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Präsidentschaftswahl in Tschechien | Hintergrund aktuell | bpb.de

Präsidentschaftswahl in Tschechien

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Der amtierende tschechische Präsident Miloš Zeman hat sich in der Stichwahl am 26. und 27. Januar knapp gegen seinen Herausforderer Jiří Drahoš durchgesetzt. In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl vor zwei Wochen konnte kein Kandidat die absolute Mehrheit erreichen.

Jiří Drahoš (links) und Miloš Zeman beim TV-Duell am 23. Januar 2018. Die beiden Männer treten gegeneinander in der Stichwahl um das Präsidentenamt in Tschechien an. (© dpa)

Miloš Zeman ist für weitere fünf Jahre als Staatschef von Interner Link: Tschechien gewählt. Mit 51,4 Prozent gewann er jedoch nur knapp vor dem Politik-Neuling Jiří Drahoš, der 48,6 Prozent der Stimmen erhielt (Externer Link: vorläufiges Endergebnis). Die Wahlbeteiligung in der Stichwahl lag bei 66,6 Prozent. Beide Kandidaten stehen für eine sehr unterschiedliche Politik: Rechtspopulist Zeman ist vor allem bekannt für seine Kritik an der Europäischen Union und an Flüchtlingen, Drahoš gilt als liberal und prowestlich.

Am 12. und 13. Januar fand die erste Runde der Präsidentschaftswahl statt. Dabei erhielt der Zeman 38,6 Prozent der Stimmen. Dahinter folgten Herausforderer Drahoš mit 26,6 Prozent, Pavel Fischer mit 10,2 Prozent, Michal Horáček mit 9,2 Prozent, Marek Hilser mit 8,8 Prozent, Mirek Topolanek mit 4,3 Prozent und Jiri Hynek mit 1,2 Prozent. Die übrigen Kandidaten erhielten jeweils weniger als ein Prozent der abgegebenen gültigen Stimmen.

Da kein Kandidat die absolute Mehrheit erreichte, fand am 26. und 27. Januar eine Stichwahl zwischen den Bewerbern mit dem meisten Stimmen - Zeman und Drahoš - statt.

Die Wahl fand zu einer politisch unruhigen Zeit statt. Bei der Parlamentswahl im Oktober 2017 siegte der Unternehmer Andrej Babiš mit seiner Partei ANO. Im Dezember wurde Babiš vom amtierenden Präsidenten Miloš Zeman zum Chef einer Minderheitsregierung ernannt. Zeman unterstützt Babiš offen, diese Zusammenarbeit war besonders angesichts Zemans erneuter Präsidentschaftskandidatur Thema in Tschechien. Zumal die Partei von Babiš auf einen eigenen Präsidentschaftskandidaten verzichtet. Babiš verlor im Januar das Vertrauensvotum über seine Minderheitsregierung. Zeman gestattete Babiš, der nun kommissarisch regiert, jedoch einen neuen Versuch zur Regierungsbildung.

Der tschechische Präsident ist mehr als nur Repräsentant des Staates

Zum zweiten Mal, seit einer Verfassungsänderung 2012, wurde der Präsident direkt vom Volk gewählt. Vorher wurde er vom Abgeordnetenhaus und Senat gewählt. Kandidaten brauchen nun die Unterstützung von 20 Abgeordneten bzw. 10 Senatoren oder Unterschriften von 50.000 Bürgern, um zur Wahl antreten zu können. Bekommt kein Kandidat im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit, findet zwei Wochen später, am 27. und 28. Januar, eine Stichwahl zwischen den beiden Bewerbern mit den meisten Stimmen statt.

Die tschechische Verfassung von 1992 weist dem Präsidenten eine stärkere Stellung als in Deutschland zu. Er kann Minister und Regierungsmitglieder ernennen oder ihres Amtes entheben sowie Richter des Verfassungsgerichts benennen (Artikel 62 der Verfassung). Andere Rechte des Präsidenten sind an die Zusammenarbeit mit der Regierung gebunden: zum Beispiel die Unterzeichnung internationaler Verträge oder die Ansetzung von Neuwahlen für beide Kammern des Parlamentes (Artikel 63).

Das politische System Tschechiens

Das politische System in Tschechien ist ein Zweikammersystem mit dem Abgeordnetenhaus und dem Senat. Der Präsident ist das Staatsoberhaupt. 2013 wurde er zum ersten Mal in zwei Wahlgängen direkt gewählt, mit einer Legislaturperiode von fünf Jahren. Eine Wiederwahl ist einmalig möglich.

Der Präsident ernennt und enthebt den Ministerpräsidenten und die anderen Mitglieder der Regierung. Weiterhin kann der Präsident über ein aufschiebendes Veto Einfluss im Gesetzgebungsverfahren ausüben und in Krisensituationen unter bestimmten Bedingungen das Parlament auflösen.

Das Abgeordnetenhaus hat 200 Mitglieder. Sie werden nach dem Verhältniswahlrecht gewählt. Eine Legislaturperiode hat eine Dauer von vier Jahren.

Alle zwei Jahre stehen Wahlen zum Senat an - dann werden jeweils ein Drittel der 81 Sitze besetzt. Der Senat kann Gesetze an das Abgeordnetenhaus zur Änderung zurückverweisen oder ablehnen. Dann müssen die Mitglieder des Abgeordnetenhauses das Votum mit absoluter Mehrheit überstimmen. Darüber hinaus spielt der Senat vor allem bei verfassungsändernden Gesetzen und der Ernennung der Verfassungsrichter eine wichtige Rolle.

Wer stand zur Wahl?

Für die Präsidentschaftswahl 2018 bewarben sich insgesamt neun Kandidaten – allesamt männlich und mit einer Ausnahme auch älter als 50 Jahre (40 ist das Mindestalter für Kandidatinnen und Kandidaten). Interner Link: Amtsinhaber Miloš Zeman stellt sich zur Wiederwahl für eine zweite Amtszeit. Der 73-jährige ehemalige Sozialdemokrat ist Gründer und Mitglied der "Partei der Bürgerrechte" (Strana Práv Občanů, SPO), die derzeit nicht im Abgeordnetenhaus vertreten ist. Zeman ist seit 2013 Präsident – der erste, der direkt vom Volk gewählt wurde – und hatte bereits im März 2017 angekündigt, sich wieder zur Wahl zu stellen. Die Interner Link: rechtspopulistische Partei SPD unterstützt seine Kandidatur.

Zeman ist für seinen EU- und flüchtlingskritischen Kurs bekannt. Europaweit für Schlagzeilen sorgte er unter anderem Ende 2015, weil er die Flüchtlingsmigration mit einer "organisierten Invasion" verglich. Die Interner Link: Integration von Muslimen hält Zeman für "unmöglich". Die Interner Link: Europäische Union hatte im Dezember 2017 angekündigt, unter anderem Tschechien vor dem Europäischen Gerichtshof zu verklagen, weil sich das Land weigert, seine Quote bei der Aufnahme von Flüchtlingen zu erfüllen. Zeman gilt als Verbündeter des neuen Ministerpräsidenten Andrej Babiš, dem viele politische Beobachter vorwerfen, ein Interner Link: Populist zu sein.

Gegner Zemans in der Stichwahl war Jiří Drahoš. Der 68-jährige Chemieprofessor war bis März 2017 Präsident der tschechischen Akademie der Wissenschaften und vorher nicht in der tschechischen Politik aktiv – Anfang November vermeldete sein Büro, dass sich 142.000 Bürger in die Unterstützerlisten eingetragen hätten, also etwa zwei Prozent der wahlberechtigten Bevölkerung Tschechiens. Er trat als unabhängiger Kandidat an, wird aber von den Christdemokraten (KDU-CSL) und von der liberal-konservativen STAN unterstützt.

Inhaltlich positionierte sich der liberale Drahoš gegen Zeman: Ihm könne es nicht gleichgültig sein, dass Populismus und Interner Link: Extremismus Zulauf hätten, sagte er über die Beweggründe seiner Bewerbung. Er ist auch gegen ein Referendum über einen etwaigen Interner Link: Austritt Tschechiens aus der EU.

Kandidaten der tschechischen Präsidentschaftswahl 2018 (v.l.n.r.): Jiří Drahoš, Marek Hilser, Michal Horáček, Pavel Fischer, Vratislav Kulhánek, Jiří Hynek und Petr Hannig. (© dpa)

Weitere Kandidaten des ersten Wahlgangs

Mirek Topolánek trat ebenfalls als unabhängiger Kandidat an. Er war von September 2006 bis Mai 2009 Ministerpräsident von Tschechien und Mitglied der liberal-konservativen ODS, die seine Kandidatur unterstützt. Topolánek gab seine Kandidatur erst kurz vor dem Anmeldeschluss Anfang November bekannt. Aufgrund seiner vorherigen Erfahrung als Politiker galt er ebenfalls als starker Kandidat. Ähnlich wie Zeman ist auch Topolánek dafür bekannt, sich gegen den Zuzug von Migranten zu positionieren und übt oft starke Kritik an der EU. Topolánek gilt als Kritiker des derzeitigen Regierungschefs Babiš.

Auch der 65-jährige Michal Horáček, Schriftsteller, Journalist und Wett-Unternehmer aus Prag, trat als unabhängiger Kandidat an. Bei der Bekanntgabe seiner Kandidatur sagte er, das Amt des tschechischen Präsidenten könne "seriöser und kompetenter" ausgefüllt werden. Seine Kampagne finanzierte er selbst.

Zudem bewarben sich der Unternehmer Jiří Hynek für die konservative Partei Realisté, der pro-europäische frühere tschechische Botschafter in Interner Link: Frankreich, Pavel Fischer, der Musiker Petr Hannig für die nationalistische Partei Rozumní, der Unternehmer Vratislav Kulhánek für die liberale Partei ODA und der Wissenschaftler und Aktivist Marek Hilšer.

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