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Editorial | Politische Bildung | bpb.de

Politische Bildung Editorial Streit um die Nation Die Demokratiekompetenz der Bürger Politikbedingungen und politische Bildung in Ostdeutschland Medienkompetenz in der politischen Bildung

Editorial

Klaus W. Wippermann

/ 3 Minuten zu lesen

Welche Zielsetzungen verfolgt die politische Bildung überhaupt? Welche Inhalte sollen vermittelt werden? Und welche Methoden sind die richtigen?

Einleitung

Wer sich mit politischer Bildung befasst, wird im Wesentlichen drei Aspekte zu berücksichtigen haben: Er wird zunächst danach fragen, welchen Zielsetzungen die politische Bildung überhaupt dienen soll; sodann wird er sich für die Inhalte interessieren, die vermittelt werden sollen, und schließlich spielen die Methoden der Vermittlung keine geringe Rolle. Diese drei Aspekte lassen sich nicht säuberlich voneinander trennen, denn der Weg zu einem Ziel kann manchmal mehr sein als das Ziel selbst. Bei dem Thema "Partizipation" wird das besonders deutlich, auch bei der Art und Weise, wie mit strittigen Themen umgegangen wird.

Dass die Deutsche Frage in den Jahrzehnten der Teilung überhaupt Anlass zum Streit - und nicht im Gegenteil zu mehr Gemeinsamkeit - gab, ist nur zu einem Teil der deutschen Zeitgeschichte geschuldet; zum anderen Teil wurde dieses Thema auch zum Schauplatz ideologischer Auseinandersetzungen. Wolfgang W. Mickel untersucht in seinem Beitrag, wie dieses lange Zeit wichtige Thema der politischen Bildung wahrgenommen wurde. Er bezieht dabei auch Unterrichtsmaterialien der DDR ein. Der zeitliche Abstand zu jenen oft sehr heftig geführten Kontroversen um die deutsche Nation, schließlich die deutsche Einheit selbst haben zwar manche Wunden vernarben lassen, doch wurde hier ein - im Vergleich zu anderen Nationen - abermaliger Sonderweg hinsichtlich der historisch-politischen Kultur in Deutschland sichtbar.

Eine der wichtigsten Fähigkeiten, die politische Bildung vermitteln sollte, ist Demokratiekompetenz, meint Joachim Detjen in seinem Beitrag. Hinter diesem Fachbegriff verbirgt sich das, was man auch als "mündigen Bürger" bezeichnen könnte. Im Idealfall ist dies ein Bürger, der informiert ist, der seine Interessen kennt und sie zu artikulieren versteht, der sich an politischen bzw. bürgerschaftlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt. Politik wie politische Bildung sollten allerdings die Bürger nicht überfordern (aber auch nicht unterfordern!). In der Alltagspraxis wäre schon einiges erreicht mit dem informierten Bürger, der sich gelegentlich (und nicht nur bei Wahlen) einmischt.

Vor welchen Schwierigkeiten sich die politische Bildung in den neuen Bundesländern gestellt sieht angesichts der oft sehr viel schwierigeren Lebensbedingungen, wird in dem Beitrag von Erhard Crome und Bernhard Muszynski deutlich. Sie muss zudem auf die unterschiedlichen politischen, sozialen und kulturellen Erfahrungen der älteren Generation Rücksicht nehmen. Dabei verbietet sich eine bloße Übernahme "westlicher" Normvorstellungen ebenso wie eine kritiklose Wahrnehmung der DDR-Vergangenheit. Die besonderen Herausforderungen der politischen Bildung in Ostdeutschland sollten aber, so die Autoren, im Westen nicht nur als Problem, sondern als Chance begriffen werden, auch hier verkrustete Strukturen zu erkennen und sich auf neue Aspekte politischer Kultur einzulassen.

Für die politische Bildung in West und in Ost ist gleichermaßen wichtig sowohl die Erkenntnis der veränderten Rolle der Politik in der heutigen Medien- und Informationsgesellschaft wie die Fähigkeit zum eigenen souveränen Umgang mit den Medien. Ulrich Sarcinelli warnt in seinem Beitrag davor, unter diesem Aspekt politische Bildung auf Medienerziehung zu reduzieren. Mindestens ebenso erforderlich sei es, den zunehmenden Einfluss der Medien auf die Politik zu thematisieren - wir seien nämlich auf dem Weg von der parlamentarisch-repräsentativen zur medial-präsentativen Demokratie. Dies aber erfordert für den mündigen Bürger souveränen Umgang mit den Medien - eben Medienkompetenz.