky das Vertrauen von Háber und wird bei der Entwendung einer volkswirtschaftlich wichtigen Erfindung eingesetzt. Die Aktion gelingt, doch dann häufen sich die Fehlschläge: Gibt es einen Maulwurf bei Fotó Háber?

Szenenfoto aus "Foto Haber". (© Magyar Nemzeti Filmarchívum)

Der 1963 gedrehte ungarische Film Fotó Háber / Foto Haber von Regisseur Zoltán Várkonyi ist ein perfektes Beispiel dafür, dass auch in Osteuropa der Genrebegriff eine große Rolle spielte. Genrefilm meint in diesem Zusammenhang einen Unterhaltungsfilm, der sich an einer Reihe ähnlich gearteter populärer Filme orientiert, indem er bestimmte Elemente durchspielt und variiert. Fotó Háber ist in diesem Sinne ein Werk, das sich dem Agentenfilm über den Kriminalfilm nähert und klassische Elemente von Krimi und Agentenfilm vereint. So hält der Film seine Zuschauer lange über die Hintergründe im Dunkeln, typische Spionageutensilien kommen zum Einsatz, es wird chiffriert und dechiffriert, undercover gearbeitet, geschossen und verschleiert. Kurzum: Die wichtigsten Elemente, wie sie aus Filmen westlicher Herkunft bekannt sind, finden sich auch in diesem ungarischen Klassiker.

Der Film in DatenFoto Haber

Originaltitel: Fotó Háber
Internationaler Titel: Haber's Photo Shop
Ungarn 1963, 108 Min., OmU

Regie: Zoltán Várkonyi
Darsteller: Éva Ruttkai, Zoltán Latinovits, Miklós Szakáts u. a.

Der Stellenwert eines solchen Genrefilms war durchaus hoch, wie unter anderem die Tatsache beweist, dass Fotó Háber hochkarätig besetzt ist. In der Hauptrolle des Gábor Csiky ist mit Zoltán Latinovits der größte Star des ungarischen Kinos der 1960er- und 1970er-Jahre zu sehen. Er und der weibliche Star des Films, Éva Ruttkai, waren im Ungarn der 1960er-Jahre ein Traumpaar wie O.W. Fischer und Ruth Leuwerik, mit dem Unterschied, dass sie auch privat liiert waren.

Welche Auswirkungen die Opposition der beiden politischen Systeme in Ost und West und die damit einhergehenden Spionage- und Agententätigkeiten der Länder auf das Leben der Menschen seinerzeit hatte, beweist auch die Biografie des dritten Hauptdarstellers, der Háber, den titelgebenden Fotografen und zugleich Chef eines Spionagerings spielt: Miklós Szakáts. Der 1920 geborene Szakáts hatte sich 1943 im besetzten Ungarn dem antifaschistischen Widerstand angeschlossen und geholfen, zahlreichen Juden die Flucht aus dem Lande zu ermöglichen. Bereits während dieser Zeit knüpfte er erste Kontakte mit dem britischen Geheimdienst.

Nach Ende des Krieges wurde Miklós Szakáts Schauspieler und heiratete Tamara Nijinsky, die Tochter des legendären Balletttänzers Vaslav Nijinsky. 1956 kam es in Ungarn zum Volksaufstand, einer bürgerlich-demokratischen Revolution gegen die kommunistische Diktatur und die sowjetische Besatzung. Binnen weniger Tage wurden das Einparteiensystem durch Pluralismus ersetzt und der Austritt aus dem Warschauer Pakt erklärt. Dann allerdings, nur einige Wochen später, marschierte die Sowjetarmee in Budapest ein und schlug den Aufstand mit Gewalt nieder. Seine Lenker und Denker wurden hingerichtet, Tausende in Haft genommen, während das Regime unter János Kádár als Generalsekretär der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei reinstalliert wurde.

Miklós Szakáts führte während des Volksaufstandes das Revolutionskomitee der Schauspieler in Budapest an. Nach dem Scheitern des Aufstandes kamen er und ein Kollege in Haft. Während der Kollege zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde, entließ man Szakáts bereits nach acht Wochen. Er bekam umgehend ein Engagement an einem renommierten Budapester Theater, erhielt einen Pass und Reiseerlaubnis. Was war passiert? Hatte sich das Kádár-Regime seiner antifaschistischen Aktionen im Krieg erinnert? Eher nicht. Man hatte Miklós Szakáts als Informanten für die kommunistische Geheimpolizei angeworben. Unter dem Codenamen "Cyrano" schrieb Szakáts in den 1960er-Jahren unzählige Reporte über Kollegen und die politische Atmosphäre in ungarischen Theatern. Allerdings wusste die kommunistische Geheimpolizei nicht, dass Szakáts gleichzeitig alte Kontakte zum britischen MI5 wieder aktivierte und parallel an die Briten und später auch an die CIA berichtete. Erwiesenermaßen war Miklós Szakáts mehrfach in der britischen Botschaft zum Essen geladen und feierte den Independence Day in der Budapester US-Botschaft.

Erst 1969 reiste Szakáts nach London aus und ersuchte in der dortigen US-amerikanischen Botschaft um Asyl. Die Kommunisten wollten in Budapest seine guten Verbindungen nach Israel für eine antizionistische Aktion nutzen, da das Regime glaubte, von Zionisten unterwandert zu sein. Dies führte zu bizarren antisemitischen Aktionen, an denen Szakáts unter keinen Umständen beteiligt sein wollte. Ihm wurde Asyl gewährt. Später zog er in eine "Safe Town" der CIA nach Dakota, wo er bis Mitte der 1970er- Jahre lebte, ehe er nach Europa zurückkehrte und in Österreich für Radio Freies Europa arbeitete.

Szakáts starb 1984 mit 64 Jahren an seinem dritten Herzinfarkt. In Budapest aber findet man bis heute Menschen, die glauben, dass sein Tod dem ungarischen Geheimdienst oder dem KGB zuzuschreiben ist.