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Das Menschenrecht auf Bildung | Bildung | bpb.de

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Das Menschenrecht auf Bildung

Claudia Lohrenscheit

/ 8 Minuten zu lesen

Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Dazu haben sich über 160 Staaten der Welt bekannt. Doch was beinhaltet dieses grundlegende Menschenrecht und wie wird es in Deutschland und weltweit umgesetzt?

Eleanor Roosevelt war Vorsitzende der UN-Menschenrechtskommission, als diese 1947 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte ausarbeitete. (© Public Domain)

Die Idee, dass jeder Mensch auf der Welt gleichermaßen ein Recht auf Bildung haben sollte, ist bahnbrechend! Dazu haben sich mit dem Internationalen Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte, der das Recht auf Bildung in Artikel 13 enthält, 160 Staaten der Welt bekannt.

Quellentext"Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung."

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (1948), Artikel 26

  1. Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.

  2. Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen und allen rassischen oder religiösen Gruppen beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.

  3. Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll.

Doch der Weg von der Absichtserklärung zur konkreten Umsetzung ist auch heute noch lang und voller Barrieren. Denn Bildung ist in vielen Gesellschaften noch immer ein Privileg der wenigen, die sich Bildung leisten können, und keineswegs ein Recht für alle. Vielen Kindern und Jugendlichen aus sozial schlechter gestellten Familien bleibt die Verwirklichung ihres Rechts auf Bildung verwehrt. Dies gilt weltweit nicht nur für die armen Länder des Südens, sondern zunehmend auch für die reichen Industriestaaten des Nordens. Dies ist ausdrücklich zu betonen, denn nicht selten und fälschlicherweise herrscht die Wahrnehmung vor, Menschenrechte wie das Recht auf Bildung seien lediglich in den Ländern des Südens ("Entwicklungsländer") gefährdet, dagegen in westlichen Demokratien längst durchgesetzt. Als 2006 der UN-Sonderberichterstatter für das Menschenrecht auf Bildung, Vernor Muňoz, Deutschland besuchte, reagierten einige Medien und Kultusministerien regelrecht abwehrend nach dem Motto: "Was will der überhaupt hier?". Muňoz untersuchte zwei Wochen lang das deutsche Bildungssystem. In seinem Bericht kritisierte er das deutsche gegliederte Schulsystem als "selektiv", da es bestimmte Gruppen deutlich benachteilige und damit zu ihrer de facto Diskriminierung führe (siehe unten).

Hintergrund: Das Recht auf Bildung als universelles Menschenrecht

Die Menschenrechte sind Antworten auf Gewalt- und Unrechtserfahrungen, gegen die sich Menschen erfolgreich zur Wehr gesetzt haben (Bielefeldt 2006). Denn sie wurden in der Auseinandersetzung mit Verbrechen gegen die Menschheit gefordert und in völkerrechtlichen Verträgen festgeschrieben. Zentrale Grundlage für ihre heutige Form ist die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEMR), die am 10.12.1948 von der Generalversammlung der damals noch jungen Vereinten Nationen (UN) verabschiedet wurde. Auf ihr beruht die gegenwärtige Kontur des Menschenrechts auf Bildung, welches in Artikel 26 wie folgt formuliert wird:

  1. "Jeder hat das Recht auf Bildung. Die Bildung ist unentgeltlich, zum mindesten der Grundschulunterricht und die grundlegende Bildung. Der Grundschulunterricht ist obligatorisch. Fach- und Berufsschulunterricht müssen allgemein verfügbar gemacht werden, und der Hochschulunterricht muß allen gleichermaßen entsprechend ihren Fähigkeiten offenstehen.

  2. Die Bildung muß auf die volle Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit und auf die Stärkung der Achtung vor den Menschenrechten und Grundfreiheiten gerichtet sein. Sie muß zu Verständnis, Toleranz und Freundschaft zwischen allen Nationen (…) beitragen und der Tätigkeit der Vereinten Nationen für die Wahrung des Friedens förderlich sein.

  3. Die Eltern haben ein vorrangiges Recht, die Art der Bildung zu wählen, die ihren Kindern zuteil werden soll."

Die Kernforderungen des Rechts auf Bildung sind damit deutlich genannt: Grundbildung soll verpflichtend und unentgeltlich sein; kein Kind darf diskriminiert werden; die Erziehungsberechtigten dürfen die Bildungsangebote für ihre Kinder wählen. Ebenso sind die Aufgaben und Ziele von Bildung klar festgelegt: Alle Menschen sollen ihre Persönlichkeit entfalten können und in der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten gestärkt werden. Dem Recht auf Bildung kommt somit im Rahmen der Menschenrechte eine ganz besondere Bedeutung zu: Es soll zur Förderung der Menschenrechte insgesamt beitragen und wird daher auch als Recht auf Menschenrechtsbildung beschrieben (Lohrenscheit 2004). Für die Umsetzung des Rechts auf Bildung ist – neben den in der AEMR formulierten Kernforderungen – vor allem der grundlegende Kommentar des Sozialpaktausschusses der Vereinten Nationen (1999) relevant. Denn darin werden die rechtlichen Forderungen an die Einzelstaaten durch die folgenden vier Strukturelemente des Menschenrechts auf Bildung näher bestimmt:

  • Verfügbarkeit: Schulen müssen in ausreichendem Maß zur Verfügung stehen und funktionsfähig sein. Hierzu muss gewährleistet sein, dass ausgebildete Lehrkräfte unterrichten und ausreichend Unterrichtsmaterialien vorhanden sind.

  • Zugänglichkeit: Keinem Menschen darf der Zugang zu Bildung rechtlich und faktisch verwehrt werden. Insbesondere für die schwächsten Gruppen muss Bildung frei zugänglich sein (wirtschaftlich und physisch), was beispielsweise behinderte Kinder und Kinder aus armen oder sozial benachteiligten Familien besonders betrifft.

  • Angemessenheit: Form und Inhalt von Bildung soll relevant, kulturell angemessen und hochwertig sein. Methodik und Didaktik sollen Kinder und Jugendliche in der Entwicklung ihrer Persönlichkeit fördern und sich an ihren Lebenslagen orientieren. Lehrmittel dürfen keine falschen oder überholten Informationen enthalten und sind an das Gleichheitsgebot gebunden, d.h. sie erfüllen eine wichtige Funktion bei der Herstellung von Lernumwelten, frei von Diskriminierung.

  • Adaptierbarkeit: Bildung muss sich an die Erfordernisse sich verändernder Gesellschaften und Gemeinwesen anpassen. Wenn sich die Lebenslagen von Kindern und Jugendlichen ändern, dann muss sich das Bildungssystem darauf einstellen – und nicht etwa umgekehrt, d.h. Kinder und Jugendliche sollen nicht für die existierenden Strukturen im Bildungswesen "passend" gemacht werden.

Bildung für alle Menschen weltweit!?

In vielen Ländern und Regionen der Welt ist Bildung nach wie vor ein Luxusgut und weit davon entfernt, als universelles Menschenrecht realisiert zu werden. Dies gilt für die armen Staaten des globalen Südens, aber zunehmend auch für die reichen Staaten des

Das Menschenrecht auf Bildung

Nordens. Um die Verwirklichung des Rechts auf Bildung in Ländern mit ganz unterschiedlichen Voraussetzungen und Herausforderungen voranzutreiben, hat die UN verschiedene Institutionen, Mechanismen und Instrumente geschaffen:

Die UNESCO, die United Nations Educational, Scientific and Cultural Organisation, hat es sich zur Aufgabe gemacht, das Recht auf Bildung weltweit durchzusetzen. Seit 1990 koordiniert sie das Aktionsprogramm "Education for All – Bildung für alle". Es ist das größte Programm der UNESCO im Bildungsbereich. Entscheidend für die aktuelle Kampagne ist auch das Weltbildungsforum in Dakar, Senegal 2000. Hier formulierten 164 Staaten gemeinsam sechs Bildungsziele und einigten sich darauf, diese bis zum Jahr 2015 zu erreichen (siehe: Deutsche UNESCO-Kommission). Hierfür sollen Regierungen, UN-Organisationen, Nichtregierungsorganisationen und die Zivilgesellschaft zusammenarbeiten. Die sechs Bildungsziele lauten:

  1. Ausbau und Verbesserung der frühkindlichen Bildung, insbesondere für benachteiligte Kinder

  2. Zugang zu unentgeltlicher, obligatorischer und qualitativ hochwertiger Grundschulbildung für alle Kinder

  3. Zugang zu Lernangeboten und Training von Basisqualifikationen (life skills)

  4. Alphabetisierungsrate von Erwachsenen, besonders von Frauen, um 50 Prozent erhöhen

  5. das Geschlechtergefälle in der Primar- und Sekundarbildung überwinden und die Lernchancen für Mädchen verbessern

  6. Allgemeine Qualitätsverbesserungen in der Bildung

Im Auftrag der UNESCO überprüft ein internationales Team seit 2002, wie weit die sechs Ziele weltweit bereits umgesetzt wurden, und veröffentlicht dazu jährlich den Weltbildungsbericht. Wie sich in den jährlichen Berichten zeigt, verläuft die Umsetzung des Rechts auf Bildung in den verschiedenen Gesellschaften keineswegs reibungslos. Im Folgenden werden einige der Hauptprobleme benannt, die mit den Weltbildungsberichten 2010 und 2011 ermittelt und durch das Right to Education-Projekt ausgewertet wurden:

  • Mangelernährung: 178 Millionen Kinder sind weltweit von Mangelernährung betroffen mit steigenden Tendenzen (Hauptbarriere beim Zugang zu Bildung).

  • Verfügbarkeit: 67 Millionen Kinder und Jugendliche weltweit besuchen keine Schule (davon 28 Millionen in Kriegs- und Krisengebieten).

  • Geschlecht: Von allen Kindern und Jugendlichen, die keine Schule besuchen können, sind Mädchen nach wie vor die Mehrheit (54 %).

  • Personelle Ressourcen: 10,3 Millionen zusätzliche Lehrkräfte werden benötigt, um das Ziel einer universellen Grundschulbildung zu erreichen.

  • Alphabetisierung: 796 Millionen erwachsene Menschen auf der Welt sind nicht alphabetisiert; beim Ziel der Halbierung der Analphabeten-Raten bis 2015 wurden nur wenige Fortschritte erzielt.

Diese wenigen ausgewählten Daten zeigen, dass die internationale Staatengemeinschaft ihr Versprechen "Bildung für alle" bis 2015 nicht einlösen wird. Die UNESCO berechnet, dass allein für die 46 einkommensschwächsten Länder dafür ein Budget von 16 Milliarden US-Dollar pro Jahr benötigt wird. Zum Vergleich: Würden allein die reichen Länder den Gegenwert ihrer Militärausgaben nur sechs Tage lang in die Grundbildung der armen Länder investieren, könnten sie die derzeitige Finanzierungslücke in Höhe von 16 Milliarden US-Dollar schließen und die Einschulung aller Kinder weltweit bis 2015 erreichen – so der Bericht aus dem Jahr 2011 (vgl. UNESCO 2011, S. 13). Diese Gegenüberstellung macht deutlich, wie stark die Umsetzung des Menschenrechts auf Bildung von der politischen und ökonomischen Prioritätensetzung sowohl einzelner Länder als auch der internationalen Staatengemeinschaft abhängt.

"Mission to Germany" – das deutsche Bildungssystem auf dem Prüfstand der UN

Ein wichtiger Akteur für die Bildung weltweit ist der UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Bildung, dessen Amt 1998 von der UN eingerichtet wurde. Kern seines Auftrages ist es, Berichte zu bestimmten Themenschwerpunkten sowie Länderberichte für den UN-Menschenrechtsrat und die UN-Generalversammlung zu erstellen. Für die Länderberichte wertet der UN-Sonderberichterstatter Daten über das jeweilige Bildungssystem aus und ergänzt sie durch Erkenntnisse, die er während eines etwa zweiwöchigen Besuches vor Ort gewinnt.

In dieser Funktion bereiste Vernor Muňoz im Februar 2006 die Bundesrepublik Deutschland. Er sprach mit Regierungsvertreterinnen und Regierungsvertretern auf Bundes- und Landesebene, mit Kindern und Lehrkräften in den Bildungseinrichtungen sowie mit Menschen aus Verbänden und Vereinen, um sich umfassend und multiperspektivisch über den Umsetzungsstand des Rechts auf Bildung zu informieren. Etwa ein Jahr später, im März 2007, veröffentlichte er seinen Bericht.

Muňoz würdigte darin zwar die Reformbemühungen, verwies aber vor allem auf die Herausforderungen für das deutsche Bildungswesen (Muňoz 2007: S. 83/84). Damit das Recht auf Bildung in Deutschland für jedes Kind gleichermaßen umgesetzt werden kann, müssen nach Auffassung des UN-Sonderberichterstatters insbesondere soziale und ökonomische Benachteiligungen beseitigt werden.

Auch wurden die Interessen und Bedürfnisse von Kindern mit Migrationsgeschichte lange zu wenig berücksichtigt. Denn die Politik hat sich vehement geweigert, anzuerkennen, dass die deutsche Gesellschaft seit vielen Jahrzehnten eine Einwanderungsgesellschaft ist. Die Hauptursache für die Bildungsbenachteiligung sieht Muňoz jedoch in einem grundsätzlichen Problem des deutschen Schulsystems: In kaum einem westlichen Industrieland ist der Bildungserfolg eines Kindes generell so stark von der sozialen Situation seiner Familie abhängig wie in Deutschland. Von dieser "sozialen Selektivität" sind Kinder mit Migrationsgeschichte besonders betroffen, da sie weit überdurchschnittlich häufig in sozial schlechter gestellten Familien aufwachsen. Ihre Bildungsbenachteiligung, so Muňoz, habe daher hauptsächlich soziale Ursachen und sei weniger auf ethnische oder kulturelle Faktoren zurückzuführen.

Gerade für Flüchtlingskinder ist das Recht auf Bildung in Deutschland keineswegs durchgesetzt. So leiden Kinder mit befristeter Aufenthaltsgenehmigung (Duldung) oder Kinder, die gar keinen Aufenthaltsstatus haben, darunter, dass sie nur eingeschränkten oder überhaupt keinen Zugang zu Bildungsangeboten haben. Denn sie werden von der allgemeinen Schulpflicht nicht erfasst. Für diesen diskriminierenden Umgang mit Flüchtlingskindern wurde die Regierung auch von anderer Seite massiv kritisiert, etwa vom UN-Kinderrechtsausschuss.

Über das Recht auf Bildung für behinderte Kinder legte der Sonderberichterstatter im Jahr 2007 einen eigenen Themenbericht vor in dem er grundsätzlich Stellung für ein inklusives Bildungssystem bezieht. Danach sollen alle Kinder und jungen Menschen die Möglichkeit haben, gemeinsam zu lernen. Inklusive Bildung gründet auf der Erkenntnis, dass jedes Kind einzigartig ist, auch in seinen Möglichkeiten und Bedürfnissen beim Lernen, und dass diejenigen, die spezielle Lernbedürfnisse haben, genauso ins allgemeine Schulsystem gehören wie alle anderen Kinder auch. Im traditionell gegliederten Schulsystem mit Sonder- bzw. Förderschulen werden behinderte und benachteiligte Schülerinnen und Schüler getrennt von anderen Kindern unterrichtet und dadurch isoliert. Nicht die Kinder sind es aber, die sich an ein existierendes Schulwesen anzupassen haben, sondern die Schule muss den vielfältigen individuellen Lernbedürfnissen der Schülerinnen und Schüler gerecht werden. Seit 2009 ist das Recht auf inklusive Bildung in Deutschland durch die UN-Behindertenrechtskonvention gesetzlich verankert.

Der Anspruch auf inklusive Bildung geht aber weit über das Thema Behinderung hinaus. Denn Inklusion beschreibt in einem Wort das Ziel von Bildung, wie es in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte festgehalten ist: Jeder Mensch hat das Recht auf Bildung. Grundlage dafür sind Freiheit, Gleichheit und die Erkenntnis, dass jeder Mensch dazugehört zur menschlichen Familie, zur menschlichen Gemeinschaft oder schlicht ausgedrückt zu einem "Wir".

Weitere Inhalte

Dr. Claudia Lohrenscheit, geb. 1970 in Thuine, ist Professorin für Internationale Soziale Arbeit und Menschenrechte an der Hochschule Coburg. Schwerpunkte ihrer Arbeit sind: Kinderrechte, Gleichheit und Diskriminierungsschutz und Menschenrechtsbildung. Zuletzt erschien von ihr beim Deutschen Institut für Menschenrechte der Sammelband (2009): Sexuelle Selbstbestimmung als Menschenrecht.