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Sanktionensystem | Kriminalität und Strafrecht | bpb.de

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Sanktionensystem

Heribert Ostendorf

/ 8 Minuten zu lesen

Im Lauf der Geschichte hat sich das Strafsystem immer weiter ausdifferenziert und Strafdauer und -härte sind zurückgegangen. Heute werden Verstöße gegen das Strafrecht auf sehr unterschiedliche Weise sanktioniert

"Die Geschichte der Strafrechtspflege zeigt deutlich, dass an die Stelle grausamster Strafen immer mildere Strafen getreten sind. Der Fortschritt in der Richtung von roheren zu humaneren, von einfacheren zu differenzierteren Formen des Strafens ist weitergegangen, wobei der Weg erkennbar wird, der noch zurückzulegen ist." Dieser Satz aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1977 gibt bereits einen Hinweis auf die geschichtliche Entwicklung von den grausamen Lebensund Leibesstrafen hin zu einem humaneren Strafsystem.

1532 erließ Kaiser Karl V. die "Peinliche Gerichtsordnung". Die Strafen sollten Pein, also Schmerzen, hervorrufen und durch ihren öffentlichen Charakter abschrecken. (© akg-images)

Historische Entwicklung

Im Altertum (Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. bis circa 600 n. Chr.) wurde auf ein Verbrechen mit der Zufügung eines gleichwertigen Übels geantwortet. Insbesondere bei Tötungsdelikten galt die Blutrache, die dem Vergeltungsstreben freien Lauf ließ. Das Vergeltungs- oder Talionsprinzip (lat. Talio = Vergeltung bzw. griech. Talios = "gleich") kennzeichnet die Vergeltung nach dem Prinzip "Auge um Auge, Zahn um Zahn", das bedeutete, wer anderen einen Schaden zufügte, dem sollte der gleiche Schaden zugefügt werden. Die "poena talionis" findet sich bereits im altorientalischen Strafrecht (Codex Hammurabi), galt auch in der römischen Rechtsprechung und findet sich im Alten Testament.

Im germanischen Recht konnten die Täter und ihre Sippe die Rache "abkaufen". Der Rechtsfriede wurde durch einen sogenannten Sühnevertrag zwischen den Beteiligten nach Maßgabe eines Bußkatalogs wiederhergestellt.

Mit dem Zerfall der Sippenverbände, mit der Einrichtung des Lehenswesens und der Herausbildung eines feudalistischen Staatssystems veränderte sich der Ausgleichscharakter der Strafsanktionen. Die Strafen wurden zur Einnahmequelle der Könige und Landesherren. Die Verletzten mussten ihre privaten Schadensersatzansprüche zunehmend selbst durchsetzen, wobei die obrigkeitliche Strafe durch private Bußzahlungen abgewendet werden konnte.
Gustav Radbruch berichtet eine typische Begebenheit: "Da hatte etwa im zweiten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts in Glotterbad einer namens Hans Ganser den Kriegsknecht Ludi Schnetz ein Pulvermennli genannt, der ihn mit hitzigem Streich und Stich zu Tode verwundet. Was geschah dem Täter? Die Witwe des Erschlagenen ist mit einer Buße von zehn Kronen zufrieden (denn er war von je ein Taugenichts gewesen), und der Totschläger tut, die brennende Kerze in der Hand, an der Kirchtür öffentliche Buße."

Die Trennung von Zivil- und Strafrecht setzte sich aber mehr und mehr durch. Die Strafgewalt wurde zudem stärker institutionalisiert und ausgebaut, um den aufkommenden Fehden in der Ritterschaft, dem Raubrittertum und den zunehmenden Verbrechen der Landsknechte zu begegnen. Die Geldstrafen entwickelten sich zu Leibesstrafen, zumal die Gesetzesbrecher aus den ärmeren Schichten die Geldstrafe nicht zahlen konnten.

Als selbst die immer wieder verkündeten Landfrieden, das heißt der Ausschluss von Fehden für bestimmte gottgeweihte Bezirke, und selbst der ewige Landfrieden von 1495 nicht gehalten wurden, entstanden die ersten staatlichen Strafgesetze. Das bedeutsamste war die im Jahre 1532 auf dem Reichstag zu Regensburg von Kaiser Karl V. erlassene "Peinliche Gerichtsordnung", auch kurz Carolina genannt – "Peinliche Gerichtsordnung" deshalb, weil die Strafen auf Schmerzen und Pein (zum Beispiel Prügelstrafe und Verstümmelungen) ausgerichtet waren. Die Freiheitsstrafe hatte im Mittelalter nur geringe Bedeutung. Erst im 16. und 17. Jahrhundert entwickelte sich von England und Holland ausgehend die moderne Freiheitsstrafe; mit ihr wurde versucht, der "proletarischen Massenkriminalität", unter anderem dem Bettler- und Landstreichertum, durch Freiheitsentzug mit Arbeitszwang zu begegnen.

"Seitdem konnten, sehr langsam, zunächst die verstümmelnden Leibesstrafen, dann die verschärften Todesstrafen, schließlich die körperliche Züchtigung aus dem Strafensystem zurücktreten. Aber noch im Jahre 1813 wurde in Berlin an einem Brandstifterpaar die Feuerstrafe vollzogen, freilich nachdem sie zuvor auf eine den Zuschauern unmerkliche Art erdrosselt waren. Bis 1840 wurde in Hannover (mit eisernen Keulen) gerädert [Form der Todesstrafe – Anm. d. R.], bis 1859 als Schärfung der Todesstrafe noch das Schleifen zum Richtplatze (auf einer Kuhhaut) angedroht. In Preußen galt die Strafe des Räderns bis 1851, freilich wurde vor jeder Exekution dem Scharfrichter eine Kabinettsorder eingehändigt, dass er den Delinquenten vor dem Anfange des Räderns heimlich zu erdrosseln habe. Die Prügelstrafe hat in Resten von Preußen und Bayern bis 1848, in Kurhessen, Hannover und Österreich bis 1867, in Sachsen und Württemberg bis 1868, in Sachsen-Altenburg und Mecklenburg gar bis 1870 bestanden", so zitiert in "Die Peinliche Gerichtsordnung Karls V. von 1532" von Gustav Radbruch.
Auch wenn diese grausamen Leibesstrafen seit dem 17. Jahrhundert nach und nach durch die Freiheitsstrafe ersetzt wurden – wenngleich die Todesstrafe auch heute noch in zivilisierten Staaten vollstreckt wird –, war mit dieser Entwicklung die Sanktion des Ausgleichs zwischen Täter und Opfer fast gänzlich in den Hintergrund gedrängt worden.

QuellentextVom Nutzen der Abschreckung

Wir Deutschen betrachten uns gewiß nicht als ein besonders grausames und hartherziges Volk, noch weniger als besonders leichtfertig und in-den-Tag-hineinleberisch; aber man sehe nur unsre alten Strafordnungen an, um dahinterzukommen, was es auf Erden für Mühe hat, ein "Volk von Denkern" heranzuzüchten (will sagen: das Volk Europa’s, unter dem auch heute noch das Maximum von Zutrauen, Ernst, Geschmacklosigkeit und Sachlichkeit zu finden ist, und das mit diesen Eigenschaften ein Anrecht darauf hat, alle Art von Mandarinen Europa’s heranzuzüchten).
Diese Deutschen haben sich mit furchtbaren Mitteln ein Gedächtnis gemacht, um über ihre pöbelhaften Grund-Instinkte und deren brutale Plumpheit Herr zu werden: man denke an die alten deutschen Strafen, zum Beispiel an das Steinigen (– schon die Sage läßt den Mühlstein auf das Haupt des Schuldigen fallen), das Rädern (die eigenste Erfindung und Spezialität des deutschen Genius im Reich der Strafe!), das Werfen mit dem Pfahle, das Zerreißen- oder Zertretenlassen durch Pferde (das "Viertheilen"), das Sieden des Verbrechers in Öl oder Wein (noch im vierzehnten und fünfzehnten Jahrhundert), das beliebte Schinden ("Riemenschneiden"), das Herausschneiden des Fleisches aus der Brust; auch wohl daß man den Übelthäter mit Honig bestrich und bei brennender Sonne den Fliegen überließ.
Mit Hülfe solcher Bilder und Vorgänge behält man endlich fünf, sechs "ich will nicht" im Gedächtnisse, in Bezug auf welche man sein Versprechen gegeben hat, um unter den Vortheilen der Societät zu leben – und wirklich! mit Hülfe dieser Art von Gedächtnis kam man endlich "zur Vernunft"! – Ah, die Vernunft, der Ernst, die Herrschaft über die Affekte, diese ganze düstere Sache, welche Nachdenken heißt, alle diese Vorrechte und Prunkstücke des Menschen: wie theuer haben sie sich bezahlt gemacht! wie viel Blut und Grausen ist auf dem Grunde aller "guten Dinge"!

Friedrich Nietzsche, Zur Genealogie der Moral, 1887; neu veröffentlicht in Kröners Taschenbuchausgabe, Band 76, Stuttgart 1959, S. 290

Externer Link: http://gutenberg.spiegel.de/buch/zur-genealogie-der-moral-3249/4

Strafen und Maßregeln in der Gegendwart

Sanktionen nach allgemeinem Strafrecht (© bpb, Statistisches Bundesamt Wiesbaden)

Als Reaktion auf die Unzahl der Justizmorde in der NS-Diktatur wird die Todesstrafe in Deutschland im Grundgesetz explizit ausgeschlossen – Artikel 102 GG lautet: "Die Todesstrafe ist abgeschafft."
Sie kann auch nicht nach Artikel 79 Abs. 2 GG mit Zweidrittelmehrheit des Bundestages und des Bundesrates wieder eingeführt werden, denn durch Artikel 79 Abs. 3 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG ist dies generell ausgeschlossen. Gemäß Artikel 79 Abs. 3 GG ist unter anderem eine Änderung der in Artikel 1 GG niedergelegten Grundsätze – Unantastbarkeit der Menschenwürde – unzulässig.

Die Anzahl der Befürworter einer Todesstrafe wechselt; sie hängt davon ab, ob die Zahl der Verbrechen steigt oder abnimmt und wie diese jeweils publizistisch vermarktet werden. Die Fürsprecher erhoffen sich, mit der Todesstrafe eine gesteigerte Abschreckung auf potenzielle Täter zu erzielen. Ihnen ist entgegenzuhalten, dass

  • nach gängigem demokratischen Staatsverständnis staatliche Macht begrenzt ist und Halt machen muss vor dem Grundrecht auf Leben;

  • die Art und Weise, wie staatliche Strafgewalt durchgesetzt wird, beispielgebend für den Umgang mit gesellschaftlichen und persönlichen Konflikten ist und die Vollstreckung von Todesstrafen einem Klima gewalthafter Konfliktlösungen Vorschub leistet;

  • Fehlurteile der Gerichte nicht mehr korrigierbar sind (In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland wären bei Bestehen der Todesstrafe für Mord in wenigstens drei Fällen Menschen fälschlicherweise hingerichtet worden – Fälle, in denen aufgrund von Wiederaufnahmeverfahren die Verurteilungen widerrufen werden mussten.)

  • sich die Annahme abschreckender Wirkungen durch die Todesstrafe in der Geschichte der Strafverfolgung nicht bewahrheitet hat. So hatte beispielsweise die unterschiedliche Todesstrafenpraxis in den einzelnen Staaten der USA keine messbaren Auswirkungen auf die Verbrechensrate.

Mitte der 1990er-Jahre stieg die Zahl der Befürworter einer Todesstrafe in Deutschland. Dies kann mit der damals geführten kriminalpolitischen Debatte erklärt werden, in der ein "explosionsartiger Anstieg" der Kriminalität, insbesondere des sexuellen Missbrauchs von Kindern, behauptet wurde – entgegen dem tatsächlichen Verlauf der Kriminalität.

QuellentextDas Ende der Todesstrafe in Deutschland

Am frühen Morgen des 26.06.1981 hallt ein Schuss durch die kleinen Räume der zentralen Hinrichtungsstätte der DDR in Leipzig. Werner Teske sinkt zu Boden, von einem Genickschuss tödlich getroffen. Wegen versuchten Hochverrats wird der Offizier der Staatssicherheit hingerichtet – es ist das letzte Mal in Deutschland, dass die Todesstrafe vollstreckt wird.

Es sollte aber noch sechs Jahre dauern, bis die Tötung eines Menschen als Strafmaßnahme auf deutschem Boden endgültig Geschichte war. Erst am 17.07.1987 traf der Staatsrat der DDR den Beschluss, die Todesstrafe abzuschaffen. "Im Vorfeld seines ersten Treffens mit Bundeskanzler Helmut Kohl im September in Bonn hat der Staatsratsvorsitzende Erich Honecker die Entscheidung als Beleg für die humanistische Ausrichtung seines Regimes rechtzeitig herbeigeführt", beschrieb der frühere Sprecher der Zentralen Erfassungsstelle für in der DDR begangenes Unrecht Hans-Jürgen Grasemann die mögliche Motivlage für den Beschluss. Ob der Staatsbesuch tatsächlich ausschlaggebend war, könne "absolut wohl nicht gesagt werden", urteilt dagegen der Historiker Jörn-Michael Goll von der Universität Leipzig.
Fakt ist, dass die DDR-Volkskammer die Abschaffung der Todesstrafe am 18.12.1987 bestätigte und den erforderlichen Änderungen in den Strafgesetzen der DDR zustimmte. Da war der Honecker-Besuch bei Kohl schon Geschichte. "Eine kausale Notwendigkeit zwischen dem Besuch und der Abschaffung der Todesstrafe besteht nicht notwendigerweise", sagt Goll. Er verweist unter anderem darauf, dass die Vollstreckung von Todesurteilen in der DDR bereits seit den 1960er-Jahren im Geheimen erfolgte. "Sie war damals bereits kein Mittel der normalen Strafjustiz mehr."

Bei der Aufarbeitung der Geschichte der Todesstrafe in der DDR gebe es noch Forschungslücken. "Einen abschließenden Befund könnte man nur erreichen, wenn man in die Akten schaut", sagt Goll. Offene Fragen könnten wohl erst beantwortet werden, wenn von der Stasi in den Wendewirren vernichtete Akten vollständig restauriert seien. Das Andenken an die in der DDR zum Tode verurteilten hat sich das Bürgerkomitee Leipzig für die Auflösung der ehemaligen Staatssicherheit auf die Fahnen geschrieben. Schließlich wurden die letzten Exekutionen in dem Komplex in der Alfred-Kästner-Straße der Stadt vollzogen. In der ehemaligen zentralen Hinrichtungsstätte soll ein Gedenkort entstehen, in dem an die 231 Todesurteile in der DDR erinnert wird. 166 der Urteile wurden vollstreckt.

Im anderen deutschen Staat war die Todesstrafe da schon lange Geschichte. Im Grundgesetz der neu gegründeten Bundesrepublik hieß es bereits 1949 in Art. 102: "Die Todesstrafe ist abgeschafft." Dennoch gibt es auch heute noch ein Bundesland, das die Tötung eines Menschen als Bestrafung zumindest theoretisch vorsieht. Laut Artikel 21 der Hessischen Landesverfassung kann ein Straftäter "bei besonders schweren Verbrechen" zum Tode verurteilt werden. Allerdings hat dieser Passus keinerlei Auswirkungen: In Art. 31 GG ist geregelt, dass Bundesrecht Landesrecht bricht. Und dass die Todesstrafe in der Hessischen Verfassung überhaupt auftaucht, liegt schlicht daran, dass diese bereits 1946 – also drei Jahre vor der Verabschiedung des Grundgesetzes – in Kraft trat.

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Lebenslange Freiheitsstrafe
Die härteste Strafe im geltenden Strafsystem ist die Freiheitsstrafe, und hier insbesondere die lebenslange Freiheitsstrafe, die für Mord und Völkermord angedroht wird. Bis zum Jahre 1969 wurde die Freiheitsstrafe untergliedert in Zuchthaus, Gefängnis und Haft, wobei Zuchthaus die härteste und Haft die mildeste Form bedeutete.
Das Bundesverfassungsgericht hat 1977 die Dauer der lebenslangen Freiheitsstrafe begrenzt: Der Gesetzgeber wurde verfassungsgerichtlich gezwungen, auch dem zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten eine Chance auf Freiheit und die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu ermöglichen. Er müsse die Möglichkeit haben, "je wieder der Freiheit teilhaftig zu werden" (BVerfGE 45,187). Die Möglichkeit einer Begnadigung allein sei nicht ausreichend.
Der Gesetzgeber ist mit der Einführung des § 57a StGB diesem Urteilsspruch nachgekommen: Ein Gericht kann die Vollstreckung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe nun unter bestimmten Voraussetzungen zur Bewährung aussetzen, wenn 15 Jahre der Strafe verbüßt sind.

Zeitlich begrenzte Freiheitsstrafe
Das Höchstmaß der zeitlich begrenzten Freiheitsstrafe beträgt 15 Jahre, ihr Mindestmaß einen Monat. Die Freiheitsstrafe kann mit oder ohne Bewährung ausgesprochen werden. Mit Bewährung bedeutet, dass der Verurteilte nur dann die Freiheitsstrafe verbüßen muss, wenn er sich nicht bewährt, wenn er insbesondere in der Bewährungszeit neue Straftaten begeht. Die Bewährung ist ausgeschlossen bei Freiheitsstrafen von über zwei Jahren.

Geldstrafen
Unterhalb der Freiheitsstrafe steht die Geldstrafe. Sie wird nach einem sogenannten Tagessatzsystem verhängt. Zunächst wird die Anzahl der Tagessätze bestimmt, die zwischen fünf und in der Regel maximal 360 Tagessätze umfassen kann. Mit dieser Anzahl sollen Unrecht und Schuld des Täters zum Ausdruck gebracht werden, unabhängig von dessen wirtschaftlichen Verhältnissen. Diese werden erst bei der Höhe des einzelnen Tagessatzes (ein – 30.000 Euro) berücksichtigt. Damit soll eine größere Gerechtigkeit erreicht werden.
Wird beispielsweise der Angeklagte zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt und der Tagessatz auf 30 Euro festgesetzt, so muss der Angeklagte 600 Euro Strafe zahlen, wobei Ratenzahlungen eingeräumt werden können.

Beschränkung auf das Notwendigste und Privatsphäre unter Kontrolle des Wachpersonals: Zelle der Justizvollzugsanstalt Stadelheim, München, 2017 (© picture-alliance, SZ Photo / Claus Schunk)

Sicherungsverwahrung für gefährliche Gewalt- und Sexualstraftäter (© bpb, (© Bergmoser + Höller Verlag AG, Zahlenbild 131220 - aktualisiert)

QuellentextZu gefährlich für ein Leben in Freiheit?

[…] Das erste Mal in Haft kam Steffen mit 17. Das zweite Mal ließen sie ihn nicht mehr raus. Heute ist er 39, hat die meiste Zeit seines Lebens im Gefängnis verbracht […].

Die Sicherungsverwahrung ist das letzte Mittel der deutschen Justiz. [...] Die Sicherungsverwahrung ist für Straftäter gedacht, deren Freiheit für die Bevölkerung zu gefährlich wäre. Aber sie ist keine Strafe im eigentlichen Sinn, juristisch gesehen darf sie das nicht sein. Alle hier haben ihre Strafe im Gefängnis bereits verbüßt, deshalb müssen sie bessergestellt werden als Häftlinge. Bedeutet: mehr Freizeitangebote, mehr Therapie, kleine Wohngruppen, eigene Bettwäsche und Kleidung und individuelle und meist größere Zellen. Und es gibt sogenannte "Ausführungen" nach draußen, vier Mal im Jahr. Jedenfalls theoretisch.

"Von allen, die ich kenne, darf nur einer raus", sagt Steffen. "Und wenn einer meint, ich komme bald raus, sagen wir: Klar. In den Hof. […] Niemand weiß, ob wir je wieder freikommen. Das macht dich fertig", sagt Steffen. Deshalb hätten sich alle hier aufgegeben. […]

"Es ist schon so", sagt die Leiterin der Abteilung, eine große Frau mit roten Haaren: "Es gibt auch Leute, die hier sterben. Dass es keinen Endpunkt gibt, ist das größte Problem für die Menschen. Das ist nur allzu verständlich." Im Schnitt sind die Insassen in der Sicherungsverwahrung durch vorherige Haftstrafen etwas älter als Strafgefangene im Männervollzug. Sie sind häufiger krank, haben viele chronische Krankheiten. "[…] Natürlich gibt es Insassen, die wollen raus und hoffen noch; aber das Personal hat sie aufgegeben, weil man keinen Ansatz mehr sieht. Solche Dinge dürften die Mitarbeiter hier aber niemals laut aussprechen – eigentlich dürfen sie es nicht mal denken."

Bundesweit sitzen etwa 560 Männer in der Sicherungsverwahrung und eine Frau. 70 Prozent davon sind Sexualstraftäter, der Rest schwere Gewaltverbrecher. Sie leiden fast ausnahmslos an Persönlichkeitsstörungen: Es fällt ihnen schwer, Beziehungen aufzubauen oder sie aufrechtzuerhalten. "Daher haben viele von ihnen keine oder nur noch wenige Kontakte nach draußen und meist keine Familienangehörigen mehr", sagt die Leiterin. […]

In den Therapiesitzungen lernen die Sexualstraftäter, sich in ihr Gegenüber hineinzuversetzen: "Zu verstehen, welche Konsequenzen das eigene Handeln hat", sagt Steffen. Es gibt einen deliktunspezifischen und einen deliktspezifischen Teil. Der erste trainiert allgemeine Verhaltensweisen, der zweite Strategien zur Deliktvermeidung. Manchmal sei es schwer, den Leuten, wenn sie viele therapeutische Maßnahmen abgeschlossen haben und fordern, es müsse einen Fortschritt geben, klarzumachen, dass die Einsicht in das eigene Handeln fehle, sagt die Leiterin. Es ist das Ziel der Therapeuten. Ein Ziel, das nicht alle erreichen.

"Wir arbeiten daran, dass zum Beispiel ein Pädophiler erkennt, dass wir ihn nicht heilen können", sagt die Leiterin. Beim begleiteten Ausgang ist Sicherungspersonal dabei, manchmal auch eine Therapeutin. Sie stehen dann an einem Kinderspielplatz. "Wir führen das nicht herbei", sagt die Leiterin, "aber Spielplätze sind ja überall. Jetzt wäre es ein Fortschritt, wenn der Mann sagt: Oh. Moment. Dieses Mädchen oder der Junge da. Ich weiß nicht. Hier will ich nicht bleiben." Das zeige, dass der Mann sein Problem verstehe und beginne, Lösungsstrategien zu entwickeln. Dazu wolle man die Insassen befähigen. […]

Seit die Sicherungsverwahrung reformiert wurde, hat sie ein engmaschiges Therapieangebot bekommen. Die Prognose der Insassen wird einmal jährlich durch ein Landgericht überprüft. Die ersten zehn Jahre müssen die Insassen dem Gutachter und Gericht beweisen, dass sie nicht mehr gefährlich sind. Danach folgt die Beweislastumkehr: Dann muss man den Insassen nachweisen, dass noch Gefahr besteht.

"Es gibt Menschen hier wie den Pädophilen, der Einsicht in seine alten Akten einklagt, weil er hofft, dass da noch Kinderbilder drin sind", sagt Steffen. "Die würde ich auch nicht freilassen. Aber ich habe meine Therapien gemacht. Warum gibt man mir keine Chance?" Und dann gibt er die Antwort doch selbst. Es ist so eine Antwort für die Alarmglocken.

"Ich werde diese Straftat nie wieder begehen, das muss man mir glauben." Warum? "Ich weiß es einfach."

Alexander Krützfeldt, "Es macht dich fertig", Mitarbeit: Eva Achinger, in: Süddeutsche Zeitung vom 24. August 2017

Maßregeln
Mit dem sogenannten Gewohnheitsverbrechergesetz wurden im Jahre 1933 neben den eigentlichen Strafen Maßregeln eingeführt. Damit sollte zum Schutze der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten auch im Falle von Schuldlosigkeit auf Straftäter eingewirkt werden. Obwohl das Gesetz zu Beginn der NS-Diktatur erlassen wurde, ist es kein typisch nationalsozialistisches Gesetz. Mit ihm wurde lediglich eine lange geführte Diskussion über die Einführung solcher ergänzender Sanktionen abgeschlossen und das sogenannte zweispurige System errichtet. Danach ist zwischen Strafen und Maßregeln zu unterscheiden, wobei nur letztere auch gegen Schuldunfähige in Betracht kommen.

Maßregeln der Besserung und Sicherung sind heute: die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus, in einer Entziehungsanstalt oder in der Sicherungsverwahrung, wenn mit weiteren erheblichen Verstößen gegen Strafgesetze zu rechnen ist. Hinzu kommen die Führungsaufsicht, die Entziehung der Fahrerlaubnis und das Berufsverbot. Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren die Sicherungsverwahrung zum Schutz vor gefährlichen Wiederholungstätern erheblich ausgeweitet. Im Dezember 2009 stuften die Straßburger Richter des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte die Sicherungsverwahrung jedoch als Strafe, nicht als Maßregel ein. Sie darf nicht nachträglich angefordert werden. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 4. Mai 2011 einen therapieausgerichteten Vollzug der Sicherungsverwahrung gefordert, der im deutlichen Abstand zum Strafvollzug steht ("Abstandsgebot"). Der Gesetzgeber hat dementsprechend die Gesetze für die Sicherungsverwahrung neu gefasst.

Strafverzicht und Verfahrenseinstellung
Das Gericht sieht von Strafe ab, wenn die Folgen einer Tat den Täter so schwer getroffen haben, dass die Verhängung einer Strafe offensichtlich verfehlt wäre (Strafverzicht), vorausgesetzt, der Täter hat für die Tat keine Freiheitsstrafe von mehr als einem Jahr zu erwarten. Ein Beispiel: Eine Person verursacht durch eine leichte Unaufmerksamkeit beim Überholen auf der Autobahn einen Verkehrsunfall, bei dem zwei weitere Personen zu Schaden kommen. Sie selbst wird dabei so schwer verletzt, dass ihr beide Beine amputiert werden müssen. Wegen der fahrlässigen Körperverletzung der beiden Unfallopfer wird das Gericht in diesem Fall keine – zusätzliche – "Strafe" aussprechen.

Daneben können Staatsanwaltschaft und Gericht in der Hauptverhandlung, aber auch schon vor Anklageerhebung, auf Strafe verzichten, indem das Verfahren wegen Geringfügigkeit eingestellt wird. Das setzt voraus, dass das Verfahren nur ein Vergehen (mit im Höchstmaß weniger als einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht) zum Gegenstand hat, die Schuld des Täters als gering anzusehen ist und kein öffentliches Interesse an der Verfolgung besteht. Eine solche Einstellung des Verfahrens kann auch mit Auflagen wie beispielsweise Geldbußen oder Schadenswiedergutmachung erfolgen.

"Gnade vor Recht"
Seit Menschengedenken folgt auf das Verbrechen die Strafe als Unrechtsvergeltung. Immer gab es aber auch die Gnade, ausgeübt durch die Herrscher. Heute steht dem Bundespräsidenten das Begnadigungsrecht zu, wenn Straftäter vom Bundesgerichtshof verurteilt wurden (Art. 60 Abs. 2 GG). Die Ministerpräsidenten bzw. die (Ober-)Bürgermeister in den Stadtstaaten üben das Begnadigungsrecht aus, wenn Strafgerichte des Landes das Urteil gesprochen haben.

Darüber hinaus wird nach dem Gesetz vielfach auf Strafe verzichtet: bei Bagatellen durch Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit, nach Zahlung einer Geldbuße oder nach Schadenswiedergutmachung auch bei gewichtigeren Taten. Mit Ausnahme des Mordes verjähren alle Taten nach bestimmten Fristen. Gefangene, die sich im Strafvollzug gut führen, müssen ihre Strafe nicht vollständig verbüßen, der Rest wird zur Bewährung ausgesetzt. Dies dient der Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Eine unerbittliche Härte in der Strafverfolgung wäre mit den Grundwerten unseres Rechts- und Sozialstaates nicht vereinbar. Es wird somit nicht Gnade vor dem Recht gewährt, sondern Gnade ist im Recht vorgesehen.

Prof. Dr. Heribert Ostendorf, geb. 1945, war nach dem Studium viereinhalb Jahre als Richter, vornehmlich als Jugendrichter, tätig. Anschließend lehrte er acht Jahre als Professor für Strafrecht an der Universität Hamburg. Von 1989 bis 1997 war er Generalstaatsanwalt in Schleswig-Holstein. Von Oktober 1997 bis Februar 2013 leitete er die Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und Kriminalprävention an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel.
Professor Ostendorf hat neben Lehrbüchern und Gesetzeskommentaren zahlreiche wissenschaftliche Abhandlungen publiziert, vor allem zum Jugendstrafrecht. Sein Lehrbuch "Jugendstrafrecht" sowie sein Kommentar "Jugendgerichtsgesetz" sind in der 9. bzw. 10. Auflage erschienen und gelten als Standardwerke.