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"Es gibt zwei Gerüche, die ich nie vergessen werde: Das ist Chlor und wie es riecht, wenn Fleisch brennt." | Ravensbrück – Überlebende erzählen | bpb.de

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"Es gibt zwei Gerüche, die ich nie vergessen werde: Das ist Chlor und wie es riecht, wenn Fleisch brennt."

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Nach dem "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich leisten Lisl und ihre Familie Widerstand gegen den Faschismus. Lisl ist im Kommunistischen Jugendverband aktiv. Am 3. Juli 1941 wird sie von ihrem Arbeitsplatz von der Gestapo weggeholt. Sie ist 17 Jahre alt.

Lisl Jäger (© privat)

Lisl (Leopoldine, Elisabeth) Jäger

Geboren am 25. September 1924, in Wien

Die Annexion Österreichs durch Hitler-Deutschland 1938, die infolge einer entsetzlichen wirtschaftlichen Lage bei vielen Österreichern Zustimmung fand, war für uns eine starke Motivierung, gegen die Faschisten etwas zu machen. Ich wurde im Kommunistischen Jugendverband (KJV) aktiv. Wir haben Familien von Inhaftierten betreut, Illegale vom Bahnhof weitergeschleust und für die Rote Hilfe gesammelt.

In meiner Familie haben alle Widerstand geleistet, sogar der Vater. Er war Markthelfer auf dem Wiener Naschmarkt und hat zum Beispiel unseren Vervielfältigungsapparat versteckt. Er starb im März 1941. Bis zum 3. Juli 1941 ging alles gut. Doch an diesem Tag wurde ich vom Büro weggeholt. Als ich zur Gestapo kam, war meine Mutter schon da. Sie hatten sie "irrtümlich" geholt, wir beide hatten den gleichen Vornamen. Aber die Gestapo hat die Mama trotzdem nicht gehen lassen und bald fanden sie heraus, dass auch sie für die Rote Hilfe gesammelt sowie ihre Wohnung für illegale Treffen bereitgestellt hatte.

1941 kam es in Wien zu vielen Verhaftungen von Beteiligten des politischen Widerstandes, auch von Mitgliedern des KJV. Die Gestapo kam so auf die Spur meiner Familie. Mein Bruder Bruno gehörte zu jenen, die zum Tode verurteilt wurden. Er starb am 24.4.1944 unter dem Fallbeil.

Ich kam in Block 19

Ich war zunächst in Gestapohaft, nach vielen Verhören kam ich dann in Untersuchungshaft. An eine liebe Geste der Solidarität in meiner Untersuchungshaft erinnere ich mich ganz besonders: Die in Hamburg-Harburg lebende Tante meiner Zellengenossin, eine Schneiderin, nähte mir für die Gerichtsverhandlung ein wunderschönes Kleid. Ich sah diese Tante zu Prozessbeginn das erste Mal. Nach der Verurteilung wurde ich zur Strafverbüßung, drei Jahre, nach Stadelheim bei München transportiert, meine Mutter nach Aichach, ebenfalls in Bayern. Gearbeitet habe ich für die Firma AGFA, wie üblich ohne Lohn. Nach Haftende erhielt ich einen neuen Schutzhaftbefehl, obwohl ich bei meiner Verhaftung erst siebzehn Jahre alt war, und wurde ins Konzentrationslager Ravensbrück überstellt.

Zuerst kam ich in den Block 19. Meine erste Arbeit bestand darin, den ganzen Tag Sand zu bewegen: schaufeln, schaufeln, schaufeln. Die Arbeit brachte mich rasch an die Grenzen meiner körperlichen Kraft. Wiener Kameradinnen, darunter Toni Bruha und Anni Hand, denen meine rasche Entkräftung auffiel, halfen mir, bei einem leichteren Arbeitskommando unterzukommen.

Im März 1945 bekam ich Typhus. Wir haben zu dritt in zwei Betten geschlafen. Hermi Löwenstein und ich wurden am selben Tag ins Krankenrevier gebracht. Ich habe das mehr oder weniger gut überstanden, aber Hermi bekam noch eine Herzinnenwandentzündung. Ich musste ihr versprechen, dass ich sie bei der Flucht nicht im Krankenrevier zurücklasse. In unserer Fluchtgruppe haben wir alles für sie vorbereitet, und wir haben sie mitgenommen.

Quelle: Frauenkonzentrationslager Ravensbrück - Kalender 2000, Senatsverwaltung für Arbeit, Berufliche Bildung und Frauen, Berlin, 1999

Fussnoten