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Rechtsschulen

(arab. madhāhib, sg. madhhab), verschiedene Richtungen der Auslegung des islam. Interner Link: Rechts. Die heute noch existierende Form der überregionalen R. entwickelte sich seit der zweiten Hälfte des 8. Jh. aus lokalen Juristenzirkeln. Die einzelnen R. führen sich auf Gründungsväter zurück, deren Namen sie tragen. Die Interner Link: Sunniten erkennen vier R. an: die Hanafiten (nach Abū Ḥanīfa, gest. 767), die Malikiten (nach Mālik ibn Anas, gest. 795), die Shafiʿiten (nach ash-­Shāfiʿī, gest. 820) und die Hanbaliten (nach Aḥmad ibn Ḥanbal, gest. 855). Daneben existieren mehrere schiit. R. In der Vergangenheit waren die R. mit ihrem informellen Lehrer-­Schüler-­Verhältnis verantwortlich für die Tradierung und Ausgestaltung des islam. Rechts. Jede Rechtsschule folgt einem eigenen Lehrsystem, welches auf in Nuancen unterschiedlichen Grundsätzen der Rechtsauslegung basiert. Diese können aber durchaus zu gravierenden Unterschieden bei einzelnen Rechtsbestimmungen führen, etwa bei der Rechtmäßigkeit von Bedingungen im Hochzeitsvertrag (Interner Link: Ehe), unter denen eine Frau selbständig ihre Interner Link: Scheidung einklagen kann. Im Interner Link: Reformislam wurde seit dem Ende des 19. Jh. die teilweise Überwindung der R. praktiziert, indem man bei der Ausarbeitung des kodifizierten Rechts die Übernahme von Rechtssätzen aus verschiedenen Schulen sowie die individuelle Meinungsbildung (Interner Link: ijtihād) für legitim erklärte. Obwohl die R. heutzutage ihre überragende Bedeutung als alleinige Träger islam. Rechts verloren haben, bleibt die Zugehörigkeit eines jeden Muslims zu einer Rechtsschule in Fragen der Religionsausübung von großer Bedeutung. Aus histor. Gründen sind die Hanafiten v. a. in den Kernländern des ehemaligen Osman. Reichs, der Türkei, ­Syrien, Irak und Ägypten verbreitet. Die Malikiten dominieren in Nordafrika. Shafiʿiten finden sich v. a. im Jemen, am Horn von ­Afrika sowie in Südostasien, und die Hanbaliten in Saudi-­Arabien, den Golfstaaten und teilweise in Syrien und Jordanien.

Literatur: Melchert, C.: The Formation of the Sunni Schools of Law, 1997.

Autor/Autorinnen:PD Dr. Christian Müller, Centre National des Recherches Scientifiques, Paris, Arabistik

Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.

Fussnoten