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Debatte Debatte: Sprache und Geschlecht

Peter Eisenberg: Das Deutsche ist eine geschlechtergerechte Sprache – ohne Zwang und ohne Manipulation

Peter Eisenberg

/ 2 Minuten zu lesen

Wenn in der Zeitung steht: "Die deutschen Steuerzahler und besonders die Autofahrer werden wieder einmal zur Kasse gebeten", dann versteht jeder, dass Personen bestimmter Art bezeichnet sind, unabhängig vom natürlichen Geschlecht. Unsere Sprache wird den Anforderungen an Geschlechtergerechtigkeit problemlos ohne Veränderung gerecht.

Peter Eisenberg, Prof. em. für deutsche Sprache der Gegenwart an der Uni Potsdam. Zahlreiche Auslandsprofessuren innerhalb und außerhalb Europas. (© Isolde Ohlbaum)

Unsere Sprache wird den Anforderungen an Geschlechtergerechtigkeit problemlos ohne Veränderung gerecht. Betrachten wir als Beispiel die Forderung, Personenbezeichnungen im Genus Maskulinum wie Lehrer sollten durch Feminina ergänzt oder ganz vermieden werden.

Eine vollständige Vermeidung des Bezeichnungstyps die Lehrer ist etwa durch Lehrkräfte, Lehrpersonen, Lehrpersonal möglich, oder auch durch partizipiale Substantive wie Lehrende. Bei den partizipialen Formen ist allerdings Vorsicht geboten, denn Sieger sind nicht dasselbe wie Siegende, Trinker nicht Trinkende, Sozialarbeiter nicht Sozialarbeitende.

Aber sind Einhegung oder Vermeidung des Typs Lehrer tatsächlich ein Beitrag zur geschlechtergerechten Verwendung des Deutschen und sind sie sprachverträglich? Lehrer besteht aus zwei Bausteinen, dem Verbstamm lehr und dem Suffix er, das ein maskulines Substantiv mit der Bedeutung ‚eine Person, die lehrt’ bildet. Es gibt auch Verwendungen, in denen das Wort nicht handelnde Personen, sondern männliche handelnde Personen bezeichnet. Vor allem wenn Lehrer zusammen mit Lehrerin auftritt, etwa in Sätzen wie Lehrerinnen verdienen gleich viel wie Lehrer oder in Paarformeln wie Lehrer und Lehrerinnen stehen weibliche den männlichen Personen gegenüber.

In anderen Verwendungen ist das nicht der Fall, etwa wenn vom Berufsstand der Lehrer, von Lehrerbildung oder Lehrergewerkschaft, vom Lehrerzimmer oder Lehrerkollegium, von lehrerhaft usw. die Rede ist. Offenbar ist Lehrer nicht in derselben Weise auf ‚männlich’ festgelegt wie Lehrerin auf ‚weiblich’. Noch deutlicher wird das bei vielen anderen Wörtern, die kaum jemand von sich aus überhaupt auf ‚männlich’ bezieht. Wenn in der Zeitung steht: "Die deutschen Steuerzahler und besonders die Autofahrer werden wieder einmal zur Kasse gebeten", dann versteht jeder, dass Personen bestimmter Art bezeichnet sind, unabhängig vom natürlichen Geschlecht: Heterosexuelle, Homosexuelle, Transsexuelle, Intersexuelle sowie Personen mit allen überhaupt denkbaren sexuellen Orientierungen sind in gleicher Weise Steuerzahler. Niemand ist sprachlich diskriminiert.

Trotzdem wird versucht, mechanisch eine explizite Geschlechterorientierung in das Deutsche einzuführen. Verbreitet ist der Genderstern, mit dem man Gebilde wie Steuerzahler*innen und Autofahrer*innen formt. Einige ihrer Probleme sind, dass sie einen Singular allenfalls für das Femininum haben (die Lehrer*in, aber wohl nicht der Lehr*er oder gar der Lehrer*in), dass ihre Aussprache umstritten, ihre Bedeutung unklar und ihre Form das Maskulinum (er) und das Femininum (in) besonders herausstellt, obwohl sie doch für alle Geschlechter gerecht sein sollen.

Statt zu akzeptieren, dass unsere Sprache alles hat, was man zur Vermeidung von Diskriminierung durch das Geschlecht braucht, wird von Ideolog*innen in Machtposition ein Stellvertreterkrieg entfacht, der die Sprache verhunzt.

Fussnoten

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Peter Eisenberg, Prof. em. für deutsche Sprache der Gegenwart an der Uni Potsdam. Zahlreiche Auslandsprofessuren innerhalb und außerhalb Europas. 1996 Deutscher Sprachpreis, 2009 Konrad-Duden-Preis, 2016 Sigmund-Freud-Preis. Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung.