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Digitalisierung auf dem Land Nachbarschaftsplattformen – Mehr als ein Geschäftsmodell? Postdigitale Bildungskonzepte in ländlichen Räumen Im Austausch vor Ort – der Projekthof Karnitz Landleben und Digitalisierung heute Digital auf Rädern: Das Fabmobil Zwischen Digitalität und Alltagsrealität: Jungsein auf dem Land Editorial: Zeitgemäßes Lernen und Lehren fern der Metropolen "Es geht darum, die Gemeinschaft zu bereichern" Über (un)gleiche Verhältnisse: Digitalisierung im ländlichen Raum "Für den ländlichen Raum bietet die Digitalisierung besonderes Potenzial“ Mobil und vernetzt auf dem Land – Die Pampa-App Modelle für digitale Bildung auf dem Land

Modelle für digitale Bildung auf dem Land

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Landflucht, Überalterung, zu wenig und veraltete Infrastruktur – ländliche Regionen stehen vor großen Herausforderungen. Die Digitalisierung kann helfen, diese Gebiete attraktiv und anschlussfähig zu gestalten. Bildung ist hierbei das A und O.

Ländliche Regionen sollen durch den Ausbau digitaler Infrastruktur attraktiver werden. (© Goumbik /

Ländliche Regionen stehen für viele Menschen für Lebensqualität, sind Erholungsraum und zugleich wichtige Standorte kleiner und mittelständischer Unternehmen. Gleichzeitig sind es vor allem diese Regionen, die besonders stark von den Folgen des demografischen Wandels und der Abwanderung junger, gut ausgebildeter Menschen betroffen sind. Beispielsweise ist für den bayerischen Landkreis Tirschenreuth bis 2030 ein Anstieg des Durchschnittalters auf 49,4 Jahre (2016: 45,5 Jahre) und ein Bevölkerungsschwund von fast 14 Prozent prognostiziert.

Die Überalterung und Schrumpfung führt auch dazu, dass öffentliche und private Dienstleistungen sowie soziale und technische Infrastrukturen unrentabel werden und schließlich ausdünnen. Die Digitalisierung eröffnet Potenziale, dieser Entwicklung entgegenzuwirken und ländliche Regionen zukünftig attraktiver zu gestalten. Allerdings ist die Einführung und Nutzung digitaler Lösungen auf dem Land auch mit Hemmnissen verbunden. Mitte 2018 hatten zwar bereits 92,4 Prozent der deutschen Haushalte Zugang zu Breitbandanschlüssen mit über 16 Mbit/s und 82,9 Prozent mit über 50 Mbit/s, allerdings ist die Verfügbarkeit schneller Leitungen in städtischen Gemeinden (93,5 Prozent mit 50 Mbit/s und mehr) deutlich höher verglichen zum ländlichen Raum (50,5 Prozent mit 50 Mbit/s und mehr).

Auch bei der Internetnutzung gibt es Unterschiede: Junge Menschen, höher Gebildete und Berufstätige nutzen das Internet häufiger, ebenso wie die Bevölkerung in Großstädten (88 Prozent) verglichen mit dem Land (82 Prozent). Dennoch wurden in den letzten Jahren immer bessere Grundvoraussetzungen für die Digitalisierung im ländlichen Raum geschaffen und aktuelle technische und soziale Herausforderungen wie das Stadt-Land-Gefälle in der Breitbandverfügbarkeit und Internetnutzung adressiert. Unterstützend bedarf es Maßnahmen zur digitalen Befähigung der Bevölkerung durch eine gezielte Förderung für Schülerinnen und Schüler, Studierende und Erwachsene.

Modell- und Netzwerkschulen im ländlichen Raum

Eines der Ziele des Breitbandausbaus in ländlichen Räumen ist es, Schulen weitere Potenziale zu eröffnen. Erste Modellprojekte und Initiativen, wie zum Beispiel die "Digitale Schule 2020" der Stiftung Bildungspakt Bayern, setzen hier an. Die beteiligten Grund-, Mittel und Realschulen durchlaufen im Rahmen des Projekts von 2016 bis 2020 verschiedene Entwicklungsaufgaben; etwa soll eine bedarfsgerechte IT-Infrastruktur aufgebaut werden, mithilfe derer neue didaktische und pädagogische Konzepte zum Thema Medienkompetenz und -nutzung implementiert werden können. Ein Beispiel für die Erweiterung der IT-Infrastruktur an den Schulen ist das Learning-Management-System (LMS) und Internetportal "mebis" des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus. Neben einem Newsfeed zum Thema Medienbildung bietet es eine Mediathek, ein Prüfungsarchiv mit Altklausuren und eine Lernplattform mit Chatfunktion an, in der interaktive Tafeln genutzt werden und gemeinsam an Projekten gearbeitet werden kann. Derzeit nutzen schon 4.500 Schulen in Bayern LMS.

Des Weiteren sollen auch die Lehrkräfte im Bereich Digitalisierung und Mediennutzung weitergebildet werden. Mithilfe des Projekts soll die systematische Integration von digitalen Medien in Lehr- und Lernkonzepte ermöglicht und so mittelfristig auch eine digital-gestützte Aufgaben- und Prüfungskultur umgesetzt werden. Auf der Lernplattform sollen nicht nur Lehrende Unterrichtsfortschritte dokumentieren, Schülerinnen und Schüler sollen sich auch gezielt auf Prüfungen vorbereiten können. Diese neuen Konzepte sollen als Modell für die Entwicklung an anderen Schulen dienen. Am Projekt beteiligen sich sowohl Modell- und Netzwerkschulen in größeren Städten wie Erlangen als auch solche in eher ländlich geprägten Gebieten wie zum Beispiel in Neunburg vorm Wald – eine Stadt mit gut 8000 Einwohnerinnen und Einwohnern in der Oberpfalz.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie sich der ländliche Raum für die Digitalisierung seiner Schulen rüstet, findet sich im oben genannten ländlichen Flächenlandkreis Tirschenreuth. Der dortige Kreisjugendring hat mit finanzieller Unterstützung der Europäischen Union und des Bezirks Oberpfalz das T1-Jugendmedienzentrum ins Leben gerufen. Hier werden unter anderem Programme speziell für Schulklassen angeboten, beispielsweise zu den Themen "Internet- und Smartphonenutzung" oder "Cyber-Mobbing". Dies kann ein erster Anreiz sein, die Sensibilität von Schülerinnen und Schülern zu Themen der Digitalisierung zu schärfen, sodass sie bei richtiger Ausstattung auch an den Schulen fit für den digitalen Wandel sind.

Laut Digital Index 2018/19 glaubt aktuell nicht mal jede vierte Lehrperson an den Nutzen digitaler Medien für den Lernerfolg ihrer Schülerinnen und Schüler. Kaum eine Schule sieht die Digitalisierung als strategisches Thema – egal ob in der Stadt oder auf dem Land. Wenn sich hier der ländliche Raum als Vorreiter auszeichnen würde, könnte dies die Attraktivität des ländlichen Raums steigern. Daneben könnte der ländliche Raum durch gut ausgebildete Schülerinnen und Schüler sowie junge Erwachsene als heranwachsende Fachkräfte wieder interessant für größere Unternehmen und Nahversorgungseinrichtungen werden.

Bildungsangebote zur Digitalisierung für ältere Menschen

Nicht nur Schülerinnen und Schüler müssen in Sachen Digitalisierung weitergebildet und -qualifiziert werden. Im Hinblick auf den demografischen Wandel soll auch die ältere Bevölkerung des Landkreises Tirschenreuth auf den Weg der Digitalisierung mitgenommen werden. Das Projekt "Digitales Dorf: Wohnen und Bildung" (ein Kooperationsprojekt von Fraunhofer SCS, Fraunhofer IESE und des Landkreises Tirschenreuth) hat das Ziel, ältere Bürgerinnen und Bürger im Landkreis dazu zu befähigen, digitale Lösungen im ländlichen Raum selbstständig zu nutzen.

Ältere Menschen greifen in ihrem Bildungsverhalten bevorzugt auf Formen des informellen Lernens zurück, das im Alltag zum Beispiel durch den Austausch mit Bekannten entsteht und ohne offizielle Lernnachweise auskommt. Daher ist einer der Lösungsansätze des Projekts, informelle und niederschwellige digitale Bildungsangebote für die älteren Bürgerinnen und Bürger zu konzipieren und diese im Landkreis anzubieten und zu evaluieren.

Durch den Einbezug von Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der Region (Senioren- und Behindertenbeauftragte, öffentliche Einrichtungen, Volkshochschulen etc.) ist es im Projektverlauf gelungen, Bildungsangebote wie "Jung erklärt Alt die Medien von heute" oder "Erste Schritte im Internet" zu entwickeln und einzusetzen. Diese werden bis zum Ende des Jahres evaluiert und sollen über das Projektende hinaus verstetigt werden. Die entwickelten Bildungsangebote decken unterschiedliche Inhalte und Anwendungsbereiche ab, etwa die Nutzung von Computern, die Internetnutzung, Online-Einkäufe etc. Je nach Bildungsangebot bringen die Seniorinnen und Senioren ihre eigenen digitalen Endgeräte mit, oder aber sie finden in Computercafés oder Schulen mit der entsprechenden Ausstattung statt.

Die digitalen Bildungsangebote des vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales durchgeführten Pilotprojekts sollen auch andere ländliche Landkreise in Bayern nutzen können. Mit der nötigen Ausstattung können dann flächendeckend Bildungsangebote für alle Zielgruppen im ländlichen Raum angeboten werden.

Ausblick

Das deutsche Bildungssystem reagiert zunehmend auf die Entwicklungen im Bereich der Digitalisierung und wird aktiv im Bereich der Anschaffung von digitalen Medien und der Entwicklung von Bildungskonzepten, die sich zum einen fachlich mit der Digitalisierung auseinandersetzen, zum anderen methodisch digitalisiert sind. Das ist auch im ländlichen Raum der Fall; doch fehlen hier im Vergleich zum städtischen Raum zum Teil noch adäquate Infrastrukturen und die Systematisierung und strukturelle Implementierung von Lösungsansätzen.

Durch die Vielzahl an öffentlich geförderten Projekten ergeben sich durch die Digitalisierung jedoch Chancen für strukturschwächere Regionen – insbesondere auch im Bildungsbereich – die dabei helfen können, der Landflucht und den Auswirkungen des demografischen Wandels entgegenzuwirken.