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Warum der Wahlkampf nicht mit sozialen Medien entschieden wurde | Themen | bpb.de

Warum der Wahlkampf nicht mit sozialen Medien entschieden wurde

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Soziale Medien sind aus modernen Wahlkämpfen nicht mehr wegzudenken. Doch trotz Twitter, Facebook, Youtube und Co: Social Media sind nach wie vor nur ein kleiner Baustein in den Kampagnen. Konzertierte Strategien sind bei den etablierten Parteien nicht zu erkennen, sagt die Soziologin Jasmin Siri.

Die Parteien in Social Media - erfolgreicher Wahlkampf? (© picture-alliance/dpa)

Im Jahr 2013 haben nun wirklich alle Parteien Social Media für sich entdeckt. Spätestens in der heißen Phase des Wahlkampfs konnte man der Flut der Bilder und Nachrichten auf Portalen wie Twitter und Facebook nicht entgehen. Der Trend dieses Jahr: Bilder von Politikerinnen und Politikern beim Plakatieren ihrer eigenen Wahlplakate. Die Parteien produzierten zudem Videos für die Plattform Youtube und stellten ihre TV-Spots dort ein.

Die gesteigerte Aktivität in den sozialen Medien wurde von den etablierten Massenmedien genau beobachtet. In den Sendungen von ARD und ZDF, selbst im bildungsbürgerlichen Deutschlandfunk wurden feierlich Tweets verlesen. Viele TV-Sendungen und Zeitungen nahmen gar wissenschaftlich zweifelhafte statistische Auswertungen von Äußerungen der winzigen - und deshalb eben nicht für die ganze Bevölkerung repräsentativen - Twittergemeinde vor.

Undeutliches Bild

Begleitet wurde die neue Sichtbarkeit der Social Media von euphorischen und kulturkritischen Begleitgesängen. Hinter solch klar positiven oder negativen Bewertungen des Netzwahlkampfes stehen aber oft profane Interessen: So hören wir Lobpreisungen des Netzwahlkampfes eher von Leuten, die damit Geld verdienen möchten. Diese haben natürlich kein Interesse daran, dass die Politik merkt, dass man eine Wahl nicht auf Twitter gewinnt - sonst lägen die Piraten wohl bei rund 30 Prozent.

Klagen hören wir hingegen oft von Vertretern der schreibenden Zunft, deren Deutungshoheit und ökonomische Basis von den "neuen" Medien gefährdet wird. Es ist daher auch kein Wunder, dass die schärfsten Töne in jenen Medien und Redaktionen fallen, die besonders viel Deutungshoheit zu verlieren haben.

Schaut man mit einer wissenschaftlichen Brille auf den Netzwahlkampf, entsteht ein weniger klares Bild. Weder ändern Social Media alles, noch ist ihre Rolle für den Wahlkampf 2013 unerheblich gewesen. Kaum ein Kandidat, kaum eine Kandidatin, die nicht versucht haben, sich auf Facebook bekannt zu machen. Alle im Bundestag vertretenen Parteien twitterten - mehr oder weniger aktiv.

Klinkenputzen statt Onlinewerbung

Das bedeutet aber nicht, dass der "Offline"-Wahlkampf unwichtig geworden ist. Denn auch dort hat sich einiges getan. So entdeckte zum Beispiel die SPD den Tür-zu-Tür-Wahlkampf für sich. Alle Kandidaten waren aufgefordert, in ihren Wahlkreisen Hausbesuche zu machen. Auch die Partei Die Linke putzte viele Klinken. Die CDU setzte besonders auf Großveranstaltungen mit ihrer Spitzenkandidatin und ihrem Zugpferd Angela Merkel. Und alle Parteien identifizierten fleißig Zielgruppen, die sie mit speziellen Slogans auf Plakaten und in Veranstaltungen anziehen wollten. Hier stach 2013 besonders die "Ausländermaut" der CSU hervor.

Social Media sind also nur ein kleiner Teil dessen, was heute den Wahlkampf ausmacht. Und sie erreichen nur einen Bruchteil der Wählerinnen und Wähler, besonders jüngere, gebildete Menschen in Städten. Der Mythos der beiden letzten Obama-Wahlkämpfe in den USA – Präsident Barack Obama hatte viel Geld durch Spenden im Internet eingenommen - hat zu einer Überbewertung des Netzwahlkampfes geführt, ausgelöst von Akteuren, die ökonomisch daran interessiert sind. Vergessen wird dabei, dass die Obama-Wahlkämpfe vor allem Organisationsmaschinen waren: Mehr als 2000 Menschen haben 2012 für Obamas Internetkampagne gearbeitet.

Großer Betreuungsaufwand

Im Vergleich dazu nimmt sich das Budget der deutschen Wahlkämpfenden winzig aus. Konzertierte Strategien waren bei den im Bundestag vertretenen Parteien nicht zu beobachten. Besonders der Betreuungsaufwand für Social Media ist ein Problem. Profile auf Facebook oder Twitter brauchen rund um die Uhr Aufmerksamkeit, da die Nutzer schnelle Antworten erwarten.

Insbesondere Twitter bietet mit seiner nahezu unendlichen Öffentlichkeit auch weniger bekannten Kandidaten die Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil viele Mitarbeiter der Hauptstadtpresse Social Media stark nutzen. Dies mag auch erklären, warum meist nicht unbedingt das Gespräch mit potentiellen Wählern, sondern das mit Parteifreunden und Journalisten im Mittelpunkt vieler politischer Tweets steht.

Werden Social Media das Wesen der Politik verändern? Es ist zu früh, um das zu beurteilen. Sicher ist, dass ihr Einsatz in kommenden Wahlkämpfen noch intensiver sein wird.

Fussnoten