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Zur sozialen und politischen Lage der anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland

Sonja Wolf

/ 17 Minuten zu lesen

In Deutschland leben vier anerkannte nationale Minderheiten: Die dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe, das sorbische Volk und die Minderheit der deutschen Sinti und Roma. Die Anerkennung von Minderheiten geht in der Regel mit der Gewährung von besonderen Rechten einher, die darauf zielen, den Menschen, die Minderheiten angehören, eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen Leben ihrer Heimat zu ermöglichen.

Auf europäischer Ebene werden diese Rechte in der Hauptsache durch zwei Dokumente festgelegt: durch das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten (RÜ) sowie durch die Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen. Die Bundesrepublik Deutschland hat beide Dokumente unterzeichnet und ratifiziert und sich damit gegenüber dem Europarat verpflichtet, die entsprechenden Bestimmungen für die in Deutschland lebenden Minderheiten umzusetzen. Die Umsetzung ist vor allem Aufgabe der Bundesländer, da viele Bereiche, die in diesen Bestimmungen abgedeckt werden und die über die grundlegenden Antidiskriminierungsgesetze hinausgehen, weitestgehend in der Kompetenz der Länder liegen. Die Umsetzung der Minderheitenrechte variiert daher mitunter recht stark zwischen den Ländern und zwischen den Minderheiten. Sie hängt zusätzlich von anderen Faktoren ab, etwa davon, ob es einen unterstützend wirkenden "Mutterstaat" gibt, sowie vom Grad der Selbstorganisation und der politischen Vertretung der jeweiligen Minderheit. Alle vier anerkannten nationalen Minderheiten verfügen mit ihrem jeweiligen Beratenden Ausschuss beim Bundesministerium des Innern über eine direkte Verbindung zur Bundesregierung und dem Bundestag.

Zusätzlich zu den anerkannten Minderheiten leben in Deutschland andere ethnische, religiöse und sprachliche Gemeinschaften, die als Minderheiten bezeichnet werden können. Da es jedoch keine allgemein anerkannte und nach internationalem Recht gültige Definition von "Minderheit" gibt, bleibt die Bestimmung darüber, welche Gruppen offiziell als Minderheit anerkannt werden und welche nicht, dem jeweiligen Staat überlassen. In Deutschland gilt eine Gruppe als nationale Minderheit, wenn sie folgende Kriterien erfüllt:

  • "ihre Angehörigen sind deutsche Staatsangehörige,

  • sie unterscheiden sich (…) durch eine eigene Sprache, Kultur und Geschichte (eigene Identität),

  • sie wollen diese Identität bewahren,

  • sie sind traditionell (…) in Deutschland heimisch,

  • sie leben innerhalb Deutschlands in angestammten Siedlungsgebieten."

Die deutschen Sinti und Roma sind aus historischen Gründen vom letzten Kriterium ausgenommen. Im Folgenden werde ich die vier unter diese Definition fallenden Minderheiten kurz vorstellen, ihre soziale und politische Lage darlegen und die Umsetzung ihrer Rechte kritisch beleuchten.

Dänische Minderheit

Die dänische Bevölkerung im heutigen Schleswig-Holstein wurde erstmals eine nationale Minderheit, als das ehemals unabhängige Herzogtum Schleswig im Dänisch-Preußischen Krieg 1864 an Preußen fiel. Die Zeit nach dem Krieg war geprägt von einer deutschen Nationalisierung der Region, im Zuge derer der Gebrauch der dänischen Sprache im öffentlichen Raum abnahm und Deutsch das Leben dominierte. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Dänen war angespannt, und vor allem im Norden der Region blieb Dänisch die Alltagssprache.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurden 1920 in der Region zwei Volksabstimmungen abgehalten, durch die die heute noch bestehende Grenze zwischen Deutschland und Dänemark festgelegt wurde. Der südliche Teil Schleswigs stimmte mehrheitlich für den Verbleib in Deutschland, während der nördliche Teil für einen Anschluss an Dänemark stimmte. Bald darauf wurden die ersten Einrichtungen der Minderheit gegründet, die zum Teil heute noch bestehen und wichtige Arbeit in der Erhaltung ihrer Sprache und Kultur leisten. Das Verhältnis zwischen Deutschen und Dänen blieb aber angespannt, und unter dem Naziregime kam das dänische kulturelle Leben aus Angst vor Repressalien größtenteils zum Erliegen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einer Wiederbelebung der dänischen Kultur in der Region, begünstigt durch einen großen Zulauf von Menschen sowie die Bonner Erklärung von 1955, die als ein Teil der sogenannten Bonn-Kopenhagen-Erklärungen den gegenseitigen Schutz und die Förderung der Minderheiten dies- und jenseits der Grenze regelte.

Die dänische Minderheit identifiziert sich heute hauptsächlich über ihre Sprache sowie über gemeinsame Werte, die stark mit dem Mutterstaat Dänemark in Verbindung gebracht werden. Traditionell ist die dänische Minderheit in einem kompakten Gebiet entlang der deutsch-dänischen Grenze angesiedelt, das als Südschleswig bezeichnet wird. Die Größe der Minderheit wird auf etwa 50000 Menschen geschätzt, was deutschlandweit einem Bevölkerungsanteil von rund 0,1 Prozent entspricht, in Schleswig-Holstein rund 1,8 Prozent. Der Großteil der Angehörigen der Minderheit spricht sowohl Dänisch als auch Deutsch, und die Kinder wachsen in der Regel zweisprachig auf. Kinder und Erwachsene, die der Minderheit angehören, haben Zugang zu einem umfangreichen Bildungssystem aus privaten Schulen, Kindergärten und Institutionen der Erwachsenenbildung, die sowohl die Sprachfähigkeiten, als auch den Zusammenhalt in der Minderheit fördern. Zusätzlich wird eine große Anzahl an Dienstleistungen in der dänischen Sprache angeboten, zum Beispiel Gesundheitsdienste, Büchereien, Kirchen und auch Unterstützung bei Behördengängen. Die hauptsächlich lutherische Minderheit verfügt außerdem über ein kleines, aber aktives Netzwerk aus Pastoren und Gemeinden, die kulturelle Veranstaltungen organisieren und Messen in dänischer Sprache anbieten.

Die Einrichtungen der Minderheit werden von ihren Mitgliedern betrieben. Besondere Bedeutung kommt hierbei der kulturellen Dachorganisation Sydslesvigsk Forening (SSF) mit dem dänischen Generalsekretariat in Flensburg sowie dem Südschleswigschen Schulverein zu. Die Organisationen und Einrichtungen der dänischen Minderheit werden finanziell mit Mitteln aus dem schleswig-holsteinischen Landeshaushalt, dem dänischen Staatshaushalt sowie in geringerem Maße aus dem Bundeshaushalt unterstützt. Ein weiterer Teil der Finanzierung stammt aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden aus Dänemark und von Angehörigen der Minderheit selbst.

Auf Bundesebene ist die dänische Minderheit gemeinsam mit den drei anderen anerkannten Minderheiten im Minderheitenrat aktiv. Auf Landesebene wird sie gemeinsam mit einem Teil der friesischen Volksgruppe durch die Minderheiten- und Regionalpartei Südschleswigscher Wählerverband (SSW) vertreten, die in Landtagswahlen von der Fünfprozenthürde ausgenommen ist. Seit 2012 ist der SSW Teil der Regierungskoalition mit der SPD und den Grünen. Seither wurden im Landtag einige für die Minderheit wichtige Entscheidungen getroffen: Zuvorderst ist eine Verfassungsänderung zu nennen, die sich auf die Institutionalisierung des Rechts auf gleichberechtigte Finanzierung der Minderheitenschulen (gegenüber öffentlichen Schulen) bezieht. Zudem wurde das Landesverwaltungsgesetz geändert, wodurch Dänisch zu einer der Verwaltungssprachen im angestammten Siedlungsgebiet der Minderheit geworden ist (Kreise Nordfriesland, Flensburg, Schleswig-Flensburg und Rendsburg-Eckernförde). Darüber hinaus wurde ein Handlungsplan zur Sprachenpolitik entwickelt, der umfassende Maßnahmen zur Förderung der Minderheitensprachen enthält (neben Dänisch auch Friesisch und Plattdeutsch). In Bezug auf Dänisch bedeutet das vor allem die Förderung von dänischem Sprachunterricht in öffentlichen Schulen und Kindergärten.

Das kompakte Siedlungsgebiet der dänischen Minderheit, ihre starke Selbstorganisation und aktive politische Vertretung sowie die finanzielle und politische Unterstützung Dänemarks ermöglichen der Minderheit eine relative kulturelle Autonomie. Der Spracherhalt ist gewährleistet, kulturelle Normen und Traditionen werden über die Generationen hinweg weitergegeben, und in den maßgeblichen politischen Gremien wird die Stimme der Minderheit nicht nur gehört, sondern auch berücksichtigt. In den vergangenen Jahren wurden in der Landespolitik wichtige Schritte unternommen um die Rechte der Minderheit zu institutionalisieren und zu festigen, was Schleswig-Holstein den Ruf eines Vorreiters im Minderheitenschutz eingebracht hat. Einzig der Zugang zu dänischsprachigen Medien und Programmen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten wird vom Beratenden Ausschuss des Europarates, der die Umsetzung des RÜ überwacht, regelmäßig angemahnt.

Friesische Volksgruppe

Die friesische Volksgruppe ist bereits seit Jahrhunderten entlang der Nordseeküste zwischen den Niederlanden und der dänischen Grenze angesiedelt. Die Friesen identifizieren sich hauptsächlich über ihre Sprache sowie eine gemeinsame Geschichte und Kultur, die sie von der Mehrheitsbevölkerung unterscheiden. Während aber die Bundesregierung die Friesen als Minderheit anerkennt, nimmt sich der Großteil der Gruppe selbst als deutsche Volksgruppe wahr. Die meisten Friesen verstehen sich also selbst als Deutsche mit eigener Sprache, Geschichte und Kultur. Die Friesen in Deutschland lassen sich in drei Gruppen teilen: die Nordfriesen, die in Nordfriesland in Schleswig-Holstein und auf Helgoland leben und zum Teil Friesisch sprechen; die Ostfriesen, die in Niedersachsen entlang der Küste und auf den Ostfriesischen Inseln leben und kein Friesisch mehr sprechen; und die Saterfriesen, die im Landkreis Cloppenburg und in der selbständigen Gemeinde Saterland leben und sich ihre Variante des Friesischen bewahrt haben. Darüber hinaus leben in den Niederlanden die Westfriesen, die ebenfalls Friesisch sprechen. Die friesische Volksgruppe in Deutschland zählt schätzungsweise 60000 Menschen, die sich unabhängig vom Sprachgebrauch der Volksgruppe zugehörig fühlen.

Friesisch gehört zur westgermanischen Sprachfamilie und unterscheidet drei Sprachen und mehrere Dialekte. Die drei heute noch gesprochenen Sprachen sind Nordfriesisch und Saterfriesisch, die in Deutschland gesprochen werden, sowie Westfriesisch, das in den Niederlanden gesprochen wird. Ursprünglich wurde auch in Ostfriesland Friesisch gesprochen, allerdings wurde die Sprache dort nach und nach durch Plattdeutsch ersetzt. Heute wird Friesisch in einigen öffentlichen Schulen und Kindergärten in den Siedlungsgebieten der Friesen als Unterrichtsfach angeboten, und in einigen Gemeindevertretungen werden die Sitzungen auf Friesisch abgehalten.

Die Friesen verfügen in Deutschland über ein Netzwerk aus Organisationen, die sich dem Schutz und der Förderung der friesischen Sprache und Kultur widmen. Hier sind vor allem der Frasche Rädj (Friesenrat – Sektion Nord), Fräiske Räid (Friesenrat – Sektion Ost) und der Seelter Buund zu nennen, die in Nord- und Ostfriesland, sowie im Saterland wichtige Aufgaben für die Erhaltung und Förderung des Friesischen übernehmen und die Interessen der Friesen gegenüber öffentlichen Organen vertreten. Der Frasche Rädj und der Seelter Buund vertreten die Volksgruppe im gemeinsamen Minderheitenrat. Zusätzlich dient der Interfriesische Rat dem Austausch und der Erörterung friesischer Interessen über Grenzen hinweg. Die Nordfriesen sind zum Teil über den SSW im Landtag Schleswig-Holsteins vertreten und haben außerdem über das Gremium für Fragen der friesischen Volksgruppe eine direkte Verbindung zum Schleswig-Holsteinischen Landtag.

Der schon erwähnte Handlungsplan Sprachenpolitik, der in Schleswig-Holstein entwickelt wurde, zielt für das Friesische darauf ab, einen geschlossenen Bildungsgang in friesischer Sprache zu ermöglichen, also Bedingungen zu schaffen, die es erlauben, vom Kindergarten bis zur Universität Friesisch zu lernen. Auch der Gebrauch des Friesischen in den öffentlich-rechtlichen Medien soll gestärkt werden, und bei der Suche nach Nachwuchskräften in der Verwaltung soll Mehrsprachigkeit in den Regional- und Minderheitensprachen verstärkt berücksichtigt werden. Zusätzlich wurde das Landesverwaltungsgesetz auch in Bezug auf das Friesische geändert, sodass im Kreis Nordfriesland und auf den Inseln Friesisch in der Kommunikation mit den Behörden verwendet werden kann. Die Landesregierung hat sich außerdem verpflichtet, Orts- und Landschaftsbeschilderungen im Kreis Nordfriesland künftig zweisprachig zu gestalten. Diese Entwicklungen sind als wichtige Schritte zu verstehen, um die friesische Sprache zu erhalten und den Friesen den Gebrauch ihrer Sprache im öffentlichen Raum zu ermöglichen.

Dennoch ist ein Teil dieser Entwicklungen noch nicht auf eine Weise institutionalisiert, die Stabilität auch nach einem Regierungswechsel garantiert. Der Handlungsplan Sprachenpolitik in Schleswig-Holstein ist Teil des Koalitionsvertrages der aktuellen Landesregierung und damit von politischen Schwankungen abhängig. Ein Regierungswechsel mit der Landtagswahl 2017 birgt potenziell die Gefahr, dass die begonnenen Maßnahmen gestoppt oder zumindest stark beschränkt werden. Auch bleibt abzuwarten, wie sie tatsächlich umgesetzt und welchen Effekt sie haben werden – insbesondere die Verwendung des Friesischen in öffentlich-rechtlichen Medien. Wie im Falle der dänischsprachigen Programme hat der Beratende Ausschuss des Europarates diesbezüglich auch mit Blick auf das friesischsprachige Programmangebot auf Mängel hingewiesen. Den Saterfriesen und Ostfriesen fehlt es zusätzlich an einer Interessenvertretung im Niedersächsischen Landtag. Die Partei Die Friesen, die einen Teil der Volksgruppe vertritt, ist von der Fünfprozenthürde auf Landesebene nicht ausgenommen.

Sorbisches Volk

Die Sorben sind ein slawisches Volk, das in der Lausitz lebt. Diese Gegend ist seit 600 n. Chr. ihre Heimat und erfreut sich traditionell teilweiser Autonomie. Den Sorben ist es gelungen, ihre Kultur weitgehend zu bewahren, obwohl die deutsche Bevölkerung in der Region gewachsen ist und die Dominanz der deutschen Sprache und Kultur zugenommen hat – nicht zuletzt auch durch wirtschaftliche Entwicklungen, die eine teilweise Assimilation zur Folge hatten. Zwar wurden die Sorben unter dem Regime der Nationalsozialisten nicht gezielt verfolgt, aber es wurde doch eine klare Assimilierungspolitik durchgesetzt, im Zuge derer jeglicher sorbischer Sprachgebrauch und die Ausübung sorbischer Kultur untersagt und sorbische Vereine und Organisationen verboten wurden. Nach dem Zweiten Weltkrieg strebten Teile des sorbischen Volkes Autonomie für die Lausitz an, waren mit diesem Bestreben jedoch nicht erfolgreich. Die Organisationen der Minderheit wurden fortan vom SED-Regime kontrolliert. Mit dem Einigungsvertrag zwischen DDR und Bundesrepublik wurden die Sorben 1990 als Minderheit anerkannt; seitdem sind ihr Schutz und ihre Förderung rechtlich gesichert, insbesondere auch durch die Landesverfassungen Sachsens und Brandenburgs.

Heute zählt das sorbische Volk schätzungsweise 60000 Personen, davon leben rund 40000 in der sächsischen Oberlausitz, 20000 sind in der brandenburgischen Niederlausitz beheimatet. Die Sorben identifizieren sich hauptsächlich durch ihre Sprache und ihr kulturelles Erbe. Ihre traditionelle Musik, ihre Trachten und ihre Feiertage unterscheiden sie deutlich von der deutschen Mehrheitsbevölkerung und nehmen einen wichtigen Platz in ihrer Identität ein. Sie verfügen über ein großes Netzwerk an Vereinen und Organisationen, in denen Brauchtum und Sprache gepflegt werden.

Sorbisch ist eine westslawische Sprache aus der indoeuropäischen Sprachgruppe und hat zwei unterschiedliche Schriftsprachen: Obersorbisch in der Oberlausitz und Niedersorbisch in der Niederlausitz. In einigen Gegenden ist Sorbisch noch immer ein wichtiger Aspekt des Alltagslebens, aber vor allem im öffentlichen Leben und teilweise auch im privaten wird es zunehmend durch Deutsch ersetzt. In Orten, in denen der Gebrauch des Sorbischen zurückgeht, wird versucht, diesem Trend entgegenzuwirken: Entsprechende Maßnahmen konzentrieren sich speziell auf sorbischsprachige und bilinguale Kindergärten, bilinguale Schulbildung und Sorbischunterricht an öffentlichen Schulen sowie auf zweisprachige topografische Beschilderungen und Medien. Zudem gibt es eine niedersorbische Sprachschule. In vielen Kirchen in der Lausitz werden Messen auf Sorbisch gefeiert, entsprechend werden Bibeln und Gesangsbücher in sorbischer Sprache zur Verfügung gestellt. Die Kommunikation mit Behörden ist in Brandenburg und Sachsen prinzipiell auch auf Sorbisch möglich.

Das große Netzwerk aus Vereinen und Organisationen wird von der Dachorganisation Domowina koordiniert. Sie fungiert außerdem als Interessenvertretung gegenüber der Bundesregierung sowie den Landesregierungen Brandenburgs und Sachsens und vertritt die Sorben im gemeinsamen Minderheitenrat. In Brandenburg haben die Sorben durch einen Rat und Beauftragte sowohl auf Landes- als auch auf kommunaler Ebene direkte Ansprechpartner für ihre Belange, auch in Sachsen gibt es einen Rat für sorbische Angelegenheiten. In beiden Ländern beschreiben Gesetze zum Schutz der Sorben die Rechte der Minderheit. Zusätzlich ist in Brandenburg die Minderheiten- und Regionalpartei Lausitzer Allianz bei Landtagswahlen von der Fünfprozenthürde befreit. Die sorbische Organisationsstruktur wird aus Bundesmitteln sowie sächsischen und brandenburgischen Landesmitteln über die Stiftung für das sorbische Volk finanziert, zusätzlich ist es der Stiftung erlaubt, Fördermittel und Spenden von Dritten entgegenzunehmen.

Das Siedlungsgebiet der Sorben ist auch heute noch eine aktive Bergbauregion, viele ihrer politischen Anliegen sind daher mit diesem Thema verbunden. Dabei geht es unter anderem um den Naturschutz, Infrastrukturveränderungen und Enteignungen. Auch die Definition des traditionellen Siedlungsgebietes der Sorben hängt zum Teil hiermit zusammen, da bestimmte Regelungen für die Berücksichtigung der Interessen der Minderheit nur in diesem Gebiet greifen. Dazu merkt der Beratende Ausschuss des Europarates an, dass gerade in Brandenburg auch neue Orte in das Siedlungsgebiet der Sorben aufgenommen werden können sollten, um die (durch den Bergbau bedingte) Bewegung der Volksgruppe berücksichtigen zu können.

In den vergangenen Jahren haben Sachsen und Brandenburg die rechtliche Position der Minderheit zwar weiter gestärkt, und auch die Finanzierung der Organisationsstruktur wurde stabilisiert. Dennoch bleibt abzuwarten, wie sich der Minderheitenschutz im Alltag genau ausgestalten wird. Insbesondere vor dem Hintergrund steigender Zahlen rassistisch motivierter Straftaten in der Lausitz und den umliegenden Gebieten, von denen auch die Sorben stark betroffen sind, stellt sich diese Frage mit besonderer Dringlichkeit.

Deutsche Sinti und Roma

Sinti und Roma sind seit dem 15. Jahrhundert in deutschen Gebieten beheimatet. Immer wieder waren sie schwerer Diskriminierung und Ausgrenzung ausgesetzt. Während der Herrschaft der Nationalsozialisten fielen über 500000 von ihnen dem Völkermord in Europa zum Opfer. Erst 1995 wurden sie in Deutschland offiziell als nationale Minderheit anerkannt, seitdem genießen sie besonderen rechtlichen Schutz und Förderung.

Die Ursprungsgeschichte der Sinti und Roma war lange ein viel debattiertes Thema. Heute geht man davon aus, dass sie aus einer Region im Nordwesten Indiens stammen, die sie in kleineren und größeren Gruppen zwischen dem 3. und dem 13. Jahrhundert verließen. Die Gründe für die Auswanderung waren vielfältig und sind heute aufgrund des Fehlens von schriftlichen Überlieferungen nicht mehr im Detail nachzuvollziehen. Die lange Geschichte der Wanderung durch unterschiedliche Regionen des Mittleren Ostens und Europas hat dazu geführt, dass sich die einzelnen Gruppen der Sinti und Roma nicht einheitlich entwickelten. Sie praktizieren unterschiedliche Religionen, die mit verschiedenen Traditionen und Werten einhergehen, und sprechen unterschiedliche Sprachen. Auch die in Deutschland als Minderheit anerkannten Sinti und Roma zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus. Sie verfügen nur teilweise über eine gemeinsame Sprache und ein gemeinsames kulturelles Erbe. So gibt es auch unterschiedliche Auffassungen über die "Verwandtschaft" zwischen den Sinti und den Roma: Während aus Sicht der Mehrheitsbevölkerung und auch aus der Sicht eines Teils der Minderheit selbst die Sinti als eines der Romavölker verstanden werden, sieht sich ein anderer Teil der Sinti als eigenständige Ethnie, deren Verwandtschaft mit den Roma fragwürdig ist.

Zu den als Minderheit anerkannten deutschen Sinti und Roma zählen etwa 70000 Menschen, die über das ganze Land verteilt leben. Zusätzlich leben in Deutschland auch Roma, die nicht der als Minderheit anerkannten Gruppe angehören: Bei ihnen handelt es sich meist um Menschen, die mit ihren Familien während des Kosovokrieges, infolge der Kriege im ehemaligen Jugoslawien oder in den Jahren nach der EU-Osterweiterung eingewandert sind. Ihre genaue Anzahl ist unbekannt, jedoch leben sie hauptsächlich in den größeren Städten.

Romanes, das im Allgemeinen als die Sprache der Roma und Sinti verstanden wird, umfasst mehrere Sprachen und Dialekte. Die unterschiedlichen Formen des Romanes sind aus dem indischen Sanskrit entstanden, untereinander jedoch nicht immer verständlich. Romanes wird in Deutschland ausschließlich innerhalb der Familie weitergegeben, da die Minderheit aufgrund ihrer geschichtlichen Erfahrung beschlossen hat, ihre Sprache nicht zu formalisieren und in Schulen unterrichten zu lassen. Sinti und Roma wachsen in Deutschland grundsätzlich zweisprachig auf.

Ihre politischen und bürgerrechtlichen Interessen werden in der Hauptsache durch den Zentralrat Deutscher Sinti und Roma vertreten, der sich als Dachorganisation der Minderheit versteht und sie im gemeinsamen Minderheitenrat repräsentiert, sowie durch die Sinti Allianz Deutschland. Ebenso wie das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg leisten beide Organisationen wichtige Arbeit für die Verbreitung von Wissen über die Minderheit, für die interkulturelle Verständigung sowie für die Brauchtums- und Kulturpflege. Beide Organisationen werden zum Großteil aus Mitteln des Bundes finanziert. Die Landesverbände und lokalen Organisationen, die Mitglieder des Zentralrates sind, werden zum Teil auch aus Mitteln derjenigen Länder und der Gemeinden unterstützt, in denen sie aktiv sind. Zusätzlich finanzieren Bund und Länder eine Vielzahl von Maßnahmen, die die Integration von ausländischen Roma unterstützen sollen.

Diese Maßnahmen sind deshalb wichtig, weil sich Sinti und Roma in Deutschland und ganz Europa auch heute noch Diskriminierungen ausgesetzt sehen. In Deutschland manifestiert sich dieser Antiziganismus vor allem im mangelnden Zugang der Sinti und Roma zum Wohnungs- und Arbeitsmarkt sowie zu Bildungsangeboten, was den Angehörigen der Minderheit durch eine ablehnende Haltung der Mehrheitsbevölkerung deutlich erschwert wird. Dies wirkt sich stark negativ auf die soziokulturelle Situation der Minderheit aus und verhindert häufig sozialen Aufstieg. Gemeinsam mit der noch immer lückenhaften Anerkennung des NS-Völkermordes an den Sinti und Roma und der damit einhergehenden Entschädigung der Überlebenden und ihrer Familien zählt der erschwerte Zugang zu Bildung, Arbeit und Wohnraum daher zu den Kernthemen ihrer Interessenvertretungen.

Obwohl in den vergangenen Jahren auf Bundes- und Länderebene wichtige Schritte hin zu mehr politischer und gesellschaftlicher Teilhabe der deutschen Sinti und Roma unternommen worden sind (etwa durch ihre bessere Einbindung in sie betreffende Entscheidungsprozesse), bleibt ihre anhaltende Diskriminierung ein schwerwiegendes Problem, das von ihren Interessenvertretungen sowie vom Beratenden Ausschuss des Europarats regelmäßig angesprochen wird. Letzterer weist insbesondere darauf hin, dass die unzulässige Zuweisung von Sinti- und Roma-Kindern in Sonderschulen eine unhaltbare Diskriminierung der Minderheit durch die Behörden darstellt. Auch die zunehmende Fremdenfeindlichkeit, von der auch deutsche Sinti und Roma in besonderem Maße betroffen sind, ist ein gravierendes Problem, das dringend der gesellschaftlichen Aufmerksamkeit und verstärkten Bearbeitung bedarf.

Fazit

Im gesamteuropäischen Vergleich ist der Minderheitenschutz für die vier anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland als fortgeschritten zu beurteilen. Dennoch gibt es auch hier noch immer Bedarf an zusätzlichen Maßnahmen, um diesen Schutz zu festigen und den Minderheiten eine gleichberechtigte Teilhabe am politischen, sozialen und wirtschaftlichen Leben zu gewährleisten. Dies gilt insbesondere für die deutschen Sinti und Roma, die noch immer stark von Ausgrenzung betroffen sind.

Als eine der großen Herausforderungen für den Minderheitenschutz in Deutschland wird sowohl vom Beratenden Ausschuss für das RÜ als auch in der Europäischen Charta der Regional- und Minderheitensprachen die föderale Struktur der Bundesrepublik gesehen, durch die der Schutz teilweise fragmentiert ist. Hier könnte eine regelmäßige Berichterstattung mit einheitlichen Anforderungen und Standards, basierend auf Verträgen zwischen den Ländern und den zuständigen Bundesministerien, ein Ansatzpunkt zur Verbesserung sein.

Abschließend bleibt festzustellen, dass die Kriterien für die Anerkennung von Minderheiten in Deutschland derzeit eine Anerkennung von zusätzlichen Gruppen praktisch nicht zulassen. Dies bedeutet, dass Gruppen, die sich als nationale Minderheiten verstehen und zum Teil seit mehreren Generationen in Deutschland leben, von dem besonderen Schutz, der anerkannten Minderheiten zuteil wird, ausgeschlossen sind. Diese Praxis ist nicht unüblich und rechtlich wie politisch zulässig, kann jedoch aus sozialer Sicht zumindest als fragwürdig beurteilt werden. Insbesondere Bevölkerungsgruppen, deren Angehörige durch die Anwerbeabkommen in den 1950er und 1960er Jahren als "Gastarbeiter" nach Deutschland gekommen sind, seitdem hier Fuß gefasst und die Gesellschaft beeinflusst und bereichert haben, werden so gegenüber den anerkannten nationalen Minderheiten benachteiligt.

ist Doktorandin am Internationalen Institut für Management und ökonomische Bildung der Europa-Universität Flensburg und Projektassistentin am European Centre for Minority Issues (ECMI) in Flensburg. E-Mail Link: wolf@ecmi.de