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Die außenpolitischen Positionen von Obama und McCain

Helga Haftendorn

/ 16 Minuten zu lesen

Beide Präsidentschaftskandidaten werden nationale Interessen verfolgen. Zudem wird die Weltpolitik zu Entscheidungen zwingen, die europäischen Prioritäten widersprechen.

Einleitung

Wie werden die Präsidentschaftswahlen in den USA ausgehen? Nach quälend langen Vorwahlen stehen nun die Kandidaten für den 4. November 2008 fest. Oft wird indes vergessen, dass der amerikanische Präsident nicht direkt vom Volk gewählt wird. Im November werden alle Mitglieder des Repräsentantenhauses sowie ein Drittel der Mitglieder des Senates neu gewählt. Außerdem werden die Mitglieder des Electoral College bestimmt. Dort muss ein erfolgreicher Kandidat eine Mehrheit der Einzelstaaten gewinnen, die je nach ihrer Bevölkerungszahl Wahlmänner entsenden und entsprechend dem Wahlergebnis in dem betreffenden Staat einheitlich abstimmen müssen.



In modernen Gesellschaften geht es bei Wahlkämpfen primär um die Persönlichkeit der Kandidatin bzw. des Kandidaten: Wer erscheint glaubwürdiger, wer garantiert den gewünschten Wandel? Amerikanische Präsidentschaftswahlen sind keine Programmwahlen; die von den Demokraten und Republikanern auf Conventions verabschiedeten Platforms sind Kompromisspapiere, mit denen ein gemeinsamer Nenner für die widerstrebenden Strömungen innerhalb der Parteien gesucht wird. Es ist völlig offen, wer im Januar 2009 als Präsident in das Weiße Haus einziehen wird: der demokratische Senator aus Illinois, Barack Obama, oder sein republikanischer Kollege aus Arizona, John McCain. In Meinungsumfragen führt bisher Obama mit 238 Stimmen gegenüber 163 für McCain; in elf Staaten aber sind die Abstände zwischen den Kandidaten so gering, dass die Entscheidung voraussichtlich erst am Wahltag fallen wird. Wahlentscheidend dürfte die Stimmenabgabe in den toss up states Ohio und Florida sein; wer diese gewinnt, dem dürfte der Einzug ins Weiße Haus sicher sein.

Im Vorwahlkampf ging es um die Frage, wie das durch die Politik der Bush-Administration angeschlagene außenpolitische Prestige der USA wiederhergestellt werden könne. Die Mehrzahl der Amerikaner hofft auf einen radikalen Neuanfang und hat sich von George W. Bush abgewandt. Diesem Wunsch nach change trägt Obama am besten Rechnung, da er im politischen Geschäft noch unverbraucht ist. McCain dagegen hat es schwerer, einen radikalen Wandel zu versprechen; er bedient die Sehnsucht nach Veränderung stattdessen mit dem Hinweis auf seine politische Unabhängigkeit, die ihm den Ruf eines maverick - eines Querkopfes - eingebracht hat.

Während die Verwicklungen des Irakkrieges wesentlich zum Stimmungsumschwung beigetragen haben, dominieren derzeit soziale Fragen und verdrängen die Forderung nach einem raschen Abzug aus dem Irak. Die Sorge um den Arbeitsplatz, steigende Hypothekenzinsen, explodierende Benzinpreise und die Reform des Gesundheitssystems brennen nun den Bürgern unter den Nägeln.

Wahlkampf und Persönlichkeit

Die modernere Wahlkampfagenda führt Barack Obama, der zur Mobilisierung der Wähler und zum Sammeln von Spenden das Internet nutzt und sich auf eine große Schar junger Wahlhelfer quer durch die USA stützt. Obama spricht vor allem die Gefühle der Wähler an; mit dem Slogan Yes, we can! - "Wir können es schaffen!" - verbreitet er Hoffnung und Zuversicht. Er ist ein glänzender Redner, wenn auch seine Aussagen mehr durch Pathos als durch Inhalte wirken, und er kann andere schnell für sich einnehmen. Die Aufbruchstimmung, die zu seinem Markenzeichen geworden ist, beginnt sich jedoch abzunutzen. Die Bürger wollen wissen, wie Obama ihre wirtschaftliche Lage verbessern, die Benzinpreise in den Griff bekommen und den Irakkrieg beenden will.

Obama ist der erste afroamerikanische Politiker in der Geschichte der USA, der eine realistische Chance auf den Einzug ins Weiße Haus hat. In Hawaii als Kind einer amerikanischen Mutter und eines kenianischen Vaters geboren, hat er in Indonesien gelebt und Afrika häufig besucht. Seine Herkunft ist für Obama aber ebenso Belastung wie Vorteil. Trotz aller Fortschritte ist nicht ausgemacht, ob ein Farbiger für Middle America tatsächlich bereits wählbar ist. Eine Mehrheit sieht in Umfragen darin kein Problem; aber wie sieht es bei der Stimmabgabe unter dem Schutz des Wahlgeheimnisses aus? Obama sieht sich nicht primär als Fürsprecher der Schwarzen, der ihre historische Diskriminierung zu kompensieren sucht, sondern will Anwalt aller Amerikaner sein. Er verkörpert den Traum einer post racial society. Seine Vorbilder sind Franklin D. Roosevelt, Harry S. Truman und John F. Kennedy.

Wie sie will er die globale Führungsfähigkeit der USA erneuern und ihre Glaubwürdigkeit wiederherstellen. Dazu dürfe man aber die Werte der Gründungsväter - Freiheit, Demokratie und Glaube - nicht nur proklamieren, sondern müsse auch danach leben. In seinen Reden, auch in der, die er am 24. Juli 2008 vor der Siegessäule in Berlin gehalten hat, weist Obama auf die große Verantwortung der USA in einer globalisierten Welt hin und fordert, Amerika müsse sich für die Schließung der Lücke zwischen Arm und Reich und für die Verwirklichung der Menschenrechte einsetzen: "And this is the moment when we must give hope to those left behind in a globalized world."

Da die Mehrheit der Wähler in der politischen Mitte zu Hause ist, muss sich auch der vor allem im linksliberalen Milieu verankerte Senator schnell und möglichst geräuschlos dahin bewegen, um sich nicht dem Vorwurf, ein flip-flopper, ein Prinzipienloser zu sein, auszusetzen. Obamas Stellungnahmen zugunsten der Todesstrafe für Kinderschänder, für das Recht auf Waffenbesitz und für erweiterte staatliche Abhörmaßnahmen haben ihn näher an das Zentrum des Meinungsspektrums in den USA herangebracht. In der Folge beginnt jedoch "das Bild vom klugen, eloquenten, charmanten Strahlemann (...) zu bröckeln". Dahinter scheint ein anderer Obama durch: "skrupellos, egoistisch, überehrgeizig".

Im Vergleich zu dem jungen Senator aus Illinois verfügt John McCain über erheblich größere politische Erfahrungen, vor allem in der Außen- und Sicherheitspolitik. Er ist ein in der Wolle gefärbter Patriot, der vor allem Verlässlichkeit ausstrahlt. Hinzu kommt seine Karriere in der Marine und seine Reputation als Kriegsheld und Gefangener in Vietnam. McCain glaubt an Amerikas globale Führungsrolle und will "das Ansehen der USA in der Welt aufrichten, den Terrorismus besiegen, der die Freiheit bedroht, und einen dauerhaften Frieden verwirklichen". Er versteht sich als "realistic idealist" und "internationalist" und will - im Unterschied zu Obama - die globale Agenda der Bush-Administration weiterführen, wobei für ihn Freiheit noch vor Demokratie im Vordergrund steht. Ein vorrangiges Ziel ist für ihn der Kampf gegen den internationalen Terrorismus, den er als Teil des weltweiten Kampfes zwischen Freiheit und Despotismus sieht.

Im Kongress hat sich McCain als ebenso eigenständiger wie urteilsfähiger Politiker erwiesen. Er hat sich nicht gescheut, in Fragen, die seinen moralischen Wertmaßstäben widersprechen, gegen die Administration zu stimmen. So hat er sich für die Schließung des Gefangenenlagers Guantanamo, die Verurteilung von Foltermethoden und eine strikte Begrenzung der Wahlkampffinanzierung ausgesprochen. Mit seiner auf Argumente gestützten Wahlkampagne spricht er vor allem Konservative und die Mittelschicht an, hat aber Probleme mit der religiösen Rechten, der er nicht wertkonservativ genug ist. Eine größere Annäherung an die Evangelikalen wäre für ihn jedoch gefährlich, da er sich damit dem Vorwurf aussetzen würde, sich in seinen politischen Prioritäten nur wenig von George W. Bush zu unterscheiden. Im Vergleich zum charismatischen Demokraten Obama fällt es McCain schwer, sich ein ähnliches Ausmaß an Medienpräsenz zu verschaffen. Schon Hillary Clinton hatte beklagt, die Medien hätten eine love affair mit Obama. Immer heftiger attackiert McCain daher seinen Gegenspieler vor allem auf dem Gebiet der Außenpolitik und wirft ihm seine internationale Unerfahrenheit vor.

Außenpolitische Konzepte

Viele Beobachter irritiert, dass Barack Obama kein langfristiges außenpolitisches Konzept verfolgt. Seine Berliner Rede, die den transatlantischen Beziehungen gewidmet war, enthält zwar starke Bekenntnisse zur Kooperation mit den Europäern, aber wenig Details. Stattdessen nennt er verschiedene Aufgaben, die er in seiner Amtszeit bewältigen will. An erster Stelle stehen die Beendigung des Irakkriegs, die Verhinderung der Weiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen und die Wiederbelebung der traditionellen Bündnisse und Partnerschaften. Um Obama vertiefte außenpolitische Erfahrungen zu vermitteln, haben die drei Jahre im Senat nicht ausgereicht.

Nachdrücklicher als sein demokratischer Konkurrent befürwortet McCain eine Politik der Stärke, die sich auf leistungsfähige Streitkräfte stützt und auch vor vorbeugenden militärischen Interventionen nicht zurückschreckt. Armee und Marineinfanterie sollen von gegenwärtig etwa 750 000 auf 900 000 Mann verstärkt werden, ihre Ausrüstung und Ausbildung verbessert sowie geeignetes Personal für die Terrorbekämpfung und die zivile Rekonstruktion angeworben werden. Er fordert, dass Amerika künftig nur dann einen Krieg beginnen dürfe, wenn es über ausreichende Streitkräfte verfüge und einen realistischen Plan für seine erfolgreiche Beendigung besitze: "They should go to war only with sufficient troop levels and with a realistic and comprehensive plan for success."

Auch Obama sieht die Notwendigkeit einer Verstärkung der Streitkräfte, allerdings in geringerem Maß. Die Zahl der Heeressoldaten soll um 65 000 und die der Marineninfanterie um 27 000 gesteigert werden. Vor allem aber sei es wichtig, dass diese gut ausgebildet und ausgerüstet würden. Obama möchte auch den Civil Service ausweiten und die Nationalgarde so aufstellen, dass sie jederzeit ihre Aufgaben erfüllen kann. Um dem Vorwurf zu begegnen, es könnte ihm an Entschlossenheit mangeln, die Streitkräfte im Krisenfall auch einzusetzen, erklärt Obama, wenn die USA angegriffen würden oder ein Angriff unmittelbar bevorstehe, werde er nicht zögern, das amerikanische Volk und seine vitalen Interessen zu schützen.

Dennoch ist für Obama Diplomatie wichtiger als militärische Stärke. Er hat angekündigt, dass er bereit sei, sich auch mit den Feinden der USA zu treffen - so mit dem iranischen Präsidenten -, wenn es der Sache und dem Frieden diene. Als ihn daraufhin sein republikanischer Konkurrent großer Naivität bezichtigte, fügte Obama hinzu, dass zuvor entsprechende Vorbereitungen erforderlich seien. Natürlich würde auch McCain verhandeln, wenn sich aber kein Erfolg abzeichne, würde er die Muskeln spielen lassen.

In der Einschätzung Irans und des internationalen Terrorismus unterscheiden sich beide Präsidentschaftsbewerber deutlich. Für McCain ist die terroristische Bedrohung eine der größten Herausforderungen, mit denen die USA konfrontiert sind, wobei sich seine Strategie nicht grundlegend von derjenigen der Bush-Administration unterscheidet. Obama wird dagegen nicht müde zu betonen, dass die USA nicht mit "dem Islam" im Krieg seien, sondern mit der Terrorgruppe Al Qaida und ihren ideologischen Verbündeten.

McCain kennt Europa gut und gilt als ausgewiesener NATO-Experte. Als Präsident will er die traditionellen Bindungen zu den Europäern wiederherstellen. Diese sollen über die militärische Zusammenarbeit hinausgehen und Klimapolitik, Energiesicherheit und Entwicklungshilfe einschließen. Von den Verbündeten erwartet er Solidarität, nicht nur im Mittleren Osten, sondern auch in anderen weltpolitischen Fragen. McCain begrüßt die Entstehung eines handlungsfähigen Europas, fordert aber eine enge Koordinierung der EU-Sicherheits- und Verteidigungspolitik mit der NATO. Vor allem appelliert er an die Partner, ihre Verteidigungsausgaben zu erhöhen und zu einer gerechteren Lastenteilung beizutragen. Seine Forderungen werden deshalb besonderes Gewicht haben, da McCain mit den europäischen Möglichkeiten und Schwächen wohl vertraut ist. In der umstrittenen Frage einer NATO-Erweiterung um die Ukraine und Georgien nimmt er eine mittlere Position ein: Er drängt nicht auf einen raschen Beitritt, fordert aber, dass die Tür für weitere Länder offen bleibt. Ähnlich wie McCain spricht sich auch Obama für die Wiederbelebung der engen Beziehungen zu den Europäern aus: "America has no better partner than Europe." Die NATO ist für ihn ein wichtiges Bindeglied zwischen den Kontinenten; sie müsse aber gestärkt und reformiert werden.

Wenige Unterschiede bestehen zwischen den Kandidaten in der Beurteilung der Rolle internationaler Institutionen. Für McCain wie für Obama sind multilaterale Organisationen Instrumente der Politik, welche die Realisierung nationaler Ziele durch ein Zusammengehen mit Partnern erleichtern. Zu diesem Zweck müssten die bestehenden Organisationen - NATO, UNO und die Welthandelsorganisation (WTO) - reformiert werden. McCain will Russland aus der G-8 ausschließen und stattdessen Brasilien, Pakistan oder Indien hinzuzuziehen. Noch weiter geht sein Vorschlag, eine globale "Liga der Demokratien" zu gründen, die, wenn erforderlich, militärische Interventionen autorisieren kann. Mit einer derartigen Liga soll eine Alternative zur UNO geschaffen und die Blockierung des UN-Sicherheitsrates durch Russland und China umgangen werden.

Russland, China und Middle East

Die Entwicklung der Innen- und Außenpolitik Russlands sieht McCain äußerst kritisch. Er fürchtet, dass sich Russland zunehmend von einem Partner bei der Terrorbekämpfung zu einem ordnungspolitischen Konkurrenten entwickelt. Daher fordert er "eine gemeinsame Linie des Westens gegen ein revanchistisches Russland, dessen Führer offenbar eher den alten Konfliktkurs einschlagen wollen, als sich dem demokratischen Frieden des Westens anzuschließen". Der Volksrepublik China will McCain mit einer Mischung aus Containment und Kooperation begegnen, bis sie sich liberalisiert habe. Für Obama geht von Russland keine unmittelbare Bedrohung aus; er will mit Moskau zum gegenseitigen Vorteil kooperieren. Obama setzt den weltpolitischen Akzent primär auf Afrika und fordert dort größere Anstrengungen zum Aufbau stabiler Staaten und zur Überwindung von Krieg und ethnischen Konflikten.

Die größten Unterschiede zwischen beiden Kandidaten bestehen bei der Bewertung der Konflikte im Nahen Osten (Middle East). Nach McCains Auffassung war die amerikanische Intervention im Irak richtig, wesentliche Fehler seien jedoch bei ihrer Durchführung gemacht worden. An dem surge, der Verstärkung der amerikanischen Truppen im Irak um 30 000 Mann im Februar 2008, kritisiert McCain nur, dass dieser so spät erfolgt sei. Er ist der Überzeugung, dass der Krieg noch gewonnen werden kann, und malt stattdessen die politischen Kosten einer Niederlage an die Wand. McCain erwartet, dass die meisten Truppen bis 2013 aus dem Irak abgezogen werden können, weil bis dahin die demokratischen Institutionen funktionieren würden.

Obama hat Bushs Irakpolitik scharf kritisiert und einen raschen Abzug der amerikanischen Truppen gefordert. Heute befürwortet er den Rückzug der Kampftruppen über einen Zeitraum von 16 Monaten, den er in enger Abstimmung mit der militärischen Führung umsetzen will. Vor allem müssten die irakischen Streitkräfte in die Lage versetzt werden, selbst für die Sicherheit des Landes zu sorgen. Einige kleinere US-Einheiten sollen zum Schutz der amerikanischen Botschaft und als Ausbilder der Armee im Irak bleiben. Bereits 2006 hat Obama eine eigene Irakstrategie entwickelt, sie aber in der Zwischenzeit modifiziert. Mit der Bindung der Wirtschaftshilfe an politische Fortschritte will er Druck auf die Regierung in Bagdad ausüben und die widerstreitenden Fraktionen zwingen, sich politisch zu einigen. Eine Regionalkonferenz mit den Nachbarstaaten soll den politischen Prozess unterstützen und diese sowie die Weltmächte an der Stabilisierung des Irak beteiligen.

Einige der aus dem Irak abgezogenen Kampftruppen will Obama nach Afghanistan verlegen. Nach seiner Einschätzung - die sich mit der von McCain deckt - muss der Westen seine militärischen Anstrengungen am Hindukusch verstärken, will er nicht einer erneuten "Talibanisierung" des Landes Vorschub leisten. Obama empfiehlt, den Hauptakzent auf Einsätze von Spezialkräften entlang und jenseits der afghanisch-pakistanischen Grenze zu legen, falls die pakistanische Führung die Rückzugsgebiete der Taliban nicht unter Kontrolle bekomme. Um auf Pakistan Druck auszuüben, will er Hilfen für Islamabad von größeren Anstrengungen der Regierung bei der Terrorbekämpfung abhängig machen. Gleichzeitig will Obama die amerikanische Hilfe für Kabul beträchtlich erhöhen, um die afghanische Regierung zu stärken und den Wiederaufbau zu beschleunigen. Auch McCain will die Streitkräfte der USA und der NATO in Afghanistan verstärken und die Verbündeten aufrufen, ihre Dislozierungsbeschränkungen aufzuheben. Auch müsse die afghanische Regierung in die Lage versetzt werden, ihre Kontrolle über das ganze Land auszudehnen. Wenn der Westen Afghanistan dauerhaft stabilisieren wolle, müsse er die Ausbildung der afghanischen Streitkräfte und der Polizei intensivieren.

In der Iranfrage sind beide Kandidaten ebenfalls nicht so weit auseinander, wie es bei oberflächlicher Betrachtung scheinen mag. Für beide ist der Iran Hauptsponsor des internationalen Terrorismus; deshalb gelte es zu verhindern, dass dieser in den Besitz von Kernwaffen gelangt. McCain hat inzwischen seine Drohung abgeschwächt, den Iran notfalls mit militärischen Mitteln zum Einlenken zu zwingen. Stattdessen sollten die USA und ihre Partner wesentlich striktere Sanktionen verhängen. Wenn die UN dazu nicht in der Lage seien, müssten die USA diese zusammen mit ihren Partnern durchsetzen. McCain will die Schlupflöcher im Nichtverbreitungsvertrag schließen. Er kündigt überdies neue Initiativen auf dem Gebiet der nuklearen Rüstungskontrolle an. Gemeinsam mit Russland will er nach Möglichkeiten für einen Abbau der strategischen Atomwaffen suchen. Auch Obama will den Aufstieg Irans zur Nuklearmacht unterbinden und schließt dabei militärische Mittel nicht aus.

Die Einstellung von Republikanern und Demokraten zum arabisch-israelischen Konflikt wird stark von der Innenpolitik geprägt. Nachdem Obama in der Vergangenheit durch einige pro-palästinensische Aussagen aufgefallen ist, bemüht er sich nun, diesen Eindruck zu korrigieren. Gleichzeitig setzt er sich für eine Zweistaatenlösung ein. McCain lehnt dagegen bisher die Anerkennung eines Palästinenserstaates ab; er vertritt die Ansicht, die USA müssten auch weiterhin uneingeschränkt zu ihren Verpflichtungen gegenüber Israel stehen. Beide Kandidaten treten für eine Intensivierung der Gespräche zwischen Israelis und Palästinensern über eine Friedenslösung ein, wobei sie sich an den vom "Nahost-Quartett" unter Führung der USA und der EU konzipierten Prinzipien der Road Map orientieren.

Wirtschaft, Energie und Umwelt

Ein demokratischer Präsident wird sozialen Fragen - zum Beispiel Steuerermäßigungen für Geringverdiener und einer Krankenversicherung für alle - besondere Bedeutung zumessen. Diese Maßnahmen sollen mit dem Geld finanziert werden, das dadurch eingespart werden kann, dass die von der Bush-Administration verfügten Steuererleichterungen für Reiche rückgängig gemacht werden. Obama hat zudem ein Konjunkturprogramm in Höhe von 50 Milliarden US-Dollar angekündigt, mit dem Infrastrukturprojekte finanziert werden sollen.

In der Wirtschaftspolitik macht sich Obama die Befürchtungen großer Teile der Bevölkerung über die negativen Folgen der Globalisierung zu Eigen. Künftig sollen in alle Handelsverträge Klauseln über Arbeits- und Umweltstandards aufgenommen und damit sichergestellt werden, dass diese keine negativen Auswirkungen auf den amerikanischen Arbeitsmarkt haben. Seine im Vorwahlkampf erhobene Forderung nach einer Überprüfung des Nordamerikanischen Freihandelsabkommens (NAFTA) war primär an die Wähler in den von Arbeitslosigkeit gebeutelten Staaten des "Rostgürtels" gerichtet und ist inzwischen vom Tisch. Ein demokratischer Kongress wird den Präsidenten kaum mit weit reichenden Vollmachten (trade promotion authority) in der Handelspolitik ausstatten; viel eher ist mit legislativen Eingriffen in den Außenhandel zu rechnen.

Im Gegensatz zu Obama will McCain die tax cuts für die Unternehmen und die oberen Einkommensschichten beibehalten. Sein Ziel ist es, die Konjunktur zu beleben, den Handel auszuweiten, die Staatsquote zu verringern und die USA wieder konkurrenzfähig zu machen. Forderungen nach einer staatlichen Finanzhilfe für die von der Bankenkrise gebeutelte Mittelschicht lehnt er ab und verweist stattdessen auf die Kräfte des Marktes. Als Sofortmaßnahme könnte sich McCain eine zeitlich begrenzte Aussetzung der Benzinsteuer vorstellen. Auf der internationalen Ebene will er die WTO stärken und die Doha-Runde doch noch abschließen. Er wünscht auch eine baldige Ratifizierung des multilateralen Freihandelsabkommens mit Zentralamerika und - da für ihn Freihandel ein wichtiges Element zur Öffnung und Demokratisierung geschlossener Gesellschaften ist - eine Freihandelszone im Mittleren Osten.

In der Energie-, Klima- und Umweltpolitik ist von der neuen Administration ein konstruktiver Ansatz zu erwarten. In der Energiepolitik soll die Abhängigkeit von den Öllieferanten des Nahen Ostens reduziert werden, auch wenn dies mit hohen Kosten verbunden sein wird. McCain setzt vor allem auf Anreize für Investitionen in alternative Energiequellen, einschließlich der Kernenergie, will aber auch Grenzwerte für C02-Emissionen festlegen und den Handel mit Emissionsrechten fördern, während Obama den Energieverbrauch und die Emissionen durch strikte Vorgaben begrenzen will. Die Erlöse des Handels mit Emissionszertifikaten sollen in eine Investitionsbank eingebracht werden, die daraus Infrastrukturprojekte finanziert und sie zur Subventionierung der Energie- und Benzinpreise verwendet. Beide setzen sich für internationale Verhandlungen über den Abschluss eines Folgedokumentes für den Kyoto-Vertrag ein, in den China, Brasilien und Indien einbezogen werden sollen.

Folgen für Europa und Deutschland

Was wird sich nach dem Amtsantritt des 44. Präsidenten der USA im Januar 2008 verändern? Die USA werden sich weiterhin als globale Weltordnungsmacht sehen. Daher sind verstärkte Auseinandersetzungen mit China zu erwarten, das die USA zunehmend als machtpolitischen Konkurrenten ansehen, der ihre Rolle als Nr. 1 in der Welt bedroht. Auch in der Politik gegenüber Russland argumentieren Amerikaner und Europäer nicht auf gleicher Wellenlänge. Bei einem republikanischen Wahlsieg sind Divergenzen mit den Europäern in der Politik gegenüber dem Iran zu erwarten. McCain betont zwar seine Präferenz für friedliche Lösungen, schließt aber die Anwendung militärischer Gewalt nicht aus, falls Teheran nicht einlenkt, und würde wohl einen israelischen Angriff auf die iranischen Nuklearanlagen nicht verhindern.

In Afghanistan und im Irak werden beide Kandidaten die Europäer mit Sicherheit zu größeren Anstrengungen auffordern und eine gerechtere Lastenteilung verlangen. Da Obama in Europa sehr positiv gesehen wird, könnte seine Wahl das Amerikabild der Deutschen verändern und die Wolken des Antiamerikanismus vertreiben. Es bedeutet aber nicht, dass die Beziehungen mit einer demokratischen Regierung spannungsfrei sein werden. Konflikte sind vor allem dann zu erwarten, wenn Obama eine protektionistische Handelspolitik verfolgt. Hinzu kommt seine geringe Vertrautheit mit den Personen und Problemen Deutschlands, die Spannungen hervorrufen könnte, ähnlich wie sie Ende der 1970er Jahre zwischen Jimmy Carter und Helmut Schmidt bestanden. Aber auch die Impulsivität und Eigenwilligkeit McCains könnten zu Irritationen führen.

Als Präsidenten werden sowohl Barack Obama als auch John McCain zunächst die Verfolgung nationaler Interessen über die Rücksichtnahme auf die Partner stellen. Die nächste Administration dürfte ihren Stil beim Umgang mit den Partnern ändern. Das weltpolitische Geschehen wird sie aber zu Entscheidungen zwingen, die den europäischen Präferenzen und Prioritäten widersprechen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. www.realclearpolitics.com vom 20.6. 2008.

  2. Vgl. Christoph von Marschall, Barack Obama: Der schwarze Kennedy, Zürich 2008.

  3. Vgl. Barack Obama, Renewing American Leadership, in: Foreign Affairs, 86 (2007) 4, S. 2 - 16.

  4. Obama's Speech in Berlin. Transcript, zit. nach: The New York Times vom 24.7. 2008, www.nytimes.com (25.7. 2008).

  5. Malte Lehming, Barack Obama: Phase zwei, in: Der Tagesspiegel vom 28.6. 2008, und Mathias B. Krause, Er kann auch anders. Barack Obama zeigt, dass er nicht immer ein Liberaler ist, in: ebd.

  6. John McCain, An Enduring Peace Built on Freedom, in: Foreign Affairs, 86 (2007) 6, S. 19 - 34.

  7. Remarks by John McCain to The Los Angeles World Affairs Council, 26.3. 2008, www.johnmc cain.com (31.3. 2008).

  8. Vgl. Peter Rudolf, US-Außenpolitik und transatlantische Sicherheitsbeziehungen nach den Wahlen (SWP Aktuell 64), Berlin, Juli 2008, S. 3.

  9. Remarks of Senator Barack Obama to the Chicago Council on Global Affairs, in: www.realclearpoli tics.com vom 24.4. 2007.

  10. Vgl. Steve Clemons in: Think Tank Analysis: Obama and Clinton: Who would be best for Europe?, in: www.atlantic-community.org (12.8. 2008).

  11. J. McCain (Anm. 6), S. 21.

  12. Vgl. Obama's Speech (Anm. 4).

  13. Vgl. P. Rudolf (Anm. 8), S. 2.

  14. Vgl. John McCain on Foreign Policy, in: www.ontheissues.org/2008/John_McCain_
    Foreign_Policy.htm (12.8. 2008).

  15. Obama's Speech (Anm. 4).

  16. Vgl. J. McCain (Anm. 6), S. 26.

  17. John McCain, In alter Freundschaft, in: Süddeutsche Zeitung vom 8.2. 2008.

  18. Vgl. A Way Forward in Iraq. Remarks of Senator Barack Obama, Chicago Council on Global Affairs, 20.11. 2006, in: http://obama.senate.gov/speech/061 120-a_way_forward_i/ (12.8. 2008).

Dr. phil., geb. 1933; em. Professorin für Politikwissenschaft an der Freien Universität Berlin, Ihnestraße 21, 14195 Berlin.
E-Mail: E-Mail Link: haftendo@zedat.fu-berlin.de