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Kommentar: Die Krim-Krise – am Rande eines neuen Kalten Kriegs | Ukraine-Analysen | bpb.de

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Eine empirische Analyse der Studiogäste Chronik: 1. bis 30. September 2023 Ökologische Kriegsfolgen / Kachowka-Staudamm (19.09.2023) Analyse: Die ökologischen Folgen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine Analyse: Ökozid: Die katastrophalen Folgen der Zerstörung des Kachowka-Staudamms Dokumentation: Auswahl kriegsbedingter Umweltschäden seit Beginn der großangelegten russischen Invasion bis zur Zerstörung des Kachowka-Staudamms Statistik: Statistiken zu Umweltschäden Zivilgesellschaft / Lokale Selbstverwaltung und Resilienz (14.07.2023) Von der Redaktion: Sommerpause – und eine Ankündigung Analyse: Die neuen Facetten der ukrainischen Zivilgesellschaft Statistik: Entwicklung der ukrainischen Zivilgesellschaft Analyse: Der Beitrag lokaler Selbstverwaltungsbehörden zur demokratischen Resilienz der Ukraine Wissenschaft im Krieg (27.06.2023) Kommentar: Zum Zustand der ukrainischen Wissenschaft in Zeiten des Krieges Kommentar: Ein Brief aus Charkiw: Ein ukrainisches Wissenschaftszentrum in Kriegszeiten Kommentar: Warum die "Russian Studies" im Westen versagt haben, Aufschluss über Russland und die Ukraine zu liefern Kommentar: Mehr Öffentlichkeit wagen. 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Kommentar: Die Krim-Krise – am Rande eines neuen Kalten Kriegs

Katerina Malygina

/ 8 Minuten zu lesen

Das Gespenst der Revolution

Die inoffizielle Besetzung der Krim stellte das internationale Image Russlands in Frage und führte zu seiner diplomatischen Isolation und, mit dem Zusammenbruch der russischen Börse und der Abwertung des Rubels, zu wirtschaftlichen Verlusten. Diese Verluste sind aber offenbar nichts im Vergleich zu dem, was Wladimir Putin verloren hätte, wenn er die ukrainische Revolution stillschweigend geduldet hätte. Der Preis ist so hoch, da es vor allem um Machtsicherung geht. Vor zehn Jahren führte die Angst vor farbigen Revolutionen auf dem Territorium Russlands zu einer erhöhten staatlichen Kontrolle über die Medien und die Aktivitäten von Nicht-Regierungs-Organisationen. Eine Weile lang haben diese internen Maßnahmen die innere Stabilität in der Tat garantiert. Doch im Jahr 2011 begannen auch in Russland Massenproteste und gerade sie haben die Kosten für das erhöht, was heute geschieht. Man konnte die Proteste zwar ersticken, vor allem durch die Verabschiedung strenger Anti-Protest-Gesetze, die Angst vor ihrer Wiederholung ist aber stark geblieben. Die internen Maßnahmen sind auf der rechtlichen Ebene allerdings bereits ausgeschöpft. Deswegen greift Putin nun zu härteren externen Maßnahmen. Aus Putins Sicht war die Invasion auf der Krim somit die einzig richtige Reaktion auf die Entwicklungen in der Ukraine. Es ist kein Zufall, dass die Krim-Krise an dem Tag begann, an dem in Kiew die neue Regierung gebildet wurde. Diese neue Regierung hält der Kreml für illegitim – formal wegen eines "verfassungswidrigen Staatsstreichs", de facto aber wegen ihrer pro-europäischen und damit anti-russischen Position. Die antirussische Haltung Kiews besteht jedoch nicht auf einer interethnischen oder interkulturellen Ebene, wie es der Kreml darstellt. Die ukrainische Seite hat vielfach erklärt, dass sie gegen den "imperialistischen Kreml" mit seiner Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Ukraine kämpft und nicht gegen das russische Volk. Darüber hinaus waren die anti-russischen Demarchen, die Moskau zur Legitimierung der Invasion benutzte, zumindest nicht systematisch und meist mithilfe von Propaganda künstlich konstruiert. Der Hauptbeweis dafür ist die friedliche Antwort der Ukrainer auf die Ereignisse auf der Krim. Damit haben sie eindeutig gezeigt, dass sie einen militärischen Konflikt mit Russland vermeiden wollen und den Provokationen sowie dem großen psychologischen Druck nicht nachgeben. Im Endeffekt waren die vom Kreml beschriebenen "Faschisten" und "Extremisten" nicht extremistisch genug und schossen gar nicht.

Gescheiterter Blitzkrieg

Putins Plan ist fehlgeschlagen. Der Blitzkrieg, für den er die Schuld den ukrainischen "Extremisten" zuschieben wollte, war nicht erfolgreich. Und auch das Minimalprogramm – die Schaffung eines Gefühls von Chaos und Gesetzlosigkeit, das durch russische Fernsehkanäle verbreitet wurde – ist gescheitert. Aus diesem Grund musste Russland von der Offensive auf die Defensive umschalten. Moskau begann sich zu verteidigen und das mag es gar nicht. Genau so ist Putins Pressekonferenz vom 4. März zu verstehen, auf der er erklärte, dass es auf der Krim keine Zusammenstöße gäbe und deshalb keine Notwendigkeit für einen Militäreinsatz in der Ukraine bestehe. Vor kurzem änderte sich auch der Ton des russischen Außenministeriums. Besonders am 8. März sagte Lawrow deutlich, dass Russland nicht akzeptieren werde, dass man es als Partei des ukrainischen Konflikts darstellt. Diese Aussage erfolgte, nachdem das russische Außenministerium – wenn auch mit der Einschränkung "im Rahmen der Vereinbarungen" – am 27. Februar offiziell bestätigt hatte, einzelne gepanzerte Fahrzeuge der Schwarzmeerflotte disloziert zu haben, und nachdem der Kreml den Soldaten der aufgelösten ukrainischen Einheit "Berkut" befohlen hatte, russische Pässe zu verteilen, und nachdem von der Staatsduma die Erlaubnis zum Einsatz russischer Truppen gegeben worden war. Trotz dieser Verschiebung der Schwerpunkte hat der Kreml seine Position nicht geändert und er wird sie wahrscheinlich auch nicht ändern. Denn das wäre gleichbedeutend mit einer Niederlage, d. h. der Anerkennung der Tatsache, dass Russland den Konflikt auf der Halbinsel provoziert hat. Heute hält der Kreml an seiner Linie fest, laut der die Zahl der russischen Soldaten auf der Krim der im Schwarzmeerflotten-Vertrag vereinbarten Grenze entspricht und die unmarkierten Militärs lokale "Selbstverteidigungs"-Einheiten sind. Nach Moskaus Logik ist es die lokale "Selbstverteidigung", die die internationalen Beobachter daran hindert, den umstrittenen Militäreinsatz der russischen Truppen auf der Krim zu überprüfen. Aber wenn Russland nichts zu verbergen hat, warum weigert es sich dann, der OSZE-Mission Zugang zu den russischen Militäranlagen auf der Krim zu gewähren und vermeidet direkte Verhandlungen mit der Ukraine? Klar, der Kreml erkennt die neue ukrainische Regierung nicht an. Das ukrainische Parlament erkennt er aber an, schließlich hat Putin es während seiner Pressekonferenz für teilweise legitim erklärt.

Die neue Taktik – Anschluss der Krim?

Die russische "humanitäre Mission" zum Schutz der russischsprachigen Bevölkerung auf der Krim sah in den Augen der Weltgemeinschaft im Ergebnis sehr wenig überzeugend aus. Daher entschied sich der Kreml, seine Taktik zu ändern. Am 6. März hat das Krim-Parlament den Anschluss der Krim an Russland und die Verschiebung der Volksabstimmung vom 30. auf den 16. März beschlossen. Zusätzlich zu der Frage nach einer Erweiterung der Krim-Autonomie in der Ukraine enthält das umstrittene Referendum nun die Frage nach einem Beitritt zu Russland. Heute besteht der Kreml darauf, dass eine solche Volksabstimmung Ausdruck eines legitimen Rechts auf Selbstbestimmung sei, dass das Krim-Parlament diese Entscheidung allein getroffen habe und dass Russland hier nicht behilflich gewesen sei. Darüber hinaus distanzierte Putin sich auf der Pressekonferenz am 4. März von einer möglichen Annexion der Krim und sagte, dass Russland niemanden provoziere und die Stimmung nicht anheize. Die Fakten erzählen jedoch eine andere Geschichte. Schon am 28. Februar wurden in die russische Staatsduma zwei Gesetzentwürfe eingebracht – einer über den Anschluss neuer Gebiete an Russland, der andere über eine Vereinfachung des Erhalts der russischen Staatsbürgerschaft für russischsprachige Bürger ausländischer Staaten. Genau am Tag von Putins Pressekonferenz wurden beide Gesetzentwürfe auf die Tagesordnung gesetzt. Putins Zusicherung der Nichteinmischung zum Trotz: Wie sind solche Entscheidungen zu interpretieren, wenn nicht als Provokation? Offenbar war Moskau bereit für ein Anschluss-Szenario, wollte es aber nur im Notfall realisieren. Die Tatsache, dass es eine Änderung der Taktik gab, wird von folgenden Ereignissen bestätigt: Noch am 1. März schlug die russische Staatsduma die Föderalisierung des Landes als möglichen Weg aus der Krise vor. Darüber hinaus beinhaltete das Krim-Referendum in seiner ursprünglichen Form nicht die Frage nach dem Beitritt der Krim zu einem anderen Staat. Als das Krim-Parlament am 27. Februar zum ersten Mal die Absicht erklärte, am 25. Mai ein Referendum abzuhalten, war seine einzige Frage die nach dem Status der Autonomie und der Erweiterung ihrer Rechte. Diese Frage blieb auch am 1. März auf der Agenda, als beschlossen wurde, die Volksabstimmung auf den 30. März zu verschieben. Auch am 3. März bestätigte das Krim-Parlament in einer Erklärung, dass die Krim weder unabhängig werden noch sich anderen Staaten anschließen wolle. Unter diesen Umständen ist es schwierig, sich vorzustellen, dass die Entscheidung der Krim über ihre Abspaltung ohne vorherige Zustimmung des Kreml gefällt wurde.

Die Ukraine hat die Krim de facto verloren

Somit waren es nicht "Faschisten" und "Neo-Nazis", die die russischsprachige Bevölkerung bedroht haben, es waren vielmehr die Verheißungen der finanziellen Unterstützung und der Angliederung an Russland, die die süd-östlichen Regionen der Ukraine "erweckt" haben. In den ersten Tagen der Krim-Krise gab es tatsächlich keine Massendemonstrationen im Osten und auf der Krim. Diese begannen erst ein paar Tage später, als der Anschluss der Krim an Russland schon fast real geworden war. Heute können wir getrost behaupten, dass die Ukraine die Krim verloren hat. Dafür gibt es mindestens drei Gründe. Erstens versucht die Krim schon seit langem vergeblich, größere Autonomie zu erlangen. Der neue Minister für Regionalpolitik Wolodymyr Groisman behauptete jedoch, die Frage der Dezentralisierung betreffe den Südosten der Ukraine genauso wie den Westen, wo die Menschen massiv zum Arbeiten ins Ausland abgewandert sind. Bereits am 4. Februar haben die Krim-Abgeordneten zum ersten Mal ihre Absicht erklärt, ein Referendum über den Status der Krim abzuhalten und sich mit der Bitte um Hilfe an Russland zu wenden. Als Reaktion darauf haben die Abgeordneten der Partei Vaterland die Auflösung des Krim-Parlaments vorgeschlagen, die Abgeordneten der Partei Freiheit reagierten noch härter und drohten für den Fall separatistischer Bestrebungen Strafverfolgung an. Als die Referendumsfrage am Ende des Monats wieder auf die Tagesordnung des Krim-Parlaments gesetzt wurde, reagierte die neue Regierung in Kiew jedoch kaum. Erst am 5. März gab der neue Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk den Auftrag, eine Gebietsreform vorzubereiten. Als die Frage nach einem Beitritt zu Russland per Volksabstimmung gestellt werden sollte, erklärte der Interimspräsident Oleksandr Turtschynow das Krim-Referendum für "illegal" und suspendierte die Entscheidung des Krim-Parlaments. Der zweite Grund für den Verlust der Krim ist die langjährige Beeinflussung der Bevölkerung auf der Halbinsel durch die russischen Fernsehsender. Seit dem Beginn des Euromaidan in Kiew spiegelt die Rhetorik der Krim-Regierung die russische Propaganda wider. Die russischen Medien haben die Massenproteste als eine Versammlung von Faschisten, Nationalisten und Antisemiten beschrieben und damit unter der Krim-Bevölkerung eine echte Angst um ihr Schicksal geschürt. Es ist bezeichnend, dass auch jetzt, auf dem Höhepunkt der Krise, ein Informationskrieg auf der Krim stattfindet. Schon am 5. März hatten die ukrainischen Fernsehsender erste Probleme mit der Ausstrahlung, am 9. März wurde diese dann vollständig gestoppt. Auf einigen ihrer Frequenzen werden jetzt die russischen TV-Kanäle gesendet. Dennoch gaben die ersten Schritte der neuen Regierung tatsächlich Anlass zur Besorgnis. Vom 22. bis zum 25. Februar hat die Werchowna Rada ein Gesetz zur strafrechtlichen Verfolgung von Separatismus verabschiedet und das Sprachgesetz aus dem Jahr 2012 storniert, das der russischen Sprache den Status einer regionalen Sprache einräumte. Darüber hinaus hat die Partei Freiheit dem Parlament folgende Gesetzentwürfe vorgelegt: einen über die vorgezogenen Wahlen zum Krim-Parlament, einen zur Überwindung der Folgen der sowjetischen Besatzung (der im Wesentlichen die kommunistische Ideologie verbietet) und einen zum freien Erwerb und Besitz von Blankwaffen. Dass die neue Regierung am 28. Februar einen Rückzieher gemacht hat – Turtschinow hat den Widerruf des Sprachengesetzes nicht unterzeichnet –, reichte nicht, um die Lage im Land zu stabilisieren. Wie zu seiner Zeit Janukowytsch den Euromaidan ignorierte, so will die neue Regierung jetzt keinen Dialog mit der Krim führen. Der dritte und wichtigste Grund für den Verlust der Krim ist schließlich die Aussicht auf einen höheren Lebensstandard in Russland. Völlig unabhängig zu werden, kann die Krim sich nicht leisten, denn sie wird stark von Kiew subventioniert (siehe Grafik 9 auf S. 15) und hängt sehr von der Versorgung mit Wasser und Strom aus der Zentralukraine ab. Auf die Möglichkeit ihres Anschlusses an Russland hat die Bevölkerung auf der Halbinsel allerdings sofort positiv reagiert. Als eines der wichtigsten Argumente dafür wird die Höhe der Gehälter und Renten in Russland genannt, die fast doppelt so hoch ist wie die in der Ukraine. Hier hat die Ukraine mit ihren akuten Finanzproblemen praktisch keine Gegenargumente.

Ausblick

Trotz der Tatsache, dass der Anschluss der Krim an Russland bereits von beiden Kammern der Staatsduma unterstützt wurde, bleibt es bisher unklar, ob Russland einen solchen Schritt in der Tat wagt. Die USA haben bereits erklärt, dass sie die Ergebnisse des Krim-Referendums nicht anerkennen werden und bereit sind, im Falle der Krim-Annexion zusätzliche Sanktionen gegen Russland zu verhängen. Darüber hinaus haben die USA bereits begonnen, Kampfjets nach Polen und Schiffe ins Schwarze Meer zu verlegen. So hat Russland sich selbst in eine Sackgasse getrieben – die Nichtunterstützung der Bevölkerung auf der Krim, die höchstwahrscheinlich für den Anschluss an Russland stimmen wird, wäre unehrlich, ihre Unterstützung – gefährlich. Wie auch immer man es wendet, die Welt steht jetzt am Rande eines neuen Kalten Krieges, der nur durch einen konstruktiven Dialog vermieden werden kann.

Fussnoten

ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Forschungsstelle Osteuropa an der Universität Bremen und Redakteurin der Online-Zeitschrift "Ukraine-Analysen". Zugleich schreibt sie ihre Doktorarbeit über die Instrumentalisierung der Diskurse in der ukrainischen Gaspolitik.