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Präsidentschaftswahl in Ruanda | Hintergrund aktuell | bpb.de

Präsidentschaftswahl in Ruanda

Redaktion

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Bei der Präsidentschaftswahl in Ruanda am 4. August 2017 hat sich Präsident Paul Kagame mit über 98 Prozent der Stimmen eine dritte Amtszeit gesichert. Die zwei Gegenkandidaten der Opposition waren chancenlos. Es war die dritte Wahl seit dem Völkermord von 1994.

Der amtierende Präsident Kagame am 14.Juli 2017 auf einer Wahlkampfveranstaltung in Nyanza, Ruanda. (© picture-alliance)

Das Endergebnis der Präsidentschaftswahlen in Ruanda stand am Nachmittag des 5. August fest. Demnach erhielt Paul Kagame eine überwältigende Mehrheit von 98,63 Prozent. Die beiden Kandidaten der Opposition, Grünen-Politiker Frank Habineza und der Journalist Philippe Mpayimana bekamen beide weniger als 1 % der Stimmen.

Verfassungsänderung

Durch eine Verfassungsänderung wurde Kagame eine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt bereits 2015 ermöglicht. Das neue Gesetz hob die bis dahin bestehende Begrenzung von höchstens zwei Mandaten auf und verkürzte gleichzeitig - ab 2024 - künftige Amtszeiten auf 5 Jahre. Anstoß für die Verfassungsänderung gab eine Unterschriftenaktion, die Anhänger des Präsidenten initiierten. Sie wurde von 3,7 Millionen Menschen unterzeichnet um einen Volksentscheid zu erreichen, der die Begrenzung des Präsidentschaftsamtes aufhebt. Nach offiziellen Angaben stimmten bei dem anschließenden Referendum 98,4% der Bevölkerung für die Neuregelung.

Eine öffentliche Diskussion des Referendums fand laut internationalen Beobachtern aber nicht statt. Auch die EU äußerte sich seinerzeit kritisch zur Verfassungsänderung. So erklärte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini im Dezember 2015: "Die Änderung von Artikeln, die sich allein auf ein Individuum beziehen, schwächt die Glaubwürdigkeit einer Verfassungsreform. Sie untergräbt die Grundsätze eines demokratischen Machtwechsels". Bestärkt durch das Votum trat Kagame, trotz internationaler Kritik, nun am 4. August 2017 erneut als Kandidat an. Laut eigener Aussage zum letzten Mal. Theoretisch könnte Kagame nach dem neuen Gesetz sogar für eine vierte und fünfte Amtszeit kandidieren und noch bis 2034 im Amt bleiben.

Präsident des ökonomischen Fortschritts

Paul Kagame floh 1962, auf Grund von Ausschreitungen gegen Tutsi in Ruanda, mit seiner Familie ins benachbarte Uganda. Hier baute er die Rebellenarmee auf, die in den neunziger Jahren den Genozid in Ruanda beendete. (© picture alliance / Photoshot)

Kagame marschierte 1994 als Tutsi-Rebellenführer des Rwandan Patriotic Front (RPF) in die ruandische Hauptstadt Kigali ein. Unter seiner Führung kam der Völkermord, der bis zu 800.000 Menschen das Leben kostete, zum Ende. Im Jahr 2000 übernahm er offiziell die Macht und wurde 2003 durch Wahlen als Präsident bestätigt. Seitdem gilt der 59-Jährige als ökonomischer Hoffnungsträger. Das Wirtschaftswachstum des ostafrikanischen Landes liegt konstant bei 7-8%. Die Lebenssituation der Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren verbessert. Dazu zählen der Rückgang der Arbeitslosigkeit und der Armut, Einschulungsraten von 100%, die Senkung der Kindersterblichkeit, der Ausbau der Infrastruktur, der Rückgang der Korruption und Investitionen in technologischen Fortschritt. In Afrika machen ruandische Gesetze, wie beispielsweise das landesweite Externer Link: Verbot von Plastiktüten oder der Import-Stopp von Second-Hand Kleidung aus Europa und den USA, von sich reden.

Kagames Wahlversprechen orientieren sich an der "Vision 2020", einem Programm der Regierungspartei RPF aus dem Jahr 2000. Zentrale Anliegen sind der Kampf gegen ethnische Konflikte und Korruption sowie Investitionen in Wirtschaft und Infrastruktur. Die Wahlkampfveranstaltungen Kagames sind Massenveranstaltungen. In den Farben der RPF - weiß, rot und blau – begrüßen ihn tausende seiner Anhänger in den fünf Provinzen des Landes. Bei seinem ersten Auftritt am 14.Juli 20017, in seiner Heimatprovinz Ruhango, im Süden des Landes, gab er sich siegessicher: "Die Demokratie basiert auf dem Willen des Volkes und auf dem Respekt der Minderheiten. Wenn ihr heute denselben Willen des Referendums präsentiert, ja dann steht das Ergebnis bereits fest". Videoberichte zeigen wie im die Zuschauer jubelnd antworten "Du bist es". Die RPF ist nicht nur die größte und mächtigste Partei des Landes, sondern gleichzeitig auch der größte Arbeitgeber. Durch ihre finanzielle Vormachtstellung hat sie in der Mobilisierung seiner Anhänger gegenüber der Opposition einen immensen Vorteil. So hat Kagame als einziger die Möglichkeit während des dreiwöchigen Wahlkampfes alle 30 Wahlbezirke zu besuchen.

Politische Repression

Amnesty International und Human Rights Watch kritisieren seit Jahren die unzureichende Presse- und Meinungsfreiheit, sowie die mangelnde Demokratisierung des politischen Systems. Zwar wurde in Ruanda bereits 1991 ein Mehrparteiensystem eingeführt, doch allen Parteien, denen eine Verbindung zu den Gewalttaten von 1994 nachgesagt wird, wurden verboten. Auch die Neugründung von Parteien war innerhalb einer Übergangszeit von neun Jahren untersagt.

In der neuen Verfassung von 2003, ist ein Mehrparteiensystem zwar ebenfalls festgeschrieben, ruandische Oppositionelle und Kritiker des Systems Kagame werden aber immer wieder zu Opfern von Einschüchterungen und Gewalttaten. Das in der Verfassung festgeschriebene Verbot ausgrenzender Parteienbildung, u.a. nach Ethnie, Religion oder Geschlecht, wird von Kagame, in den Augen vieler Kritiker, als Vorwand benutzt, politischen Pluralismus einzuschränken. Der Großteil der anderen registrierten Oppositionsparteien – bis auf die Demokratische Grüne Partei (DGPR) - sind Ableger des Rwandan Patriotic Front (RPF) und unterstützen bei den Präsidentschaftswahlen die Kandidatur des amtierenden Präsidenten Kagame.

Einzig zwei Gegenkandidaten

Frank Habineza war Kandidat für die Grüne Partei Ruandas, konnte aber mit 0.47 Prozent der Stimmen nur einen Achtungserfolg erringen. (© picture alliance / AP Images)

Die ruandische Wahlkommission (NEC) ließ am 7. Juli 2017 lediglich zwei der vier Gegenkandidatinnen für die Wahlen zu. Frank Habineza und Philippe Mpayimana traten am 4. August 2017 gegen Kagame an. Habineza ist Vorsitzender der Demokratischen Grünen Partei (RGDP), die 2009 aus ehemaligen Mitgliedern des RPFs entstand. Ein Jahr später wurde ihr Vizepräsident ermordet – die Tat ist bis heute nicht aufgeklärt. Bereits 2013 wollte Habineza mit seiner Partei bei den Parlamentswahlen antreten, wurde aber von der Wahlkommission nicht zugelassen. Vor dem Obersten Gerichtshof Ruandas erhob der Politiker zudem eine Klage gegen die Verfassungsreform zur Aufhebung der Amtszeitbegrenzung.

Habineza plädierte im Wahlkampf für eine Schulreform, bei der französisch und englisch gleichermaßen als Unterrichtssprachen vertreten sind, außerdem will er in erneuerbare Energie investieren und die Produktionsformen im Landwirtschaftssektor nachhaltiger und fairer gestalten. Er spricht sich zudem für eine Graswurzel-Demokratisierung der Gesellschaft aus, bei der auf lokaler Ebene in politische Bildung und Diskussionen investiert werden soll. Als wichtigste Zielgruppe bezeichnet er die Jugend Ruandas, die er mit ökologischen und demokratischen Ideen überzeugen will.

Der zweite Gegenkandidat, Philippe Mpayimana ist Journalist und erst vor kurzem aus dem französischen Exil zurückgekehrt. Er trat als unabhängiger Kandidat an und war bin dahin in Ruanda relativ unbekannt. Das er als Kandidat von der Wahlkommission überhaupt zugelassen wurde, hatte in der ruandischen Öffentlichkeit Erstaunen ausgelöst. Ein zentrales Wahlkampfthema von Mpayimana waren Dezentralisierungsreformen, bei den lokalen Autoritäten wieder mehr Entscheidungskompetenzen zugestanden werden sollen. Mpayimana sagte jedoch in der ersten Woche des Wahlkampfs mehrere geplante Auftritte bereits ab – aus finanziellen Gründen, aber auch auf Grund schlecht besuchter Auftaktveranstaltungen .

Die Kandidatur der Frauenrechtlerin Diane Shima Rwigara, die öffentliche harte Kritik am Präsident Kagame äußert, ließ die Wahlkommission nicht zu. Sie bezichtigt die Kandidatin Unterschriften gefälscht zu haben. Rwigara dementierte dies. Bereits kurz nach der öffentlichen Bekanntgabe ihrer Kandidatur versuchten Unbekannte sie öffentlich zu diffamieren, indem sie Nacktbilder von ihr im Internet verbreiteten.

Menschenrechtlerin Diane Shima Rwigara wurde als Kandidatin von der Wahlkommission (NEC) nicht zugelassen. (© picture alliance / AP Photo)

Zensur der Meinungs- und Pressefreiheit im Wahlkampf

Erstmals war mit dem offiziellen Auftakt des Wahlkampfes am 14.Juli die Nutzung sozialer Medien erlaubt. Kagame selber kommuniziert mit seinen Anhängern hauptsächlich über Twitter und Facebook – auf Twitter hat er 1,86 Millionen Follower. Doch die Wahlkommission NEC hatte zunächst angekündigt, dass Inhalte, die die Opposition während des Wahlkampfs über die sozialen Medien verbreiten wolle, kontrolliert werden sollten. Jedes Video oder Foto, jeder Tweet müsse zuvor von der Wahlkommission überprüft werden, damit die nationale Sicherheit nicht gefährdet würde. Sollten Kandidaten der Opposition gegen diese Auflagen verstoßen, würden ihre Benutzerkonten blockiert. Die Entscheidung des NEC stoß jedoch schnell auch regierungsintern auf Kritik und wurde schließlich nach wenigen Tagen wieder zurückgezogen.

Unter dem Hashtag #RwandaDecides finden sich dennoch kaum Tweets, die den Wahlkampf der Oppositionskandidaten abbilden. Neben der Bilderflut zu Wahlveranstaltungen Kagames wirken die wenigen Tweets von Habineza und Mpayimana vergleichsweise bedeutungslos. Ein Post vom 20.07.2017 zeigt den Oppositionskandidaten Philippe Mpayimana vor leeren Tischen und Stühlen mit der Überschrift: "Mpayimana konnte keine Teilnehmer für seine Wahlrally finden".

Dass Paul Kagame die Wahlen am 04. August 20187 mit einer bedeutenden Mehrheit gewonnen hat, überrascht nicht. Seine Konkurrenten haben auf Grund der großen Popularität des Amtsinhabers, aber auch wegen der repressiven Einschränkungen, kaum Möglichkeiten sich politisch zu behaupten.

Politisches System Ruanda

Ruanda liegt in Ostafrika und zählt rund 11,6 Millionen Einwohner. In der Hauptstadt Kigali leben 1,2 Millionen Menschen. Das politische System ist als Präsidialrepublik organisiert. Das Parlament besteht aus zwei Kammern: Abgeordnetenkammer und Senat. Der Senat hat 26 Mitglieder mit einer Amtszeit von fünf Jahren (einmalige Wiederwahl möglich). Die achtzig Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden alle fünf Jahre gewählt (zuletzt 2013). Insgesamt sind elf (Regierungs-)Parteien und seit 2013 die Demokratische Grüne Partei offiziell registriert. Ruanda hat mit rund 64 Prozent den weltweit höchsten Frauenanteil in einem nationalen Parlament. Auch das Amt des Parlamentspräsidenten hat eine Frau inne.

Präsidentschaftswahlen in Ruanda

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In Ruanda finden am 4. August 2017 Präsidentschaftswahlen statt, zum dritten Mal seit dem Völkermord von 1994. Der Sieg des amtierenden Präsidenten Paul Kagamé gilt als sicher. Der ehemalige Rebellenchef regiert Ruanda seit dem Jahr 2000 und hat das Land wirtschaftlich vorangebracht. Der Demokratisierungsprozess hinkt dem ökonomischen Erfolg jedoch hinterher.

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