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Maudūdī Abū al-­Aʿlā al- | bpb.de

Maudūdī Abū al-­Aʿlā al-

(1903 – 1979), bedeutender indisch-­pa­kistan. Denker und Politiker, dessen Ideen zum Programm der v. a. in Pakistan, aber auch in Indien, Sri Lanka, Großbritannien und den USA agierenden Jamāʿat-­i islāmī (Urdu «Islam. Organisation») wurden. M. war der Sprössling einer hochangesehenen Aurangabader Familie. Sein antibrit. eingestellter Vater hielt ihn ganz bewusst so lange wie nur möglich von europäischen Kultureinflüssen fern und versuchte, ihm in Form von Privatunterricht die eigene indo-­muslim. Tradition näherzubringen. Nach dem Tode seines Vaters beschloss M., eine journalist. Karriere einzuschlagen. Zusammen mit seinem Bruder ging er nach Delhi und nahm Kontakt zu Reformisten und Anhängern der Unabhängigkeitsbewegung auf. 1919 fand er sich in Jabalpur ein, um dort für das reformist. Magazin al-­Tāj («Die Krone») zu schreiben. Während dieser Zeit begann auch sein Engagement für die Khilāfat-­Bewegung, die sich nach dem Ersten Weltkrieg für die Aufrechterhaltung des Interner Link: Kalifats einsetzte. Als die Zeitung al-­Tāj ihr Erscheinen einstellte, kehrte M. nach Delhi zurück. Eine Zeitlang gab er die Zeitschrift al-­Jamʿīyat, das Organ der Jamʿīyat-­i ʿulamāʾ-i hind («Organisation der indischen Gelehrten»), heraus, doch stürzte ihn der Zusammenbruch der Khilāfat-­Bewegung im Jahre 1924 in eine intellektuelle Krise. Aus diesem Grunde zog er sich 1928 zur Kontemplation und zum Schreiben nach Hyderabad zurück. Im Laufe der nächsten Jahre entwickelte er seine dezidiert reformist. Positionen: Der gegenwärtige Islam sei durch den Einfluss westlicher Vorstellungen verderbt und müsse von unlauteren Elementen gereinigt werden. Es müsse deutlich gemacht werden, dass der Islam selbst ein vollständiger Gesellschafts- und Lebensentwurf sei, der ohne auswärtige Hilfe auskomme. Eine notwendige Voraussetzung für eine wirkliche Läuterung und für die Rückkehr zur «wahren» Religion sei allerdings der Abbruch jeglicher Beziehungen zu den Hindus. 1932 kaufte M. das Journal Tarjumān al-­qur’ān («Interpret des Korans»), das ihm bis zu seinem Tode als Forum seiner reformist. Ideen diente. Im August 1941 gründete er die reformist. Partei Jamāʿat-­i islāmī. Ihr Hauptquartier befand sich anfangs in Pathankot, doch wurde sie nach der Teilung Indiens in zwei voneinander unabhängig agierende Organisationen gespalten. M. selbst übernahm den Vorsitz der pakistan. Partei in Lahore. Sein erklärtes Ziel war die Gründung eines Islam. Staates. In den folgenden Jahren übte M. großen Einfluss auf die Diskussion um die künftige ideolog. Orientierung Pakistans aus, und nicht zuletzt ihm war es zu verdanken, dass es in der ersten Verfassung von 1956 tatsächlich hieß, man wolle einen wahrhaft islam. Staat aufbauen, in dem sich alle Gesetze nach dem Interner Link: Koran und der Interner Link: Sunna richteten. Sein reformist. Aktionismus brachte ihn allerdings auch für geraume Zeit ins Gefängnis. Einmal wurde er sogar zum Tode verurteilt, später aber begnadigt und wieder freigelassen. Nach einer verheerenden Niederlage seiner Partei bei den Wahlen von 1970 trat M. als Vorsitzender zurück. Dennoch war er an dem Versuch der Jamāʿat-­i islāmī im Jahre 1977 beteiligt, die Regierung von Zulfiqar ʿAlī Bhutto (1928 – 1979) zu stürzen. Am 22.9.​1979 starb M., der zeit seines Lebens davon überzeugt war, dass der polit. Kampf in Pakistan in eine «Theokratie» oder ein «demokrat. Kalifat» münden würde, das in der Lage sei, breite gesellschaftliche Reformen durchzusetzen. Die Anwendung von Gewalt hat M. stets abgelehnt und stattdessen das Mittel der Erziehung favorisiert. (Interner Link: Reformislam, Interner Link: Revolution)

Literatur: Adams, C. J.: The Ideology of Mawlana Mawdudi, in Smith, D. (Hg.): South Asian Politics and Religion, 1966, 371 – 396. – Ders.: Mawdudi and the Islamic State, in Esposito, J. L. (Hg.): Voices of Resurgent Islam, 1983, 99 – 133. – Hasan, M.: Sayyid Abul Aʿala Maududi and his Thoughts, 2 Bde., 1984.

Autor/Autorinnen:Prof. Dr. Stephan Conermann, Universität Bonn, Orientalistik

Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.

Fussnoten