Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Funktionen des Rechts | Deutsche Demokratie | bpb.de

Deutsche Demokratie Grundlagen Demokratie Grundgesetz Grundrechte Bundesstaat Rechtsstaat Sozialstaat Politische Beteiligung Einleitung Wahlen Parteien Interessenverbände Kirchen Bürgerinitiativen Massenmedien Parlament Bundestag Aufgaben des Bundestages Arbeitwoche eines MdB Bundesrat Ein Gesetz entsteht Landesparlamente Kompetenzverteilung Bundespräsident, Regierung und Verwaltung Bundespräsident Bundesregierung Landesregierungen Verwaltung: Organisation und Grundsätze Verwaltung des Bundes Verwaltung der Länder Gemeinden Rechtsprechung Funktionen des Rechts Grundsätze der Rechtsprechung Rechtssystem Bundesverfassungsgericht und Verfassungsgerichte der Länder Deutschland in Europa und der Welt Europa Von der EG zur EU NATO Vereinte Nationen Deutsche Nationalsymbole Einleitung Wappen, Flagge und Hymne Europaflagge Quiz: Deutsche Demokratie für Einsteiger Quiz: Deutsche Demokratie für Profis Redaktion

Funktionen des Rechts

Horst Pötzsch

/ 4 Minuten zu lesen

Das Recht sichert Frieden und gewährleistet Freiheit. Es verbietet Vergeltung und Faustrecht und dient so der Vorbeugung von Konflikten. Die Rechtsordnung sorgt dafür, dass Streitigkeiten friedlich in einem geregelten Verfahren ausgetragen werden.

Das Recht gewährleistet die Freiheit. Foto: (Toni_V) Lizenz: cc by-sa/2.0/de

In der Bundesrepublik Deutschland leben die Menschen friedlich zusammen. Es herrschen Recht und Gesetz, wenn es auch keine perfekte Sicherheit vor dem Verbrechen gibt.

Das ist keineswegs selbstverständlich. In vielen Ländern der Welt herrschen keine rechtsstaatlichen Verhältnisse. In einigen Staaten hat sich die Rechtsordnung förmlich aufgelöst. In sinnlosen Kriegen wird keine Rücksicht auf die wehrlose Zivilbevölkerung genommen. Frauen, Kinder und alte Menschen werden vertrieben, terrorisiert oder getötet.

Das war in früheren Jahrhunderten in Europa nicht anders. Das ganze Mittelalter war gekennzeichnet durch Friedlosigkeit, der die "Friedensbewegungen" jener Zeit, die Gottesfriedens- und die Landfriedensbewegung, nur mit geringem Erfolg entgegenzuwirken vermochten. Die Erfahrungen der mörderischen Religionskriege des 16. und 17. Jahrhunderts führten schließlich zu der Einsicht, dass die Wahrung des Friedens die wichtigste Aufgabe des Gemeinwesens sei und dass allein der Staat die Befugnis zur Gewaltausübung haben dürfe. Das staatliche Gewaltmonopol ist ein Wesensmerkmal des neuzeitlichen Staates. Später trat die Bindung der Staatsgewalt an das Gesetz hinzu. Beide zusammen begründen den Rechtsstaat.

Das Recht sichert den Frieden

Die wichtigste Funktion des Rechts ist offenkundig die Sicherung des inneren Friedens. In einer Gesellschaft gibt es unterschiedliche Interessen, die unausweichlich zu Konflikten führen. Das Recht sorgt dafür, dass sie auf friedliche Weise in einem geregelten Verfahren ausgetragen werden.

Die Rechtsordnung verbietet, privat Vergeltung zu üben oder das Recht auf eigene Faust durchzusetzen. Das Opfer einer Straftat darf an dem Täter keine Rache nehmen. Ein Gläubiger darf nicht das Auto des säumigen Schuldners entwenden, um es bis zur Zahlung der Schuld als Pfand zu behalten. Der Bürger muss sich an die Gerichte wenden und sein Recht mithilfe der Staatsgewalt durchsetzen.

Bei Straftaten steht die Strafgewalt allein dem Staat zu, Anklage erhebt der Staatsanwalt. Auch bei einem zivilrechtlichen Streit setzt das Recht an die Stelle der gewaltsamen, ungeregelten Auseinandersetzung das geregelte Verfahren. Es kann seine befriedende Wirkung nur entfalten, wenn es für einen gerechten Ausgleich der Interessen sorgt. Der Gesetzgeber muss beim Erlass der Gesetze die unterschiedlichen Interessen und möglichen Konflikte vorwegnehmen. Das Recht dient so der Vorbeugung von Konflikten.

Das Mietrecht beispielsweise legt Rechte und Pflichten von Mietern und Vermietern unter Abwägung ihrer Interessen genau fest. Es regelt Voraussetzungen und Fristen einer Kündigung, Fristen und Umfang einer Mieterhöhung, Höhe und Verzinsung einer Kaution und anderes mehr.

Kommt es dennoch zum Streit, muss ein gerichtliches Verfahren eine Lösung des Konflikts herbeiführen. Sie soll möglichst von allen Beteiligten als gerecht empfunden werden. In jedem Fall setzt sie dem Konflikt ein Ende und stellt den Rechtsfrieden wieder her.

Das Recht gewährleistet die Freiheit

Das Recht sichert nicht nur den inneren Frieden, sondern gewährleistet auch die Freiheit des Einzelnen. Das erscheint auf den ersten Blick paradox, denn das Recht schränkt gerade die Freiheit auf vielfältige Weise ein. In einer Gesellschaft, in der viele Menschen auf engem Raum zusammenleben, kann es aber keine uneingeschränkte Freiheit geben. Freiheit endet dort, wo das Recht des anderen beginnt.

Themengrafik Rechtsprechung: Die Rechtsprechung gewährleistet den inneren Frieden und die Freiheit der Bürger, auch gegenüber dem Staat. Zum Öffnen der PDF-Version (303 KB) klicken Sie bitte auf das Bild. Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/

Die französische "Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte" von 1789 hat das so ausgedrückt: "Die Freiheit besteht darin, alles tun zu können, was einem anderen nicht schadet. So hat die Ausübung der natürlichen Rechte eines jeden Menschen nur die Grenzen, die den anderen Gliedern der Gesellschaft den Genuss der gleichen Rechte sichern. Diese Grenzen können allein durch Gesetz festgelegt werden." Wenn das Recht diese Funktion nicht erfüllt, entstehen "rechtsfreie Räume", es herrscht Willkür, unter der die Schwachen leiden.

Das Recht regelt die privaten Rechtsbeziehungen

Das Recht schützt nicht nur Frieden und Freiheit in der Gesellschaft, es stellt auch ein System von rechtlichen Regeln bereit, in dem der Einzelne seine Rechtsbeziehungen in eigener Verantwortung (autonom) gestalten kann. Die Juristen nennen das Privatautonomie.

Wenn jemand beispielsweise ein Haus bauen will, erwirbt er per Kaufvertrag zunächst ein Grundstück. Er wird als neuer Eigentümer in das Grundbuch eingetragen, damit ist sein Eigentum gesichert. Dann schließt er Verträge mit dem Architekten und den verschiedenen Handwerkern über die Bauausführung. Ihre Leistungen kann der Bauherr mit den Mitteln des Rechts einfordern, ebenso wie seine Vertragspartner ein Recht auf die vereinbarte Bezahlung ihrer Leistungen haben. Solche Vereinbarungen sind "rechtswirksam", die Rechtsordnung garantiert, dass sie eingehalten werden.

Derartige rechtliche Regelungen sind Bestandteil des täglichen Lebens. Jeder Kauf kommt durch einen Kaufvertrag zustande. Das Mietrecht ist ein weiteres Beispiel für rechtlich geregelte Beziehungen zwischen Vertragspartnern. Das Erbrecht sieht sogar Verfügungen über den Tod hinaus vor.

Das Recht gestaltet die Gesellschaft

Die Sicherung des Friedens und der Freiheit und die Gewährleistung der Privatautonomie sind Kernbestandteile des liberalen Rechtsstaates.

Der soziale Rechtsstaat greift darüber hinaus aktiv in alle Bereiche des persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens ein. Gesetzliche Regelungen schützen die Schwächeren und sorgen für den Ausgleich sozialer Gegensätze.

Das Arbeitsrecht beispielsweise enthält zahlreiche Regelungen zum Schutz der Arbeitnehmer: Kündigungsschutz, Arbeitszeitbegrenzung, Lohnfortzahlung, Schutz vor den Gefahren des Arbeitslebens, Mutter- und Jugendschutz, Mitbestimmung.

Das Kartellrecht sichert den wirtschaftlichen Wettbewerb. Es verbietet beispielsweise Preisabsprachen von Unternehmern und soll verhindern, dass sich einzelne Unternehmen eine marktbeherrschende Position verschaffen können.

Der rasche gesellschaftliche Wandel, die begrenzten natürlichen Lebensgrundlagen, die Entwicklung neuer Technologien zwingen den Staat, steuernd und gestaltend in immer neue Lebensverhältnisse einzugreifen. Auch hier bedient sich der Staat vor allem des Rechts. Dem Schutz der Umwelt beispielsweise dienen das Immissionsschutzgesetz, das Atomgesetz, das Chemikaliengesetz und andere mehr. Das Gentechnikgesetz von 1990 legt den rechtlichen Rahmen für die Anwendung der Gentechnik fest und soll vor deren Gefahren schützen.

Aus: Pötzsch, Horst: Die Deutsche Demokratie. 5. überarbeitete und aktualisierte Auflage, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 2009, S. 131-133.

Fussnoten

Der Historiker und Politologe Horst Pötzsch war bis 1992 Leiter der Abteilung "Politische Bildung in der Schule" der Bundeszentrale für politische Bildung.