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Weltflüchtlingstag 2015 | Hintergrund aktuell | bpb.de

Weltflüchtlingstag 2015

Redaktion

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Aufflammende Konflikte haben in den letzten Jahren immer mehr Menschen gezwungen, aus ihrer Heimat zu fliehen. In der Hoffnung auf mehr Sicherheit und ein besseres Leben setzen sie sich großen Gefahren aus. Die Flüchtlingszahl hat im vergangenen Jahr einen traurigen Rekord erreicht: Knapp 60 Millionen Menschen befanden sich auf der Flucht. Ihnen ist der Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen am 20. Juni gewidmet.

Migranten aus Myanmar an der Küste der indonesischen Provinz Aceh (© picture-alliance/AP)

Weltweit knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht

Ende des vergangenen Jahres befanden sich 59,5 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten und Verfolgung. Das berichtet der neue Externer Link: Global Trends Report, den das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen, UNHCR, am 18. Juni 2015 veröffentlicht hat. Dabei handelt es sich um die größte Zahl an Flüchtlingen, die das Flüchtlingshilfswerk bisher verzeichnet hat. Zum Vergleich: Die Zahl entspricht in etwa der Einwohnerzahl Italiens. Täglich wurden durchschnittlich 42.500 Menschen zu Flüchtlingen, Asylsuchenden und Binnenvertriebenen. Die meisten von ihnen führte ihre Flucht in die Türkei (1,59 Millionen), nach Pakistan (1,51 Millionen), Libanon (1,15 Millionen), in den Iran (982.000), nach Äthiopien (659.500) und Jordanien (654.100).

Flucht, Vertreibung und Asyl

2001 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen den 20. Juni zum Weltflüchtlingstag erklärt. In jenem Jahr feierten das UNHCR und das "Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge" (Externer Link: Genfer Flüchtlingskonvention) ihren 50. Jahrestag. Letzteres definierte erstmals völkerrechtlich, wer als Flüchtling gilt und damit in den Unterzeichnerstaaten unter dem Schutz des Abkommens steht. Von den fast 60 Millionen Menschen, die sich derzeit auf der Flucht befinden, gelten 19,5 Millionen als anerkannte "Flüchtlinge" (2013: 16,7 Millionen). Flüchtling ist laut der Genfer Flüchtlingskonvention eine Person, die "...aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sich außerhalb des Landes befindet, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Befürchtungen nicht in Anspruch nehmen will." (Art. 1A Abs. 2 der Externer Link: GFK von 1951) Wer seine Heimat aus anderen – zum Beispiel wirtschaftlichen – Gründen verlässt, gilt hingegen als Migrant. Darüber, ob eine Person als Flüchtling oder Migrant gilt, entscheidet das Asylverfahren. Derzeit gibt es weltweit etwa 1,8 Millionen Asylsuchende (2013: 1,2 Millionen), die noch auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten. Hinzu kommen Binnenvertriebene; das sind Menschen, die zwar aus ähnlichen Gründen wie "Flüchtlinge" auf der Flucht sind, die aber ihr Heimatland nicht verlassen haben. Damit sind Binnenvertriebene besonders gefährdet, weil sie legal weiterhin offiziell unter dem Schutz ihrer eigenen Regierung stehen, auch wenn diese die Ursache für ihre Flucht ist. Gleichzeitig stellen sie die größte Gruppe von Menschen auf der Flucht dar: 38,2 Millionen (2013: 33,3 Millionen).

Von 2005 bis 2014 ist die Zahl der Menschen auf der Flucht um 22 Millionen gestiegen. (© UNHCR)

Viele Konflikte, kaum Lösungen

Auslöser für die verstärkte Flüchtlingswelle war der Interner Link: Syrienkonflikt im Jahr 2011. Es überrascht daher nicht, dass die meisten Flüchtlinge weltweit (3,88 Millionen) aus Syrien stammen – gefolgt von Afghanistan (2,59 Millionen Flüchtlinge) und Somalia (1,11 Millionen Flüchtlinge). Insgesamt sind innerhalb der vergangenen fünf Jahre mindestens 15 neue Konflikte auf der Welt entflammt oder erneut ausgebrochen, von denen bisher nur wenige wieder beigelegt wurden. Vielen Flüchtlingen bleibt dadurch der Weg zurück in ihre Heimat versperrt: Laut UNHCR-Bericht konnten 2014 nur 126.800 Menschen zurückkehren – so wenige, wie zuletzt vor 31 Jahren. Die Situation für die Flüchtlinge hat sich auch verschärft, weil wesentlich mehr Menschen den besonders gefährlichen Weg übers Meer suchen – über das Mittelmeer, den Golf von Aden, das Rote Meer oder die Gewässer in Südostasien.

Genfer Flüchtlingskonvention und UNHCR

Die Genfer Flüchtlingskonvention
Die "Genfer Flüchtlingskonvention", genauer: das "Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge", steht in der Tradition internationaler Menschenrechtsdokumente, die nach dem Zweiten Weltkrieg den Schutz des Individuums zur universellen Aufgabe erklärten. Sie wurde am 28. Juli 1951 in Genf auf einer UN-Sonderkonferenz verabschiedet und beinhaltet neben der Definition des Flüchtlingsbegriffs weitere Prinzipien, wie das Verbot der Ausweisung und Zurückweisung. Dies bedeutet, dass kein Flüchtling in eine Region abgeschoben werden darf, in der sein Leben oder seine Freiheit bedroht sind (Art. 33 Abs. 1). Gleichzeitig werden Rechte von Flüchtlingen definiert, wie die Religionsfreiheit und das Recht auf Arbeit, und bestimmte Personengruppen vom Flüchtlingsstatus ausgeschlossen – etwa Kriegsverbrecher. Da die Genfer Flüchtlingskonvention vor allem auf den Schutz europäischer Flüchtlinge nach dem Zweiten Weltkrieg abzielte, wurde sie 1967 durch ein Protokoll erweitert, das Menschen weltweit Schutz und Unterstützung garantieren sollte. Die bis heute 147 Unterzeichnerstaaten von Konvention und/oder Protokoll sind unter anderem dazu verpflichtet, Flüchtlingen Zugang zu medizinischer Versorgung, Bildung und Sozialleistungen zu gewähren. Die Beachtung der Konvention ist im "Vertrag von Lissabon" (Artikel 78 und Protokoll Nr. 24) und in der "EU-Grundrechtecharta" (Artikel 18) festgeschrieben.

Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR)
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) ist sowohl ein persönliches Amt als auch eine Behörde der Vereinten Nationen. Das persönliche Amt wird seit 2005 von António Guterres bekleidet. Für das UNHCR, gemeinhin auch als UN-Flüchtlingshilfswerk bezeichnet, arbeiten weltweit über 9300 Personen; es bietet Schutz und Hilfe für Flüchtlinge. Sein Budget beträgt im Jahr 2015 nach eigenen Angaben 6,8 Milliarden US-Dollar (ca. 6.1 Milliarden Euro).

Über das Meer

Hierzulande ist vor allem die Situation im Mittelmeer im Fokus der Öffentlichkeit, wo immer wieder Flüchtlinge auf der gefährlichen Überfahrt und auf zum Teil seeuntauglichen Schiffen ihr Leben riskieren. Auf die sich häufenden Schiffsunglücke hat die EU im April reagiert, indem sie die Mittel für die Seenotrettung auf das Niveau der italienischen Marineoperation Mare Nostrum anhob. Mare Nostrum war im Herbst 2014 aus Kostengründen eingestellt worden. Neben dem höheren Budget soll es ein härteres Vorgehen gegen Schlepper geben. Geplant ist, dass mehrere EU-Mitglieder, darunter Deutschland, (weitere) Kriegsschiffe ins Mittelmeer entsenden, um Boote von Schleusern zu zerstören, bevor diese sie einsetzen können. Außerdem sollen sie bei der Rettung im Mittelmeer mithelfen. Die deutsche Marine beteiligt sich seit Anfang Mai 2015 an den Rettungsmaßnahmen im Mittelmeer. In ihren ersten sechs Wochen hat sie fast 3.500 Menschen aus Seenot gerettet.

Prekär ist auch die Lage der Menschen, die auf Booten im östlichen Indischen Ozean treiben. Diese kommen meist aus Myanmar – viele von ihnen Angehörige der muslimischen Rohingya-Minderheit – oder Bangladesch und versuchen, nach Thailand, Malaysia und Indonesien zu gelangen. Im Mai wurden nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks fast 4.800 von ihnen auf hoher See gerettet. Nachdem sich die drei Länder zunächst weigerten, Flüchtlinge aufzunehmen, haben sich die Außenminister von Malaysia und Indonesien nun darauf geeinigt, ihnen ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu gewähren. Thailand will die Flüchtlinge weiterhin auf den Booten versorgen, sie aber nicht im Land aufnehmen.

Die Situation in Deutschland

Deutschland erhält nach Russland (274.700 Gesuche, 99 Prozent davon aus der Ukraine) die meisten Asylgesuche der westlichen Industriestaaten. 173.100 Erstanträge auf Asyl wurden 2014 in Deutschland gestellt. Das sind über 60.000 mehr als im Vorjahr. Dies hat vor allem der Anstieg von Asylanträgen aus Syrien, Serbien und dem Kosovo bedingt. Ein Großteil erhält allerdings nicht die Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Genfer Flüchtlingskonvention: Von 128.900 Entscheidungen, die das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Vorjahr getroffen hat, haben 33.300 (25,8 Prozent) dieExterner Link: Rechtsstellung eines Flüchtlings erhalten. Hinzu kommen 5.200 Personen (4 Prozent), die Externer Link: subsidiären Schutz erhielten und 2.100 (1,6 Prozent), bei denen ein Abschiebungsverbot festgestellt wurde. Ein Drittel der Anträge (43.000) wurde abgelehnt, während 45.300 Anträge (35,2 Prozent) bereits erledigt waren (z.B. durch Interner Link: Dublin-Verfahren oder Verfahrenseinstellungen wegen Rücknahme des Asylantrages).

Im deutschen Asylrecht gibt es seit diesem Jahr einige Erleichterungen für Asylbewerber. Sie erhalten nun bereits nach drei Monaten (vorher neun Monaten) eine Arbeitserlaubnis. Dies gilt zuerst nur für Ausgebildete oder Hochschulabsolventinnen und –absolventen, die in sogenannten Engpassberufen tätig werden wollen. Nach 15 Monaten fallen diese Restriktionen weg. Gelockert wurde auch die Residenzpflicht, die Asylbewerber verpflichtet, sich im Bezirk ihrer Ausländerbehörde aufzuhalten. Sie entfällt nun nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland. Zudem erhalten Asylbewerber nur noch während der Zeit in einer Erstaufnahmeeinrichtung Sachleistungen wie Essenspakete, danach sollen sie Sozialleistungen vorrangig als Geld erhalten.

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