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Die israelische Perspektive | Israel | bpb.de

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Die israelische Perspektive

Shimon Stein

/ 12 Minuten zu lesen

Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen 1965 zwischen Deutschland und Israel war in beiden Ländern umstritten. In den vergangenen 33 Jahren haben sich die Beziehungen eindrucksvoll entwickelt, sagt Shimon Stein, ehemaliger israelischer Botschafter in Deutschland. Shimon Stein über das besondere Verhältnis und über die Herausforderungen der Zukunft.

Erstmals trafen sich Ben Gurion und Adenauer im Waldorf Astoria in New York am 14. März 1960. (© AP)

Am 14. Mai 1948 hat der Staat Israel seine Unabhängigkeit erklärt. Am 13. Mai 1965 haben die Bundesrepublik Deutschland und der Staat Israel die diplomatischen Beziehungen miteinander aufgenommen - zwei Ereignisse, die als historisch angesehen werden können.

Bis zum tatsächlichen Akt der Aufnahme der diplomatischen Beziehungen fanden formelle und informelle Kontakte zwischen Vertretern der beiden Regierungen sowie auch zwischen Vertretern des jüdischen und des deutschen Volkes statt. Diese Kontakte mündeten 1952 im Luxemburger Abkommen, dass bedauerlicherweise als "Wiedergutmachungsabkommen" bekannt wurde. Nach Abschluss dieses Abkommens, ist es auch in den fünfziger Jahren zu fruchtbaren Kontakten und Kooperationen im wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und politischen Bereich wie auch im Verteidigungssektor gekommen. Selbstverständlich waren zu jener Zeit weder diese Kontakte, noch die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen selbst.

Die stürmischen und von Emotionen getragenen Debatten in der Knesset im Laufe der fünfziger bis Mitte der sechziger Jahre sowie viele Demonstrationen boten keine Überraschung, denn für viele Überlebende der Shoah war es unvorstellbar, dass nur wenige Jahre nach dem "zivilisatorischen Bruch" wieder Kontakte zu Deutschland aufgenommen, geschweige denn Geld verlangt oder gar diplomatische Beziehungen begründet werden könnten.

Die Tatsache, dass sowohl die Frage der Reparationen, als auch die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen auch in der deutschen Politik und der deutschen Öffentlichkeit umstritten waren, ist bemerkenswert; denn im Grunde hätte die Bundesrepublik kurz nach der "Stunde Null" (wie übrigens auch die DDR), als sie quasi außerhalb der zivilisierten Welt stand, ein großes Interesse daran haben müssen, die so genannte Legitimation des jüdischen Volkes und des Staates Israel zu erhalten, um wieder in der Staatengemeinschaft akzeptiert zu werden.

Vor diesem Hintergrund waren David Ben Gurion und Konrad Adenauer zwei herausragende Persönlichkeiten, die aus unterschiedlichen nationalen Interessen heraus die schwierige, aber notwendige Entscheidung getroffen haben, die diplomatischen Beziehungen aufzunehmen. Nur weil sie sich über die Vorbehalte und die Abneigungen auf beiden Seiten hinweg setzten, waren sie in der Lage, eine Einigung herbeizuführen. Diese Einigung ebnete schließlich den Weg, auf dem ein neues Kapitel der Beziehungen zwischen Juden und Deutschen sowie vor allem zwischen ihren beiden Staaten geschrieben werden konnte.

Ben Gurion hatte seine umstrittene Haltung, den Kontakt aufzunehmen und später das Luxemburg Abkommen zu unterzeichen, damit begründet, dass es sich um ein anderes Deutschland handelte.

Die Beziehungen zwischen den beiden Staaten waren von Anfang an durch Komplexität gekennzeichnet. Es handelte sich um ein Verhältnis, welches alles andere als spannungsfrei und unbefangen war und zum Teil bis heute noch ist. Dieses bilaterale Verhältnis hat sich im Spannungsfeld von Moral und Realpolitik entwickelt und ist für manche bis heute ungeklärt. Zugleich war und ist dieses Verhältnis aus israelischer Sicht mit hohen Erwartungen belegt und hat sicher gerade deshalb zuweilen zu Enttäuschungen Anlass gegeben.

Ein Beispiel für die überhöhten Erwartungen und infolgedessen für eine Enttäuschung, die eine Krise in den Beziehungen auslöste, war die Erwägung der Bundesregierung unter Bundeskanzler Schmidt, Panzer vom Typ "Leopard-2" an Saudi-Arabien zu verkaufen. Alleine die Erwägung, Waffen an einen arabischen Staat verkaufen zu wollen, war für den damaligen Ministerpräsidenten Begin unakzeptabel. Diese Krise zeigte, dass die "Israelpolitik" nicht im Zentrum der deutschen Nahostpolitik stand, sondern diese sich an den übergeordneten außenpolitischen Zielen Deutschlands orientierte. Vor dem geschichtlichen Hintergrund hätten viele Beobachter angenommen, dass die israelischen Interessen einen starken Einfluss auf die deutsche Politik haben würden, was aber nicht der Fall war. Angesichts des Kontextes, aus dem das israelisch-deutsche Verhältnis hervorging, verstand und versteht sich zum Teil bis heute nichts an diesen Beziehungen von selbst.

Jahrestage, vor allem runde, sind immer eine gute Gelegenheit, um inne zu halten, um zu feiern und um getroffene Urteile zu überprüfen. Eine solche Gelegenheit bot der 13. Mai 2005, der Tag, an dem sich die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zum vierzigsten Mal jährte. Wir nahmen dieses Jubiläum zum Anlass, um Bilanz zu ziehen: Wo hatten wir begonnen? Wo standen wir inzwischen? Wohin entwickeln sich die Beziehungen?

Die diplomatischen Beziehungen aufzubauen war kein einfacher Prozess. Wie bereits erwähnt, stand Israel keineswegs im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der deutschen Nahostpolitik. So kam es, dass in Deutschland Mitte der fünfziger Jahre sogar eine israelische Initiative zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zurückgewiesen worden waren. Manchen Experten behaupten, dass Deutschland schließlich in die Entscheidung der Aufnahme dieser Beziehungen "hineinstolperte".

Bedenkt man die Schwierigkeiten, die im Zuge dieses Prozesses zu bewältigen waren, sind dessen Ergebnisse im Rückblick betrachtet überaus eindrucksvoll. Wir sind weit gekommen und wir haben auf etlichen Gebieten viel erreicht: politisch und wirtschaftlich, im Verteidigungssektor und in der kulturellen Zusammenarbeit, im Hinblick auf die wissenschaftlichen Kooperationen und im Jugendaustausch, aber auch bezüglich der Kontakte, in die die Zivilgesellschaft einbezogen ist.

Was die Entwicklungen auf politischer Ebene anbelangt, steht die Haltung der deutschen Regierungen (im Gegensatz zur öffentlichen Meinung) mehr im Zeichen der Kontinuität als im Zeichen des Wandels. Die deutsche Politik bekennt sich zum Existenzrecht Israels, ein Bekenntnis, welches fast als ein Teil der Staatsraison betrachtet werden kann, oder, um mit den Worten der Bundeskanzlerin zu sprechen, "zum integralen Bestandteil der deutschen Politik geworden ist". Was hierbei allerdings nicht klar wird, ist, welche Schritte eine deutsche Regierung bereit wäre zu unternehmen, um diesem Bekenntnis gerecht zu werden.

Aktuell ist eine Bedrohung der Existenz Israels möglicherweise durch den Iran gegeben (sofern dieser tatsächlich nukleare Waffen besitzt). Interessant sind in diesem Zusammenhang die Erklärungen der Bundeskanzlerin, die die Bedrohung Israels durch den Iran eingeräumt und erklärt hat, dass für Deutschland "der Augenblick der Wahrheit näher komme". Dies ist meiner Meinung nach das erste Mal, dass ein deutscher Politiker tatsächlich dazu steht, dass Deutschlands Verantwortung für Israels Existenz praktische politische Folgen haben könnte. Übrigens ist Bundeskanzlerin Merkel die erste Politikerin auf Regierungsebene, die erklärte, dass auch im Rahmen einer Zwei–Staaten-Lösung Israel erlaubt sein sollte, seinen jüdischen Charakter zu bewahren.

Der jüngste Besuch der Bundeskanzlerin in Israel, in Begleitung von acht Bundesministern, und die dabei getroffene Vereinbarung über künftig jährliche Regierungskonsultationen, tragen zur Festigung der Beziehungen bei. Innerhalb der EU, wie auch im Rahmen der UNO, hat sich Deutschland im Laufe der Jahre als verlässlicher Partner erwiesen.

Vorbildliches Beispiel für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen sind die Kooperationen auf wissenschaftlicher Ebene. Die ersten Kontakte zwischen deutschen und israelischen Wissenschaftlern waren bereits in den fünfziger Jahren aufgenommen worden und haben sich seither eindrucksvoll entwickelt. In der Zwischenzeit reicht die finanzielle Unterstützung beider Regierungen nicht mehr aus, um der Nachfrage nach der Finanzierung von gemeinsamen Projekten nachzukommen.

Mehr als eine halbe Million Jugendliche (aus beiden Ländern) nahmen bis zum heutigen Tag an einem Jugendaustausch teil. Angesichts der Herausforderungen, die im Rahmen der bilateralen Beziehungen noch vor uns liegen, müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um den Jugendaustausch weiter auszubauen.

Ungeachtet aller Fortschritte ist jedoch seit Anfang der achtziger Jahre eine ständige Erosion bezüglich der Wahrnehmung Israels in der deutschen Öffentlichkeit festzustellen. Bis dahin, war eine Zuneigung zu Israel und den Israelis zu spüren, die sich aus verschiedenen Quellen speiste.

Zu diesen Quellen gehörten ein schlechtes Gewissen, die Idealisierung Israels und überzogene Erwartungen. Die Einstellung hat sich gewandelt. Meinungsumfragen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte geführt worden sind, bestätigen den negativen Trend (mit einer kurzfristigen Abweichung in den neunziger Jahren, während des Oslo Prozesses).

Seit dem Zusammenbruch der israelischen-palästinensischen Verhandlungen in Camp David hat sich die Wahrnehmung Israels in der deutschen Öffentlichkeit weiter deutlich verschlechtert. Die Ursachen hierfür sind wiederum vielschichtig und lassen sich längst nicht nur mit den militärischen Mitteln, die Israel gegen den Terrorismus ergreift, erklären. Es ist vielleicht kein Zufall, dass der negative Trend bezogen auf Israel mit einem Prozess in der deutschen Gesellschaft zusammenfiel, der als "die neue Normalität" bezeichnet werden kann. Dieser Prozess hat unter anderem mit dem wachsenden zeitlichen Abstand zum Zweiten Weltkrieg zu tun, mit dem Abschied der Opfer und Täter bzw. mit dem Generationswechsel, mit dem Ende des Kalten Krieges und mit der sich verändernden Wahrnehmung und der Bereitschaft, unbefangener mit der eigenen Geschichte umzugehen.

Aus diesem Grund ist es kein Wunder, dass in einer Meinungsumfrage, die während des Besuches der Kanzlerin in Israel durchgeführt wurde, die Mehrheit der Befragten (52%) der Auffassung war, dass Deutschland sechzig Jahre nach der Staatsgründung Israels und 63 Jahre nach der Shoah keine besondere Verantwortung mehr gegenüber dem Staat Israel hätte. In diesem Zusammenhang, sollte man den aus meiner Sicht negativen Einfluss der Medien auf die öffentliche Meinung nicht unterschätzen. In vielen Fällen haben die Medien in unprofessioneller und unkorrekter Weise negativ über Israel Bericht erstattet.

Anhand der Meinungsumfragen in Israel ist festzustellen, dass die Wahrnehmung Deutschlands in der israelischen Öffentlichkeit differenzierter ist. Die Mehrheit der Israelis assoziiert Deutschland einerseits mit der Shoah, andererseits aber auch mit Tourismus, Fußball und Autos. Darüber hinaus betrachtet die Mehrheit der Israelis Deutschland als einen Freund.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die bilateralen Beziehungen in den kommenden Jahren entwickeln werden. Klar ist, dass die Säule der Erinnerung bzw. der Shoah nicht ausreichen wird, um die Besonderheit oder die - wie ich meine - Einzigartigkeit der Beziehungenaufrechtzuerhalten, geschweige denn, sie weiter auszubauen. Auch wenn die Shoah auch weiterhin Bestandteil der deutschen Identität bleiben wird.

Ich kann nicht für die Deutschen sprechen, aber ich kann sagen, dass Deutschland als führendes Mitglied der EU ein entscheidender Partner für Israels Zukunft bleibt.

Ergänzend zur Säule der Erinnerung müssen wir neue Bereiche in die Beziehungen mit einbeziehen, die als "win-win" für die Zukunft beider Staaten wichtig sind. Betrachten wir die Herausforderungen vor denen beide Gesellschaften – insbesondere im Hinblick auf die Globalisierung – stehen (für Israel stehen in den kommenden Jahren noch zusätzliche Herausforderungen an, die mit der Absicherung seiner Existenz zu tun haben), dann können wir nach meiner Überzeugung sowohl bilateral, als auch im Rahmen der Beziehungen zur EU gemeinsame Interessen finden.

Wo ein Wille ist, ist schließlich auch ein Weg. Auf der israelischen Seite besteht der Wille. Ich hoffe und ich bin zuversichtlich, dass auch auf der deutschen Seite der Wille besteht.

Ein Beispiel für die überhöhten Erwartungen und infolgedessen für eine Enttäuschung, die eine Krise in den Beziehungen auslöste, war die Erwägung der Bundesregierung unter Bundeskanzler Schmidt, Panzer vom Typ "Leopard-2" an Saudi-Arabien zu verkaufen. Alleine die Erwägung, Waffen an einen arabischen Staat verkaufen zu wollen, war für den damaligen Ministerpräsidenten Begin unakzeptabel. Diese Krise zeigte, dass die "Israelpolitik" nicht im Zentrum der deutschen Nahostpolitik stand, sondern diese sich an den übergeordneten außenpolitischen Zielen Deutschlands orientierte. Vor dem geschichtlichen Hintergrund hätten viele Beobachter angenommen, dass die israelischen Interessen einen starken Einfluss auf die deutsche Politik haben würden, was aber nicht der Fall war. Angesichts des Kontextes, aus dem das israelisch-deutsche Verhältnis hervorging, verstand und versteht sich zum Teil bis heute nichts an diesen Beziehungen von selbst.

Jahrestage, vor allem runde, sind immer eine gute Gelegenheit, um inne zu halten, um zu feiern und um getroffene Urteile zu überprüfen. Eine solche Gelegenheit bot der 13. Mai 2005, der Tag, an dem sich die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zum vierzigsten Mal jährte. Wir nahmen dieses Jubiläum zum Anlass, um Bilanz zu ziehen: Wo hatten wir begonnen? Wo standen wir inzwischen? Wohin entwickeln sich die Beziehungen?

Die diplomatischen Beziehungen aufzubauen war kein einfacher Prozess. Wie bereits erwähnt, stand Israel keineswegs im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit der deutschen Nahostpolitik. So kam es, dass in Deutschland Mitte der fünfziger Jahre sogar eine israelische Initiative zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zurückgewiesen worden waren. Manchen Experten behaupten, dass Deutschland schließlich in die Entscheidung der Aufnahme dieser Beziehungen "hineinstolperte".

Bedenkt man die Schwierigkeiten, die im Zuge dieses Prozesses zu bewältigen waren, sind dessen Ergebnisse im Rückblick betrachtet überaus eindrucksvoll. Wir sind weit gekommen und wir haben auf etlichen Gebieten viel erreicht: politisch und wirtschaftlich, im Verteidigungssektor und in der kulturellen Zusammenarbeit, im Hinblick auf die wissenschaftlichen Kooperationen und im Jugendaustausch, aber auch bezüglich der Kontakte, in die die Zivilgesellschaft einbezogen ist.

Was die Entwicklungen auf politischer Ebene anbelangt, steht die Haltung der deutschen Regierungen (im Gegensatz zur öffentlichen Meinung) mehr im Zeichen der Kontinuität als im Zeichen des Wandels. Die deutsche Politik bekennt sich zum Existenzrecht Israels, ein Bekenntnis, welches fast als ein Teil der Staatsraison betrachtet werden kann, oder, um mit den Worten der Bundeskanzlerin zu sprechen, "zum integralen Bestandteil der deutschen Politik geworden ist". Was hierbei allerdings nicht klar wird, ist, welche Schritte eine deutsche Regierung bereit wäre zu unternehmen, um diesem Bekenntnis gerecht zu werden.

Aktuell ist eine Bedrohung der Existenz Israels möglicherweise durch den Iran gegeben (sofern dieser tatsächlich nukleare Waffen besitzt). Interessant sind in diesem Zusammenhang die Erklärungen der Bundeskanzlerin, die die Bedrohung Israels durch den Iran eingeräumt und erklärt hat, dass für Deutschland "der Augenblick der Wahrheit näher komme". Dies ist meiner Meinung nach das erste Mal, dass ein deutscher Politiker tatsächlich dazu steht, dass Deutschlands Verantwortung für Israels Existenz praktische politische Folgen haben könnte. Übrigens ist Bundeskanzlerin Merkel die erste Politikerin auf Regierungsebene, die erklärte, dass auch im Rahmen einer Zwei–Staaten-Lösung Israel erlaubt sein sollte, seinen jüdischen Charakter zu bewahren.

Der jüngste Besuch der Bundeskanzlerin in Israel, in Begleitung von acht Bundesministern, und die dabei getroffene Vereinbarung über künftig jährliche Regierungskonsultationen, tragen zur Festigung der Beziehungen bei. Innerhalb der EU, wie auch im Rahmen der UNO, hat sich Deutschland im Laufe der Jahre als verlässlicher Partner erwiesen.

Vorbildliches Beispiel für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen sind die Kooperationen auf wissenschaftlicher Ebene. Die ersten Kontakte zwischen deutschen und israelischen Wissenschaftlern waren bereits in den fünfziger Jahren aufgenommen worden und haben sich seither eindrucksvoll entwickelt. In der Zwischenzeit reicht die finanzielle Unterstützung beider Regierungen nicht mehr aus, um der Nachfrage nach der Finanzierung von gemeinsamen Projekten nachzukommen.

Mehr als eine halbe Million Jugendliche (aus beiden Ländern) nahmen bis zum heutigen Tag an einem Jugendaustausch teil. Angesichts der Herausforderungen, die im Rahmen der bilateralen Beziehungen noch vor uns liegen, müssen alle Anstrengungen unternommen werden, um den Jugendaustausch weiter auszubauen.

Ungeachtet aller Fortschritte ist jedoch seit Anfang der achtziger Jahre eine ständige Erosion bezüglich der Wahrnehmung Israels in der deutschen Öffentlichkeit festzustellen. Bis dahin, war eine Zuneigung zu Israel und den Israelis zu spüren, die sich aus verschiedenen Quellen speiste.

Zu diesen Quellen gehörten ein schlechtes Gewissen, die Idealisierung Israels und überzogene Erwartungen. Die Einstellung hat sich gewandelt. Meinungsumfragen, die im Laufe der letzten Jahrzehnte geführt worden sind, bestätigen den negativen Trend (mit einer kurzfristigen Abweichung in den neunziger Jahren, während des Oslo Prozesses).

Seit dem Zusammenbruch der israelischen-palästinensischen Verhandlungen in Camp David hat sich die Wahrnehmung Israels in der deutschen Öffentlichkeit weiter deutlich verschlechtert. Die Ursachen hierfür sind wiederum vielschichtig und lassen sich längst nicht nur mit den militärischen Mitteln, die Israel gegen den Terrorismus ergreift, erklären. Es ist vielleicht kein Zufall, dass der negative Trend bezogen auf Israel mit einem Prozess in der deutschen Gesellschaft zusammenfiel, der als "die neue Normalität" bezeichnet werden kann. Dieser Prozess hat unter anderem mit dem wachsenden zeitlichen Abstand zum Zweiten Weltkrieg zu tun, mit dem Abschied der Opfer und Täter bzw. mit dem Generationswechsel, mit dem Ende des Kalten Krieges und mit der sich verändernden Wahrnehmung und der Bereitschaft, unbefangener mit der eigenen Geschichte umzugehen.

Aus diesem Grund ist es kein Wunder, dass in einer Meinungsumfrage, die während des Besuches der Kanzlerin in Israel durchgeführt wurde, die Mehrheit der Befragten (52%) der Auffassung war, dass Deutschland sechzig Jahre nach der Staatsgründung Israels und 63 Jahre nach der Shoah keine besondere Verantwortung mehr gegenüber dem Staat Israel hätte. In diesem Zusammenhang, sollte man den aus meiner Sicht negativen Einfluss der Medien auf die öffentliche Meinung nicht unterschätzen. In vielen Fällen haben die Medien in unprofessioneller und unkorrekter Weise negativ über Israel Bericht erstattet.

Anhand der Meinungsumfragen in Israel ist festzustellen, dass die Wahrnehmung Deutschlands in der israelischen Öffentlichkeit differenzierter ist. Die Mehrheit der Israelis assoziiert Deutschland einerseits mit der Shoah, andererseits aber auch mit Tourismus, Fußball und Autos. Darüber hinaus betrachtet die Mehrheit der Israelis Deutschland als einen Freund.

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die bilateralen Beziehungen in den kommenden Jahren entwickeln werden. Klar ist, dass die Säule der Erinnerung bzw. der Shoah nicht ausreichen wird, um die Besonderheit oder die - wie ich meine - Einzigartigkeit der Beziehungenaufrechtzuerhalten, geschweige denn, sie weiter auszubauen. Auch wenn die Shoah auch weiterhin Bestandteil der deutschen Identität bleiben wird.

Ich kann nicht für die Deutschen sprechen, aber ich kann sagen, dass Deutschland als führendes Mitglied der EU ein entscheidender Partner für Israels Zukunft bleibt.

Ergänzend zur Säule der Erinnerung müssen wir neue Bereiche in die Beziehungen mit einbeziehen, die als "win-win" für die Zukunft beider Staaten wichtig sind. Betrachten wir die Herausforderungen vor denen beide Gesellschaften – insbesondere im Hinblick auf die Globalisierung – stehen (für Israel stehen in den kommenden Jahren noch zusätzliche Herausforderungen an, die mit der Absicherung seiner Existenz zu tun haben), dann können wir nach meiner Überzeugung sowohl bilateral, als auch im Rahmen der Beziehungen zur EU gemeinsame Interessen finden.

Wo ein Wille ist, ist schließlich auch ein Weg. Auf der israelischen Seite besteht der Wille. Ich hoffe und ich bin zuversichtlich, dass auch auf der deutschen Seite der Wille besteht.

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Shimon Stein war seit Januar 2001 bis zum Herbst 2007 Botschafter Israels in der Bundesrepublik Deutschland. Er wurde 1948, im Jahr der Staatsgründung Israel geboren. Stein studierte Moderne Geschichte an der Hebräischen Universität Jerusalem. 1974 trat er in den diplomatischen Dienst Israels ein.