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Die Finanzmarkt-Krise im Europawahlkampf – war da was? | Themen | bpb.de

Die Finanzmarkt-Krise im Europawahlkampf – war da was?

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Die Achterbahnfahrt der Finanzmärkte und die Staatsschuldenkrise der jüngsten Vergangenheit haben in den zurückliegenden Jahren für eine öffentliche Debatte gesorgt: Die bestehenden Mechanismen der Finanzmärkte wurden in Frage gestellt, die Wirtschafts- und Finanzpolitik in der Eurozone kritisch unter die Lupe genommen. Umso mehr wundert es, dass sich der Europawahlkampf der einzelnen Parteien derzeit kaum mit dem Thema Finanzmarkt befasst.

Die Finanzkrise hatte die EU lange Zeit fest im Griff. Eine bedeutende Rolle im Wahlkampf spielt sie jedoch nicht. (© picture-alliance, abaca)

Dabei ist die EU seit einigen Wochen neben der Währungsunion um eine Union reicher: Mitte April verabschiedete das Europaparlament die Bankenunion. Die Aufsicht über die Branche soll stärker werden – und damit einen Finanzcrash unwahrscheinlich machen. Die Kernpunkte der Bankenunion: verschärfte Vorschriften zur Eigenkapitalausstattung der Geldinstitute, eine einheitliche Aufsicht für die größten Banken der Eurozone und gemeinsame Standards für die Einlagensicherung. Ausgemachtes Ziel der Bankenunion ist, dass europäische Steuerzahler nicht mehr für die Rettung maroder Banken belangt werden sollen. Fünf Jahre haben die Verhandlungen zur Bankenunion gedauert – eine Konsequenz aus der internationalen Finanzkrise, die mit der Pleite der US-Bank Lehman Brothers ihren Anfang nahm.

Die Finanzkrise und ihre jüngsten Entwicklungen finden im Europawahlkampf trotzdem nicht unbedingt Niederschlag. Allerdings gibt es in den Parteiensystemen mancher Mitgliedstaaten grundsätzlich Resonanz auf die Thematik. Die betreffenden Parteien sind sehr heterogen: Es sind sowohl rechte als auch linke darunter, oft kritisieren sie neben der Wirtschafts- und Finanzpolitik auch andere EU-bezogene Themen. Einig sind sie sich meist darin, dass sie der EU-Finanzpolitik grundsätzlich skeptisch gegenüber stehen.

So kritisiert die finnische Partei "Die Finnen" beispielsweise die Umverteilung innerhalb des EU-Haushalts und sprach sich bei den nationalen Parlamentswahlen gegen das Rettungspaket für Portugal aus. In den Niederlanden gibt es sowohl eine linke als auch eine rechte EU-skeptische Partei, deren Abgeordnete jegliche wirtschaftliche und soziale Zusammenarbeit innerhalb der Union ablehnen und regelmäßig gegen Entscheidungen der Rettungsschirme stimmen. In Spanien sind es vor allem Regionalparteien, die grundsätzlich EU-skeptische Positionen vertreten und die Finanzpolitik der EU kritisieren. Hier werden allerdings – ähnlich wie in Portugal und Irland – die Ursachen für die Finanzkrise auf nationaler Ebene gesucht und nicht auf den Europawahlkampf einzelner Parteien projiziert.

Finanzmärkte als Krisenauslöser vergessen



Dass die Finanzmärkte im gegenwärtigen Wahlkampf keine übergeordnete Rolle spielen, mag daran liegen, dass die Banken und Börsen als eigentliche Ursache der derzeitigen Krise fast in Vergessenheit geraten sind. Vor allem seit den 1990er Jahren entwickelten sich die Interner Link: Finanzmärkte rasant – nicht zuletzt aufgrund der technischen und elektronischen Möglichkeiten. Die Politik ließ Banken, Börsen und Spekulanten weitgehend freie Hand und setzte auf Deregulierung.

Eigentlich sind Banken und Börsen vor allem dazu da, Privatpersonen, Unternehmen und auch Staaten Geld zu verschaffen – über Kredite, über den Verkauf von Aktien und das Geschäft mit Anleihen. Aber in der jüngsten Vergangenheit haben sich die Geschäfte an den Finanzmärkten verselbstständigt: Komplexe Finanzprodukte entstanden, die nur noch dazu dienten, Spekulanten Gewinne zu verschaffen - und die viele Beteiligte am Ende selbst kaum noch durchschauten. Immer höhere Renditen forderten ihren Preis: immer höhere Risiken, immer mehr Schulden.

Finanzen in Schieflage



Die Folge: Banken brachen zusammen oder blieben auf faulen Krediten – also Geld, das nicht mehr abbezahlt wird – sitzen. Durch die Verflechtungen des internationalen Wirtschaftens führte die Schieflage einzelner Banken dazu, dass das gesamte Finanzsystem ins Wackeln geriet. Irland, Spanien und auch Zypern gerieten durch ihre Banken in die Krise, Griechenland durch eine überhöhte Kreditaufnahme. Auch andere Staaten wie Italien haben einen enormen Schuldenberg angehäuft.

Immer wieder wird auch über die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der EU diskutiert. Eine schwierige Angelegenheit, müssen doch in Steuerfragen sämtliche Mitgliedsstaaten einer Meinung sein. Allerdings sehen die EU-Verträge vor, dass eine Gruppe von Ländern eine "verstärkte Zusammenarbeit" beginnt. Daher haben sich nun elf EU-Staaten die Finanztransaktionssteuer auf die Fahnen geschrieben: Deutschland, Frankreich, Belgien, Estland, Griechenland, Spanien, Italien, Österreich, Portugal, Slowenien und die Slowakei. Mit der Steuer würde jeder Handel von Finanzprodukten belegt – also zum Beispiel die Transaktion von Aktien, Devisen und Spekulationspapieren. Wie genau eine europäische Finanztransaktionssteuer aussehen könnte, ist derzeit noch nicht klar. Einige Experten halten es sogar für möglich, dass die Finanztransaktionssteuer nach der Europawahl wieder vollständig aus der öffentlichen Debatte verschwindet.

Zu glauben, die Finanzmarkt-Krise wäre überwunden, wäre auf jeden Fall verfrüht. Experten schätzen, dass das Versprechen der Europäischen Zentralbank, den Euro um jeden Preis zu retten, die entscheidende Wende eingeleitet und die Märkte beruhigt hat. Die Zeit sei aber nur gekauft – und die Schuldenberge noch lange nicht abgetragen.