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Editorial | Literatur in der DDR | bpb.de

Literatur in der DDR Editorial Die SED und die Schriftsteller 1946 bis 1956 Franz Fühmann "Taumele zwischen Optimismus und Depression" Abschied vom Leseland?

Editorial

Klaus W. Wippermann

/ 2 Minuten zu lesen

Die diesjährige Leipziger Buchmesse feiert ein kleines Jubiläum. Zum zehnten Mal ist sie nun schon eine gesamtdeutsche Buchmesse. Ein Themenheft für alle Leseliebhaber und solche, die es werden möchten.

Einleitung

Die diesjährige Leipziger Buchmesse feiert ein kleines Jubiläum: Zum zehnten Mal ist sie nun schon eine gesamtdeutsche Buchmesse - Anlass für die Redaktion, ein entsprechendes Themenheft zu gestalten. Dabei steht nicht die Messe als Wirtschaftsfaktor im Vordergrund, sondern das, was sie interessant macht: die Schriftsteller und die Verlage, beides mit einem "ostdeutschen" Akzent.

Den schwierigen Neubeginn nach Kriegsende und die wechselvollen Jahre bis 1956 beschreibt Beate Ihme-Tuchel in ihrem Beitrag. Sowohl das politische System wie die Schriftsteller sahen sich vor große Herausforderungen gestellt. Sehr bald aber zeigte sich, dass die erhoffte Symbiose von Macht und Geist eine Illusion war. Auch wenn der SED-Führung die Aufrechterhaltung dieser Illusion noch für längere Zeit gelang, so versuchten doch nicht wenige Schriftsteller, ihre eigenen Wege zu gehen. Aufschlussreich ist, dass der Anstoß dafür nicht so sehr von den Ereignissen des 17. Juni 1953 ausging, sondern von dem rüden Vorgehen der Staatsmacht gegenüber "Abweichlern" im Zusammenhang mit dem Ungarn-Aufstand 1956.

Den Verlust von Illusionen zunächst über die braune, dann die rote Diktatur schildert Günther Rüther am Beispiel des Dichters Franz Fühmann: zuerst begeisterter Nationalsozialist, dann - nach Kriegserfahrung und "Umerziehung" in sowjetischen Antifa-Lagern - ebenso begeisterter Sozialist, schließlich seine Abwendung vom Politischen nach den Erfahrungen mit der Bevormundung durch die SED-Kulturbürokratie. Franz Fühmann verkörpert in seiner Person wie in seinem Werk eine sehr deutsche Biographie des 20. Jahrhunderts: lauter Brüche statt Kontinuität, Identitätsverluste statt Vergewisserung, enttäuschter Glaube an Ideologien.

Dies trifft auch für die Schriftstellerin Brigitte Reimann zu, deren ebenfalls enge Verflechtung von politisch-gesellschaftlich orientierter Biographie und literarischem Werk Christina Onnasch darstellt. Durch die Veröffentlichung ihrer Tagebücher in den letzten Jahren sowie die Publikation der unzensierten Fassung ihres Romans "Franziska Linkerhand" ist Brigitte Reimann auch einem größeren westlichen Leserpublikum bekannt geworden. Wie Franz Fühmann hatte sie sich zunächst vorbehaltlos mit dem "Aufbau des Sozialismus" in der DDR identifiziert; der Verehrung der Aufbaugeneration und ihrer Helden stellte sie dann aber bald die Auseinandersetzung mit den realen Problemen des Alltags gegenüber, so in ihrem Buch "Ankunft im Alltag", das wegweisend für die "Ankunftsliteratur" werden sollte: für Beschreibungen des täglichen Lebens, in denen auch Probleme ihren Platz hatten, allerdings im vorgegebenen ideologischen Bezugsrahmen. Wie weit oder wie eng hier die Grenzen gezogen wurden, prägte inhaltlich wie formal die Literatur der DDR.

In diesem politisch-gesellschaftlichen Rahmen hatten sich auch die Verlage der DDR zu bewegen. Für sie war daher die Zäsur nach der Wende 1989/90 besonders groß. Es musste eine neue wirtschaftliche Basis gefunden werden, die zumeist nur durch die Übernahme durch West-Verlage realisiert werden konnte. Nils Kahlefendt stellt in seinem Beitrag diesen tiefgreifenden, rapiden Veränderungsprozess dar, in dem es Gewinner und Verlierer gab. Die Verlagsstruktur wie der Buchhandel haben in den neuen Bundesländern nach turbulenten Jahren nunmehr eine gewisse Stetigkeit erreicht. Die zehnte gesamtdeutsche Buchmesse in Leipzig wird auch davon ein Spiegelbild sein.