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Sub-Sahara Afrika | Energiepolitik | bpb.de

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Sub-Sahara Afrika

Denis M. Tull

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Der Öl- und Gas-Reichtum hat einigen Ländern in Afrika südlich der Sahara enorme Einnahmen beschert. Doch der Ressourcenreichtum hat auch eine Kehrseite: er hemmt Investitionen in andere Industriezweige, begünstigt Misswirtschaft und kann zu gewaltsamen Konflikten führen. Erst wenn demokratische und rechtsstaatliche Strukturen gefestigt sind, kann der Ressourcenreichtum allen Bürgern zugute kommen.

Ölpipeline in Nigeria. (© picture-alliance/AP)

Sub-Sahara Afrika ist reich an Erdöl- und Gasvorkommen. Die wachsende Nachfrage nach diesen Energieträgern und die damit einhergehenden hohen Weltmarktpreise der letzten Dekade haben das Wirtschaftswachstum zahlreicher afrikanischer Staaten beflügelt, immerhin stieg der Preis für Erdöl von 20 US-Dollar pro Fass im Jahr 1999 auf 145 US-Dollar pro Fass im Jahr 2008. Im Durchschnitt lag das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts in allen afrikanischen Ländern bei 5,1 Prozent. Der Export von Öl, Gas sowie anderen Rohstoffen trug rund ein Drittel zu dieser langen und bislang beispiellosen Wachstumsperiode in der Region bei. Die afrikanischen Öl- und Gasproduzenten werden diese Erfolgsgeschichte in den kommenden Jahren weiterschreiben, sofern die große Nachfrage in den Schwellenländern Asiens anhält. Zahlreiche Staaten vor allem an der West- und Ostküste Afrikas sind zu rasch wachsenden Produzenten geworden. Zu diesen neuen Akteuren zählen Tansania und Mosambik (Gas), sowie Ghana, Äquatorial-Guinea und Uganda (Öl). In den kommenden fünf Jahren wird die Ölproduktion in Sub-Sahara Afrika um jährlich etwa 4 bis 5 Prozent wachsen.

Einnahmen aus Öl- und Gasgeschäft tragen erheblich zum Staatshaushalt bei

Afrika steuert rund 12 Prozent zur weltweiten Ölproduktion bei und hält rund ein Zehntel der global nachgewiesen Ölreserven. Allerdings ist der Ölreichtum sehr ungleich verteilt. Die Staaten Nordafrikas halten die Hälfte dieser Reserven. In Sub-Sahara Afrika ist der westafrikanische Golf von Guinea, der sich von Senegal in südlicher Richtung bis Angola erstreckt, die traditionell wichtigste Produzentenregion. Dank der Entwicklung neuerer Technologien, die Ölförderung auch im Tiefsee-Bereich (Offshore) ermöglicht, konnten Reserven und Produktion im letzten Jahrzehnt deutlich gesteigert werden.

Insgesamt belaufen sich die Ölreserven in Sub-Sahara Afrika bislang auf ca. 132 Milliarden Fass. Nigeria ist mit Reserven von gegenwärtig rund 37 Milliarden Fass Öl und einer Produktion von ca. 2,4 Millionen Fass pro Tag mit weitem Abstand der wichtigste Produzent der Region. Auf dem zweiten Platz folgt Angola mit Reserven von 14 Milliarden Fass und einer Tagesproduktion von ca. zwei Millionen Fass. Nigeria und Angola sind verantwortlich für mehr als die Hälfte der gesamten Ölproduktion in Sub-Sahara Afrika . Auf den weiteren Plätzen folgen Südsudan, die Republik Kongo (Brazzaville) und Äquatorial-Guinea. Zu den neuesten Produzentenstaaten zählen Ghana und Niger, die nach gegenwärtigem Stand aber allenfalls mittelgroße Produzenten werden können. Derzeit fördert Ghana rund 70.000 Fass pro Tag. Die Regierung rechnet mittelfristig mit 120.000 Fass täglich und jährlichen Mehreinnahmen in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar. In Anbetracht der ansonsten relativ niedrigen Staatseinnahmen werden also auch diese moderaten Produktionsmengen einen nicht unwesentlichen Beitrag zu den jeweiligen Staatshaushalten leisten.

Auch bei der Gasproduktion ist Nigeria führend. Das bevölkerungsreichste Land Afrikas verfügt über rund 3 Prozent der nachgewiesen Gasreserven weltweit, allerdings steckt die Produktion noch in den Anfängen. Technologische Herausforderungen und die erheblichen Kosten der Gasproduktion haben bislang dafür gesorgt, dass das große Potential – in Nigeria wie im Rest Sub-Sahara Afrikas – gerade erst entfaltet wird. Nach einer Reihe spektakulärer Funde vor allem in den Küstengewässern vor Mosambik und Tansania gilt nunmehr Ostafrika als die wichtigste Wachstumsregion Afrikas.

Die fossilen Energieträger Öl und Gas dominieren Afrikas Exportstruktur. Unter den sechs exportstärksten afrikanischen Ländern befinden sich fünf Öl- und/oder Gasproduzenten (Nigeria, Algerien, Angola, Libyen, Ägypten). Sie vereinigen 50 Prozent der gesamten afrikanischen Exporte auf sich. Der Anteil von Öl an den Exporterlösen Afrikas liegt bei 59 Prozent (2010). Dies verdeutlicht das Ausmaß, in dem Afrikas Staaten noch immer vor allem durch ihren Reichtum an Öl- und Gas (und generell Rohstoffen) in die Weltwirtschaft integriert sind.

Fokussierung auf den Energiesektor erschwert Investitionen in andere Wirtschaftsbereiche

Die Profite vieler Staaten aus dem Export sind in Anbetracht der hohen Weltmarktpreise der letzten Dekade gewaltig. Die Kehrseite ist aber nicht nur eine hohe Anfälligkeit für Preisschwankungen auf den internationalen Märkten. Die Abhängigkeit von den hohen Exporterlösen aus Öl und Gas überschattet die Volkswirtschaften. In Nigeria, dem größten Ölproduzenten, stammen 90-95 Prozent der Exporterlöse und 70-80 Prozent aller Staatseinnahmen aus dem Ölsektor. Diese extreme Dominanz verhindert, dass Investitionen in das verarbeitende Gewerbe und in die Landwirtschaft fließen, die die nigerianische Volkswirtschaft auf eine breitere und tragfähigere Grundlage stellen würden. Wachstum in diesen Sektoren würde auch bedeutend mehr Arbeitsplätze schaffen als der Energiesektor, auf dessen Konto lediglich ein Prozent aller Arbeitsplätze in Afrika geht.

China gewinnt als Abnehmer an Bedeutung

Die wichtigsten Abnehmer fossiler Brennstoffe bleiben die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die USA, die jeweils ca. ein Drittel der afrikanischen Produktion importieren. China und Indien haben im letzten Jahrzehnt ihren Anteil drastisch erhöht, bedingt durch den hohen Energiebedarf, den ihre rasch wachsenden Volkswirtschaften haben. Auch wenn die Medienberichterstattung über das wachsende Engagement der Schwellenländer in Afrika den Eindruck erwecken könnte, dass vor allem China einen Großteil der afrikanischen Rohstoffe rücksichtslos "vereinnahmt", so zeigt die tatsächliche Verteilung der Exporte, dass die traditionellen "Partner" aus Europa und Nordamerika noch immer mit weitem Abstand die größten Abnehmer darstellen. Sollte sich der Trend des letzten Jahrzehnts fortsetzen – wofür vieles spricht – dann werden China und andere Schwellenländer ihren Anteil an Afrikas Energieexporten allerdings deutlich erhöhen.

Aus Sicht der Regierungen afrikanischer Produzentenländer ist diese Entwicklung in jeder Hinsicht begrüßenswert: sie sind dazu in der Lage, die Zahl ihrer Wirtschafts- und Handelspartner zu vergrößern und sich aus der Abhängigkeit von westlichen Staaten zu befreien. Auch wirtschaftlich ist der Trend von Vorteil, denn die zunehmende internationale Konkurrenz stärkt die Verhandlungsmacht der afrikanischen Regierungen, die größere Mehrwerte für ihre Rohstoffe erhalten, einschließlich Infrastrukturmaßnahmen (Straßen, Krankenhäuser, Schulen, aber auch Raffinerien), die von chinesischen Unternehmen häufig im Gegenzug für die Vergabe von Förderlizenzen als Teile von Paketlösungen angeboten werden.

Ein zweifelhafter Segen

So erfreulich die gegenwärtige Konjunktur und Aufbruchstimmung in Afrika zu sein scheint, so fraglich ist allerdings, ob der Erdöl- und Gasboom langfristig positive Auswirkungen auf die afrikanischen Produzentenstaaten haben wird. Denn in den vergangenen fünf Jahrzehnten hatte der Reichtum an Energieträgern nicht die Folgen, die man hätte erwarten können. Im Gegenteil, keiner der afrikanischen Erdölstaaten hat die Erlöse aus dem Export von Öl und Gas erfolgreich in eine breitenwirksame sozio-ökonomische Entwicklung investiert. In Ländern wie Kamerun und Nigeria, die seit vielen Jahrzehnten Ölproduzenten sind, lebt nahezu die Hälfte der Bevölkerung in extremer Armut. Der Rohstoffreichtum hat in den meisten Ländern vor allem Korruption und Misswirtschaft befördert. Nicht die Bevölkerung hat von den Erlösen profitiert, sondern Regierungseliten, die den Reichtum ihrer Länder schlichtweg vereinnahmt haben. Nigeria, Afrikas größter Ölproduzent, ist dafür ein viel diskutiertes Beispiel: Obwohl der Staat zwischen 1965-2000 Erdöleinnahmen im Wert von 350 Milliarden US-Dollar verbuchte, stieg die Armut im selben Zeitraum um 36 Prozent. Manche Schätzungen gehen davon aus, dass im selben Zeitraum Erlöse aus Öleinnahmen in Höhe von 380 Milliarden US-Dollar veruntreut worden sind, also jeder zweite Dollar, der aus der Produktion abfiel.

Nur bei funktionierenden politischen Institutionen wird Ressourcenreichtum zum Entwicklungsmotor

Nicht eine einzige Regierung eines afrikanischen Öl- oder Gasproduzenten hat die nötige Entwicklungsorientierung erkennen lassen, um den Reichtum ihrer Länder in die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu investieren. Dies hat auch mit den politischen Systemen dieser Länder zu tun. Keiner der afrikanischen Ölstaaten konnte bis in die 1990er Jahre, als die weltweite Welle der Demokratisierung auch Afrika erreichte, als Demokratie bezeichnet werden. Selbst nach der schrittweisen politischen Liberalisierung und der Einführung von Mehrparteisystemen haben sich die autoritären Verhältnisse in den traditionellen Ölstaaten nur sehr begrenzt gelockert. Mit Ausnahme der Wahlen 1992 in Kongo-Brazzaville ist es keiner Oppositionspartei in einem Öl-produzierenden Staat in Afrika gelungen, Präsidentschaftswahlen für sich zu entscheiden. In Kongo-Brazzaville putschte sich der ehemalige Präsident 1997 zurück ins Amt. Dieser Vorgang verweist auf ein weiteres politisches Risiko. Gewaltsame Konflikte gehen häufig mit dem Reichtum an Öl und Gas einher, auch wenn dieser nicht immer die Ursache des Konflikts sein muss.

Nigeria, wo 2005 eine gewaltsame Rebellion verschiedener bewaffneter Gruppen gegen die Regierung ausbrach, ist zweifellos ein ebenso extremes Beispiel wie Sudan, wo der 1983 ausgebrochene Bürgerkrieg zwischen der südsudanesischen Befreiungsbewegung und der Regierung in Khartum zwar 2011 in die politische Unabhängigkeit Südsudans führte, nicht aber zum Ende der Gewalt zwischen und innerhalb beider Staaten. Allerdings ist auch zu beachten, dass unter den langjährigen Ölproduzenten weder Gabun noch Kamerun Gewalt größeren Ausmaßes erlitten haben, dafür aber Jahrzehnte lange Herrschaft diktatorischer Regierungen, die sich bei ihrem Machterhalt auch auf die Unterstützung von Ölkonzernen stützen konnten.

Grundsätzlich besteht heute überwiegend Einigkeit darüber, dass die Funktionsfähigkeit der politischen Institutionen eines Staates weitgehend bestimmt, ob der Ressourcenreichtum eines Landes zum Entwicklungsmotor wird (wie in Norwegen) oder zu einem Fluch, der autoritäre Herrschaft, Menschenrechtsverletzungen, politische Gewalt und die Verschwendung von Erlösen befördert. Zu dem Zeitpunkt, als Norwegen auf große Ölvorkommen stieß (1963), war das Land bereits eine gefestigte Demokratie mit rechtsstaatlichen Strukturen. Entsprechend haben die Regierungen des Landes die Erlöse aus der Ölproduktion klug in die soziale und ökonomische Entwicklung des Landes investiert. Das Gegenteil war bei den afrikanischen Öl- und Gasproduzenten der Fall, die als junge Staaten mit schwachen oder fehlenden rechtsstaatlichen und demokratischen Institutionen mit dem neuen Reichtum umgehen mussten. Genau aus diesem Grund wird die weitere Zukunft Ghanas mit Spannung beobachtet. Als eine der gefestigten Demokratien Afrikas bringt das Land die institutionellen Voraussetzungen mit, um den negativen Folgen seines Reichtums vorzubeugen und sie der produktiven Entwicklung des Landes zukommen zu lassen.

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Dr. Denis M. Tull ist Teil der Forschungsgruppe "Naher / Mittlerer Osten und Afrika" und Forschungsgruppenleiter des DFG-geförderten Projektes "Local Arenas of Power Sharing" bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin.