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Gesellschaftlicher Umgang mit Wetterextremen | Wetter | bpb.de

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Gesellschaftlicher Umgang mit Wetterextremen Risiko, Management und Anpassung

Simone Sandholz Dominic Sett

/ 19 Minuten zu lesen

Wetterextreme können erhebliche negative Einflüsse haben, insbesondere für verwundbare und exponierte Personen oder Gruppen. Bei der Frage, wie ihnen begegnet werden kann, sind Städte durch ihre hohe Bevölkerungs- und Bebauungsdichte besonders bedeutend.

Die Anzahl und Intensität von Wetterextremen nimmt global zu, verursacht insbesondere durch wachsende anthropogene Einflüsse auf das Klima. Dies ist eine der zentralen Erkenntnisse des 2012 veröffentlichten Sonderberichts des Weltklimarats (Intergovernmental Panel on Climate Change, IPCC), in dem auf Extremereignisse und Katastrophen fokussiert wurde. Dieser Trend wird auf regionaler Ebene beispielsweise in auf Deutschland projizierten Klimamodellen bestätigt. Demnach wird eine Zunahme der Wahrscheinlichkeit des Eintretens von Wetterextremen prognostiziert, neben Niederschlagsmengen und Windgeschwindigkeiten sollen vor allem Temperaturhöchstwerte im Verlauf des 21. Jahrhunderts stark ansteigen. Die Häufung von zuletzt außergewöhnlich warmen Jahren und die jüngst im Juli 2019 in Deutschland erzielten Hitzerekorde scheinen diese Prognose zu stützen. In den vergangenen Jahren wurde zudem eine Zunahme der durch diese Ereignisse ausgelösten Schäden und Verluste verzeichnet. Wetterextreme wirken sich immer stärker zu Lasten von Bevölkerung, Umwelt und Wirtschaft aus. So führten Extremniederschläge im Juni 2013 zu schweren Überflutungen in Mitteleuropa, die Schäden in Milliardenhöhe verursachten und darüber hinaus allein in Deutschland 14 Menschen das Leben kosteten. Weltweit sind zwischen 2000 und 2018 fast eine halbe Million Menschen durch Wetter- und Klimaereignisse ums Leben gekommen und ökonomische Verluste von mehr als 2500 Milliarden US-Dollar entstanden. Diese Werte verdeutlichen die Relevanz von Maßnahmen zur Minderung des Risikos.

Begriffsklärung

"Wetterextreme" sind definiert als Auftreten besonders hoher oder niedriger Werte von Variablen wie Temperatur, Niederschlag und Wind, die jenseits statistisch üblicher Beobachtungswerte liegen und somit "ungewöhnlich" sind. Oftmals werden Extremereignisse neben dieser statistischen Ermittlung auch über ihre physikalischen Folgewirkungen definiert. Nicht allein die Regenmenge macht ein Niederschlagsereignis also zu einem Extrem, sondern eben die Kombination aus ungewöhnlich viel Regen und dem Auftreten von Überflutungen.

An dieser Begriffserläuterung wird deutlich, dass es keine globalen Schwellenwerte geben kann, um Wetterereignisse als Extreme einzustufen, sondern dass sich eine Einstufung lokal sehr unterscheidet. In Deutschland werden beispielsweise "gefühlte Temperaturen" – also die Temperaturen, bei denen neben der Lufttemperatur auch die Luftfeuchtigkeit, Strahlungsintensität und Windstärke berücksichtigt werden – von mindestens 38 Grad Celsius durch den Deutschen Wetterdienst (DWD) als "extreme Wärmebelastung" eingestuft. Die Lufttemperatur von 38 Grad Celsius allein wäre vielerorts in Deutschland ein Hitzerekord. Im Gegensatz dazu liegt beispielsweise im indischen Delhi die maximale Tagestemperatur in den Sommermonaten durchschnittlich bei über 40 Grad Celsius. Was also in einer Region als Wetterextrem gilt, ist andernorts mitunter gewöhnlich.

Neben der sehr differenzierten Kategorisierung ist auch der Effekt von Extremereignissen auf Menschen, Umwelt und Wirtschaft unterschiedlich. Hier kommt der Begriff des "Risikos" ins Spiel, der beschreibt, welche Folgen beim Eintritt von Wetterextremen zu erwarten sind. In der Vergangenheit wurden Katastrophenrisiken sehr stark durch die Charakteristika der Naturereignisse selbst erklärt, also beispielsweise durch die Höhe der Temperatur oder das räumliche Ausmaß von Überflutungen. Heute ist in der Risikoforschung Konsens, dass neben der Naturgefahr auch die Verwundbarkeit und die Exposition bedeutende Faktoren sind (Abbildung). Risiko ergibt sich also nicht nur aus einem Wetterereignis allein, sondern in Kombination mit der Frage, wer oder was von dem Ereignis wie betroffen ist, und dem Ort, an dem das Ereignis stattfindet. Zum Beispiel wirkt sich eine Hitzewelle stärker auf Personen aus, die gesundheitlich vorbelastet sind und in innerstädtischen schlecht gedämmten Wohnungen leben als auf Personen ohne gesundheitliche Probleme mit gut gedämmten Wohnungen in einem begrünten Stadtviertel.

Abbildung: Risikokonzept des IPCC-Sonderberichts 2012 (© bpb)

Es wird also nur dann aus einem Wetterextrem eine Katastrophe, wenn ebenfalls eine hohe Verwundbarkeit und Exposition vorliegen, die Notfallmaßnahmen erforderlich machen, um die Situation zu bewältigen. Bei sehr hoher Verwundbarkeit und Exposition können jedoch auch nicht-extreme Wetterphänomene Katastrophen hervorrufen. Diese Differenzierung spielt beim Management des Risikos eine wichtige Rolle.

Herausforderungen für Risikomanagement und Anpassung

Das Katastrophenrisiko unterscheidet sich zwischen verschiedenen Ländern und Regionen sehr stark, bedingt durch unterschiedliche Verwundbarkeiten und Expositionen. So fordern Wetter- und Klimaereignisse in ärmeren Ländern fast fünfmal so viele Todesopfer pro Ereignis wie in den reichsten Ländern. Ökonomische Schäden dagegen sind in reichen Ländern deutlich größer. Dort ist jedoch knapp die Hälfte (49,6 Prozent) dieser Schäden versichert, während dieser Anteil in Ländern der niedrigsten Einkommen bei gerade einmal 3,4 Prozent liegt. Im Umkehrschluss können also ökonomisch vergleichsweise geringe Schäden eines Wetterextrems trotzdem dramatischere Auswirkungen haben, wenn die betroffenen Länder und Personen über weniger Möglichkeiten der Risikobewältigung verfügen.

Der hieraus ersichtliche Zusammenhang von Extremwetterauswirkungen und Einkommen legt zudem nahe, dass nicht nur zwischen verschiedenen Ländern, sondern auch zwischen verschiedenen Bevölkerungsschichten innerhalb eines Landes große Unterschiede bestehen. Marginalisierte Gruppen in einer Gesellschaft sind oft besonders verwundbar und exponiert gegenüber Wetterereignissen. Dazu zählen beispielsweise Bewohner:innen informeller Siedlungen, die durch mangelnde Besitzrechte oft über keinen Zugang zu Bankkonten, Krediten und Versicherungen verfügen, oder Gruppen, deren Teilhabe an politischen Entscheidungsprozessen eingeschränkt ist und deren Bedürfnisse entsprechend wenig Gehör finden. Auch in Ländern mit hohem Durchschnittseinkommen gibt es Unterschiede bei Verwundbarkeit und Exposition, die beispielsweise vom Einkommen, gesundheitlichem Zustand oder dem genauen Wohnort abhängig sein können. Interventionen zum Risikomanagement sollten daher vor allem auf die Ärmsten und Verwundbarsten der jeweiligen Gesellschaft abzielen.

Bedingt durch ihre hohe Bevölkerungs- und Bebauungsdichte kommt Städten beim Umgang mit Wetterextremen eine besondere Bedeutung zu. Mangelnde oder fehlende Planung, die zur Bebauung von gefährdeten Arealen wie Überflutungsgebieten führt, und unzureichende Infrastrukturen wie Kanalsysteme, die steigende Niederschlagsmengen nicht (mehr) aufnehmen können, erhöhen die Exposition der Bevölkerung. Darüber hinaus führt Marginalisierung, etwa durch städtische Segregation, und ein oftmals hoher Armutsanteil zu einem hohen Grad an Verwundbarkeit. So entsteht ein hohes Risiko, das entsprechende Herausforderungen für Stadtbewohner:innen bildet.

Allerdings können in Städten bei guter Planung auch viele Menschen mit wichtigen Leistungen versorgt und ihnen Schutzmöglichkeiten vor Extremwetter geboten werden. Das kann zur Reduzierung des Risikos führen und somit Chancen ermöglichen. Art und Ausmaß der jeweiligen Extremereignisse können sich dabei ebenso wie die jeweiligen gesellschaftlichen Bewältigungskapazitäten (regional) erheblich unterscheiden. Das verdeutlicht die Bedeutung von kontextspezifischen Strategien und Anpassungsmaßnahmen, um negative Effekte von Wetterextremen zu mindern und somit Katastrophen vorzubeugen, wie nachfolgend an Beispielen erläutert wird.

Kapstadt

Kapstadt liegt, wie zahlreiche südafrikanische Städte, in einem Trockengebiet mit natürlich begrenztem Angebot an verfügbarem Süßwasser. Die Versorgung wird zu 98,5 Prozent aus Oberflächenwasser, das in großen Staudämmen gespeichert wird, sichergestellt und ist damit fast komplett von Regen abhängig. Die Bevölkerung der Metropole steigt stetig an. Wohnten 1985 noch 1,9 Millionen Menschen in Kapstadt, waren es 2015 bereits 4,1 Millionen. Prognosen zufolge werden es 2035 etwa 5,8 Millionen sein. Die Nachfrage nach Trinkwasser wuchs entsprechend, zumal der Verbrauch durch steigenden Wohlstand und die wirtschaftliche Entwicklung zusätzlich stieg. Durch ineffizientes Management und den fehlenden Ausbau der entsprechenden Infrastruktur wurde dieser Schieflage in der Wasserversorgung nur unzureichend entgegengewirkt. Dadurch befand sich Kapstadt in einem zunehmenden Stadium der Wasserknappheit und gilt als ein globaler Hotspot.

Auf diese ohnehin angespannte Situation traf 2015 eine extreme Dürre, die durch ungewöhnlich wenig Regen das verfügbare Wasser in den Staudämmen stark verringerte. Knapp unterdurchschnittliche Niederschlagsmengen im Jahr 2016 konnten diese Defizite nicht kompensieren. 2017 spitzte sich die Lage dann durch eine weitere extreme Dürre zu, was dazu führte, dass am Ende der Regenzeit im Oktober nur fast ein Drittel der sonst üblicherweise gespeicherten Wassermengen in den Staudämmen vorhanden war. Mit dem Eintreten der Trockenzeit war dadurch absehbar, dass Kapstadts Wasserspeicher nicht mehr ausreichen würden, um den Verbrauch bis zur nächsten Regenzeit zu decken. Die Wasserknappheit entwickelte sich so Ende 2017 zu einer Krise.

Durch Restriktionen versuchte die Stadtverwaltung, die drohende Einstellung der Wasserversorgung zu verhindern. Erste Beschränkungen, wie ein Verbot der Gartenbewässerung zu bestimmten Uhrzeiten oder das Auffüllen von Pools mit Leitungswasser, wurden bereits 2016 eingeführt. Mit zunehmender Wasserknappheit gipfelten die Restriktionen im Februar 2018 mit der Beschränkung auf nur noch 50 Liter pro Person und Tag. Bei einem durchschnittlichen Verbrauch von zuvor 200 bis 230 Litern (im Zeitraum von 2005 bis 2016) bedeutete dies eine erhebliche Einschränkung für die meisten Menschen in Kapstadt.

Zugleich wurden die Preise für die Bereitstellung von Wasser enorm erhöht. Für einige Verbraucher:innen stieg der Preis zwischen Januar 2016 und Februar 2018 um mehr als das 31-Fache. Besonders ärmere Haushalte der Mittelschicht hatten teils große Schwierigkeiten, ihre Wasserrechnungen zu bezahlen. Einen Großteil der ärmsten Bevölkerungsschichten Kapstadts trafen die Restriktionen und Tariferhöhungen dagegen weniger. Als mittellos eingetragene Bürger:innen sind von der Zahlung für Wasser befreit, zudem leben viele dieser Menschen ohne direkten Wasseranschluss und sind damit ohnehin auf öffentliche Verteilstellen angewiesen. Ihr durchschnittlicher Wasserverbrauch liegt seit Jahren unterhalb der eingeführten Beschränkungen. Daher wurde die Krise insbesondere als eine der (unteren) Mittelschicht angesehen.

Im Januar 2018 wurde von der Stadt offiziell der 21. April als "Tag Null" angedroht. Demnach sollte die Wasserversorgung aller Haushalte ab diesem Datum komplett eingestellt und eine Notversorgung an öffentlichen Plätzen errichtet werden, falls die bis dahin ergriffenen Maßnahmen nicht ausreichen würden. Somit hätten die Bewohner:innen Kapstadts nach diesem Datum für ihr Trinkwasser anstehen müssen, um an den vom Militär bewachten Ausgabestellen ihre tägliche Ration von nunmehr nur noch 25 Litern pro Person zu erhalten. Dieses Szenario war für viele Bevölkerungsgruppen, etwa Kinder, ältere Menschen oder jene, die in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, undenkbar. Viele entschlossen sich daher dazu, selbst verschiedene formelle wie informelle Maßnahmen zu ergreifen. Eine dieser Strategien war das Sammeln von Regenwasser, während sich andere Bohrlöcher und Brunnen graben ließen, um Grundwasser zu nutzen. Zudem konnten fast alle Haushalte durch eine effizientere Wassernutzung den eigenen Verbrauch reduzieren.

Auf diese Weise konnte das Eintreten des "Tages Null" verhindert werden. Um ähnliche Szenarien auch künftig zu verhindern, sind in Kapstadt allerdings weitere Maßnahmen notwendig. Insbesondere existierende Systeme sollten ausgebaut und effizienter gestaltet werden. Das gilt sowohl für das öffentliche Versorgungssystem als auch für private Technologien, insbesondere jene zur Nutzung von Regenwasser. Verbesserte Informationen und Anreize, etwa über Subventionen oder (Bau-)Regulierungen könnten hier weiterhelfen. Auch Bildung und die Sensibilisierung für eine effizientere Wassernutzung spielen eine große Rolle.

Rio de Janeiro

Rio de Janeiro ist mit 6,5 Millionen Einwohner:innen in der Kernstadt und 12,5 Millionen in der Metropolregion die zweitgrößte Agglomeration Brasiliens und die drittgrößte Südamerikas. Obwohl die Stadt eines der wichtigsten Wirtschaftszentren des Landes ist, ist ein großer Teil der Bevölkerung arm. Rund 22 Prozent der Stadtbewohner:innen leben in einer der mehr als tausend informellen Siedlungen, den Favelas. Diese wurden meist an steilen und vor der Bebauung mit Küstenregenwald bewachsenen Hängen errichtet. Sie bieten oft prekäre Lebensbedingungen mit schlechter Infrastruktur. Die Häuser sind in der Regel technisch mangelhaft und mit schlechten Fundamenten ausgestattet, was in Kombination mit einer fehlenden oder unzureichenden Abwasserentsorgung zur Destabilisierung der Hänge führt und so das Risiko von Erdrutschen bei Starkregen erhöht.

Starkniederschläge mit bis zu 200 bis 300 Millimetern innerhalb von ein bis zwei Tagen treten vorzugsweise in den Sommermonaten von Dezember bis März auf und sind der Hauptauslöser für Hangrutschungen. In den vergangenen Jahrzehnten verursachten schwere Erdrutsche und Überschwemmungen wiederholt Todesopfer und schwere Sachschäden in Rio de Janeiro, so 1967 (110 Todesopfer) und 1988 (etwa 120). 2010 kam es zu 67 Todesopfern, Hunderten von zerstörten Häusern und schweren Schäden am städtischen Straßen- und Verkehrssystem. Die Häufigkeit und Intensität dieser Ereignisse haben seit Mitte des 20. Jahrhunderts zugenommen. Prognosen deuten darauf hin, dass die Niederschläge bis 2070 um 20 Prozent und bis 2100 um bis zu 30 Prozent zunehmen werden – bei gleichzeitig länger werdenden Dürreperioden, die das Katastrophenrisiko in der bereits fragilen Region weiter erhöhen. In der Vergangenheit wurden zahlreiche Favela-Bewohner:innen zwangsweise umgesiedelt, was zwar die direkte Exposition gegenüber Hangrutschungen verringerte, sich aber ansonsten als wenig nachhaltiges Konzept herausstellte, da die Umsiedlung meist in weit entfernte Stadtteile erfolgte und die Bewohner:innen so von ihren Arbeitsplätzen und ihrem sozialen Umfeld entfernte. In der Konsequenz wurden viele Favelas legalisiert, die Wohnbedingungen blieben aber oft prekär, das Risiko hoch.

Einige technische Ansätze zum Umgang mit dem Risiko wurden bereits realisiert. Seit 1996 warnt beispielsweise das Alarmsystem "Alerta Rio" rund um die Uhr vor drohendem Starkregen, vor Überschwemmungen und Erdrutschen. Das System verfügt über ein Netzwerk von 33 Telemetrie-Stationen, die über das gesamte Stadtgebiet verteilt sind. (Früh-)Warnungen gehen an die zuständigen Behörden der Stadtverwaltung, darunter den Zivilschutz oder die Wasserbehörde, die die Bevölkerung via Internet und Presse informieren. Nach den verheerenden Ereignissen 2010 schuf die Stadt zusätzlich ein Operationszentrum, das nicht nur rund um die Uhr in Betrieb ist, sondern auch gemeinsam von Beamt:innen von rund 30 Verwaltungseinheiten besetzt ist. Mehr als 500 Fachleute wechseln sich im Schichtbetrieb ab. Sie verfügen dabei nicht nur über Zugang zu 800 stadteigenen und 700 weiteren Kameras, sondern auch über Kommunikationsmöglichkeiten zum Amtssitz des Bürgermeisters und zur städtischen Zivilschutzzentrale. Das im Zuge der Baumaßnahmen für die Olympischen Spiele 2016 errichtete Zentrum erleichtert nicht nur die Zusammenarbeit, die Abstimmung und den Datenaustausch zwischen Behörden und Stadtteilen im Krisenfall, sondern wird auch für die Organisation von Großveranstaltungen oder zur Verkehrssteuerung genutzt.

Frühwarnung ist allerdings nur eine Komponente zur Minderung des Katastrophenrisikos. Insbesondere Favelas und ihre Bewohner:innen sind nach wie vor besonders verwundbar. Nicht alle Abteilungen der Stadtverwaltung sind in Favelas aktiv, die Zusammenarbeit zwischen administrativen Ebenen sowie zwischen formellen und informellen Akteur:innen ist begrenzt. Zudem liegt der Fokus in Rio de Janeiro bis heute auf baulichem Katastrophenschutz und der Stabilisierung von Hängen mit Hilfe von Betonkonstruktionen, wobei bei der Umsetzung dieser Maßnahmen Favelas nicht immer in die Planungen der Verwaltung integriert werden. Die Potenziale von sogenannter grüner Infrastruktur, in diesem Fall Wiederaufforstung, und die Nutzung von Synergien mit laufenden Programmen der städtischen Umweltbehörde, umgesetzt mit Unterstützung der Favela-Bewohner:innen, werden erst allmählich erkannt.

Bisher sind lokale Anpassungsmaßnahmen nur selten in größere Programme integriert und haben auch aufgrund des Mangels an finanziellen Mitteln, langfristigen Perspektiven und verfügbaren Flächen nur geringe Auswirkungen. Die Kombination aus zunehmenden Klimawandeleinflüssen, Entwaldung, Urbanisierung beziehungsweise Nachverdichtung sowie dem fehlenden politischen Willen, Probleme aktiv anzugehen und Favelas als Teil der Stadt anzuerkennen, erhöht das Katastrophenrisiko weiter. Ohne angemessenen Katastrophenschutz und Nothilfeprogramme werden viele Favelas weiterhin anfällig für Extremereignisse bleiben.

Bonn

Auf eine Zunahme von Extremwetterereignissen müssen sich auch Städte in Deutschland einstellen. Dazu gehören neben Starkregen und Überschwemmungen auch sommerliche Hitzewellen. Allein die Hitzewelle 2003 führte zu mehreren Tausend Todesfällen allein in Deutschland, wobei über drei Viertel davon Personen im Alter von über 75 Jahren waren. Städte sind dabei besonders betroffen, unter anderem durch ihre dichte Bebauung, geringen Luftaustausch und höhere Emissionen kommt es zur Bildung sogenannter städtischer Wärmeinseln: Wärme wird durch Gebäude, Straßen und andere versiegelte Oberflächen besser absorbiert, zudem wird sie durch erhöhte Verkehrsabgase und andere Emissionen in der Stadt gehalten, sodass die Abkühlung deutlich langsamer stattfindet als im ländlichen Umland.

Durch die vergleichsweise deutlich höhere Exposition stehen Städte besonders im Fokus der Risikoforschung. So gibt es beispielsweise Studien zu Berlin, Oberhausen und Leipzig, die sich explizit mit den Auswirkungen urbaner Hitze und möglichen Anpassungsoptionen beschäftigen. Andere europäische Städte wie Wien haben bereits detailliert geplant, wie man etwa durch die Erhöhung des Wasseranteils die Entstehung städtischer Wärmeinseln und somit die Hitzebelastung für die Bevölkerung verringern kann.

Auch deutsche Städte berücksichtigen die Hitzethematik zunehmend in ihren Klimaanpassungskonzepten. Der Fokus liegt dabei aber allzu oft auf rein baulichen Maßnahmen, während soziale Faktoren seltener berücksichtigt werden. Ein Beispiel ist die Stadt Bonn, wo am 25. Juli 2019 mit 40,9 Grad Celsius die fünfthöchste jemals in Deutschland gemessene Temperatur dokumentiert wurde. Die Stadt entwickelte zwar ein 2013 veröffentlichtes Klimaschutzkonzept und ist an mehreren Forschungsprojekten zur Klimaanpassung beteiligt, Daten über gesellschaftliche Verwundbarkeit liegen allerdings kaum vor oder werden bisher wenig berücksichtigt. Insbesondere gesundheitliche und soziale Verwundbarkeit wird vergleichsweise wenig in behördliche Planungsprozesse einbezogen.

Dabei ergab eine Haushaltsbefragung zum Hitzeempfinden, dass es (auch) in Bonn erhebliche Unterschiede bei der Exposition und der Verwundbarkeit, speziell bei den Bewältigungskapazitäten zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen gibt. Senior:innen sind trotz geringer Exposition sehr verwundbar und am häufigsten von Herz-Kreislauf-Problemen betroffen, können sich aber bei Extremtemperaturen vergleichsweise gut auf nachbarschaftliche Hilfe verlassen. Dagegen sind sie weniger als jüngere Befragte bereit, individuell in Anpassungsmaßnahmen zu investieren. Gefragt nach verschiedenen Anpassungsoptionen gab es wiederum kaum Unterschiede zwischen den Befragten, wenig klimafreundliche Maßnahmen wie Klimaanlagen wurden bei zunehmendem Hitzestress ebenso in Betracht gezogen wie Begrünung oder andere naturbasierte Lösungen. Jüngere Befragte, insbesondere Student:innen, leben vergleichsweise häufiger in schlecht angepassten Wohnungen, die sich mehr aufheizen, und gaben häufiger Schlaf- oder Konzentrationsprobleme und Kopfschmerzen an als andere Gruppen. Darüber hinaus sind sie schlechter in ihre Nachbarschaft integriert. Solche Faktoren können aber entscheidend zur Bewältigung beitragen und werden in anderen Städten explizit gefördert, beispielsweise in New York, wo Nachbarschaftshilfe eine wichtige Komponente des städtischen "Beat the Heat"-Programms ist. Staatliche oder kommunale Maßnahmen fokussieren oft auf Ältere und Kinder als besonders verwundbare Gruppen und lassen das hohe Risiko anderer Bevölkerungsteile unberücksichtigt. Hier ist ein Umdenken nötig, damit Maßnahmen gezielter wirken und das Risiko, das von Extremtemperaturen ausgeht, reduzieren können.

Eine weitere Erkenntnis der Bonner Befragung war, dass sich im Fall einer Hitzewelle ein großer Teil aller Bevölkerungsgruppen auf Behörden und Hilfsorganisationen verlassen würde. Städtische Behörden sind aber entgegen der Wahrnehmung der Bevölkerung gar nicht für konkrete Hilfeleistungen im Notfall zuständig, und selbst die eigentlich zuständigen Hilfsorganisationen fühlen sich nur bedingt in der Lage, solche Extremsituationen mit ihren vorhandenen Kapazitäten problemlos zu bewältigen. Wenn die Verantwortung daher ausschließlich bei diesen Akteur:innen verortet und keine eigene Vorsorge getroffen wird, kann dies die Bewältigungsfähigkeit deutlich schwächen und somit zu einer erhöhten Verwundbarkeit führen.

Wie kann der Umgang mit Wetterextremen besser gelingen?

Wetterextreme können erhebliche negative Einflüsse haben, insbesondere dann, wenn sie ohnehin verwundbare und exponierte Personen oder gesellschaftliche Gruppen treffen. Nachhaltige Lösungsansätze bedürfen daher einer Betrachtung des gesamten Risikos, die über das einzelne (Natur-)Ereignis hinausgeht. Die Extremereignisse müssen dabei als Auslöser und nicht als alleiniger Grund für das Entstehen von Katastrophen betrachtet werden. Die Anpassung stellt nicht nur Stadt- und Regionalplanung vor zusätzliche Herausforderungen, sondern auch die Bürger:innen. Für ein umfassendes Risikomanagement ist es notwendig, alle Bevölkerungsschichten nicht nur in die Planungen einzubeziehen, sondern auch gezielt bei eigenen Anpassungsmaßnahmen zu unterstützen. Diese Unterstützung muss dabei jedoch über finanzielle Anreize hinausgehen, da zahlreiche Studien darauf hindeuten, dass die Entscheidung, ob und wie man sich an extreme Wetterphänomene anpasst, auch durch nicht-ökonomische Faktoren wie etwa die (individuelle) Wahrnehmung des Risikos beeinflusst wird.

Konkrete Anpassungsmaßnahmen sollten auf das jeweilige Katastrophenrisiko und die betroffenen Personen und Regionen zugeschnitten sein. Kernaufgaben sind dabei unter anderem klimaangepasste Planung und Frühwarn- und Informationssysteme. Vieles davon existiert bereits, in Deutschland etwa Überflutungsgefahrenkarten, Apps, die auch vor Wetterextremen warnen, oder Informationsbroschüren zum Umgang mit Starkregen und anderen Ereignissen.

Die wachsende Zahl und Intensität von Wetterextremen sowie deren differenzierte Folgen für verschiedene Bevölkerungsgruppen erfordern jedoch eine neue Kultur im Umgang mit diesen Ereignissen. Viele internationale Strategien wie das auf der Weltkonferenz der Vereinten Nationen 2015 verabschiedete Sendai Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge haben dieses Umdenken bereits institutionalisiert und Ziele für ein inklusives Katastrophenmanagement entworfen. Immer mehr Studien in der Risikoforschung befassen sich zudem mit sozialen Aspekten. Es bestehen jedoch weiterhin erhebliche Forschungslücken, etwa im Bereich der Verhaltensforschung und bei der Frage, wie Risiko von der Bevölkerung wahrgenommen und verarbeitet wird. Die aktuell auch politisch zunehmende Bedeutung von Klimaschutz und Klimaanpassung in Deutschland sollte daher als geeigneter Augenblick verstanden und dazu genutzt werden, um langfristig zu einem besseren sowie nachhaltigem Risikomanagement bei Wetterextremen beizutragen und die Bevölkerung, Umwelt und Wirtschaft vor Schäden und Verlusten zu schützen.

ist promovierte Geografin und Senior Researcher am Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen in Bonn. E-Mail Link: sandholz@ehs.unu.edu

ist Masterabsolvent der Geografie und Junior Researcher am Institut für Umwelt und menschliche Sicherheit der Universität der Vereinten Nationen in Bonn. E-Mail Link: sett@ehs.unu.edu