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Editorial | Bundesverfassungsgericht | bpb.de

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Editorial

Asiye Öztürk

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Vor 60 Jahren nahm das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe seine Arbeit auf. Als "Hüter der Verfassung" trägt es dazu bei, der freiheitlich-demokratischen Grundordnung Ansehen und Wirkung zu verschaffen. Seine Rechtsprechung wirkt als Schrittmacher gesellschaftlicher Integration und verändert den deutschen Rechts- und Sozialstaat und damit die Gesellschaft nachhaltig.

Die Deutung der Verfassung und ihrer Prinzipien unterliegt dem Gebot der richterlichen Selbstbeschränkung. Durch eine Vielfalt an Methoden, Herangehensweisen und Interpretationen - die in manchen Fällen auch zu Unschärfe in der Auslegung von Normen führt - bleibt die Gerichtsbarkeit flexibel. Dadurch kann sie gewandelten gesellschaftlichen Bedürfnissen besser Rechnung tragen. Denn aufgrund einer zunehmenden Verrechtlichung auf europäischer Ebene sowie einer fortschreitenden Individualisierung und Pluralisierung der Gesellschaft nimmt die Konkurrenz um die Deutung von gesellschaftlichen und politischen Ordnungsvorstellungen zu.

Als "Letztinterpret" des Grundgesetzes bewegt sich das Bundesverfassungsgericht im Spannungsfeld zwischen Recht und Politik. Es genießt großes Vertrauen in der Bevölkerung, seine Urteile, Beschlüsse und Verlautbarungen stoßen weitgehend auf Akzeptanz. Dieses Vertrauen kann erschüttert werden, wenn das Gericht zunehmend die Aufgabe des Gesetzgebers übernimmt oder in diese Rolle gedrängt wird. Denn die Verfassung sieht vor, dass politische Konflikte primär im parlamentarischen Raum gelöst werden sollen. Daher gilt es, der Aufforderung des Bundesverfassungsgerichts nachzukommen und Fragen von großer Tragweite für die Gesellschaft in einem Verfahren zu lösen, das "der Öffentlichkeit Gelegenheit bietet, ihre Auffassungen auszubilden und zu vertreten" sowie "die Volksvertretung dazu anhält, Notwendigkeit und Ausmaß von Grundrechtseingriffen in öffentlicher Debatte zu klären" (Pressemitteilung vom 24. September 2003).