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Staatsbürgerschaft und Integrationspolitik | Griechenland | bpb.de

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Staatsbürgerschaft und Integrationspolitik

Anna Triandafyllidou

/ 3 Minuten zu lesen

Die griechische Staatsbürgerschaft beruht vornehmlich auf dem Abstammungsprinzip "jus sanguinis". Bis zum März 2010 war das Einbürgerungsverfahren lang, kostspielig und das Ergebnis war selbst für Bewerber, die die Voraussetzungen zur Einbürgerung erfüllten, unsicher.

Sightseeingbus vor dem Parlament in Athen. Um griechischer Staatsbürger werden zu können muss man Kenntnisse der griechischen Sprache und Kultur nachweisen. (© picture alliance / Robert Geiss)

Der Antragsteller musste eine hohe Gebühr bezahlen (1.500 Euro) und die Entscheidung basierte auf einer willkürlichen Beurteilung der Kenntnisse der Sprache und griechischen Kultur sowie der allgemeinen gesellschaftlichen Integration und des "Nationalbewusstseins" des Bewerbers. Die Behörden waren nicht gehalten, innerhalb einer bestimmten Zeitspanne eine Entscheidung zu fällen und mussten eine Ablehnung des Verleihs der griechischen Staatsangehörigkeit gegenüber dem Bewerber nicht rechtfertigen. Wenn ein Bewerber abgelehnt wurde, durfte er nach einem Jahr erneut einen Einbürgerungsantrag stellen.

In der Praxis war die Einbürgerung eine Option, die ausschließlich ethnischen Griechen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken vorbehalten war. Andere Einwanderer, einschließlich ethnischer Griechen mit albanischer Staatsangehörigkeit (die sogenannten Voreioipirotes), konnten sich nach einem zehnjährigen legalen Aufenthalt in Griechenland verteilt auf die zwölf Kalenderjahre vor dem Antrag auf Einbürgerung um die griechische Staatsangehörigkeit bewerben. Der Verleih der Staatsangehörigkeit wurde allerdings sehr restriktiv gehandhabt, was dazu führte, dass die Zahl der Einbürgerungen im zweistelligen Bereich blieb (siehe Tabelle 4).

Im November 2006 erleichterten das Innen- und das Außenministerium in einer gemeinsamen Entscheidung das Einbürgerungsverfahren für ethnische Griechen aus Albanien. Diese Entscheidung wurde kaum hinterfragt, da sie im Einklang mit dem vorherrschenden Verständnis der griechischen Nation stand: Griechen sind alle Personen griechischen Ursprungs.

Reform des Staatsangehörigkeitsrechts

Als die sozialistische Partei im Oktober 2009 an die Regierung kam, setzte sie sich gemäß ihrer Wahlversprechen für die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts und ein erleichtertes Einbürgerungsverfahren für Einwanderer nicht-griechischen Ursprungs ein. Im März 2010 verabschiedete das griechische Parlament schließlich ein neues Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsgesetz (Gesetz 3838/2010). Dieses senkte die Aufenthaltsvoraussetzung für den Erwerb der Staatsangehörigkeit von zehn auf sieben Jahre. Einwanderer, die sich einbürgern lassen wollten, mussten zunächst jedoch den EU-Langzeitaufenthaltsstatus erwerben, um den sie sich nach fünfjährigem legalen Aufenthalt in Griechenland bewerben können. Darüber hinaus mussten sie Kenntnisse der griechischen Sprache und Kultur nachweisen. Im Gegensatz zum Vorgängergesetz waren die Behörden nun gehalten, dem Antragsteller innerhalb von sechs Monaten zu antworten und ihre Entscheidung darüber zu rechtfertigen, ob sie ihm die griechische Staatsangehörigkeit verliehen oder nicht.

Tabelle 4: Einbürgerungen 2000-2012

2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010-2012
Zahl der Einbürgerungen6658523623666810.80616.92217.01913.425

Quelle: Innenministerium; Daten für 2011 auf Nachfrage der Autorin zur Verfügung gestellt. Für den Zeitraum 2010-2012 wurden die Daten auf Anfrage des griechischen Parlaments vom Vizeinnenminister, H. Athanasopoulos, als Reaktion auf eine Anfrage der Parlamentsmitglieder I. Dimaras und G. Abramidis am 14. März 2013 zur Verfügung gestellt.

In Bezug auf die zweite Einwanderergeneration erlaubte das Gesetz aus dem Jahr 2010 Kindern, die in Griechenland geboren wurden, durch eine einfache Erklärung ihrer Eltern die griechische Staatsangehörigkeit zu erwerben, vorausgesetzt, dass beide Elternteile bereits seit mindestens fünf Jahren legal in Griechenland gelebt hatten. Selbst wenn ein Elternteil bei der Geburt des Kindes diese Voraussetzung nicht erfüllte, konnte die Erklärung dennoch vorgenommen werden; das Kind erhielt dann die griechische Staatsangehörigkeit, sobald beide Elternteile die Aufenthaltsvoraussetzung erfüllten.

Im Ausland geborene Kinder, die in Griechenland aufgewachsen und hier mindestens sechs Jahre zur Schule gegangen waren, konnten ebenfalls durch eine einfache Erklärung ihrer Eltern die griechische Staatsangehörigkeit erwerben, sofern ihre Eltern seit mindestens fünf Jahren legal im Land gelebt hatten. Einwandererkinder, die die griechische Staatsangehörigkeit erwarben, vereinfachten dadurch auch das Leben ihrer Eltern: Als Eltern eines griechischen Staatsangehörigen hatten sie unabhängig von ihrer Beschäftigungssituation das Recht auf eine fünfjährige, verlängerbare Aufenthaltserlaubnis, da dies im Interesse des Kindes - und damit eines griechischen Staatsangehörigen - war.

Ausländerwahlrecht

Zusätzlich zur Reform des Staatsangehörigkeits- und Einbürgerungsrechts führte Gesetz 3838/2010 auch das kommunale Wahlrecht für Drittstaatsangehörige ein, die für mindestens fünf Jahre legal in Griechenland gelebt hatten. Einwanderer, die sich im Wählerverzeichnis registrieren lassen wollten, mussten jedoch eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen: im Besitz eines EU-Langzeitaufenthaltstitels sein oder eine zehn Jahre oder unbefristet gültige Aufenthaltsgenehmigung besitzen, Eltern eines griechischen Staatsangehörigen sein, mit einem griechischen oder EU-Staatsangehörigen verheiratet oder im Besitz einer speziellen Identitätskarte für ethnische Griechen aus Albanien sein.

Annullierung der Reform

Im Februar 2013 erklärte der Staatsrat, das oberste Verwaltungsgericht in Griechenland, die Bestimmungen des Gesetzes 3838/2010 für verfassungswidrig. Das Innenministerium erklärte daraufhin, dass das Gesetz durch Rechtsvorschriften ersetzt werde, die Migranten dazu verpflichten, eine ernsthafte Verbundenheit mit Griechenland zu demonstrieren und einen Nachweis ihrer Assimilation an die griechische Kultur zu erbringen. Aktuell ist wieder das alte Staatsangehörigkeitsrecht in Kraft und alle Anträge auf Einbürgerung, die unter dem Gesetz von 2010 gestellt worden waren, wurden annulliert.

Dieser Text ist Teil des Länderprofils "Interner Link: Griechenland".

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Anna Triandafyllidou ist Professorin am Europäischen Hochschulinstitut in Florenz und Fiesole, Italien. Sie leitet den Forschungsbereich "Cultural Pluralism" des Global Governance Programms. Zu ihren Forschungsschwerpunkten zählen kulturelle Diversität, Fragen zu Demokratie und Nationalismus sowie Migration in europäischer und internationaler Perspektive. E-Mail Link: anna.triandafyllidou@eui.eu