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Meinungsfreiheit heißt Auseinandersetzung

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Christoph Links gründete im Herbst 1989 mit dem Ch. Links Verlag einen der ersten privaten Verlage in der DDR. (© Ch. Links Verlag)

Zum Erbe der Friedlichen Revolution in der DDR gehört für mich das anhaltende Engagement für die Meinungsfreiheit. Als Verleger muss ich sie beinahe täglich verteidigen, gegen Angriffe von rechts, mitunter aber auch von links.

Oppositionelle, die 1988 mit dem Rosa-Luxemburg-Zitat "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden" auf die Straße gingen, wurden verhaftet. Presse- und Äußerungsfreiheit waren zentrale Forderungen im Herbst 1989, die Gründung unseres Verlages drei Wochen nach dem Mauerfall somit folgerichtig. Wir starteten mit Büchern, die sich mit Korruption und Amtsmissbrauch in der alten SED-Führung beschäftigten, mit dem volkswirtschaftlichen Kahlschlag der Treuhandpolitik und mit dem aufkommenden Rechtsextremismus im vereinigten Deutschland. Schon sehr bald ging es darum, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit bei der kritischen Berichterstattung verlaufen: Wann hat man es mit (falschen) Tatsachenbehauptungen zu tun, wo beginnen Schmähkritik oder gar Verleumdung?

Meine Sicht darauf schärften mir die deutschen Gerichte. Wir hatten uns der Klagen von Treuhandmanagern genauso zu erwehren wie solchen von Scientologen und Neonazis. Mehrheitlich obsiegten wir, doch in einigen Fällen mussten wir auch Stellen schwärzen. Gegenwärtig werden wir von einer Abmahnwelle rechter Siedler überzogen, die mehr als 30 Stellen in dem Buch "Völkische Landnahme" von Andrea Röpke und Andreas Speit verboten sehen wollen. Die Unterlassungsbegehren kommen überwiegend aus einer Kanzlei in Köln, die auch die AfD vertritt und in der heute ein ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz mitwirkt. Mit diesem massiven Auftreten soll die namentliche Nennung mehrerer rechter Akteure untersagt werden. Die geforderten Unterlassungserklärungen haben wir nicht abgegeben, denn all unsere Darstellungen betreffen Personen, deren Handlungen von übergeordnetem öffentlichem Interesse sind und deren Bewertung durch die Meinungsfreiheit gedeckt ist. In einem ersten Verfahren zu dem Buch entschied das Berliner Landgericht, dass die sehr kritische politische Bewertung eines Akteurs durch unsere Autoren berechtigt ist, da sie einen belegbaren Tatsachenkern enthält. Das gilt als wichtiger Maßstab für zulässige Meinungsäußerungen.

Gewiss, es ist anstrengend, kritische Darstellungen immer wieder vorab zu prüfen und nicht einfach dem Ärger freien Lauf zu lassen. Ja, es ist lästig, unter Zeitdruck alle Belege für das eigene Urteil zusammenzutragen, und die Auseinandersetzungen sind mitunter auch teuer. Doch das muss uns die Freiheit wert sein! Ein generelles Verbot rechter Propaganda, wie mitunter von einzelnen Linken gefordert, würde liberale Werte aushöhlen und langfristig gesehen zerstören. Die Auseinandersetzungen müssen zunächst inhaltlich geführt werden, administrative Maßnahmen sollten nur letzte Schritte bleiben.

Zu dieser Haltung haben wir uns auch in der Interessengruppe Meinungsfreiheit des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels durchgerungen, als vor einem Jahr der Ruf laut wurde, rechte Verlage von der Frankfurter Buchmesse auszuschließen. Doch wer von uns soll die Urteile fällen? Wo beginnt der Extremismus? Der Gesetzgeber hat hier klare Grenzen für rassistischen Hass, nationalistische Hetze oder Aufrufe zur Gewalt festgelegt.

Für die Durchsetzung dieser Gesetze sind allerdings deutlich besser ausgestattete Gerichte dringend erforderlich. Viele Verfahren werden wegen Überlastung eingestellt oder verzögern sich um Jahre. Hier auf eine Änderung zu dringen und sich für die Verteidigung der Meinungsfreiheit stark zu machen, bleibt eine Aufgabe der gesamten demokratischen Gesellschaft.

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