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Editorial | Gewalt in der Gesellschaft | bpb.de

Gewalt in der Gesellschaft Editorial Gewalt und Gesellschaft Gewalt in modernen Gesellschaften - zwischen Ausblendung und Dramatisierung Jugendgewalt und Gesellschaft Die Innenseite der der Globalisierung Gewalttätig durch Medien? Veränderung der Schulkultur als Ansatz schulischer Gewaltprävention

Editorial

Katharina Belwe

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Gewalt wird in den modernen Industriegesellschaften häufig nur als Ausnahme und Fremdkörper betrachtet. Dahinter verbirgt sich der legitime Wunsch, Gesellschaft gewaltfrei zu gestalten.

Einleitung

Gewalt wird in den modernen Industriegesellschaften häufig nur als Ausnahme und Fremdkörper betrachtet. Dahinter verbirgt sich der legitime Wunsch, Gesellschaft gewaltfrei zu gestalten. Dieser verstellt uns jedoch möglicherweise den Blick dafür, dass Gewalt auf nahezu allen gesellschaftlichen Ebenen vorkommt. Der Wunsch nach einer gewaltfreien Gesellschaft birgt zugleich die Gefahr, Gewalt entweder gar nicht zu erkennen oder überdimensioniert wahrzunehmen.

Wer ausschließlich auf die Gewaltverhältnisse jenseits des westeuropäisch-amerikanischen Kosmos blicke, der werde die hiesigen Verhältnisse als im Grunde gewaltfrei betrachten, so Oskar Negt. Dass Gewalt gleichwohl inhärenter Bestandteil unserer Gesellschaft ist, zeigt der Autor in seinem Essay. Den besten Nährboden für innergesellschaftliche Friedenssicherung sieht er in einem auf ausgleichender Gerechtigkeit beruhenden System gesellschaftlicher Arbeit.

Mit dem Ziel, alternative Konzepte zur Analyse von Gewalthandeln und Gewaltereignissen zu entwickeln, unterzieht Christoph Liell die verschiedenen Erscheinungsformen und Interpretationen von Gewalt in modernen Gesellschaften einer kritischen Würdigung. Dem von ihm dabei als fragwürdig verworfenen Desintegrationsmodell hält der Autor die Annahme entgegen, dass Gewalt in den verschiedensten gesellschaftlichen Zusammenhängen zu finden sei.

Das Anliegen von Joachim Kersten besteht darin, kulturvergleichend auf die Jugendgewalt in Deutschland zu blicken. Vor dem Hintergrund einer Kritik an bekannten Erklärungsmustern - Orientierungslosigkeit, Desintegration, Machotum - entwirft er ein neues Zuordnungsraster für Jugendgewaltphänomene der Gegenwart. Aus diesem sollen Eckpunkte für einen angemesseneren Umgang mit Problemen der Jugendgewalt werden.

Für Götz Eisenberg liegt die Erklärung für den Gewaltzuwachs in unserer Gesellschaft in um sich greifenden Desintegrationsprozessen. Während das von Liell und Kersten kritisierte Erklärungsmuster der Desintegration eine weitgehende Integration unterstellt, geht Eisenberg von einer sich mehr und mehr auflösenden Gesellschaft aus. Das Neuartige an den Krisen der Gegenwart sei ihr immer weitere Lebensbereiche umfassender Charakter.

 In Öffentlichkeit und Politik gelten die Massenmedien als mitverantwortlich für die Zunahme von Gewalt in unserer Gesellschaft. Die übermäßige Darstellung von Gewalt in den elektronischen Medien, so wird argumentiert, (ver)führe Jugendliche zu realer Gewalt. Michael Kunczik und Astrid Zipfel wenden sich gegen diese stark vereinfachende Argumentation, die nicht durch wissenschaftliche Forschungsbefunde gedeckt sei. Sie plädieren für medienpädagogische Maßnahmen im sozialen Umfeld von Kindern und Jugendlichen, insbesondere in der Schule.

Wolfgang Melzer und Frank Ehninger zeigen, dass es kaum einen besseren Ort für Gewaltprävention gibt als die Schule. Nach ihren Ergebnissen besteht ein "Zusammenspiel" von Schulkultur und aggressivem Verhalten der SchülerInnen. Hieran anknüpfend plädieren Melzer und Ehninger für eine Verbesserung der Unterrichts- und Schulqualität: zu messen etwa an LehrerInnenprofessionalität, dem Schul- und Klassenklima, den bestehenden Partizipationsmöglichkeiten für SchülerInnen und Eltern sowie dem außerunterrichtlichen Schulleben.