Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Eröffnungsrede von Thomas Krüger zur Konferenz "Disinformation Wars in Central and Eastern Europe" | Presse | bpb.de

Presse Pressemitteilungen Pressetexte 2024 Archiv Reden Archiv Pressekits Fotos | Logos | Banner Logos Virtuelle Hintergründe Thomas Krüger Jahresrückblicke Jahresberichte Auszeichnungen Pressekontakt

Eröffnungsrede von Thomas Krüger zur Konferenz "Disinformation Wars in Central and Eastern Europe"

/ 4 Minuten zu lesen

Bei der internationalen Konferenz "Disinformation Wars in Central and Eastern Europe" der Bundeszentrale für politische Bildung spricht Thomas Krüger über Desinformation im digitalen Zeitalter.

"Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Unwissenheit ist Stärke."

Noch vor einiger Zeit hätten wir das Orwellsche Zitat aus dem Roman "1984" als reine Fiktion bezeichnet. Heute stellen wir fest – teilweise verwirrt und erschrocken –, dass die Grenzen zwischen dem Fiktionalen und dem Realen zu verschwinden scheinen. Es fällt immer schwerer zu definieren, was Wahrheit ist. Die „Desinformation“ ist zu einem Schlagwort unserer Zeit geworden. Sie ist in ihrer Komplexität und in ihrer Wirkung – die womöglich auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt bedroht – ein Phänomen, dem wir uns an den folgenden zwei Tagen intensiv widmen möchten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebes Publikum, liebe Gäste, herzlich willkommen zur Konferenz "Disinformation Wars in Central and Eastern Europe".

Wir beobachten, dass die traditionellen Instrumente der Meinungsbildung – in liberalen Demokratien eine genuine Aufgabe von Journalisten, politischen Bildnern und staatlichen Institutionen – nicht mehr richtig funktionieren. Dagegen erleben Desinformation, fake news, Propaganda und Populismus einen Siegeszug. Die Einflussnahme auf die öffentliche Meinung hat sich durch die zunehmende Beliebtheit von Social Media rasant verändert. Interessengruppen steuern hier bewusst Diskurse – mit dem Ziel, ihre politische Agenda zu verbreiten. Nicht immer wird klar, wer die Erzeuger dieser Stimmungen sind.

Im Zeitalter der Hyperinformation und digitalen Beschleunigung steht uns immer weniger Zeit zur Verfügung, Fakten zu bewerten, über Meinungen differenziert zu reflektieren und gründlich zu diskutieren. Die Durchlässigkeit für den Desinformationenfluss ist gestiegen, Kontrollmechanismen sind kaum vorhanden oder werden nicht genutzt.

Desinformationen und Propaganda vereinfachen unsere Wirklichkeit – sie erreichen daher viele, die sich für die Herausforderungen unserer Zeit einfache Lösungen versprechen. Heute können mit 280 Zeichen Debatten angestoßen und bestimmt werden, die früher erst nach viel längerer Zeit ein so großes Publikum erreicht hätten. Die Digitalisierung bringt uns den schnellen Zugang zu Informationen, sie ermöglicht die Teilhabe an meinungsbildenden Prozessen. Aber sie öffnet auch die Türen für Desinformation, Propaganda und fake news.

Desinformation kann Wahlen manipulieren, sich in den sozialen Netzwerken wie ein Lauffeuer verbreiten, das politische Feld emotional erhitzen und Gesellschaften fragmentieren. Im Ergebnis stellen wir fest: ein Verlust an Vertrauen in demokratische Institutionen, ein Aufstieg des Rechtspopulismus, eine Verbreitung von Rassismus und Diskriminierungen. Es ist klar erkennbar: der Weg von der Sprache zur Gewalt ist kürzer geworden. Das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung wird von Propaganda und Desinformation als ein Instrument genutzt, um sich selbst zu legitimieren. Freie Meinungsäußerung rechtfertigt aber keine Hasssprache und menschenverachtende Hetze – egal ob im Netz oder in öffentlichen, analogen Räumen.

Wir möchten auf dieser Konferenz nach dem aktuellen Stand der Desinformation und ihrer Relevanz in Mittel- und Osteuropa fragen. Wie gehen Journalistinnen und Journalisten mit diesem Phänomen um? Wie steht es um die Medien als vierte Gewalt? Welche Rolle spielen transnationale Netzwerke bei der Verbreitung von Desinformation? Inwiefern gefährdet diese unsere Sicherheit und mit welchen Mitteln kann sie entlarvt werden? Wie lässt sich das Vertrauen in liberale Demokratien stärken?

Wir blicken mit dieser Konferenz 30 Jahre nach dem Mauerfall in den Osten Europas und lassen internationale Expertinnen und Experten aus 18 Ländern zu Wort kommen. Wir freuen uns auf den Gedanken- und Erfahrungsaustausch. Vielen Dank, dass Sie unserer Einladung gefolgt sind.

Das Jahr 1989 war auch der Neubeginn der europäischen Erzählung. Das Zusammenwachsen in Europa in den letzten Jahrzehnten ist ein Glückfall, der nicht selbstverständlich ist. Populistische, nationalistische und europaskeptische Stimmen gab es immer, sie sind jedoch lauter geworden. Aber sie sind auch ein wichtiges Signal dafür, dass wir auf Europa und das gesellschaftliche Zusammenleben achtgeben müssen. Wir sollten uns mit den humanistischen Werten wird stärker befassen, um sie zu schützen.

An der Vorbereitung der Tagung haben viele mitgewirkt:

Ich möchte mich bei Prof. Andrii Portnov für die wissenschaftliche Beratung herzlich bedanken.

Ich danke auch meinem internationalen Team: Katarina, Lina, Nele, Kristina, Fatih, Doreen und Kateryna, sowie den heutigen Dolmetscherinnen und Dolmetschern: Lilian-Astrid Geese, Matthias Jansen, Silvia Schreiber, Barbara Chisholm und Aleksej Chajretdinov.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir möchten heute den Abend mit zwei Perspektiven – einer journalistischen und einer literarischen – eröffnen. Wir starten mit dem Blick nach Russland, in die Slowakei, nach Ungarn und Deutschland. „Die Wahrheit ist der Feind“ – so der Titel unserer ersten Diskussion und des Buches von Golineh Atai. Wilfried Jilge wird das Gespräch moderieren. Ich heiße Sie beide herzlich willkommen.

Mit Literatur als feinfühlige Seismographin von Gesellschaften möchten wir den Abend später fortsetzen. Herzlich willkommen Terezia Mora, Michal Hvorecky und Jörg Plath. Sie sprechen heute über Sprache, Wirklichkeit, Trolls, social media und Literatur.

Ich wünschen uns allen neue Blicke, Perspektiven und inspirierende, respektvolle und kritische Gespräche und Diskussionen!

- Es gilt das gesprochene Wort! -

Fussnoten