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BRD: Das duale TV-System ab 1982 | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

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BRD: Das duale TV-System ab 1982

/ 6 Minuten zu lesen

Nach Amtsantritt Helmut Kohls wird die Verkabelung der Bundesrepublik vorangetrieben, um mehr Programme verbreiten zu können. (© Bundesarchiv, B 145 Bild-F059117-0015 / Fotograf: Ulrich Wienke)

Entstehung des dualen Systems

In der Bundesrepublik kam es 1983/84 zu einem grundsätzlichen Wandel in der Medienpolitik. Das Bundesverfassungsgericht hatte in einem weiteren Fernsehurteil 1981 angesichts der neuen Verbreitungstechnologien von Satellit und Kabel auch kommerzielle Programme für möglich erklärt. Mit diesen Technologien konnte die Frequenzknappheit beseitigt werden, die bis dahin ein Hinderungsgrund gewesen war. Der Wechsel von der sozial-liberalen Bundesregierung unter Helmut Schmidt (SPD) zur christlich-liberalen unter Helmut Kohl im Oktober 1982 rückte die Zulassung kommerzieller Programme in Reichweite. CDU/CSU wie FDP standen der Idee eines kommerziellen Fernsehens aus zwei Gründen nahe:    Zum einen aufgrund der Vorstellung, dass in einer Marktwirtschaft möglichst viele Bereiche nach Gesetzen des Marktes und ohne staatliche Intervention oder öffentlich-rechtliche Konstruktion organisiert sein sollen. So wie der Zeitungs- und Zeitschriftenmarkt, der als reines Spiel der Marktteilnehmer funktionierte, sollte auch das Fernsehen beschaffen sein – so die Verfechter dieser Idee aus der FDP und dem Wirtschaftsflügel der CDU.    

Größere Verteilung der publizistischen Macht 

  Zum anderen war die Verlusterfahrung bei der Bundestagswahl 1976 prägend, die Helmut Kohl als Kanzlerkandidat von CDU/CSU überraschend gegen Helmut Schmidt verloren hatte. Diese Niederlage sei, so die CDU-Auffassung, das Ergebnis eines Meinungskartells gewesen, an dem maßgeblich die öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalten mitgewirkt hätten. Um ihnen die publizistische Macht zu nehmen, sollten die Fernsehprogramme vervielfacht werden und damit insgesamt an Autorität verlieren. Medienpolitiker der CDU sprachen von einer "Ent-Autorisierung" des Fernsehens.     Mit dem Amtsantritt von Kohl 1982 wurde die Verkabelung der Bundesrepublik massiv vorangetrieben. Die Bundespost investierte mehrere Milliarden Euro in den Ausbau von Kabelnetzen, mit denen nun statt der drei Programme über die Antenne 20 und mehr Programme zu den Zuschauern gebracht werden konnten. Da die Programme via Satellit zu den Kopfstationen der Kabelnetze transportiert wurden und Satellitenplätze noch rar und teuer waren, schlossen sich selbst große Medienunternehmen zu Konsortien zusammen, um gemeinsam den langen und teuren Weg zur Durchsetzung von kommerziellem Fernsehen zu gehen.    

Die Entstehung von zwei großen Medienkonzernen: die Kirch-Gruppe

   So taten sich für den Fernsehsender PKS die Zeitungshäuser der Bundesrepublik über ihren Verband und einzelne Verlage wie Springer oder der Verlag der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (FAZ) mit einer Tochterfirma der Deutschen Genossenschaftsbank (DG) zusammen. PKS startete am 1. Januar 1984 und erhielt ein Jahr später den Namen Sat.1. Die DG-Bank hielt die Anteile, wie sich später herausstellte, nur stellvertretend für den Medienunternehmer Leo Kirch, der mit Film- und Serienrechten, die er vor allem an das ZDF verkauft hatte, zu Geld und Macht gekommen war. Kirch hätte seinen Kunden ZDF verloren, wenn er sich von Anfang an offen an einem der neuen Konkurrenzunternehmen beteiligt hätte. Die heimliche Beteiligung bot Kirch auch den Vorteil, mit dem eigenen Sender lukrative Geschäfte zu machen. Während die Zeitungshäuser in den ersten Jahren mit Sat.1 mehrere hundert Millionen Euro Verlust machten, blieb für den nicht offen auftretenden Anteilseigner Kirch der Schaden gering, da er durch seine Programmverkäufe an den Sender einen großen Teil seines eingesetzten Geldes wieder zurückerhielt.    

Die Bertelsmann-Gruppe

   Für einen zweiten Fernsehsender schloss sich das Medienunternehmen Bertelsmann AG, das neben seinem Ursprungsgeschäft der Buchclubs mittlerweile als Zeitschriftenverlag und Musikproduzent agierte, mit einer Firma namens CLT (Compagnie Luxembourgeoise de Télédiffusion) in Luxemburg zusammen, die unter dem Namen RTL plus (Radio Television Luxembourg) ab 2. Januar 1984 ein deutschsprachiges Fernsehprogramm veranstaltete und zunächst auch von Luxemburg nach Deutschland terrestrisch ausstrahlen wollte. Dieses Konzept hatte die CLT in den 1960er Jahren bereits mit einem deutschsprachigen Radioprogramm vorexerziert, das sich wegen seines hohen Anteils an Popmusik in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland großer Beliebtheit erfreute.    

Privatsender profilieren sich

  Sat.1 und RTL plus verstanden sich seit ihrem Start im Januar 1984 als Vollprogramme, die neben großen Unterhaltungsstrecken, vielen Spielfilmen und Serien auch Informationssendungen im Angebot hatten. Den Status eines Vollprogramms hatten sie jedoch von den zuständigen Landesmedienanstalten nur erhalten, weil sie in ihren Programmen auch politische Magazine und Kultursendungen präsentierten, die sie in der Regel von anderen Fernsehunternehmen bezogen und die teilweise als sogenannte Auflagensendungen von den Landesmedienanstalten zur Bedingung für das Erhalten der Sendelizenz gemacht worden waren. Dazu gehörten Sendungen wie das "Spiegel-TV Magazin" (seit 1988) und "Stern-TV" (seit 1990), aber auch Kultursendungen wie "10 vor 11" (auf RTL seit 1988) und "News & Stories" (Sat.1 seit 1988), die von Alexander Kluges Firma dctp produziert werden und für die Kluge seinerzeit eine gesonderte Sendelizenz erworben hatte, so dass er von den großen Medienkonzernen nicht aus den Programmen gedrängt werden konnte.  

Anders sah es bei den anderen kommerziellen Programmen aus, die sich um Plätze in den Kabelnetzen bemühten und sich aus Kostengründen auf ein Marktsegment wie Videoclips oder Fernsehserien konzentrierten. Anfangs präsentierte sich die neue kommerzielle Fernsehwelt nicht gerade vielversprechend. Sat.1 imitierte das Unterhaltungskonzept des ZDF, während RTL mit schrägen Billigsendungen vor allem junge Zuschauer erreichen wollte. 

Die Privaten können sich etablieren 

  Ab Ende der 1980er Jahre konnte sich RTL jedoch durchsetzen. Der nach Köln umgezogene Sender bot für Kinder am Samstag- und Sonntagmorgen eine lange Unterhaltungsstrecke aus Shows ("Li-La-Laune-Bär") und Zeichentrickfilmen an. Im Sport hatte man die Rechte an der Übertragung des Tennisturniers von Wimbledon erworben, das zu den Zeiten von Boris Becker, Michael Stich und Steffi Graf hochattraktiv war. Und im Nachtprogramm zeigte man die Softporno-Spielfilme der 1970er Jahre, die zuvor noch kein Sender zu zeigen gewagt hatte, oder Shows wie "Tutti Frutti", für die junge Frauen nach absurden Spielregeln ihre Oberkörper entblößten. Der Zuschauer-Erfolg von RTL und dann im Abstand auch von Sat.1 stellte sich allerdings erst ein, als zu der Verbreitung durch das Kabel sowohl die terrestrische Ausstrahlung (beispielsweise ab 1988 in Nordrhein-Westfalen) als auch die durch direktstrahlende Satelliten wie der Astra-Kette hinzukamen.     Der Satellitenempfang wurde zu einem von der Medienpolitik nicht erwarteten Erfolg, der sich bald zu einem ernsthaften Konkurrenten des Kabelempfangs entwickelte. Für den Satellitenempfang bedarf es für den Zuschauer nur der einmaligen Anschaffung einer Satellitenschüssel und eines Tuners, während man für den Kabelempfang einen monatlichen Betrag an die Kabelgesellschaften zahlen muss. Der sich schnell durchsetzende Satellitenempfang beschleunigte die Akzeptanz der kommerziellen Sender. 

Bürgerfernsehen und Offene Kanäle

Die Entwicklung des kommerziellen Fernsehens in der Bundesrepublik wurde vor allem durch die Herausbildung der Kirch-Gruppe und des Bertelsmann-Konzerns bestimmt. Trotzdem hat die Entwicklung der 1980er Jahre noch ganz andere Formen des Fernsehens hervorgebracht. Aufgrund der langen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen um die Einführung kommerzieller Fernsehanbieter wurde beschlossen, in den Kabelnetzen die Möglichkeit eines Bürgerfernsehens zu etablieren. Die Zuschauer selbst konnten auf diese Art zu Fernsehproduzenten werden.    

Für die lokale Öffentlichkeit, aber wenig Zuschauer

 

Bürger machen Fernsehen – z.B. im Offenen Fernsehkanal Gera, dem ersten offenen Kanal in Thüringen. (© picture-alliance, ZB - Fotoreport)

Sie wurden als "Offene Kanäle" konzipiert, bei denen produktions- und sendetechnische Einrichtungen in den Kabelnetzen geschaffen wurden, mit denen Zuschauer Sendungen produzieren und damit eine lokale oder regionale Öffentlichkeit erreichen konnten. In diesen Offenen Kanälen gab es bis zum Ende der 1990er Jahre in der Regel keine fest gefügte Programmstruktur, sondern die Sendungen wurden in der Reihenfolge gesendet, in der sie von den Produzenten, zum Beispiel Vereinen, Medienwerkstätten oder auch Einzelpersonen, vorgelegt wurden. Diese Programme funktionierten also nach dem Prinzip der Warteschlange. Das hatte zur Folge, dass die Zuschauer nur selten bestimmte Sendungen regelmäßig zu einer bestimmten Sendezeit erwarten konnten. Die Offenen Kanäle erreichten deshalb zumeist nur wenige Zuschauer, so dass sich nach und nach auch hier festere Programmstrukturen etablierten. Bedingt auch durch eine veränderte Mediengesetzgebung in den meisten Bundesländern, ging die Anzahl der Offenen Kanäle in den Folgejahren mehr und mehr zurück.

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