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Editorial | Traditionslinien bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland | bpb.de

Traditionslinien bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland Editorial Traditionslinien bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland Bürgerengagement im Sozialstaat Kommunale Förderbedingungen für bürgerschaftliches Engagement Freiwilligendienste in der Bürgergesellschaft Bürgerschaftliches Engagement in Europa Empirische Befunde zum bürgerschaftlichen Engagement

Editorial

Katharina Belwe

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Im Frühjahr 2000 hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder die "zivile Bürgergesellschaft" zum gesellschaftspolitischen Programm erhoben. Eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat sich 2001 mit der "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" befasst.

Einleitung

Im Frühjahr 2000 hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder die "zivile Bürgergesellschaft" zum gesellschaftspolitischen Programm erhoben, eine Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages hat sich 2001 mit der "Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements" befasst, das Jahr ist von den Vereinten Nationen zum "Internationalen Jahr der Freiwilligen", der 5. Dezember zum "Internationalen Tag des Ehrenamtes" erklärt worden. Es geht um die freiwillige Selbstverpflichtung der BürgerInnen zu sozialem und politischem Engagement. Die Politik setzt auf dieses Engagement; vorhandenes Potenzial soll gehoben werden.

Die Realisierung des Konzeptes der Zivil- oder Bürgergesellschaft macht - so Christoph Sachße in seinem Essay - eine tief greifende Umgestaltung der politischen Institutionen und der individuellen Mentalitäten erforderlich. Die andere Seite vermehrter Mitbestimmung und Mitgestaltung sei größere Mitverantwortung.

Adalbert Evers und Thomas Olk gehen der Frage nach, wie realistisch die Aufwertung bürgerschaftlichen Engagements in unserer Gesellschaft tatsächlich ist, und diskutieren dies vor dem Hintergrund der marktorientierten Entwicklung der Sozialpolitik. Für eine Erneuerung des Sozialstaates bedürfe es eines größeren gemeinsamen Nenners: Man müsse sich erstens darauf verständigen, dass es beim Bürgerengagement um mehr gehe als um die Mobilisierung von Potenzialen; zweitens gelte es, der Rolle des Engagements in Kernbereichen des Sozialstaates wieder mehr Legitimität zu verschaffen.

Freiwilliges Engagement löst sich mehr und mehr aus den bisherigen Kontexten, in denen traditionelle Engagementformen ihre spezifische Passform gefunden hatten. Dem steht ein wachsendes Engagement in anderen Bereichen gegenüber. Heiner Keupp zufolge kommt es jetzt darauf an, dessen Ertrag auszuwerten und nach den Bedingungen seiner Verstetigung zu fragen. Im Beitrag werden die Erfahrungen der sich seit den siebziger Jahren etablierenden Werkstätten des "demokratischen Experimentalismus" analysiert.

Eine wichtige Ressource der Bürgergesellschaft sind die Freiwilligendienste: Jugendlichen und jungen Erwachsenen werden Lern- und Erfahrungsräume für gesellschaftliche Partizipation und bürgerschaftliches Engagement geboten. Ihre Besonderheit besteht nach Gisela Jakob darin, dass sie einerseits Bildungsjahr und Orientierungsphase sind, andererseits die Übernahme sozialer Verantwortung ermöglichen. Diesen Zusammenhang gelte es zu stärken. Die Autorin wendet sich zugleich gegen einen Pflichtdienst; bürgerschaftliches Engagement lasse sich nicht staatlich verordnen.

Folgt man Helmut K. Anheier und Stefan Toepler, so ist bürgerschaftliches Engagement kein Zeichen einer tief greifenden Krise des Wohlfahrtsstaates - wie oft behauptet wird -, sondern Ausdruck einer souveränen Gesellschaft: eines souveränen Europa. Das Engagement der BürgerInnen habe an Bedeutung gewonnen, nicht weil dem Staat mehr misstraut werde als in der Vergangenheit, sondern weil die BürgerInnen Europas selbst mehr Vertrauen in ihre Gesellschaft hätten.

Anne Hacke und Gerd Mutz halten es für problematisch, dass in den meisten Studien zum bürgerschaftlichen Engagement ein Motivwandel unterstellt wird. Sie plädieren für eine dynamische Engagementforschung, wodurch endlich etwas über diesen Wandel zu erfahren wäre, der bislang nur behauptet werde. Erst auf der Basis von verlässlichen Informationen über Anlass und Motivation der Engagierten ließen sich Handlungskonsequenzen für die Politik benennen.