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Foreign Fighters als internationale sicherheitspolitische Bedrohung

Stefan Goertz

/ 6 Minuten zu lesen

Sie reisen ins Ausland, um für terroristische Organisationen zu kämpfen. Ihre Rückkehr ins Herkunftsland stellt die Polizeien vor große Herausforderungen: Foreign Fighters – eine Bedrohung für Frieden und Sicherheit.

Angeklagter Syrien-Rückkehrer in einem Gerichtssaal des Hochsicherheitstrakts des Oberlandesgerichts in Düsseldorf. Die Zahl bisheriger rechtskräftiger Verurteilungen von deutschen Foreign Fighters, die aus Syrien bzw. dem Irak zurückgekehrt sind, bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich.

Mehrere zehntausend Foreign Fighters aus vielen verschiedenen Ländern kämpfen seit 2011 für die jihadistischen Großorganisationen "Interner Link: Islamischer Staat" und Interner Link: Al-Qaida sowie kleinere jihadistische Milizen in Interner Link: Syrien und im Interner Link: Irak. Foreign Fighters stellen nach Angaben der Vereinten Nationen eine "internationale Bedrohung für den Frieden und die Sicherheit" dar. Nach Angaben der Interner Link: Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sind Foreign Fighters, auch Foreign Terrorist Fighters genannt, Individuen, die ihr Heimatland verlassen haben, um sich in Kriegs- und Konfliktgebieten terroristischen Organisationen anzuschließen und für diese aktiv kämpfend oder unterstützend tätig zu werden. Internationale terroristische Foreign Fighters sind kein neues Phänomen. Allerdings ist sowohl die Zahl der Foreign Fighters als auch die Qualität ihrer terroristisch-taktischen Ausbildung und Kampferfahrung deutlich gestiegen, sodass eine neue Stufe der Bedrohung erreicht worden ist.

Foreign Fighters in Kriegen und Konflikten des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts

Foreign Fighters, die Zahl variiert zwischen 10.000 und 35.000, kämpften bereits zwischen 1982 und 1989 in Interner Link: Afghanistan an der Seite der Interner Link: Mujaheddin gegen sowjetische Truppen. Anfang der 1990er Jahre lassen sich dann Foreign Fighters in Bosnien und in Tschetschenien nachweisen. Die Angaben über die Zahl der Foreign Fighters im Interner Link: Bosnien-Krieg variiert zwischen 500 und 5.000, wobei eine mittlere Schätzung von 1.000 bis 2.000 am realistischsten erscheint. Die Anzahl der Foreign Fighters im Interner Link: Tschetschenien-Krieg pendelt sich zwischen 300 und 700 ein. Im Afghanistan-Krieg kämpfen seit 2001 zwischen 10.000 und 20.000 Foreign Fighters gegen die afghanischen und internationalen Streitkräfte, Polizei und die Zivilbevölkerung. 4.000 bis 5.000 Foreign Fighters schlossen sich im Interner Link: Irak-Krieg seit 2003 jihadistischen Organisationen und Milizen an.

Aktuelle Zahlen

Nach Angaben der Vereinten Nationen haben sich seit 2011 mehr als 40.000 Foreign Fighters aus 110 Ländern jihadistischen Gruppen in Syrien und im Irak angeschlossen. Das International Centre for the Study of Radicalisation (ICSR) veröffentlichte im Juli 2018 die Zahl 41.490 Foreign Fighters, darunter 32.809 Männer, 4.761 Frauen und 4.640 Kinder. Von diesen mehr als 40.000 Foreign Fighters kamen 18.852 aus dem Mittleren Osten und Nordafrika, 7.252 aus Osteuropa, 5.965 aus Zentralasien, 5.904 aus Westeuropa, 1.010 aus Ostasien, 1.063 aus Südostasien, 753 aus Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland, 447 aus Südasien und 244 aus Subsahara-Afrika. Unter den 5.904 Foreign Fighters aus Westeuropa waren u.a. 850 Briten und über 1.050 Deutsche. Mehr als ein Fünftel der deutschen Foreign Fighters ist weiblich, der überwiegende Teil der insgesamt ausgereisten Deutschen ist jünger als 30 Jahre. Etwa ein Drittel dieser Foreign Fighters befindet sich nach Angaben der deutschen Verfassungsschutzbehörden momentan wieder in Deutschland. Es sind diese Interner Link: zurückgekehrten deutschen Foreign Fighters, die im Interner Link: Fokus polizeilicher und justizieller Ermittlungen stehen. Die Zahl bisheriger rechtskräftiger Verurteilungen von deutschen Foreign Fighters, die aus Syrien bzw. dem Irak zurückgekehrt sind, bewegt sich im mittleren zweistelligen Bereich. Nach Angaben des UN-Generalsekretärs António Guterres gegenüber dem UN-Sicherheitsrat im Februar 2018 kämpften zum damaligen Zeitpunkt noch zwischen 14.000 und 18.000 Jihadisten für den "Islamischen Staat" in Syrien und im Irak, darunter ca. 3.000 Foreign Fighters.

Bedrohungen durch zurückkehrende Foreign Fighters

Interner Link: Nach Aussagen des Präsidenten des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, geht von Teilen der nach Europa zurückkehrenden Foreign Fighters eine langfristige, kaum kalkulierbare Gefahr aus. Dabei stellen besonders diejenigen Foreign Fighters ein besonderes Sicherheitsrisiko dar, die während ihres Aufenthaltes in Syrien und im Irak ideologisch indoktriniert, militärisch im Umgang mit Waffen und Sprengstoffen geschult wurden, Kampferfahrung gesammelt haben und gegebenenfalls mit dem Auftrag, Anschläge zu begehen, nach Europa zurückgeschickt wurden. Aus Gründen der geographischen Nähe stellen aber zukünftig nicht nur deutsche Foreign Fighters, sondern auch andere europäische und nordafrikanische Jihad-Rückkehrer terroristische Bedrohungen dar. Dadurch wird das jihadistische Personenpotenzial in Deutschland und Europa größer, heterogener und internationaler.

Die Bedrohungen, die von nach Europa und Deutschland zurückkehrenden Foreign Fighters ausgehen, können auf zwei Ebenen verortet werden:

(1) Im Hinblick auf die Möglichkeit zukünftiger terroristischer Anschläge lässt sich ausmachen, dass Foreign Fighters, die über Jahre bzw. Monate terroristische Taktiken angewendet haben, ein taktisches Niveau erreicht haben könnten, das die Interner Link: Polizeien in Deutschland und Europa vor neue Herausforderungen stellen könnte.

Die Erfahrungen der zurückkehrenden Foreign Fighters im Orts- und Häuserkampf, das Know-How zum Bau von sogenannten Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen (USBV), im Umgang mit militärischen Waffen sowie in Handstreich- und Hinterhaltstaktiken könnten auf ein historisches Niveau gestiegen sein. Sprich: Die terroristische Ausbildung und "Kampfpraxis" stellen erhebliche Herausforderungen für die deutschen und europäischen Sicherheitsbehörden dar. Belege dafür sind die islamistischen Anschläge der Jahre 2015 bis 2017 in Brüssel, Paris, Istanbul und London, die allesamt von zurückgekehrten Foreign Fighters verübt wurden.

Neben der terroristischen "Kampfpraxis" warnt das europäische Polizeiamt Interner Link: EUROPOL mit Blick auf zurückkehrende Foreign Fighters auch vor psychischen Veränderungen und einem besonderen Grad an Brutalität. In diesem Kontext verweist das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz auf die Studien einer Forschungsgruppe der Universität Konstanz, die das Verhalten in Bürgerkriegen untersucht und von "appetitiver Aggression" spricht, um extreme Grausamkeiten zu erklären. So zeigen Forschungsergebnisse, dass mit dem Akt des Tötens emotionale Erregung, das Gefühl der Euphorie und der Schmerzunempfindlichkeit einhergehen können. Dabei kommt es zur Ausschüttung von Testosteron, Serotonin und Endorphinen. Das Gefühl der Macht überlagert das Gefühl der Entbehrung. Bei den Foreign Fighters – wie auch bei anderen Jihadisten – könnte das Töten durch Training automatisiert werden. Erlernte moralische Standards würden "abtrainiert" und in der Konsequenz könnte die Hemmschwelle für die Anwendung terroristischer Gewalt sinken.

(2) Von zurückkehrenden Foreign Fighters geht das Risiko aus, dass sie zur Interner Link: Radikalisierung anderer Personen beitragen. Dies kann zum Beispiel Interner Link: in Justizvollzugsanstalten geschehen (Radikalisierung von Mitgefangenen). Auch bei der Terrorismusfinanzierung und dem Aufbau terroristischer Netzwerke und Zellen könnten die zurückkehrenden Foreign Fighters eine bedeutende Rolle spielen. Zurück in Deutschland, kehrt nach Einschätzung der deutschen Sicherheitsbehörden der mit Abstand größte Teil der Foreign Fighters in das Interner Link: islamistisch-salafistische Milieu zurück und kann dort politisch-ideologische Führungsrollen übernehmen.

Zusammenfassend müssen Foreign Fighters als eine aktuell und zukünftig besondere – qualitative und quantitative – Herausforderung für die deutschen und europäischen Sicherheitsbehörden und die Justizvollzugsanstalten bezeichnet werden.

Dieser Artikel ist Teil des Kurzdossiers "Interner Link: Migration und Sicherheit".

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Dr. Stefan Goertz ist Dozent an der Hochschule des Bundes, Fachbereich Bundespolizei, in Lübeck. Seine aktuellen Forschungsschwerpunkte sind Islamistischer Terrorismus, Radikalisierungsforschung sowie Organisierte Kriminalität.