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Regierungskonferenz | bpb.de

Regierungskonferenz

M. Große Hüttmann

R. [engl.: Intergovernmental Conference, IGC] werden einberufen, um die Verträge der EG zu ändern. Jede Regierung eines EU-Staates oder die EU-Kommission kann beim Europäischen Rat die Einberufung einer R. beantragen. Hat der Rat dazu das Europäische Parlament (EP) und ggf. auch die Kommission angehört, kann eine R. einberufen werden. Die Regierungen benennen Vertreter (i. d. R. hohe Beamte der Außen- oder Europaministerien bzw. EU-Botschafter), die regelmäßig vertrauliche Gespräche und Verhandlungen auf der Arbeitsebene führen. Später werden dann die Regierungen, Ministerien (v. a. Auswärtiges bzw. Europa), das EP, die EU-Kommission und, in währungspolitischen Fragen, die Europäische Zentralbank einbezogen. Den Verhandlungen im Rahmen einer R. gehen also häufig vorbereitende informelle Gespräche von Regierungsbeauftragten voraus. Während sich die ersten R. in den 1960er-Jahren noch mit einer überschaubaren Tagesordnung beschäftigten, haben sich die R. seit den 1990er-Jahren zu einem komplexen und überfrachteten Prozess entwickelt, in den die Medien und eine interessierte Öffentlichkeit sehr viel stärker einbezogen sind als früher. Der Begriff R. ist irreführend, weil die Regierungen der EU-Staaten nicht die alleinigen Akteure bei Vertragsänderungen sind (auch Ratssekretariat und EU-Kommission können die langen Verhandlungen beeinflussen). Der Konvent zur Grundrechte-Charta (1999) bot eine Alternative zu den wenig transparenten R. Dieses Modell soll künftig zur Vorbereitung der R. dienen – die abschließende Entscheidung obliegt jedoch weiterhin den Mitgliedstaaten als den »Herren der Verträge«. Die Abstände, in denen die Verträge im Rahmen einer R. einer Revision unterzogen werden, wurden seit Mitte der 1990er-Jahre immer kürzer. Wenn sich eine R. auf einen neuen Vertragstext geeinigt hat, wird dieser in einer feierlichen Zeremonie von den Regierungen unterzeichnet und muss dann vor in Kraft treten von den Parlamenten bzw. in einem Referendum ratifiziert werden. Das kann 1 bis 2 Jahre dauern. Der Vertrag von Lissabon (2009) beschreibt in Art. 48 EUV das ordentliche (Abs. 2-5) bzw. vereinfachte Vertragsänderungsverfahren (Abs. 6 u. 7) im Detail. Die Einsetzung eines Konvents kann der Einberufung einer R. vorausgehen. Als Mitglieder im Konvent vorgesehen sind: Vertreter der nationalen Parlamente, der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, des Europäischen Parlaments und der EU-Kommission (ggf. kann auch die Europäische Zentralbank gehört werden). Der Konvent legt im Konsensverfahren einen Entwurf für Änderungsvorschläge vor und übergibt diesen an die Vertreter der R., die dann über die Vertragsänderungen zu beraten und diese einstimmig zu beschließen haben.

Literatur

  • Th. Christiansen u. a.: Theorizing EU Treaty Reform: Beyond Diplomacy and Bargaining, in: Journal of European Public Policy (JEPP), H. 1/2002, S. 12-32.

  • M. Große Hüttmann: Reformen durch Regierungskonferenzen. Struktur und Wandel von Vertragsänderungen in der Europäischen Union, Tübingen 2018 (Download: https://publikationen.uni-tuebingen.de/xmlui/handle/10900/83878).

  • F. Laursen (Hg.): Designing the European Union. From Paris to Lisbon, Houndmills 2012.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Große Hüttmann

Siehe auch:

Fussnoten

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