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Europa der Vaterländer | bpb.de

Europa der Vaterländer

V. Conze

Die Idee des E. [frz.: Europe des patries] bezieht sich auf eine enge Form der zwischenstaatlichen Kooperation europ. Staaten, die jedoch die nationale Souveränität weitgehend unangetastet lässt und auf supranationale Einigungsschritte verzichtet. Sie wird historisch v. a. mit dem frz. Staatspräsidenten Charles de Gaulle (* 22.11.1890 † 9.11.1970) in Verbindung gebracht, der die Formulierung zu einem Kernpunkt seiner Europapolitik in den 1960er-Jahren machte. Ziel war es, Frankreichs nationale Souveränität zu bewahren und ihm eine Führungsrolle in Europa zuzuordnen. De Gaulle schwebte dabei ein »karolingisches« Kerneuropa vor, das Deutschland, Luxemburg und die Beneluxländer unter Führung Frankreichs verbinden sollte. Die Ausstrahlung dieses E. sollte die Blockgrenzen des Ost-West-Konfliktes dauerhaft lockern, sodass ein »Europa vom Atlantik bis zum Ural« möglich würde. De Gaulles Ablehnung des Beitrittsgesuchs Großbritanniens und seine Skepsis gegenüber der »atlantischen Dimension« der europ. Einigung bildeten den Hintergrund der Debatte um das E. Erst unter de Gaulles Nachfolger, George Pompidou, entwickelte Frankreich ein positiveres Verhältnis zu den supranationalen Elementen der europ. Integration. Gegenwärtig findet man die Formulierung »E.« häufig in rechtsextrem-nationalistischen Kontexten.

Literatur

  • H.-D. Lucas: Europa vom Atlantik bis zum Ural? Europapolitik und Europadenken im Frankreich der Ära de Gaulle (1958–1969), Bonn 1992.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: V. Conze

Fussnoten

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