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Zivilgesellschaft und interkultureller Dialog Rede von Thomas Krüger zum 15. Jahrestreffen Offener Kanäle in Berlin, 11.-12.09.2008

/ 11 Minuten zu lesen

Der Erwerb interkultureller Kompetenzen ist gegenwärtig die zentrale Aufgabe in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Dabei spielt die Zivilgesellschaft – zu der die Medienarbeit der Offenen Kanäle gehört – eine herausragende Rolle.

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

für die Einladung zu Ihrer Konferenz bedanke ich mich sehr und möchte Ihnen sagen, dass die Bundeszentrale für politische Bildung ihr Anliegen mit voller Überzeugung unterstützt. Die Bundeszentrale für politische Bildung arbeitet schon seit Jahren mit den Veranstaltern vertrauensvoll und gut zusammen und es freut mich ganz besonders, dass Sie den interkulturellen Dialog bei diesem Jahrestreffen zum zentralen Thema gemacht haben.

Ich möchte hier folgende These vertreten: Wir müssen uns erst zum interkulturellen Dialog befähigen, bevor wir ihn führen können. Der Erwerb interkultureller Kompetenzen ist gegenwärtig die zentrale Aufgabe in allen Bereichen unserer Gesellschaft. Dabei spielt die Zivilgesellschaft – zu der die Medienarbeit der Offenen Kanäle gehört – eine herausragende Rolle. Deshalb gibt es für mich einen Dreiklang: interkulturelle Öffnung, Erwerb interkultureller Kompetenzen und interkultureller Dialog. Öffnung, Kompetenzerwerb und Dialog gehören zusammen.

Nur in diesem Dreiklang schaffen wir es, die Herausforderungen zu meistern und zu einem besseren gesellschaftlichen Miteinander zu kommen. Dabei spielen zivilgesellschaftliche Organisationen eine ganz besondere Rolle. Sie sind die Protagonisten der Öffnung, des Kompetenzerwerbs und des Dialogs.

Was interkulturelle Öffnung heißt, warum ein interkultureller Kompetenzerwerb notwendig ist, wie dieser ins Werk gesetzt werden kann, um den Dialog führen zu können und welche Rolle hier zivilgesellschaftliche Organisationen spielen können, das will ich Ihnen hier mit einigen Argumenten deutlich machen.

I. Herausforderungen



Wir leben heute in Deutschland in einer Einwanderungsgesellschaft. Die Migrantinnen und Migranten sind zu einem wichtigen Bevölkerungsteil geworden. Mehr als 15 Millionen Menschen haben in Deutschland einen Migrationshintergrund (2006); das sind beinahe 20 Prozent der Wohnbevölkerung. In Deutschland sind die größten Migrantengruppen die Deutschrussen mit fünf Millionen und die Türken mit zwei Millionen. Viele andere Gruppen kommen aus den europäischen Nachbarländern und aus der Europäischen Union.

Sie bringen ihre Kultur, ihre Lebensweise und ihre Religion mit und legen diese nicht einfach an der Grenze ab – auch dann nicht, wenn sie die deutsche Staatsbürgerschaft erworben haben. Zweifellos: die deutsche Gesellschaft ist vielfältiger geworden und die soziale Ungleichheit hat eine neue Bedeutung gewonnen. Die alten Milieus, die lange die Gesellschaft tief geprägt haben, lösen sich allmählich auf und neue bilden sich. Allerdings besteht die Gefahr, dass sich soziale Unterschiede ethnisieren und die Türken plötzlich nur noch über Bildungs- und Beschäftigungsdefizite wahrgenommen werden.

In Politik und Gesellschaft, insbesondere in Deutschland, wurde das Thema Migration lang Zeit verdrängt. Die Angst vor Parallelgesellschaften hatte den politischen Diskurs und die Auseinandersetzung mit dem Thema Migration infiziert. Erst unter der rot-grünen Bundesregierung nach 2000 ist Integration zu einem zentralen politischen Thema geworden. Teilhabe ist seither das neue Schlagwort. Es betrifft alle Bereiche der Gesellschaft und alle Einrichtungen und Organisationen – von den Schulen über die Medien bis hin zu den Unternehmen und den Arbeitsmarkt. Ergebnis dieser politischen Wende war das Einwanderungsgesetz von 2005, mit dem der Zuzug und der Erwerb der Staatsbürgerschaft neu geregelt wurde.

Im letzten Jahr hat die Bundesregierung den "Nationalen Integrationsplan" auf den Weg gebracht. Denn es gibt immer noch zahlreiche Integrationsdefizite – mangelnde deutsche Sprachkenntnisse, unzureichende Ausbildung und hohe Arbeitslosigkeit bei Migrantinnen und Migranten. In diesem Nationalen Integrationsplan haben sich alle gesellschaftlichen Gruppen – von den Unternehmen und ihren Verbänden, über die Kirchen bis hin zu den zivilgesellschaftlichen Organisationen verpflichtet, ihren Beitrag zur Integration und zum interkulturellen Dialog zu leisten. Denn Integration kann nicht durch die Politik von oben verordnet werden, sondern muss durch die Gesellschaft selbst, durch die Bereitschaft, sich auf Migranten und ihre Kultur einzulassen, sie zu akzeptieren und zu fördern, vorangebracht werden.

Auch der Nationale Integrationsplan verwendet die Trias von interkultureller Öffnung der Gesellschaft - der Institutionen und Organisationen, der Entwicklung und des Erwerbs interkultureller Kompetenzen und des kulturellen Dialogs.

Unternehmen, die weltweit tätig sind kennen diese Herausforderungen schon seit langem. Diversity ist für sie das Stichwort für den sensiblen und respektvollen Umgang mit Mitarbeitern aus unterschiedlichen Ländern, kulturellen Traditionen und ethnischer Herkunft. Denn Migrantinnen und Migranten sind ein wichtiges, bislang zu wenig genutztes Potenzial nicht nur für die Unternehmen, sondern insgesamt für die gesellschaftliche Entwicklung.

In postnationalen Gesellschaften wird es keine dominante nationale Einheitskultur mehr geben, auch wenn die Diskussion um eine Leitkultur das Gegenteil suggeriert. Vielmehr wird es darum gehen, nach welchen Prinzipien kulturelle Differenz anerkannt, und wie der Dialog zwischen den Kulturen geführt werden kann. Dies betrifft ganz besonders die Europäische Union, weil sie als Gemeinschaft von "alten" Nationalstaaten auf die Verbindung von kultureller Vielfalt und Gemeinsamkeit angewiesen ist.

Ich möchte deshalb in meinem nächsten Schritt auf das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs zu sprechen kommen.

II. Europa: öffentlicher Raum, europäische Identität


Die Kommission der Europäischen Union hat das Jahr 2008 zum Jahr des interkulturellen Dialogs ausgerufen. Ihr Ziel ist es, mit einer Kampagne das wechselseitige Verständnis und das Zusammenleben zu verbessern. Den Bürgerinnen und Bürgern soll der Nutzen der kulturellen Vielfalt veranschaulicht werden. Sie sollen motiviert werden, sich aktiv an der Diskussion über europäische Themen zu beteiligen. Insgesamt will das Europäische Jahr des interkulturellen Dialogs das Gefühl der Zusammengehörigkeit über die kulturellen Grenzen hinweg fördern.

Mit der letzten Runde der Erweiterung der Europäischen Union kamen 2007 Rumänien und Bulgarien hinzu. In der Runde davor, 2004, traten neben den Mittelmeerinseln vor allem die osteuropäischen Staaten der EU bei. Mit nun 27 Mitgliedsstaaten und annähernd 500 Millionen Einwohnern ist die Europäische Union ein multikulturelles Gebilde, das den Dialog zwischen den Kulturen umso notwendiger braucht.

Die Zahl der Sprachen, der Glaubensbekenntnisse sowie der ethnischen und kulturellen Hintergründe innerhalb der EU hat zugenommen. Eine europäische Identität und eine europäische Öffentlichkeit, in denen die kulturelle Vielfalt ihren Platz hat, sind langfristige Ziele einer europäischen Integrationspolitik.

Eine europäische Öffentlichkeit entsteht aber nur durch Dialog und durch Medien, in denen ein gemeinsamer Bezugspunkt hergestellt wurde. Ohne die Mobilisierung der Zivilgesellschaft wird dies nicht gelingen.

Ich möchte deshalb in einem nächsten Schritt auf die Zivilgesellschaft näher eingehen und an ihr meinen Dreiklang von Öffnung, Kompetenzerwerb und Dialog verdeutlichen.

III. Die Rolle der Zivilgesellschaft


Da der interkulturelle Dialog nicht von oben, d.h. von der Politik allein verordnet werden kann, und da er auch nicht durch die Wirtschaft entscheidend voran gebracht wird, bleiben nur zivilgesellschaftliche Organisationen, die ihn in angemessener Weise organisieren und führen können. Zivilgesellschaft ist jene Welt zwischen Staat und Wirtschaft. Während der Staat vor allem hierarchisch funktioniert und, mit Legitimität ausgestattet, politische Entscheidungen trifft, geht es bei der Wirtschaft in allererster Linie um die Erzielung von Gewinn. Beides ist legitim und wichtig, aber kein gute Voraussetzung für jedwede Art von Dialog. Politik und Wirtschaft können im günstigsten Fall Beiträge leisten, ohne die Zivilgesellschaft aber ist er nicht denkbar. Eine der wichtigsten Funktionen, die zivilgesellschaftliche Organisationen haben, wird mit dem Begriff Integration beschrieben. Darauf hatte schon vor mehr als 150 Jahren bereits Alexis de Tocqueville in seinem Buch über die amerikanische Demokratie hingewiesen. Amitai Etzioni, der Begründer des Kommunitarismus, hat Anfang der 1970er Jahre die gemeinschaftsbildende Kraft zivilgesellschaftlicher Organisationen herausgestellt.

Heute wird die integrierende Kraft zivilgesellschaftlicher Organisationen mit dem Begriff des sozialen Kapitals verbunden. Zivilgesellschaftliche Organisationen sollen diese besondere Form des Kapitals hervorbringen, weil sie – wie Sportvereine, Musikgruppen und politische Initiativen zeigen – Menschen unterschiedlicher Herkunft und Kultur zusammenbringen können.

Doch nicht jede zivilgesellschaftliche Organisation hat automatisch diese integrierende Kraft und diese Fähigkeit zum interkulturellen Dialog. Darauf hat der amerikanische Politikwissenschaftler Robert Putnam mit seiner Unterscheidung zwischen bridging social capital und bonding social capital aufmerksam gemacht. Denn die Wirkungen zwischen dem "Brücken bildenden" und "ausschließenden" sozialen Kapital sind gegensätzlich. Bridging meint Vertrauensbeziehungen – in unserem Fall: interkulturelle Beziehungen – zwischen unterschiedlichen ethnischen und sozialen Gruppen; Bonding bezieht sich auf Vertrauensbeziehung zwischen einer ethnisch und sozial homogenen Gruppe. Die Mafia wäre dafür ein griffiges Beispiel.

Die Brückenbildung, der interkulturelle Dialog, ist also eine Aufgabe, die an viele zivilgesellschaftliche Organisationen gestellt wird. Denn viel leichter ist es erst einmal "unter sich" zu bleiben.

Für diese Aufgabe wird in den letzten Jahren der Begriff der "interkulturellen Öffnung" verwendet. Auch der eben erwähnte Nationale Integrationsplan der deutschen Bundesregierung verwendet diesen Begriff. Denn die Zivilgesellschaft ist nicht das Reich der Guten, sondern auch in ihr reproduzieren sich soziale Ungleichheit und Ausschließung.

Öffnung meint, dass Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, Kultur, Religion und sozialem Status die Chance bekommen, in Schulen, Verwaltungen, Vereinen, kommunalen Vereinigungen, Musikgruppen, Kirchen, Religionsgemeinschaften etc. teilhaben zu können. Interkulturelle Öffnung bezieht sich vor allem darauf, dass traditionelle Vereine, Verbände, Einrichtungen sozialer Dienstleistungen und andere Organisationen sich bereit zeigen, Migrantinnen und Migranten aufzunehmen, sich auf ihre Wünsche und Bedürfnisse einzustellen. Denn allzu häufig ist zu beobachten, wie sich in Sportvereinen und in anderen Bereichen immer wieder ethnisch homogene Gruppen bilden. Die Deutschen bleiben dann z.B. unter sich und ebenfalls die Migranten.

Kulturelle Öffnung kann beispielweise bedeuten, dass Migrantenselbstorganisationen in die örtlichen Netzwerke einbezogen werden. Kulturelle Öffnung kann auch heißen, dass die Förderkriterien von Bundes- und Länderprogrammen verändert werden und es kann bedeuten, dass in Institutionen wie der Polizei und der öffentlichen Verwaltung mehr Migrantinnen und Migranten arbeiten.

Interkulturelle Öffnung ist eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft – sie betrifft aber ganz besonders die Organisationen der Zivilgesellschaft, weil diese den Anspruch erheben, soziale und kulturelle Ausschlüsse zu verhindern.

Während sich interkulturelle Öffnung vor allem auf die Organisationen bezieht, richtet sich der Erwerb interkultureller Kompetenzen auf die Personen in diesen Organisationen. Interkulturelle Kompetenz beschreibt nach Darla K. Dearndorff die Kompetenz, auf Grundlage bestimmter Haltungen und Einstellungen sowie besonderer Handlungs- und Reflexionsfähigkeiten in interkulturellen Situationen effektiv und angemessen zu regieren. Solche Kompetenzen beziehen sich auf die Interaktion zwischen Individuen. Sie umfassen Handlungskompetenzen wie ein umfassendes kulturelles Wissen, Kommunikationsfähigkeiten und Konfliktlösungsfähigkeit. Sie beruhen auf Haltungen und Einstellungen wie Wertschätzung von Vielfalt und Ambiguitätstoleranz. Und sie setzen schließlich Empathiefähigkeit und die Fähigkeit zum Perspektivwechsel voraus. Es sollen gerade die eigenen kulturellen, religiösen und ethnozentrischen Weltsichten nicht absolut gesetzt, sondern reflektiert werden und die kulturellen Regeln, die die Akteure für verbindlich erachten, nicht verletzt werden.

Damit sind hohe Hürden für interkulturelle Situationen errichtet, die für unseren Alltag umso bedeutsamer werden, je öfter wir uns in solchen Situationen wiederfinden. Für zivilgesellschaftliche Organisationen gehören solche Situationen inzwischen zum Alltag – es sei denn, sie entscheiden sich, die traditionellen Strukturen aufrechtzuerhalten und im Sinne Robert Putnams nur "ausschließendes" soziales Kapital zu bilden, d.h. also unter sich zu bleiben. Die Zivilgesellschaft selbst und die Organisationen in ihr sind ein Lernfeld und verstehen sich als Bereich des Kompetenzerwerbs.

Als Lerndienste verstehen sich die zahlreichen Freiwilligendienste, die immer stärker ausgebaut werden. Hier machen seit Jahren Tausende von jungen Menschen Erfahrungen und lernen mit anderen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen, Herkünften, gesellschaftlichen Bereichen umzugehen. Für den im Aufbau befindlichen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst "weltwärts", liegen bereits mehr als 10.000 Bewerbungen vor. Im Rahmen dieses Freiwilligendienstes werden junge Menschen in Ländern der Dritten Welt entsandt, um dort und auch in Deutschland einen Beitrag zum freiwilligen Engagement zu leisten.

Mit diesem Freiwilligendienst soll das Bewusstsein für globale Zusammenhänge in Zukunftsfragen wie Energie, Klima und gerechte Weltordnung gestärkt werden. "Weltwärts" stellt interkulturelle Verständigung, Achtung, Toleranz und Solidarität in den Mittelpunkt. Dieser Freiwilligendienst ist Teil von interkulturellen Lernorten, die zivilgesellschaftliche Organisationen bieten, ohne die eine vernetzte Welt nicht mehr funktionieren kann.

Solche interkulturellen Lernorte gibt es auch im Inland. Auf der kommunalen Ebene finden mehr als zwei Drittel des bürgerschaftlichen Engagements statt. Dort sind es die Stadtteilgruppen und Initiativen, die Kirchengruppen, die Vereine in den Bereichen Sport und Musik, sind es die Beiräte und die Elterngruppen, die lokalen Bündnisse und viele andere Gruppen, in denen Menschen unterschiedlicher Kulturen, Ethnien und Religion aufeinander treffen. Hier sind die genannten interkulturellen Kompetenzen gefragt, damit überhaupt ein Dialog in Gang kommt. Doch dies ist keine "heile" oder eine ganz andere Welt. Auch in diesem Bereich wirkt sich soziale Ungleichheit aus, machen sich Vorurteile bemerkbar und auch hier wird an Machpositionen geklebt. Beispielsweise sind die Vereinsvorsitzenden immer noch überwiegend ältere etablierte Männer. Für Menschen aus einer anderen Kultur ist der Weg an die Spitze eines Vereins schwierig.

In vielen Gebieten in Deutschland aber auch in Europa gibt es Gegentendenzen zu einer interkulturellen Verständigung. Dort versuchen rechtsextremistische und rechtspopulistischen Gruppen kulturelle Diversität mit Drohungen, Unterwanderung und einer Ideologie kultureller Reinheit und Überlegenheit zu verhindern. Hier ist es die Aufgabe von zivilgesellschaftlichen Organisationen, den Dialog und das Lernen über kulturelle Grenzen hinweg zu organisieren und solchen extremen Ideen von Reinheit und Überlegenheit eine Absage zu erteilen.

Dies bedeutet, dass die Zivilgesellschaft insgesamt und viele ihrer Organisationen oder Initiativen den Anspruch erheben, für interkulturelles Lernen und für den interkulturelle Dialog offen zu sein, doch nicht alle können diesen Anspruch auch erfüllen. Deshalb ist es umso wichtiger und bedeutsamer, darauf zu blicken, wo dieser Dialog auch wirklich geführt wird. Denn Dialog hat zur Voraussetzung offen zu sein und lernen zu wollen. Interkultureller Dialog aber ist die bewusste und reflexive Auseinandersetzung mit kultureller Differenz. Im Kern bedeutet dies, dass die anderen zu Wort kommen, ihre Argumente gehört und die Differenz vor dem Hintergrund gemeinsamer – universeller – Prinzipien respektiert wird.

Damit sind wir schnell bei einem zentralen Bereich des zivilgesellschaftlichen Engagements, über den ich in meinem letzten Abschnitt sprechen möchte.

IV. Kultur/Medien und Offene Kanäle


Die Kultur ist traditionell ein Bereich der Gesellschaft, der stark von bürgerschaftlichem Engagement getragen wird. In allen Bereichen, bei Museen, Theatern, Musik, Literatur sind es Ehrenamtliche, die durch ihr Engagement den Betrieb aufrechterhalten oder einen wichtigen Anteil übernehmen, weil der Staat oder die Kommune sich nicht mehr dazu in der Lage sieht. Je kleiner die kulturelle Organisation, je innovativer das Thema und je näher an der kommunalen Ebene, desto größer ist der Anteil des bürgerschaftlichen Engagements.

Ich möchte hier zeigen, dass es gerade der Bereich der Kultur und der Medien – dazu komme ich gleich – ist, in dem bewusst der interkulturelle Dialog geführt wird. Denn im kulturellen Bereich geht es zentral auch um die Wahrnehmung des Eigenen und des Fremden, d.h. um kulturelle Identitätsbildung, die entscheidend in Auseinandersetzung mit anderen Kulturen gelingen kann. Die Keimzelle des interkulturellen Dialogs ist die Kommunikation zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft.

Im Bereich der Kultur – aber nicht nur dort – kann ein solcher Dialog mit Erfolg geführt werden, weil die Auseinandersetzung mit kulturellen Gütern (Musikstücken, Texten, Bildern, Installationen, Filmen) häufig den Kontakt mit anderen Kulturen ermöglicht. Die Auseinandersetzung mit Kultur eröffnet andere Welten und Weltsichten und die Kultur ist heute ein Bereich transnationaler Kommunikation.

Ähnlich wie mit der Kultur ist es mit den Medien – und hier ganz besonders mit einer Form der Bürgermedien, den offenen Kanälen. Denn eine der wichtigsten Aufgaben der Medien ist die Informationsfunktion. Sie sollen unser Wissen, und d.h. hier vor allem unser Wissen über andere Kulturen, Lebensweisen und politische und religiöse Überzeugungen vermehren. Medien haben aber auch die Funktion, uns zu sensibilisieren und uns für andere Kulturen zu öffnen.

Offene Kanäle als Bürgermedien können Brückenfunktion des interkulturellen Dialogs sein, weil sie eine andere Wirklichkeit als die Mainstream-Medien bieten. Gerade die prinzipielle Offenheit des Zugangs für ganz unterschiedliche Gruppen bieten die Voraussetzung dafür, dass ein Dialog überhaupt zustande kommen kann.

Offene Kanäle haben eine weiteren Vorteil: sie bieten die Verbindung mit den lokalen zivilgesellschaftlichen Netzwerken und können damit eine pluralistische Medienpraxis unter Einbezug der Bürgerinitiativen, NGOs, Vereine, Migrantenselbstorganisationen und politischen Gruppen Wirklichkeit werden lassen. Dies kann die Grundlage sein für einen kulturellen Dialog, der prinzipiell für alle offen ist.

Fazit

Zivilgesellschaft und interkultureller Dialog gehören zusammen. Doch sie kommen nur zusammen, wenn der Dreiklang von interkultureller Öffnung, interkultureller Kompetenzerwerb und interkultureller Dialog auch gelebt wird. Die offenen Kanäle bieten die Möglichkeit, diesen Dreiklang zu verwirklichen.

- Es gilt das gesprochene Wort -

Fussnoten