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Migration und Pflege – eine Einführung | Migration und Pflege | bpb.de

Migration und Pflege Einführung Altern in der Migrationsgesellschaft Interview mit Helma Lutz

Migration und Pflege – eine Einführung

Martin Kohls

/ 11 Minuten zu lesen

In Zukunft wird es aufgrund der Zunahme an älteren Menschen mehr Pflegebedürftige geben. Bei gegebener demografischer Entwicklung sind dann auch vermehrt Migrantinnen und Migranten von Pflegebedürftigkeit im Alter betroffen. Mit einer Zunahme des Pflegebedarfs ist bereits in der gegenwärtigen Dekade zu rechnen, wenn verstärkt mehr Arbeitsmigranten der ersten Generation 70 Jahre und älter werden. Gleichzeitig schrumpft die Zahl der Erwerbspersonen, sodass sich die Frage nach einer adäquaten Versorgung von Pflegebedürftigen stellt. Personen mit Migrationshintergrund könnten Personalengpässe schließen sowie zu einer verstärkten interkulturellen Sensibilität im Gesundheits- und Pflegewesen beitragen.

Zwei Krankenschwestern in einer Berliner kulturspezifischen Tagespflege bei der Essensausgabe. (© picture-alliance/dpa)

Migration und Pflege – wie hängt das zusammen?

Die Sozial- und Gesundheitsforschung beschäftigt sich schon seit langem mit Migrantinnen und Migranten. Gleichwohl wird diese Bevölkerungsgruppe immer noch nicht in der Gesundheits- und Pflegeberichterstattung umfassend und differenziert erfasst. Als Folge davon liegt ein Mangel an belastbaren Daten zur Gesundheit und Pflege von Menschen mit Migrationshintergrund vor.

Aufgrund anderer Lebensumstände kann angenommen werden, dass sich ein Migrationshintergrund auf die gesundheitliche Lage und langfristig auf die Pflegebedürftigkeit auswirkt. Auf der einen Seite kann ein Migrationshintergrund die tatsächliche Erkrankungs- bzw. Pflegewahrscheinlichkeit beeinflussen. Auf der anderen Seite können die Möglichkeiten beeinträchtigt sein, eine adäquate Behandlung bzw. pflegerische Betreuung zu erhalten.

Aus den Ergebnissen zahlreicher Studien zur Pflege von Migrantinnen und Migranten lassen sich keine eindeutigen Schlussfolgerungen mit Blick auf ihre Pflegebedürftigkeit ableiten. So gibt es durchaus Hinweise in der einschlägigen Forschungsliteratur für eine im Vergleich zu Nicht-Migranten eher geringere Pflegebedürftigkeit bei Migranten, die durch "schützende" Migrationsfaktoren (Healthy-Migrant-Effect, siehe auch den Interner Link: Beitrag "Altern in der Migrationsgesellschaft" in diesem Dossier) und der zumeist beibehaltenen gesünderen Ernährung begründet werden. Daneben wird die bisher eher verhaltene Inanspruchnahme von gesetzlichen Pflegeleistungen mit den vorhandenen hohen familialen Solidarpotenzialen begründet. So besteht bei vielen Migrantengruppen der ausgeprägte Wunsch, innerhalb der Familie gepflegt zu werden. Damit korrespondiert eine überdurchschnittlich hohe Pflegebereitschaft der Angehörigen, insbesondere der Frauen. Verstärkt wird sie dadurch, dass die Einkommenssituation von Migranten schlechter als die der deutschen Bevölkerung ist. Dies trägt dazu bei, dass pflegebedürftige Migranten Geldleistungen der Interner Link: Pflegeversicherung den Vorzug vor Sachleistungen, also der ambulanten Pflege bzw. der Pflege in einer Pflegeeinrichtung, geben und auf familiale Unterstützung gesetzt wird.

Auf der anderen Seite gibt es eine Vielzahl von Risikofaktoren, die eine erhöhte Pflegebedürftigkeit bei Migranten verursachen können. So verrichteten viele Migranten, vor allem die "Gastarbeiter" der 1950er bis 1970er Jahre, über lange Zeiträume schwere, körperlich belastende Tätigkeiten, die mit einem höheren Risiko der vorzeitigen Erwerbsminderung und Pflegebedürftigkeit im Alter einhergehen. Gegenüber der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund sind vor allem gering ausgebildete Migranten häufig in sozioökonomischer Hinsicht (z.B. im Hinblick auf Beruf, Einkommen und Wohnsituation) benachteiligt, was das Risiko, pflegebedürftig zu werden, ebenfalls erhöht. Berichte aus der Pflegepraxis dokumentieren darüber hinaus auch fehlende Ressourcen im häuslichen Pflegealltag, die u.a. aus den wohnräumlichen Bedingungen, einer Überforderung der Angehörigen und der Tabuisierung von Themenfeldern, die für die Pflege wichtig sind, resultieren.

Die verschiedenen Migrantengruppen nehmen Leistungen aus der Pflegeversicherung unterschiedlich stark in Anspruch. Insbesondere unter Migranten türkischer Herkunft ist die Nachfrage nach stationären bzw. professionellen Pflegeleistungen gering. Des Weiteren muss beachtet werden, dass im Falle einer (weniger schwerwiegenden) Pflegebedürftigkeit diese in vielen Fällen innerhalb der Familie aufgefangen wird (informelle Pflege), die dann in der amtlichen Pflegestatistik nicht enthalten ist, weil keine Leistungen bezogen werden.

Bislang nehmen Migrantinnen und Migranten im Vergleich zur Bevölkerung ohne Migrationshintergrund gesetzliche Pflegeleistungen unterdurchschnittlich in Anspruch. Dies dürfte sich in Zukunft ändern. Das gilt nicht nur aufgrund sich wandelnder demografischer Strukturen, sondern auch, weil die von älteren Migranten bislang gegebenen familialen Solidar- und Unterstützungspotenziale vermutlich nicht mehr im heutigen Umfang zur Verfügung stehen werden. So deutet sich an, dass der Wunsch älterer Migranten nach familialer Unterstützung im Fall von Hilfs- und Pflegebedürftigkeit in den nachfolgenden Generationen bedingt durch veränderte soziale Normen, Lebensstile und Lebensentwürfe an Grenzen stößt. Hier zeigen sich Ähnlichkeiten zu Entwicklungen in der Bevölkerung ohne Migrationshintergrund. Daher ist mit einem Anstieg des Bedarfs an professioneller Hilfe zu rechnen.

Wer gilt eigentlich als pflegebedürftig?

Als pflegebedürftig gelten nach sozialrechtlicher Definition (§ 14 Elftes Buch Sozialgesetzbuch – SGB XI) Personen, die eine bestimmte Vorversicherungszeit erfüllen und aufgrund von Krankheit oder Behinderung bei bestimmten gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens (Körperpflege, Ernährung, Mobilität, hauswirtschaftliche Versorgung) voraussichtlich für mindestens sechs Monate Hilfe in erheblichem oder höherem Maße benötigen.

Entsprechend des Umfangs des Hilfebedarfs werden die Betroffenen in Interner Link: Pflegestufen eingeordnet, wobei in Pflegestufe I erhebliche Pflegebedürftigkeit vorliegen muss, in Pflegestufe II Schwerpflegebedürftigkeit und in Pflegestufe III Schwerstpflegebedürftigkeit. Menschen, die zwar in ihrer Alltagskompetenz erheblich eingeschränkt sind, deren Pflegebedarf aber unterhalb der Pflegestufe I liegt (sogenannte Pflegestufe 0) haben nur einen eingeschränkten Leistungsanspruch (z.B. für Tages- und Nachtpflege, Kurzzeitpflege).

Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung werden einkommens- und vermögensunabhängig gewährt und sollen den Bedarf an Grundpflege und hauswirtschaftlicher Versorgung weitgehend abdecken. Sämtliche Leistungen werden nur auf Antrag gewährt und ruhen bei Auslandsaufenthalt (länger als sechs Wochen im Kalenderjahr) sowie Leistungsbezug aus anderen öffentlichen Versicherungen (z.B. gesetzliche Unfallversicherung).

Die häusliche Pflege soll der stationären Pflege vorangehen, damit Pflegebedürftige möglichst lange in ihrer gewohnten Umgebung bleiben können. In der ambulanten Versorgung unterscheidet man zwischen Pflegesachleistungen und Pflegegeld. Unter Externer Link: Sachleistung ist die Inanspruchnahme professioneller Pflegedienste zu verstehen. Als Sachleistung können Pflegeeinsätze bis zu einem Gesamtwert von 468 Euro monatlich in Pflegestufe I, bis zu 1.144 Euro in Pflegestufe II, bis zu 1.612 Euro in Pflegestufe III, in Härtefällen auch bis zu 1.995 Euro monatlich in Anspruch genommen werden (Stand: 1.1.2015). Sofern Pflegegeld bezogen wird, muss die häusliche Pflege durch Angehörige oder andere Personen gesichert sein (§ 37 SGB XI). Das Pflegegeld soll die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung des Pflegebedürftigen ermöglichen. Ebenso wie die Sachleistungen richtet sich die Höhe des Pflegegeldes nach der Pflegestufe. Das Pflegegeld beträgt seit dem 1. Januar 2015 244 Euro monatlich in Pflegestufe I, in der Pflegestufe II 458 Euro und in der Pflegestufe III 728 Euro (§ 37 Abs.1 SGB XI).

Für Pflegeleistungen liegen verlässliche Angaben zu den tatsächlichen Kosten nur für den stationären Sektor vor. Im Jahr 2011 beliefen sich die durchschnittlichen monatlichen Heimkosten (Kosten für Pflege sowie Unterkunft und Verpflegung) in Pflegestufe I auf 1.998 Euro, in Pflegestufe II auf 2.440 Euro sowie in Pflegestufe III auf 2.907 Euro. Somit deckt die soziale Pflegeversicherung häufig nicht alle Kosten der Pflege ab, den Rest trägt der Pflegebedürftige oder seine Familie selbst. Die Pflegeversicherung wird deshalb auch als "Teilleistungs-Versicherung" oder Kernsicherungssystem bezeichnet.

Aktuelle Zahlen

Wie viele alte Menschen gibt es in Deutschland? Wie viele davon haben einen Migrationshintergrund?

Eine Tagespatientin in einer kulturspezifischen Tagespflege in Berlin beim Flechten eines Weidenkorbes. (© picture-alliance/dpa)

Am 31.12.2013 waren 21 Prozent der gesamten Bevölkerung Deutschlands (80,8 Millionen) 65 Jahre und älter. Nach aktuellen Vorausberechnungen des Statistischen Bundesamtes wird bis zum Jahr 2060 ein Rückgang der Gesamtbevölkerung auf 67,6 Millionen Einwohner erwartet. Parallel zur Schrumpfung der Bevölkerung setzt sich die demografische Alterung der Bevölkerung weiter fort. Im Jahr 2060 wird voraussichtlich bereits jeder Dritte (33 Prozent) mindestens 65 Jahre alt sein.

Die Kombination aus schrumpfender Bevölkerung und demografischer Alterung hat für den Pflegebereich unterschiedliche Konsequenzen. Zum einen geht das Potenzial an Arbeitskräften und damit auch die Zahl an potenziellen Pflegekräften zurück, da die Zahl der Bevölkerung im Erwerbsalter (20 bis unter 65 Jahre) sinkt. Zum anderen wird die Zahl der Pflegebedürftigen weiter ansteigen, da mehr Ältere und damit potenziell mehr Pflegebedürftige in Deutschland leben. Die Zahl der über 80-Jährigen wird sich kontinuierlich von 4,4 Millionen im Jahr 2013 auf ca. neun Millionen im Jahr 2060 erhöhen. Über 13 Prozent der Bevölkerung werden dann mindestens 80 Jahre alt sein (2013: fünf Prozent).

Von den 16,8 Millionen Älteren mit 65 und mehr Altersjahren hatten am 31.12.2013 697.000 Personen, d.h. 4,1 Prozent, eine ausländische Staatsangehörigkeit. Ihre Zahl hat sich damit seit 1990 (143.000 Ausländer im Alter ab 65 Jahren) bereits verfünffacht. Nach Angaben des Mikrozensus 2013 haben etwa 20 Prozent der in Deutschland lebenden Personen einen "Migrationshintergrund", sie sind also entweder selbst zugewandert oder Nachkommen von zugewanderten Personen. Davon waren 1,5 Millionen 65 Jahre und älter (2005: 1,2 Millionen). Bis 2030 zeigen Modellrechnungen für die Älteren unter den Personen mit Migrationshintergrund eine Zunahme auf 3,6 Millionen Menschen. Diese Bevölkerungsgruppe wird also für Fragen in Bezug auf das Themenfeld Pflege immer bedeutender.

Wie viele Pflegebedürftige leben in Deutschland und wie werden sie versorgt?

Nach zuletzt verfügbaren Zahlen der bundesamtlichen Pflegestatistik waren zum Jahresende 2013 etwa 2,63 Millionen Versicherte der sozialen und privaten Pflegeversicherung als pflegebedürftig anerkannt. Setzt man diese in Relation zur Gesamtbevölkerung, so waren etwa 3,3 Prozent der Menschen in Deutschland pflegebedürftig.

Von den anerkannt Pflegebedürftigen sind mehr als die Hälfte (55,8 Prozent) der Pflegestufe I zugeordnet. Der Anteil der Empfänger der Pflegestufe II liegt bei 31,9 Prozent und der Anteil der Pflegestufe III bei 11,8 Prozent, wobei 0,5 Prozent noch ohne Zuordnung waren.

Mehr als zwei Drittel der Pflegebedürftigen (70,9 Prozent bzw. 1,86 Millionen) wurden zu Hause versorgt. Pflegegeld bezogen davon 1,25 Millionen Pflegebedürftige. Diese Personen wurden in der Regel allein durch Angehörige gepflegt. Bei weiteren 616.000 Pflegebedürftigen erfolgte die Pflege zwar auch zu Hause, allerdings ergänzt oder vollständig durch ambulante Pflegedienste. In Pflegeheimen wurden zudem 764.000 Pflegebedürftige versorgt.

Pflegebedürftigkeit ist äußerst altersabhängig. Insgesamt sind etwa 83 Prozent der Leistungsempfänger älter als 65 Jahre. Neben der Altersabhängigkeit sind Pflegerisiken auch geschlechtsabhängig, Frauen sind insgesamt stärker von Pflegebedürftigkeit betroffen. Dies ist vor allem damit begründet, dass Frauen länger leben und das Pflegerisiko mit dem Alter ansteigt. Weiterhin ist der Familienstand ein Faktor, weil Frauen aufgrund höherer Lebenserwartung häufiger verwitwet bzw. alleinstehend sind.

Wissenschaftler des Zentrums für Sozialpolitik der Universität Bremen haben eine (regionalisierte) Vorausberechnung der Zahl der Pflegebedürftigen bis 2060 vorgenommen. Auf der Grundlage eines Status-quo-Szenarios der altersbezogenen Pflegewahrscheinlichkeiten prognostizieren sie 2020 3,1 Millionen Pflegebedürftige in Deutschland, 2060 werden es voraussichtlich 4,6 Millionen sein.

Aufgrund bis dahin fehlender quantitativer Erkenntnisse zu pflegebedürftigen Personen mit Migrationshintergrund wurden 2011 im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums im Rahmen der Studie zur “Weiterentwicklung des Pflegegesetzes“ u.a. Pflegebedürftige und Pflegekräfte mit Migrationshintergrund befragt. Demnach haben etwa acht Prozent der Pflegebedürftigen in Privathaushalten einen Migrationshintergrund. Darunter sind insgesamt lediglich 25 Prozent mit einer ausschließlich ausländischen Staatsbürgerschaft. In der Eingruppierung in Pflegestufen zeigen sich Unterschiede zwischen Pflegebedürftigen mit und ohne Migrationshintergrund. So sind 54 Prozent der Pflegebedürftigen mit Migrationshintergrund in die Stufe I eingeordnet, während der Anteil bei Personen ohne Migrationshintergrund 59 Prozent beträgt. Dagegen ist in der Pflegestufe III der Anteil von Personen mit Migrationshintergrund im Vergleich zur Personengruppe ohne Migrationshintergrund überproportional hoch (15 Prozent zu neun Prozent).

Bei den ambulant betreuten Pflegebedürftigen weisen insgesamt etwa sieben Prozent einen Migrationshintergrund auf. Dieser Anteil macht bei den vollstationär Versorgten ca. neun Prozent aus, wobei die Schätzungen der jeweiligen Heimleitungen nur einen Wert von sechs Prozent ergaben. Hier kann davon ausgegangen werden, dass ein etwaiger Migrationshintergrund für die Heimleitung nicht immer ersichtlich ist und daher der Anteil von ihnen eher zu gering eingeschätzt wurde.

Eine Pflegerin kümmert sich um eine Bewohnerin des multikulturellen Seniorenzentrums in Duisburg. Vor allem türkischstämmige Seniorinnen und Senioren suchen die Betreuung in einem vertrauten sprachlichen und kulturellen Umfeld. (© picture-alliance, JOKER)

Was weiß man über Pflegekräfte mit Migrationshintergrund?

Laut amtlicher Pflegestatistik waren im Jahr 2013 insgesamt 12.745 ambulante Pflegedienste und 13.030 stationäre Pflegeheime in Deutschland zugelassen. In Pflegeeinrichtungen arbeiteten Ende 2013 laut amtlicher Pflegestatistik insgesamt 1.005.524 Beschäftigte, hiervon 320.077 in ambulanten Pflegediensten und 685.447 in Pflegeheimen. Aufgrund der demografischen Entwicklung der Bevölkerung Deutschlands wird sich der Bedarf an professionellen Pflegekräften in Zukunft deutlich erhöhen.

Laut Erkenntnissen der bereits angesprochenen Studie des Bundesgesundheitsministeriums zeigt sich, dass im Jahr 2010 in den ambulanten Pflegediensten durchschnittlich 11 Prozent der Pflegekräfte einen Migrationshintergrund besaßen. Hierbei gab es allerdings auch strukturelle Unterschiede: So beschäftigten 35 Prozent der Pflegedienste gar keine Pflegekräfte mit Migrationshintergrund, weitere 28 Prozent wiesen maximal 10 Prozent auf. In vier Prozent der Pflegedienste stellten Pflegende mit Migrationshintergrund eine Mehrheit dar. In größeren Einrichtungen wurden diese vermehrt beschäftigt, was vor allem auf die stärkere Verbreitung von größeren Diensten in städtischen Gegenden zurückzuführen ist. In vollstationären Einrichtungen arbeiteten nach Angaben der jeweiligen Heimleitung durchschnittlich 15 Prozent Personen mit Migrationshintergrund. Nach Auskunft der Pflegekräfte wiesen sogar annähernd 23 Prozent einen Migrationshintergrund auf. Diese Diskrepanz ist vor allem dadurch begründet, dass bei Pflegekräften, deren Muttersprache Deutsch ist, ein Migrationshintergrund von der Heimleitung nicht mehr wahrgenommen wurde. Allerdings waren auch hier strukturelle Differenzen festzustellen: So beschäftigten 14 Prozent der Heime keine Personen mit Migrationshintergrund, bei 39 Prozent der Einrichtungen stellten sie maximal zehn Prozent der Beschäftigten, während sie bei vier Prozent die Mehrheit der Angestellten bildeten.

Die Entwicklung des Pflegearbeitsmarktes wird auch von der Beschäftigung ausländischer Haushaltshilfen abhängen (siehe dazu das Interner Link: Interview mit Helma Lutz in diesem Dossier). Angehörige von Pflegebedürftigen stehen vor der Entscheidung, selber die Pflege zu übernehmen, auf ambulante Pflegedienste zurückzugreifen, eine stationäre Unterbringung zu veranlassen oder eine Haushaltshilfe einzusetzen. Da die Beschäftigung einer ausländischen Haushaltshilfe oft die günstigste Alternative zur Versorgung Pflegebedürftiger darstellt, zumal bei einer zeitlich intensiven Betreuung, dürfte diese Beschäftigungsform in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.

Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland

Neben den Zuzügen von Pflegekräften aus den osteuropäischen EU-Staaten konnte ausländischen Pflegekräften aus Drittstaaten bis zum 30. Juni 2013 nach § 30 der bis dahin geltenden Fassung der Beschäftigungsverordnung die Zustimmung zur Ausübung einer Beschäftigung erteilt werden. Voraussetzung hierfür waren eine entsprechende berufliche Qualifikation und ausreichende deutsche Sprachkenntnisse sowie eine Absprache der Bundesagentur für Arbeit mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes. Die Regelung findet Fortsetzung in § 6 Abs. 2 der seitdem geltenden Fassung der Beschäftigungsverordnung, der sich generell auf Fachkräfte mit im Ausland erworbenen Berufsqualifikationen bezieht. Demnach dürfen Fachkräfte aus Drittstaaten zuwandern, deren berufliche Qualifikation in Deutschland gesucht wird, die also in sogenannten "Mangelberufen" arbeiten. Welche Berufe darunter fallen, legt die Bundesagentur für Arbeit in einer "Positivliste" fest. Aktuell enthält diese auch Berufe der Kranken- und Altenpflege, weil viele Stellen nicht besetzt werden können. Unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten wurden Einschränkungen für Pflegefachkräfte aus Staaten festgelegt, die selbst einen Mangel an Gesundheitsfachkräften aufweisen, der durch eine Abwanderung dieser Fachkräfte noch verstärkt werden könnte.

Seit Beginn des Jahres 2013 hat die Bundesagentur für Arbeit mit den Arbeitsverwaltungen u.a. von China, Serbien, Bosnien-Herzegowina, den Philippinen und Tunesien Absprachen über die Vermittlung von Pflegefachkräften getroffen. In diesem Rahmen hat beispielsweise das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) das Modellprojekt "Ausbildung junger Menschen aus Vietnam in Deutschland zu Pflegefachkräften" ins Leben gerufen, das von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) umgesetzt wird. Dabei erleichtern berufsbegleitende Sprachkurse und interkulturelle Begleitprogramme das Ankommen der vietnamesischen Fachkräfte in ihrem neuen Alltag in Deutschland.

Zum Thema

Interner Link: Die Pflegeversicherung

Interner Link: Pflegebedürftige

Interner Link: Arbeitsmigration im Gesundheitswesen Trends und Auswirkungen

In der Diskussion: Alterung der Bevölkerung ist unabwendbar, aber gestaltbar

Dieser Text ist Teil des Kurzdossiers Interner Link: "Migration und Pflege".

Weitere Inhalte

Dr. Martin Kohls, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg. E-Mail: E-Mail Link: Dr.Martin.Kohls@bamf.bund.de