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Urlaub von der DDR | Weltfestspiele 1973 | bpb.de

Weltfestspiele 1973 Einführung Video-Interviews mit Zeitzeugen I Der Umgang mit der DDR war nicht fair Wir haben unser Leben am Staat vorbei gelebt Neugierde auf eine "fremde Welt" Der Bessere hat gewonnen Keiner will die DDR wiederhaben, aber keiner will ohne Vergangenheit sein Hinterher war alles beim Alten Lieber Kneipen in Westberlin als Weltfestspiele in der DDR Das Erlebnis einer DDR, die nicht so muffig war "Wie hälst du es mit den Freiheitsrechten?" Einfach mal die andere Seite der Stadt kennen lernen Es war ganz sicher Woodstock Der Wunsch nach Offenheit kann ansteckend sein Video-Interviews mit Zeitzeugen II Erwartet wurde eine klare Niederlage Urlaub von der DDR Ostalgie als Standard-Sehnsucht Mich hat die neue Zeit geküsst Heutzutage ist die kulturelle Vielfalt überall Die Weltfestspiele als Satire Wie ein Rausch und die Flachtrommel mit dabei Dem SED-Mann gingen die FDJler von der Stange Freiheiten des Alltags Das Thema ist immer Kapitalismus und Sozialismus gewesen Die Weltfestspiele damals und heute Chronik Das Jahr 1973 Weltfestspiele in Zahlen und Fakten Hinter den Kulissen des X. Festivals ND-Titelblatt vom 29. Juli 1973

Urlaub von der DDR Dr. Erhart Neubert, Religionssoziologe

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Der Religionssoziologe und Bürgerrechtler Dr. Erhart Neubert nahm als 33-jähriger an den Weltfestspielen teil. Der damalige Studentenpfarrer aus Weimar errichtete gemeinsam mit anderen einen "Gesprächsstützpunkt" in der Marienkirche, der allen offen stand.

Urlaub von der DDR

Erhart Neubert im Interview

Urlaub von der DDR

Der ehemalige Bürgerrechtler und Pfarrer spricht über sdas Verhältnis von Staat und Kirche in der DDR.

Textversion des Video-Interviews

Ich war damals Studentenpfarrer und es gab eine Initiative von der Kirche, dass eine größere Gruppe von Jugendpfarrern nach Berlin fahren sollte und – neben verschiedenen anderen Veranstaltungen, die die Kirche während der Weltfestspiele anbot – haben wir einen Gesprächsstützpunkt, wie wir sagten, in der Marienkirche eingerichtet und standen dort Besuchern, DDR-FDJlern, DDR-Dissidenten, aber auch Ausländern, Westdeutschen und dem ganzen bunten Völkergemisch, was sich damals hier in Berlin traf, zur Verfügung. Man hat natürlich die Vorsicht walten lassen, die man immer als kirchlicher DDR-Bürger walten ließ, aber wir wollten auch die Wahrheit sagen, wo es uns gut geht und wo es uns nicht so gut geht.

Die Probleme, die wir hatten, waren, dass gerade zu Anfang der 70er Jahre die Religionsfreiheit, besonders bei den Jugendlichen, eingeschränkt war. Das haben wir auch nicht verheimlicht. Wir waren zum Teil damals auch noch kritisch gegenüber dem Westen, wir waren von Chile begeistert, dass dort freie Wahlen zu einer sozialistischen Regierung geführt hatten. Und dann haben wir natürlich die Sache umgedreht und haben gesagt, bei uns müssten auch freie Wahlen stattfinden.

Es war also auch so, dass wir schon gemerkt haben, dass die Barriere zwischen Staat und Kirche in diesen Tagen, während der Weltfestspiele, von Seiten des Staates sehr niedrig gemacht wurde, um zu zeigen, auch in der Dritten Welt – da gab's ja viele Christen: Wie gehen wir im Sozialismus offen und frei mit der Kirche um! Das war natürlich auch eine Chance für uns, die wir genutzt haben, aber es war nicht der Alltag. Der Alltag war wesentlich härter. Das Einzige, was wir machen konnten, war ein bißchen Klimaverbesserung, ein bißchen Selbstbewusstsein zeigen: Man kann auch in der DDR Christ sein, wenn man sich eben traut und sich nicht gleich einschüchtern lässt. So dass wir richtig ein bißchen euphorisch waren und vielleicht auch ein bißchen zu viel Schönes in den Weltfestspielen gesehen haben. Aber es war richtig: Einmal ein bißchen Urlaub von der DDR.

Fussnoten