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"Das hieß arbeitsscheu." | Ravensbrück – Überlebende erzählen | bpb.de

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"Das hieß arbeitsscheu."

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Ilse wird 1924 bei Wismar geboren. Schon früh muss sie bei der Feldarbeit mithelfen – die Stiefmutter hat nur wenig für Ilse übrig. Ilse reißt immer wieder aus und wird deshalb als "arbeitsscheu" klassifiziert. 1943 wird sie ins Arbeitshaus im Schloss Güstrow eingeliefert, im August 1944 wird Ilse nach Ravensbrück überstellt.

Ilse Heinrich (© privat)

Ilse Heinrich

Geboren am 17. Juli 1924, in Hornsdorf

Ilse wird 1924 in Hornsdorf bei Wismar geboren. Ihre Mutter stirbt an Tuberkulose, als Ilse sechs Jahre alt ist. Die zweite Frau ihres Vaters bringt wenig Verständnis für sie auf. Ilse hat eine schwere Zeit: Sie muss auf dem Feld helfen und findet kaum Zeit, sich auf die Schule vorzubereiten.

1939 schließt sie die Schule ab und möchte gerne als Schiffsschwester oder Säuglingsschwester arbeiten. Aber wegen ihrer schlechten Schulbildung erhält sie keine Berufsausbildung, sondern muss wieder beim Bauern arbeiten. Immer wieder reißt sie aus, wird von der Polizei aufgegriffen und zurückgebracht. Sie wird deshalb als "arbeitsscheu" klassifiziert. 1943 wird Ilse ins Arbeitshaus im Schloss Güstrow eingeliefert und muss wieder Feld- und Gartenarbeit leisten.

Im August 1944 wird sie aufgefordert, ihre Sachen zu packen. Sie glaubt, dass sie nach Hause gehen kann, doch stattdessen wird sie in das Frauen-KZ Ravensbrück überstellt. Ihr werden die Haare geschoren. Das Bett ist verlaust, sie hungert, friert und muss schwer arbeiten. Anfang 1945 erkrankt sie schwer und wird ins Krankenrevier eingeliefert. 1945 bei Kriegsende – die SS und die meisten Häftlinge haben bereits das Lager verlassen – hilft ihr eine Häftlings-Krankenschwester aus dem Krankenrevier und bringt sie zu einer SS-Villa, wo Ilse die nächsten 14 Tage hochgepäppelt wird. Als sie endlich wieder zu Hause eintrifft, will die Stiefmutter sie nicht im Haus haben.

Endlich findet sie ein Zuhause und eine Familie

Ilse Heinrich (© privat)

Im September 1947 bringt Ilse eine Tochter zur Welt. Das Kind ist unehelich, der Vater ein russischer Soldat. Das Landesjugendamt von Wismar will ihr das Kind wegnehmen, aber Ilse wehrt sich. So lässt das Jugendamt das Kind von Ilses Vater abholen. Wenig später gibt er das Kind zur Adoption frei. 1948 arbeitet Ilse – wieder im Schloss Güstrow – als Küchenhilfe. Sie bekommt eine zweite Tochter, die sie versorgt. Ilse geht dann nach Berlin, ihre Tochter bleibt im Kinderheim Hagenow. Bei den Weltjugendfestspielen 1951 in Berlin lernt sie ihren Mann kennen. Sie heiraten, haben zusammen einen Sohn und eine Tochter und holen die zweite Tochter Ilses aus dem Kinderheim zu sich. Endlich kommt sie zur Ruhe – findet ein Zuhause und eine Familie.

1987 erfährt sie von der Möglichkeit, als Opfer der NS-Willkür eine Entschädigung zu erhalten. Sie kämpft um die Anerkennung als Verfolgte des Nazi-Regimes und erhält endlich nach langjährigen Bemühungen seit 1995 eine Zusatzrente und im Jahre 2003 die erste Rate aus dem Fonds zur Entschädigung für Zwangsarbeit.

Aus einem Interview mit Christa Schikorra

Fussnoten