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Bundesverfassungsgericht entscheidet über Fiskalpakt und ESM | Hintergrund aktuell | bpb.de

Bundesverfassungsgericht entscheidet über Fiskalpakt und ESM

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Das Bundesverfassungsgericht urteilt am Mittwoch (12. September) über den Fiskalpakt und den Europäischen Rettungsschirm ESM. Gegen die beiden Verträge sind Eilanträge eingegangen. Folgen die Richter der Argumentation der Kläger, können sie die Ratifizierung von Fiskalpakt und ESM vorläufig stoppen.

Die Richter des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts (© picture-alliance/dpa)

Die Abgeordneten des Deutschen Bundestags hatten am 29. Juni 2012 den "Vertrag zur Einrichtung des Europäischen Stabilitätsmechanismus" (ESM-Vertrag) und den "Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion", den Fiskalpakt, mit Zwei-Drittel-Mehrheit gebilligt. In Deutschland sind die Gesetze noch nicht in Kraft getreten, da Bundespräsident Joachim Gauck sie noch nicht unterschrieben hat. Erst mit der Ratifizierung durch den Bundespräsidenten sind völkerrechtliche Verträge für Deutschland bindend, eine Kündigungsmöglichkeit ist in den Verträgen nicht vorgesehen.

Die europäischen Regierungen wollen mit Fiskalpakt und ESM-Vertrag die Euro-Krise bekämpfen. Der Fiskalpakt soll zu mehr Haushaltsdisziplin der EU-Staaten führen, während mit dem ESM die Kosten hoch verschuldeter Euro-Länder bei der Kreditaufnahme gesenkt werden sollen.

Klagen gegen Fiskalpakt und ESM

Gegen die Zustimmung Deutschlands zu Fiskalpakt und den ESM-Vertrag sind eine Reihe von Klagen eingereicht worden, unter anderem von der Bundestagsfraktion der Linken, verschiedenen Politikern und dem Verein "Mehr Demokratie". Aus Sicht der Kläger untergraben die Verträge Budget- und Kontrollrechte des Bundestags und sind damit verfassungswidrig. Hauptkritikpunkt mit Blick auf den Fiskalpakt sind mögliche Eingriffsrechte der EU in den nationalen Haushalt. Auch die institutionelle Ausgestaltung des ESM-Vertrags halten die Kritiker für problematisch: Als zentrales Gremium sieht der Vertrag den Gouverneursrat vor, dem die nationalen Finanzminister und Stellvertreter angehören. Der Gouverneursrat kann Entscheidungen über die Verwendung des ESM-Kapitals treffen, ohne nationale Parlamente zu konsultieren. Unter Umständen kann er auch nicht-einstimmige Entscheidungen fällen, Deutschland kann allerdings nicht überstimmt werden. Weiterhin wird bemängelt, dass der ESM-Vertrag für die finanzielle Belastung des Bundeshaushalts keine klare Obergrenze vorsieht.

Der Fiskalpakt für mehr Haushaltsdisziplin

Der Fiskalpakt sieht Obergrenzen für eine Verschuldung der nationalen Haushalte vor und regelt Sanktionen für den Fall von Verstößen. Er wurde von allen EU-Staaten bis auf Großbritannien und Tschechien von den jeweiligen Regierungschefs vorab unterzeichnet. Damit er wie geplant spätestens am 1. Juli 2013 in Kraft treten kann, muss er von mindestens zwölf Euro-Staaten ratifiziert werden.

Das jährliche strukturelle Staatsdefizit eines Landes soll demnach 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht übersteigen. Beim strukturellen Defizit handelt es sich um den Anteil des Haushaltsdefizits, der übrig bleibt, wenn Konjunktureffekte und einmalige Sonderausgaben nicht eingerechnet werden. Mitgliedstaaten, die ihre Schuldenbremse nicht strikt genug umsetzen, droht eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof und eine Geldbuße von bis zu 0,1 Prozent ihres BIP. Bislang musste die Aufnahme eines Sanktionsverfahrens bei Verletzung der Stabilitätskriterien mit qualifizierter Mehrheit der EU-Staaten beschlossen werden. Nun soll die Reihenfolge umgekehrt werden: das Sanktionsverfahren soll damit automatisch starten und nur mit einer qualifizierten Mehrheit der EU-Finanzminister gestoppt werden können.

Der Europäische Stabilitätsmechanismus ESM

Der Euro-Rettungsschirm ESM ist von den Staaten der Eurozone am 2. Februar 2012 beschlossen worden. Er soll überschuldeten Euro-Ländern finanzielle Unterstützung in Form von Darlehen bieten und so dafür sorgen, dass diese zu bezahlbaren Konditionen Kredite am Kapitalmarkt aufnehmen können. Um ESM-Kredite zu erhalten, müssen haushaltspolitische Auflagen erfüllt werden, die von Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds ausgearbeitet werden. Das ESM-Stammkapital beträgt 700 Milliarden Euro. Er kann maximal 500 Milliarden Euro an Darlehen vergeben. Der deutsche Anteil an den Garantien liegt bei etwa 27 Prozent, was einer Summe von etwa 190 Milliarden Euro entspricht.

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