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Editorial | Sicherheitspolitik | bpb.de

Sicherheitspolitik Editorial Die neue Unsicherheit nach dem Irak-Krieg Multilaterale Ordnung oder Hegemonie? Unilateralismus der USA als Problem der internationalen Politik Arroganz der Macht, Arroganz der Ohnmacht Europäische Kollateralschäden

Editorial

Ludwig Watzal

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Der von der "Koalition der Willigen" geführte Krieg gegen den Irak beruhte auf zum Teil nicht korrekten Dokumenten. Aufgrund dieser Tatsache geraten Präsident George W. Bush und Tony Blair unter erheblichen öffentlichen Druck.

Inzwischen räumen US-Präsident George W. Bush und der britische Ministerpräsident Tony Blair ein, dass die zur Begründung des Krieges gegen den Irak - Massenvernichtungswaffen in den Händen eines Diktators - von amerikanischer und britischer Seite vorgelegten Beweise auf gefälschten Dokumenten beruhten. Beide Politiker geraten folglich in ihren Ländern unter erheblichen öffentlichen Druck. Wenn sich heute US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld und der demokratische Senator Joseph Biden deutsche und französische Soldaten in Bagdad wünschen, sollte diesem Wunsch nicht entsprochen werden, solange es für die Besetzung des Iraks kein Mandat der Vereinten Nationen gibt. Eine Aufarbeitung des völkerrechtlich umstrittenen Krieges hat es bislang nicht gegeben. Die Warnung von Bundeskanzler Gerhard Schröder vor "Abenteurertum" erscheint angesichts der chaotischen Lage im Irak mehr als berechtigt.

Die "Neocons" und "Theocons" haben mit ihrer ideologischen Sicht der US-Außenpolitik maßgeblich zur Erosion der internationalen Institutionen und des Völkerrechts sowie zum Auseinanderdriften zwischen Europa und den USA beigetragen. Jochen Thies vertritt in seinem Essay die These, dass diese Entwicklung bereits seit dem Ende des Kalten Krieges zu beobachten gewesen sei. Die deutsche Außenpolitik sei im Zuge des Irak-Krieges ins Schlepptau des französischen Partners geraten, aus dem sie sich schnellstens lösen müsse, um wieder eigene Handlungsspielräume gewinnen zu können. Um im Rahmen einer europäischen Außenpolitik handlungsfähig zu bleiben, bedürfe es zudem weiterer Investitionen und Umstrukturierungsmaßnahmen innerhalb der Bundeswehr.

Ordnung und Stabilität des internationalen Systems sind ein hohes politisches Gut. Joachim Krause benennt die theoretischen Konzepte für eine Ordnungspolitik. Der Autor kommt dabei zu dem Schluss, dass es keinen fundamentalen Unterschied zwischen den Ordnungsvorstellungen Europas und der USA gebe. Interessanterweise lägen die Ordnungsvorstellungen Deutschlands und der USA näher beieinander als die von Berlin und Paris. Eine große Übereinstimmung der Interessen im transatlantischen Verhältnis stellt auch Gert Krell fest. Dies zeige sich insbesondere in den wirtschaftlichen Beziehungen, wohingegen die größten Unterschiede in der allgemeinen Außenpolitik, der "Grand Strategy", bestünden. Die Ursachen dafür lägen in erster Linie in einem Paradigmenwechsel der US-Politik begründet. Die damit einhergehende "Arroganz der Macht" müsse ausbalanciert werden. Mit den unterschiedlichen politischen Vorstellungen der USA in Bezug auf das Kyoto-Protokoll zur Klimapolitik, der ablehnenden Haltung zum Internationalen Strafgerichtshof, dem Abbruch der Verhandlungen zur Biowaffenkonvention, der Sanktionspolitik im Bereich der Wirtschaft sowie einer feindseligen Haltung gegenüber den Vereinten Nationen setzt sich Jochen Hippler auseinander. Die Politik der USA schwanke je nach politischer Opportunität zwischen Uni- und Multilateralismus.

Das amerikanische Vorgehen im Irak stellt für die Gemeinsame Europäische Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) eine schwere Belastungsprobe dar. Matthias Dembinski und Wolfgang Wagner befassen sich mit den erheblichen Beeinträchtigungen für Europas außenpolitische Rolle. Das deutsche Engagement für eine Pioniergruppe innerhalb der EU berge unkalkulierbare Risiken und sei europapolitisch wenig sinnvoll, weil es Europa eher spalte als voranbringe.