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Jüngstes Gericht | bpb.de

Jüngstes Gericht

(arab. yaum ad-­dīn, yaum al-­qiyāma). Das nahe bevorstehende Weltende mit dem J. G. ist ein zentrales Motiv schon der ältesten Suren des Korans, wo es in eindringlichen Bildern heraufbeschworen wird (z. B. 69:18 – 37, 81, 82, 84, 99, 101). Das im eschatolog. Schrifttum gezeichnete Bild der erwarteten Ereignisse beruht nur in Teilen auf dem Koran und kann im Detail stark variieren. Danach kündigt sich das Ende durch Vorzeichen an, besonders das Erscheinen des apokalypt. Wesens (arab. dajjāl), das aber vom Messias oder Mahdi (für die Zwölferschiiten der zwölfte Imam) besiegt wird. Nach dem ersten Trompetenstoß des Interner Link: Engels Isrāʿīl wird der Makrokosmos vernichtet, analog zum Tod des Mikrokosmos Interner Link: Mensch. Die Einheit Gottes wird hier manifest, indem allein Gott fortexistiert. Durch einen zweiten Trompetenstoß werden alle Toten wiedererweckt (Interner Link: Auferstehung). Die auferstandenen Menschen sowie Dämonen und Engel werden zum Gericht versammelt, bei dem die Taten jedes von ihnen auf einer Waage gewogen werden. Die Taten des Einzelnen sind in einem Buch verzeichnet, das den Frommen in die rechte, den Sündern in die linke Hand gegeben wird. Nur die Gerechten passieren die Brücke (arab. ṣirāṭ) über den Abgrund der Hölle hinüber ins Paradies. Hierbei hilft die Fürsprache des Propheten oder (von der strengen Orthodoxie bestritten) anderer hervorragender Menschen. Da Gott allwissend ist, findet im Gericht keine Urteilsfindung statt, sondern nur die Verkündung. Das Konzept von Lohn und Strafe für die ­Taten im Diesseits ist eines der wichtigsten Themen der islam. Theologie. Die vorauszusetzende Verantwortlichkeit des Menschen wurde auch gegenüber der Prädestinationslehre aufrechterhalten. Endzeiterwartungen haben als moralische Zeitdiagnose oft eine unmittelbare politische Dimension. Im modernen Islam tritt die Schilderung des Gerichts selbst hinter der moral. Nutzanwendung für die Lebensführung im Diesseits zurück.

Literatur:: Chittick, W.: «Eschatology», in Nasr, S. (Hg.): Islamic Spirituality. Foundations, 1987, 378 – 409. – Smith, J. and Yazbeck Haddad, Y.: The Islamic understanding of death and resurrection, 2002. – Cook, D.: Contemporary Muslim apocalyptic literature, 2008. – Kaptein, L.: Apocalypse and the Antichrist Dajjal in Islam. Ahmed Bijan’s Eschatology Revisited, 2011.

Autor/Autorinnen:Prof. Dr. Gottfried Hagen, University of Michigan, Turkish Studies

Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.

Fussnoten