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Alte Leitbilder und neue Herausforderungen: Arbeitsmarktpolitik im konservativ- korporatistischen Wohlfahrtsstaat | "Neue Arbeitswelt" | bpb.de

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Alte Leitbilder und neue Herausforderungen: Arbeitsmarktpolitik im konservativ- korporatistischen Wohlfahrtsstaat

Irene Dingeldey Karin Gottschall Karin Irene / Gottschall Dingeldey

/ 18 Minuten zu lesen

Die Arbeitsmarktpolitik wird historisch als Teil des konservativ-korporatistischen deutschen Sozialstaatsmodells verortet und in ihrer Entwicklung diskutiert. Die jüngste Reform des Arbeitsförderungsgesetzes wird als "reflexive" Reform verstanden.

Einleitung

Arbeitsmarktpolitik, wie wir sie heute kennen, stellt ein wesentliches, gleichwohl spezifisches Element deutscher Sozialstaatlichkeit dar. Sie umfasst als Kernelement die gegen Ende der Weimarer Republik eingeführte Arbeitslosenversicherung, die als passive Sicherungsform gut vierzig Jahre später in der ökonomisch und sozial konsolidierten Bundesrepublik um die so genannte aktive Arbeitsmarktpolitik erweitert wurde. Das 1969 verabschiedete Arbeitsförderungsgesetz (AFG) zielte mit verschiedenen Instrumenten (vor allem Aus- und Weiterbildung, Arbeitsbeschaffung) auf eine präventive Arbeitsmarktsteuerung, die einen hohen Beschäftigungsstand erhalten und qualifikatorisches mismatch - gemeint ist das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot auf dem Arbeitsmarkt und nachgefragter Qualifikation - vermeiden bzw. beheben sollte. Diese auf eine Feinsteuerung des Arbeitsmarktes ausgerichtete aktive Arbeitsmarktpolitik ist in den letzten beiden Jahrzehnten unter den Bedingungen von struktureller Arbeitslosigkeit - und nach der Vereinigung zusätzlich durch den Zusammenbruch des ostdeutschen Arbeitsmarktes - an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gelangt. Davon zeugen zahlreiche Änderungen des AFG.

Mit dem jüngsten Arbeitsförderungsreformgesetz, das die Arbeitsförderung in das Sozialgesetzbuch integriert (SGB III) , werden die ursprünglichen Zielgrößen, einen hohen Beschäftigungsstand anzustreben und unterwertige Beschäftigung zu vermeiden, aufgegeben. Als neues Leitbild wird die Vorstellung der Selbstverantwortung der Arbeitsmarktbeteiligten, insbesondere der Arbeitnehmer und -nehmerinnen, formuliert. Zahlreiche Autoren sehen in dem jüngsten Verzicht auf die Vollbeschäftigungszielgröße nur mehr den vorläufigen Schlusspunkt einer schon länger währenden, sozial- und arbeitsmarktpolitisch kontraproduktiven Rückführung des Leistungsspektrums und -niveaus .

Daneben finden sich jedoch auch Stimmen, die die jüngste Reform des AFG als einen Richtungswandel interpretieren, der mit Bezug auf veränderte Arbeitsangebots- und Nachfragestrukturen eine dringend erforderliche Neujustierung der Arbeitsmarktpolitik versuche, auch wenn diese in mancher Hinsicht unzulänglich bleibe .

Während die einen also für eine Fortschreibung des Leitbildes eines spezifisch erwerbsarbeitszentrierten versorgenden Sozialversicherungsstaates eintreten, plädieren die anderen für einen sozialpolitischen Paradigmenwechsel vom "versorgenden" zum "kooperativen Sozialstaat". Dahinter stehen unterschiedliche Krisendiagnosen und Vorstellungen von angemessenen Solidaritäts- und Teilhabenormen unter veränderten gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Nicht zuletzt deshalb wird im Folgenden eine erweiterte Lesart der Entwicklung der Arbeitsmarktpolitik vorgeschlagen. Es sollen auch die Konstruktionsprinzipien und die Wirkung dieses Politikfeldes in Interaktion mit weiteren arbeits- und sozialpolitisch relevanten Bereichen betrachtet und Leistungen wie auch Schwächen dieses Feldes in einem breiteren Kontext von Grenzverschiebungen zwischen Staat, Markt und Familie sowie des Strukturwandels von Erwerbsarbeit und Lebensformen verortet werden.

I. Arbeitsmarktpolitik als Bestandteil des deutschen Sozialstaatsmodells

Sozialstaatlichkeit in Deutschland hatte sich Ende des 19. Jahrhunderts vor allem an der Definition "der Arbeiterfrage" als gesellschaftliches Grundproblem und ordnungspolitisch in Form eines Sozialversicherungsstaates mit korporatistischen Organisationsformen orientiert: Sozialleistungsansprüche ergeben sich aus dem Erwerbsarbeitsverhältnis, und soziale Leistungen werden vorrangig aus Beiträgen finanziert. Damit geht eine am beruflichen Status und am Erwerbseinkommen orientierte Selektivität sozialer Sicherung einher. Historisch gesehen wurden damit ständische Auffassungen und Gruppeninteressen im modernen, industriell-marktwirtschaftlichen Sektor institutionell verfestigt. Ergänzt wird diese Erwerbszentriertheit durch das Subsidiaritätsprinzip, das die Nachrangigkeit des Staates in Bezug auf die Familie, die Sozialpartner und gemeinnützige Träger von Wohlfahrtsdienstleistungen vorsieht. Auch die 1927 eingeführte Arbeitslosenversicherung wurde in das erwerbszentrierte, korporatistisch-konservative Modell sozialer Sicherung eingepasst. Sie milderte nicht nur die Existenzgefährdung bei Erwerbslosigkeit, sondern verringerte auch den Zwang der Erwerbslosen, jede Arbeit anzunehmen.

In den Nachkriegsjahrzehnten ist der deutsche Sozialversicherungsstaat unter Gesichtspunkten der Verteilungsgerechtigkeit wie Chancengleichheit erfolgreich ausgebaut worden. Dies gilt auch für die längerfristige Entwicklung der Arbeitsmarktpolitik. Die Arbeitslosenunterstützung wurde über eine Differenzierung von Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe wie auch über Leistungsverbesserungen im Bereich des Arbeitslosen- und Kurzarbeitergeldes ausgebaut . Vor allem aber wurde die bis dahin passive Arbeitsmarktpolitik vor dem Hintergrund relativer Arbeitskräfteknappheit mit dem 1969 eingeführten Arbeitsförderungsgesetz auch auf Förderleistungen der aktiven Arbeitsmarktpolitik ausgedehnt bzw. dieser sogar Vorrang eingeräumt . Auf der Basis eines weitreichenden gesellschaftlichen Konsenses über das Vollbeschäftigungsziel wurde nun nicht nur die Verhütung von Arbeitslosigkeit, sondern auch von unterwertiger Beschäftigung angestrebt. Im Zentrum stand die präventive Qualifizierung und Mobilitätsförderung der einzelnen Arbeitnehmer. Insbesondere bei der Förderung der beruflichen Bildung wurden zunächst feste Rechtsansprüche, auch ohne versicherungsrechtliche Anwartschaften, gewährt; damit wurde auch für arbeitsmarktferne Personengruppen, etwa Frauen nach der so genannten Familienpause, ein Anreiz zur Arbeitsmarktpartizipation geschaffen. Diese rechtliche und institutionelle Definition des Status eines "aktiven Arbeitsmarktbürgers" markiert eine wichtige Tendenz erweiterter sozialer Integration.

Gleichwohl enthält das deutsche Sozialstaatsmodell bereits in dieser erfolgreichen Ausbauphase eine selektive Wirkung für die Arbeitsmarktintegration. So rekurrieren die Systeme sozialer Sicherung in ihrer normativen Orientierung auf eine spezifische Form der Erwerbsteilhabe, die in enger Abhängigkeit von Aufgabenteilungen zwischen Markt, Familie und Staat nicht für alle, sondern nur für einen Teil der Gesellschaftsmitglieder realisierbar ist. Für eine vollwertige soziale Sicherung wird in der Lebenslaufperspektive das so genannte Normalarbeitsverhältnis, d. h. ein auf Dauer angelegtes, tarif- und sozialversicherungsrechtlich reguliertes Vollzeitarbeitsverhältnis, unterstellt . Dieses Normalarbeitsverhältnis ist in der Bundesrepublik, vermittelt über bestimmte normative Vorstellungen "richtiger Arbeitsteilung" zwischen den Geschlechtern, durch Tarif- und Beschäftigungspolitik, durch familienpolitische und steuerrechtliche Regulierungen sowie durch einen weniger dienstleistungs- als vielmehr transferintensiven Ausbau des Wohlfahrtsstaates als "männliches Familienernährermodell" mit "weiblicher Hausfrauenehe" ausgeprägt . Die Erwerbszentriertheit des bundesdeutschen Sozialstaatsmodells ist insofern spezifisch: Sie bezieht sich auf den männlichen Familienernährer als Normalarbeitnehmer und hält Frauen eher vom Arbeitsmarkt fern.

Zumindest implizit bezieht sich auch die mit dem AFG 1969 eingeführte aktive Arbeitsmarktpolitik auf dieses konservativ-korporatistische Wohlfahrtsstaatsprofil. Dies lässt sich insbesondere an den Zielgrößen von "Vollbeschäftigung" und "Beruflichkeit" zeigen. So bezieht sich das AFG mit dem Ziel, einen "möglichst hohen Beschäftigungsstand zu wahren", letztlich auf einen Arbeitsmarkt, der durch eine geringe Frauenerwerbsquote charakterisiert ist sowie durch vergleichsweise hohe Schwellen für eine vollwertige Arbeitsmarktintegration. Letzteres zeigt sich insbesondere an den hohen sozial-, arbeits- und tarifrechtlichen Regulierungsstandards des Normalarbeitsverhältnisses. Weiter zielt die dem politischen (wie auch dem wissenschaftlichen) Diskurs zugrunde liegende Definition von Vollbeschäftigung mit dem Bezugspunkt Normalarbeitsverhältnis vor allem auf den männlichen Arbeitsbürger als Familienernährer ab und ist von daher relativ .

Auch die Förderung von Qualifizierung bezieht sich auf eine spezifische Struktur des westdeutschen Erwerbssystems, nämlich das Berufsprinzip als Basisstrukturierung von Arbeitsvermögen, das Beschäftigte im Fall von Arbeitsplatzwechsel oder -verlust vor der Entwertung der einmal erworbenen "zertifizierten Qualifikation" schützt und Statuserhalt ermöglicht. Diese Beruflichkeit als inhärenter Bestandteil des Normalarbeitsverhältnisses ist in der Bundesrepublik über ein gesetzlich abgesichertes und relativ gut funktionierendes System so genannter dualer beruflicher Erstausbildung vor allem im Hinblick auf die industrielle Facharbeit verankert; im qualifikatorisch heterogenen Dienstleistungssektor ist sie, abgesehen vom Bereich kaufmännisch-verwaltender Arbeit, jedoch deutlich geringer vertreten. Hier dominieren vielmehr die geringer sozial regulierten vollzeitschulischen Ausbildungen, die wiederum mehrheitlich von Frauen wahrgenommen werden . Damit enthält das Berufsprinzip und dessen korporatistisch gestützte Verankerung in der deutschen Betriebsverfassung einen strukturellen Schließungseffekt sowohl gegenüber Un- und Angelernten wie auch gegenüber Frauen, insbesondere soweit sie sich auf die so genannten Frauenberufe im Dienstleistungsbereich konzentrieren. Dies schlägt sich in der Strukturierung des Arbeitsmarktes in Segmentierungen nach Berufsfachlichkeit, betrieblicher Bindung und Geschlecht nieder .

Zusammenfassend kann soweit festgehalten werden, dass Arbeitsmarktpolitik als Teil des deutschen Sozialmodells in ihrer leistenden wie regulativen Komponente sowohl durch ein Integrationspotential wie auch durch eine partikulare Ausrichtung gekennzeichnet ist. Diese Widersprüchlichkeit, so hier die These, ist in der Expansionsphase des deutschen Sozialstaats kaum virulent, kommt jedoch unter anhaltend krisenhaften Arbeitsmarktbedingungen und dem Strukturwandel der Erwerbsarbeit seit Mitte der siebziger Jahre stärker zum Tragen.

II. Die Reformen der Arbeitsmarktpolitik in der Beschäftigungskrise

Die seit den siebziger Jahren realisierten Reformen machen deutlich, dass angesichts der Arbeitsmarktkrise die inklusive und präventive Zielsetzung der Arbeitsmarktpolitik zu Gunsten der Problemgruppenförderung bzw. der Förderung nach "Ermessenslage" aufgegeben wurde und auch der Berufs- und Entgeltschutz (Prinzip der statusäquivalenten Vermittlung von Arbeitslosen hinsichtlich vorangegangener beruflicher Position) einer Verschärfung des Arbeitszwangs bzw. der Einführung des "workfarism" (Gewährung von Sozialleistungen nur in Abhängigkeit von Erwerbsteilhabe oder nachgewiesener Bereitschaft dazu) gewichen ist. Damit wurde vor allem die partikulare Ausrichtung der deutschen Arbeitsmarktpolitik wirksam.

Durch den Ölpreisschock 1973/74 wurde nicht nur eine unmittelbare Veränderung der makroökonomischen Rahmenbedingungen ausgelöst, die sich u. a. in einem Ansteigen der strukturellen Arbeitslosigkeit manifestierte, sondern auch ein Wechsel des politisch-institutionellen Steuerungskontextes angestoßen. Die 1967 im Stabilitäts- und Wachstumsgesetz verankerte antizyklische Globalsteuerung auf der Basis einer mit der Lohnpolitik koordinierten nachfrageorientierten Fiskalpolitik wurde im Zuge des Kanzlerwechsels zu Helmut Schmidt aufgegeben, und es wurde eine Politik der Haushaltskonsolidierung eingeleitet . Der Regierungswechsel hin zur christlich-liberalen Koalition konsolidierte dann den angebotsorientierten Kurs der Wirtschafts- und Finanzpolitik und machte den Verzicht auf eine makroökonomisch gesteuerte (Voll-) Beschäftigungspolitik explizit.

Damit aber blieb das AFG in einer langen Phase hoher struktureller Arbeitslosigkeit, die aufgrund der historisch einzigartigen Umstände der deutschen Wiedervereinigung in den neunziger Jahren nochmals sprunghaft anstieg, das einzige Instrument, das auch weiterhin formal der Sicherung eines hohen Beschäftigungsstandes verpflichtet war. Gemessen an diesen Herausforderungen waren die Bundesanstalt für Arbeit sowie das AFG, ursprünglich allein auf die Feinsteuerung des Arbeitsmarktes ausgerichtet, weder institutionell noch finanziell gerüstet. Über hundert Änderungen, darunter 15 große Novellierungen , sind daher als Versuch zu verstehen, Ziele und Instrumente des AFG diesen veränderten wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen anzupassen. Dabei wurde das ursprüngliche Ziel der Förderung von "aktiven Arbeitsmarktbürgern" und die damit verbundene Intention einer erweiterten sozialen Integration in den Arbeitsmarkt aufgegeben. An dessen Stelle trat die selektive Förderung der von Arbeitslosigkeit Betroffenen, wobei die Integration der so genannten Problemgruppen des Arbeitsmarktes (Langzeitarbeitslose, leistungsmäßig Eingeschränkte, gering Qualifizierte und Berufsrückkehrerinnen) bzw. Arbeitslosen in Problemregionen Priorität erhielt .

Dies kann exemplarisch anhand der Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung gezeigt werden: Der ursprünglich präventive Charakter der Arbeitsmarktpolitik ging verloren, indem u. a. der Rechtsanspruch auf Maßnahmen der beruflichen Fortbildung und Umschulung sowie die so genannte Aufstiegsförderung abgeschafft wurden. Mittlerweile ist die Bewilligung einer Maßnahme der beruflichen Qualifizierung an das Kriterium "absehbare Vermittelbarkeit der Teilnehmer" gebunden: Arbeitsämter entscheiden nun fallbezogen, und Förderleistungen (bspw. Lohnkostenzuschüsse für ABM) werden als "Ermessensleistung" im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel gewährt. Die definitive Wende zu einer eher "fürsorgerischen Arbeitsmarktpolitik" ist in der Aufgabe des Prinzips des Berufs- und Entgeltschutzes sowie in der "Akzeptanz" unterwertiger Beschäftigung zu sehen. Mittlerweile gilt nach dem sechsten Monat der Arbeitslosigkeit eine Tätigkeit mit einem Nettoarbeitsentgelt in Höhe des Arbeitslosengeldes als zumutbar . Außerdem können Arbeitslosenhilfeempfänger und -empfängerinnen seit 1994 - wie auch Sozialhilfeempfänger/innen - zu gemeinnützigen Beschäftigungen herangezogen werden, ohne dass dabei ein "Arbeitsentgelt" gezahlt wird. Dies widerspricht dem Prinzip einer statusäquivalenten Arbeitsbeschaffung ebenso wie dem Ziel einer stabilen Reintegration ins Erwerbsleben. In den Vordergrund treten dagegen die Überprüfung der Arbeitsbereitschaft bzw. der Arbeitszwang, was als Einführung des "workfarism" in die deutsche Arbeitsmarktpolitik gesehen werden kann .

Neben den aufgezeigten Defiziten hinsichtlich der ursprünglichen Zielsetzung muss jedoch auch auf spezifische Leistungen des AFG verwiesen werden. So hat die Arbeitsmarktpolitik in Ostdeutschland faktisch eine Ersatzfunktion für eine Politik zur Steigerung der Arbeitskräftenachfrage übernommen . Ferner sind die Steigerung der Produktivität und Wettbewerbsfähigkeit mittels Qualifizierungspolitik und die Verbesserung des arbeitsmarktpolitischen "matching" von Angebot und Nachfrage als positive Leistungen zu verbuchen . Angesichts veränderter Rahmenbedingungen und steigender struktureller Arbeitslosigkeit konnte sich die Arbeitsmarktpolitik demnach über die zunehmende Einschränkung der ursprünglichen Zielsetzung behaupten, in der extremen Krise des Arbeitsmarktes in Ostdeutschland als flexibles Steuerungsinstrument bewähren und so maßgeblich zur politischen Stabilität beitragen.

Gleichwohl hat die mit den Reformen des AFG vollzogene selektive Orientierung der Arbeitsmarktpolitik auch deutliche soziale Exklusions- effekte produziert. Dies wird insbesondere im Zusammenwirken mit anderen Politiken zur "Verknappung des Arbeitsangebots" deutlich. So hatten die Maßnahmen zur Rückführung von ausländischen Arbeitnehmern und deren Familien, die sowohl von der SPD/FDP- als auch von der CDU/FDP-Regierung verfolgt wurden, eindeutig die Funktion sozialer Exklusion. Der Frühverrentungspolitik wie auch der Einführung und Ausdehnung des Elternurlaubes ist dagegen ein eher ambivalenter Charakter eigen. Hier gehen "diskriminierende" Ausgliederung von Älteren und Frauen aus dem Arbeitsmarkt mit sozialpolitischen Verbesserungen einher.

Insbesondere die Einführung des Elternurlaubs wertete die familienbedingte Nichterwerbstätigkeit deutlich auf, was zwar den weiteren Anstieg der Frauenerwerbsquote nicht verhindern konnte, vermutlich aber verlangsamt hat . Beobachtet man diese Regelung im Kontext mit weiteren sozial- und familienpolitischen Institutionen, so wird deutlich, dass auch z. B. das Ehegattensplitting oder die nur gering ausgebaute ganztägige öffentliche Kinderbetreuung ein Grund für die Nichterwerbstätigkeit bzw. eine deutlich reduzierte Erwerbsbeteiligung von Frauen sind . Der deutsche Arbeitsmarkt kann vor diesem Hintergrund als "konservatives Arbeitsmarktregime" gekennzeichnet werden, das als charakteristisches Element der politischen Krisenregulierung bisher auf disemployment-Strategien (Verknappung des Arbeitskräfteangebots) setzte .

III. Reflexive Deregulierung als Reformoption?

Die angeführten Entwicklungen machen deutlich, dass sich die bundesdeutsche Arbeitsmarktpolitik an einem Scheideweg befindet. Durch die Vielzahl von Reformen sind die normativen Bezugspunkte einer zwar strukturell partikularen, auf dieser Basis jedoch mit Öffnungen versehenen Arbeitsmarktpolitik (Vollbeschäftigung, Beruflichkeit) gleichsam von innen ausgehöhlt worden, so dass im Ergebnis nicht nur die Öffnungswirkung zurückgenommen, sondern auch die Sicherung der Lohnarbeitsrisiken des Normalarbeitnehmers in Frage gestellt wird. Hier setzen jene Kritiker an, die eine Reform der Arbeitsmarktpolitik im Sinn der Wiederherstellung und des Ausbaus traditioneller Sicherungsformen fordern . Ein solcher Ansatz greift jedoch u. E. zu kurz. Denn die Krise des konservativen Arbeitsmarktregimes steht mit komplexeren, über sozioökonomische und soziokulturelle Modernisierung vermittelten Strukturveränderungen in Zusammenhang, die im Hinblick auf Funktion und Legitimation des deutschen Sozialmodells zugleich die Frage nach grundlegenderen Reformen aufwerfen.

Seit Mitte der achtziger Jahre verliert abhängige Beschäftigung im Sinne des Normalarbeitsverhältnisses an Bedeutung, allerdings weniger durch die im Kontext von Deregulierungsmaßnahmen eröffneten Möglichkeiten einer Befristung von Beschäftigungsverhältnissen als insbesondere durch die Ausweitung von Teilzeitbeschäftigung, Selbständigkeit und semi-abhängiger Erwerbsformen (wie "freie Mitarbeit" oder Werkvertragsarbeit) im expandierenden Dienstleistungssektor . Dies impliziert auch einen Signifikanzverlust des Prinzips der ",Beruflichkeit": In den traditionellen Industrie- und Dienstleistungsfeldern büßt es mit dem Übergang zu stärker prozessbezogenen Organisationsmodi an Funktionalität ein. Gleichzeitig weiten sich insbesondere im Bereich personenbezogener Dienstleistungen vollzeitschulische Ausbildungen weiter aus (bspw. Pflegeberufe). Schließlich dominieren in modernen expansiven Branchen wie der Informations- und Kommunikationstechnik oder der Multimedia-Branche eher flexible Formen der Arbeitskraftqualifizierung, die nicht zuletzt von der stärkeren Verbreitung höherer Bildungsniveaus profitieren .

Parallel zur Relativierung des Normalarbeitsverhältnisses haben sich auch familiale Lebensformen pluralisiert, wie steigende Scheidungsquoten, höhere Anteile von Einelternfamilien, von Singles und von kinderlosen Paaren zeigen . Berücksichtigt man ferner den schon länger währenden Trend einer steigenden Erwerbsbeteiligung von Müttern, das gestiegene Bildungsniveau der Frauen, die nach der Vereinigung weiter gesunkenen Geburtenraten sowie den durch Massenarbeitslosigkeit verursachten Druck auf Familieneinkommen, überrascht es nicht, dass jenseits des traditionell männlichen Ernährermodells bzw. der Hausfrauenehe zunehmend andere und auch biographisch variierende familiale Erwerbsmuster an Bedeutung gewinnen . Mit diesem längerfristigen Wandel von Erwerbs- und Lebensformen gehen Individualisierungsprozesse einher, die die sozialen Lagen von Männern wie Frauen stärker institutionenabhängig strukturieren und auch zu neuen sozialen Polarisierungen führen.

Um den Beschäftigten im Erwerbsverhalten Handlungsoptionen zu eröffnen und zugleich die mit dem veränderten Erwerbsverhalten einhergehenden Risiken abzusichern, müsste sich die Arbeitsmarktpolitik stärker auf weniger geregelte Erwerbsarbeitsverhältnisse beziehen, kontinuierlichen Qualifikationserwerb unterstützen und vor allem unterschiedliche Typen krisenanfälliger Übergänge in und aus dem Arbeitsmarkt durch institutionelle Arrangements sichern .

Vor diesem Hintergrund lässt sich die jüngste Reform der Arbeitsmarktpolitik, in Form des SGB III, durchaus als eine Anpassung an veränderte Verhältnisse und insofern als reflexiv interpretieren. Der maßgebliche Richtungswechsel und die eigentliche Anpassungsleistung des reformierten AFG liegt freilich in einer Redefinition der Zielsetzungen von Arbeitsförderung: Eine Zuständigkeit für die Schaffung von Arbeitsplätzen wird der Arbeitsmarktpolitik nicht mehr zugeordnet (§ 1 SGB III); Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik beschränken sich nun auf die Arbeitsberatung und -vermittlung und die Eingliederung von Arbeitslosen.

Diese Rücknahme staatlicher Verantwortung für Vollbeschäftigung wird durch eine so genannte aktivierende Arbeitsmarktpolitik begleitet. In Abgrenzung zu der als versorgend charakterisierten bisherigen (passiven und aktiven) Arbeitsmarktpolitik wird nunmehr die Eigenverantwortung der Arbeitsmarktteilnehmer - Arbeitnehmer wie Arbeitgeber - betont (§ 2 SGB III). Insbesondere von den Erwerbspersonen wird eine stärkere individuelle Verantwortung für ihre Lage am Arbeitsmarkt und eine Bereitschaft zu höherer Flexibilität gefordert.

In Fortführung vorhergehender Reformen wird der Forderung nach Eigenverantwortung überwiegend durch eine Verschärfung der Zumutbarkeitsregeln und Möglichkeiten der Rücknahme von Leistungen Nachdruck verliehen, während der Berufs- bzw. Qualifikationsschutz weiter ausgehöhlt wird; d. h., es wird eher der Tradition des workfarism gefolgt, während positive Anreizstrukturen fehlen. Insofern erscheint der Schluss berechtigt, dass das reformierte AFG mit der Betonung der Eigenverantwortung für die Beschäftigungsfähigkeit zwar normativ in die richtige Richtung weist. Allein die Einschränkung bestehender Rechtsansprüche und Leistungsniveaus bietet aber kaum Voraussetzungen für eine Neuorientierung von Sozialstaatlichkeit, die der Entstandardisierung von Arbeitsmarktstrukturen wie auch der Individualisierung von Erwerbsbiographien und familialen Lebensformen Rechnung trägt. Im Verein mit weiteren "mittelwegsorientierten" Reformen in anderen Politikfeldern wird letztlich eher eine Modernisierung tradierter Leitbilder und Arrangements (mit geminderten Rechten und Leistungsniveaus) als eine grundlegende Neuorientierung befördert.

Eine echte Neuorientierung könnte dagegen, wie Günther Schmid entwickelt hat, das ordnungspolitische Leitbild eines kooperativen Wohlfahrtsstaats sein. Dieser orientiert sich in Abgrenzung zum sogenannte fürsorgenden Sozialstaat nicht an einheitlichen, sondern eher an gleichwertigen Lebensverhältnissen und steuert weniger über umverteilende Transfers als über ergebnisorientierte Anreize .

Eine solche Reform könnte im positiven Sinn als "reflexive Deregulierung" bezeichnet werden: Sie nimmt mit dem Ziel der "Befähigung zu mehr Selbstregulation" veränderte gesellschaftliche Verhältnisse zur Kenntnis und stellt so eine Re-Regulierung dar. Zentral dabei wäre, die Forderung der Eigenverantwortung mit Instrumenten und Konzepten zu verbinden, welche die Arbeitsmarktakteure auch tatsächlich befähigen, ihrer "besonderen Verantwortung" gerecht zu werden . Ausgangspunkt einer solchen Politik könnte dann aber nicht mehr die partikulare Norm des männlichen Familienernährers bilden; vielmehr wäre das neue Leitbild die Vorstellung eines "individualised adult worker" und damit die Herstellung und der Erhalt von Beschäftigungsfähigkeit für alle erwerbsfähigen Gesellschaftsmitglieder. Eine solche universalisierte Verfügbarkeit für Erwerbsarbeit, wie sie auch auf EU-Ebene favorisiert wird , hat wiederum weitreichende strukturelle Voraussetzungen. Diese liegen neben einer politischen und kulturellen Orientierung, die auf einem eher egalitären "Geschlechtervertrag" basiert, in einer Ausweitung und in einem neuen Mix von marktlich, gemeinnützig und/oder staatlich organisierten sozialen und haushaltsbezogen Dienstleistungen . Weiter gehende Reformen der Arbeitsmarktpolitik sind insofern nicht nur auf einen auf Beschäftigungsförderung angelegten Kontext koordinierter Tarif- , Finanz- und Geldpolitik sowie neue Verknüpfungen von Renten- und Arbeitsmarktpolitik angewiesen. Sie müssten auch sozial-, steuer- und familienpolitisch flankiert sein sowie kulturelle Reorientierungen einbeziehen.

Prinzipiell würde dies eine Akzentverschiebung weg von einer transferorientierten und hin zu einer dienstleistungsorientierten Sozial- und Familienpolitik beinhalten. So wäre beispielsweise im Steuerrecht die schrittweise Abschaffung des Ehegattensplittings in Erwägung zu ziehen, so dass die Begünstigung der Nichterwerbstätigkeit bzw. die Reduzierung der Arbeitszeit eines Ehepartners, meist der Frauen, entfällt. Kompensatorisch könnten dafür kinderbezogene Einkommenstransfers, aber vor allem ein überwiegend öffentlich finanziertes, bedarfsdeckendes Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen sowie vor allem auch die Restrukturierung der Öffnungszeiten dieser Einrichtungen wie auch der Schulzeiten eingeführt werden. So könnten die strukturellen Ungleichheiten der Arbeitsmarktteilhabe zwischen Kinderlosen, Alleinerziehenden und Zweielternfamilien bzw. zwischen Eltern mit hohen und geringen Einkommen reduziert werden.

Die jüngere Entwicklung der Familien- und Steuerpolitik trägt ungeachtet gewisser Akzentverschiebungen zugunsten von Familien- und Frauenförderung freilich normativ wie faktisch kaum einer Pluralisierung von Erwerbs- und Familienformen Rechnung; sie folgt eher einem modernisierten Ernährerleitbild in Form eines Eineinhalbverdienerhaushalts. Ob damit ein längerfristig tragfähiger, im Wesentlichen "identitätserhaltender Umbau" des konservativen deutschen Modells angelegt ist, scheint nicht zuletzt angesichts anhaltender Tendenzen sozialer Polarisierung offen. So sind nicht nur Familienerwerbsmuster nach dem traditionellen Familienernährermodell zunehmend von Prekarisierung bedroht. Auch jenseits traditioneller und modernisierter Muster ergeben sich neue soziale Privilegierungen und Prekarisierungen über die Form der Arbeitsmarktintegration in Kombination mit der Familiensituation, z. B. im Vergleich der Haushalte von Doppelverdienern in professionalisierten Berufen zu Alleinerziehenden mit Teilzeitbeschäftigungen im weniger qualifizierten Dienstleistungssegment. Insofern werden die Herausforderungen für eine politische Gestaltung des Arbeitsmarktes und der Arbeitsmarktteilhabe als Basis für individuelle Existenzsicherung eher größer.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Neufassung vom 16. Dezember 1997 mit Wirkung vom 1. Januar 1998; ein Teil der Änderungen wurde bereits mit dem Arbeitsförderungsreformgesetz von 1997 wirksam.

  2. Vgl. beispielsweise Gerhard Bäcker/Reinhard Bispinck/Klaus Hofemann/Gerhard Naegele (Hrsg.), Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland, Band 1: Ökonomische Grundlagen, Einkommen, Arbeit und Arbeitsmarkt, Arbeit und Gesundheitsschutz, Opladen 2000³.

  3. Vgl. insbes. Birgitta Rabe/Günther Schmid, Eine Frage der Balance: Reform der Arbeitsmarktpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 37/99, S. 21-30.

  4. Vgl. Günther Schmid/Nicola Wiebe, Die Politik der Vollbeschäftigung im Wandel. Von der passiven zur interaktiven Arbeitsmarktpolitik, in: Max Kaase/Günther Schmid (Hrsg.), Eine lernende Demokratie. 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1999, S. 364 ff.

  5. Vgl. Günther Schmid, Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik, in: Klaus v. Beyme/Manfred G. Schmidt, Politik in der Bundesrepublik, Opladen 1990, S. 234 f.

  6. Vgl. Karl-Jürgen Bieback, Der Umbau der Arbeitsförderung. Das neue Sozialgesetzbuch III - Arbeitsförderung - von 1996/97, in: Kritische Justiz, 30 (1997), S. 16.

  7. Vgl. Ulrich Mückenberger, Die Krise des Normalarbeitsverhältnisses. Hat das Arbeitsrecht noch Zukunft?, in: Zeitschrift für Sozialreform, 31 (1985), S. 415-475.

  8. Vgl. Ilona Ostner, Arm ohne Ehemann? Sozialpolitische Regulierung von Lebenschancen für Frauen im internationalen Vergleich, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 36-37/95, S. 3-12; Karl Hinrichs, Das Normalarbeitsverhältnis und der männliche Familienernährer als Leitbilder der Sozialpolitik, in: Sozialer Fortschritt, (1996) 4, S. 102-107.

  9. Tatsächlich ist in der Bundesrepublik das Erwerbsmuster kontinuierlicher, berufsfachlich geprägter Vollzeiterwerbstätigkeit bisher vorrangig bei Männern anzutreffen. Der Anteil der Frauen an allen Erwerbstätigen (im früheren Bundesgebiet) hat sich von 1970 bis 1998 von 36 % auf 42 % erhöht. Im selben Zeitraum stieg die Frauenerwerbsquote um 14 % auf 61 %. Dies geht wesentlich auf eine gestiegene Müttererwerbstätigenquote (zwischen 1972 und 1998 um 17 % auf 57 %) zurück, die sich vorrangig auf der Basis von Teilzeitarbeit entfaltete. Gleichwohl liegt die auf nunmehr 80 % gefallene Erwerbsquote der Männer noch immer deutlich über der Frauenerwerbsquote. Vgl. Christiane Ochs, Erwerbstätigkeit, in: WSI - Frauendatenreport, Berlin 2000, S. 111-151 (WSI = Wirtschafs- und sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung).

  10. Darüber hinaus sind auch innerhalb des Systems dualer Ausbildungen sozialstrukturell relevante geschlechtsspezifische Segregationen wirksam. Zwei Drittel der dualen Ausbildungsplätze sind männlich besetzt. Vorrangig von Frauen besetzte Ausbildungsberufe etwa im Friseurhandwerk und im Einzelhandel sind eher durch strukturelle Fristigkeit, kaum existenzsichernde Einkommen, Teilzeitarbeitsformen und damit ein Fehlen einschlägiger Merkmale des Normalarbeitsverhältnisses gekennzeichnet. Vgl. Helga Krüger, Die andere Bildungssegmentation: Berufssysteme und soziale Ungleichheit zwischen den Geschlechtern, in: Jahrbuch '96 Bildung und Arbeit: Die Wiederentdeckung sozialer Ungleichheit, Opladen 1996, S. 252-274.

  11. Vgl. dazu auch Karin Gottschall, Geschlechterverhältnis und Arbeitsmarktsegregation, in: Regina Becker-Schmidt, Gudrun-Axeli Knapp (Hrsg.), Das Geschlechterverhältnis als Gegenstand der Sozialwissenschaften, Frankfurt/M.-New York 1995, S. 125-162.

  12. Eine tatsächliche Koordination der makroökonomischen Steuerungsinstrumente der Fiskal-, Geld- und Lohnpolitik entsprechend keynesianischen Idealvorstellungen wurde ohnehin nur in wenigen Jahren erreicht. Vgl. Fritz W. Scharpf, Sozialdemokratische Krisenpolitik in Europa, Frankfurt/M. - New York 1987, S. 164 ff.

  13. Vgl. G. Bäcker u. a. (Anm. 2), S. 358.

  14. Der einmal eingeschlagene Reformpfad hatte dabei über den Regierungswechsel 1982 hinweg Bestand. Dies wird anhand der z. T. schrittweisen, sich restriktiv ergänzenden Änderungen deutlich, die im Anschluss an die Haushaltskürzungen 1974 sowie das Arbeitsförderungskonsolidierungsgesetz 1981 realisiert wurden. Einschlägig sind dabei die 10. Novelle des AFG 1993, das Beschäftigungsförderungsgesetz 1994, das Arbeitsförderungsreformgesetz 1997 sowie deren Zusammenwirken insbesondere mit dem Arbeitslosenhilfereformgesetz 1994 und der Reform des Bundessozialhilfegesetzes 1996. Vgl. Douglas Webber, Eine Wende in der deutschen Arbeitsmarktpolitik? Sozialliberale und christlich-liberale Antworten auf die Beschäftigungskrise, in: Heidrun Abromeit/Bernhard Blanke (Hrsg.), Arbeitsmarkt, Arbeitsbeziehungen und Politik in den 80er Jahren, Leviathan Sonderheft 8, Opladen 1987, S. 74-86; Ulrike Kress, Chronik der Arbeitsmarktpolitik, in: MittAB, (1997) 4, S. 842-864 (MittAB = Mitteilungen der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung); Hubert Heinelt/Michael Weck, Arbeitsmarktpolitik. Vom Vereinigungskonsens zur Standortdebatte, Opladen 1998.

  15. Vgl. H. Heinelt/M. Weck, ebd. S. 83/168 f.

  16. Vgl. U. Kress (Anm. 14), S. 851.

  17. Vgl. Peter Bleses/Edgar Rose, Der Umbau hat längst begonnen: Deutungswandel in der Arbeitsmarkt- und Familienpolitik, in: Zeitschrift für Sozialreform, 44 (1998) 8, S. 570-592.

  18. Ohne den Konsens zur Ausdehnung von ABM- und Ausbildungsmaßnahmen als "Beschäftigungsbrücken" hätte beispielsweise zwischen 1991 und 1992 die Arbeitslosenquote in Ostdeutschland nicht 12, sondern 35 Prozent betragen, vgl. G. Schmid/N. Wiebe (Anm. 4), S. 381. 1999 lag das Beschäftigungsäquivalent aller Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik in Gesamtdeutschland immerhin noch bei etwa 1,1 Millionen, vgl. G. Bäcker u. a. (Anm. 2), S. 374.

  19. Vgl. G. Schmid (Anm. 5), S. 245.

  20. Vgl. G. Schmid/N. Wiebe (Anm. 4), S. 375.

  21. Vgl. Irene Dingeldey, Einkommensteuersysteme und familiale Erwerbsmuster im europäischen Vergleich, in: dies. (Hrsg.), Erwerbstätigkeit und Familie in Steuer- und Sozialversicherungssystemen, Opladen 2000, S. 11-48.

  22. Vgl. Andreas Aust/Hans-Jürgen Bieling, Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitik in Westeuropa - zwischen strategischer Konvergenz und institutioneller Vielfalt, in: Zeitschrift für Sozialreform, 42 (1996) 3, S. 141-166.

  23. Vgl. G. Bäcker u. a. (Anm. 2); Schriftenreihe der Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, Das Ende des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG)?, Berlin 1996.

  24. Auf der Basis einer Analyse von Mikrozensusdaten wird angegeben, dass der Anteil der in unbefristeter Vollzeitbeschäftigung Tätigen von 1990 bis 1996 von 59,5 % auf 52,1 % zurückgegangen ist. Im selben Zeitraum stieg der Anteil der in (sozialversicherungspflichtiger) Teilzeit Tätigen von 10,5 % auf 17,5 %, vgl. Edeltraut Hoffmann/Ulrich Walwei, Normalarbeitsverhältnis: ein Auslaufmodell?, in: MittAB, (1998) 3, S. 409-425.

  25. Vgl. Martin Baethge/Volker Baethge-Kinsky/Peter Kupka, Facharbeit - Auslaufmodell oder neue Perspektive?, in: SOFI-Mitteilungen, (1998) 26, S. 81 (SOFI = Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen); Helga Krüger, Personenbezogene Dienstleistungen: ein expandierender Arbeitsmarkt mit sieben Siegeln, www.globalcare.de//html/Krueger.htm, abgerufen 1999; Karin Gottschall, Zwischen tertiärer Krise und tertiärer Zivilisation - Zur sozialwissenschaftlichen Analyse von Dienstleistungsgesellschaften, ZeS (Zentrum für Sozialpolitik) an der Universität Bremen, Arbeitspapier 10/2000.

  26. Vgl. Rüdiger Peukert, Familienformen im sozialen Wandel, Opladen 1999³.

  27. Vgl. Klaus Peter Strohmeier, Pluralisierung und Polarisierung der Lebensformen in Deutschland, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 17/93, S. 11-22; Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik 1, Wiesbaden 1999, S. 28-37.

  28. Vgl. B. Rabe/G. Schmid (Anm. 3).

  29. Vgl. Günther Schmid, Reform der Arbeitsmarktpolitik. Vom fürsorgenden Wohlfahrtsstaat zum kooperativen Sozialstaat, in: WSI Mitteilungen, 49 (1996) 10, S. 629-641.

  30. B. Rabe/G. Schmid (Anm. 3), S. 21.

  31. Vgl. Florence Lefrense, Employability at the heart of the European employment strategy, in: Transfer, (1999) 4, S. 460-480.

  32. Zum geringen Ausbau personenbezogener sozialer Dienstleistungen in der Bundesrepublik (v. a. Kinderbetreuung, Halbtagsschulsystem) vgl. Andrea Becker, Gendering Welfare States oder: Elemente eines geschlechtersensiblen Sozialstaatsvergleichs, in: Peter Flora/Heinz-Herbert Noll (Hrsg.), Sozialberichterstattung und Sozialstaatsbeobachtung, Frankfurt/M. - New York 1999, S. 193-216.

  33. Vgl. G. Schmid (Anm. 5); B. Rabe/G. Schmid (Anm. 3).

  34. Vgl. P. Bleses/E. Rose (Anm. 17).

  35. Vgl. Ilona Ostner, Quadraturen im Wohlfahrtsdreieck. Die USA, Schweden und die Bundesrepublik im Vergleich, in: Stephan Lessenich/Ilona Ostner (Hrsg.), Welten des Wohlfahrtskapitalismus, Frankfurt/M. - New York 1998, S. 225-252.

Dr. rer soc., geb. 1963; seit Januar 2000 wissenschaftliche Assistentin am Zentrum für Sozialpolitik (ZeS), Universität Bremen, Abtg. Geschlechterpolitik im Wohlfahrtsstaat.

Anschrift: Universität Bremen, ZeS, Parkallee 39, 28209 Bremen.
E-Mail: i.dingeldey@zes.uni-bremen.de

Veröffentlichungen u. a.: Britische Arbeitsbeziehungen: Gewerkschaften zwischen Konflikt, Kooperation und Marginalisierung, Wiesbaden 1997; Einkommensteuersysteme und familiale Erwerbsmuster im europäischen Vergleich, in: dies. (Hrsg.), Erwerbstätigkeit und Familie in Steuer- und Sozialversicherungssystemen, Opladen 2000.

Dr. phil., geb. 1955; seit Juli 1999 Professorin für Soziologie und Leiterin der Abtg. Geschlechterpolitik im Wohlfahrtsstaat am ZeS an der Universität Bremen.

Anschrift: wie I. Dingeldey.
E-Mail: k.gottschall@zes.uni-bremen.de

Veröffentlichungen u. a.: Erwerbstätigkeit und Elternschaft als Gegenstand soziologischer Forschung, in: Zeitschrift für Frauenforschung, (1999) 3; Soziale Ungleichheit und Geschlecht, Opladen 2000.