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Können auch Unternehmen Persönlichkeitsrechte geltend machen?

Autorenteam iRights.Lab

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Unser Zivilrecht unterscheidet zwischen natürlichen und juristischen Personen. Mal haben Unternehmen dieselben, mal ähnliche und mal gänzlich unterschiedliche Rechte und Pflichten als Menschen. Bei der Frage, ob Unternehmen auch ein Allgemeines Persönlichkeitsrecht haben sollen, vertreten die höchsten Instanzen abweichende Positionen. Der Bundesgerichtshof bejaht diese Frage, vom Bundesverfassungsgericht wird diese Rechtsprechung lediglich geduldet.

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Ausgangspunkt der Bewertung ist der Externer Link: Artikel 19 des Grundgesetzes. Danach gelten Grundrechte auch für Unternehmen, "soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind." Gemeint ist damit, dass das betroffene Grundrecht an eine Eigenschaft anknüpft, die nur Menschen und Unternehmen gleichermaßen zukommt. Deutlich wird das zum Beispiel beim Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Unternehmen haben keinen Körper aus Fleisch und Blut und einen Verstand, der sie rechtsfähig und ab einem gewissen Alter auch geschäftsfähig macht. Dieses Merkmal trifft nur auf Menschen zu. Andere Eigenschaften hingegen kommen sehr wohl Menschen und Unternehmen zu. Beide können etwa eine Wohnung kaufen oder eine Versammlung veranstalten. Somit können sie sich auch auf das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung berufen und genießen den Schutz der grundrechtlich gewährleisteten Versammlungsfreiheit. Es muss also für jedes Grundrecht immer ganz genau überprüft werden, ob es auch auf Unternehmen anwendbar ist. Maßstab ist, ob der (rechtliche) "Durchgriff" auf die hinter dem Unternehmen stehenden natürlich Personen möglich erscheint: die Bildung und Betätigung des Unternehmens muss Ausdruck der freien Entfaltung der dahinter stehenden natürlichen Person sein.

Bei Persönlichkeitsrechten ist das besonders schwierig. Es stellt sich die Frage, ob Unternehmen überhaupt einen sozialen Achtungsanspruch haben. Allerdings ist inzwischen überwiegend anerkannt, dass Unternehmen ein Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie ein Schutz ihrer geschäftlichen Ehre zukommt. Der Schutz gegen unwahre Behauptungen, die Unternehmen wirtschaftlich beeinträchtigen, ist hierbei ausdrücklich in Externer Link: Paragraf 824 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geregelt und vorrangig zu berücksichtigen. (Daneben existiert auch ein "Recht am Unternehmen", dessen Schutzbereich jedoch ähnlich unbestimmt ist wie der Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts.) Vorrangig sind auch die Regelungen über vorsätzlich sittenwidrige Schädigung (Externer Link: Paragraf 826 BGB), und für Auseinandersetzungen unter Wettbewerbern das Externer Link: Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Da Unternehmen sich regelmäßig öffentlich am Markt betätigen und sich etwaiger Kritik stellen müssen, reicht nicht jede kleinste Beeinträchtigung für eine Verletzung aus. Oft überwiegen andere Interessen, etwa die Meinungsfreiheit oder das öffentliche Informationsinteresse. Anders sieht es aus, wenn das Unternehmen in seinem öffentlichen Ansehen erheblich beeinträchtigt ist, zum Beispiel durch eine täuschend echt aussehende, aber gefälschte Pressemitteilung oder wenn es mit Lügen und Schmähkritik überzogen wird.

Zu beachten ist, dass der Persönlichkeitsschutz bei Unternehmen allgemein deutlich schwächer ausgeprägt ist als bei Menschen. Denn das Allgemeine Persönlichkeitsrecht beruht in erster Linie auf der Menschenwürde, die über Externer Link: Artikel 1 des Grundgesetzes absolut geschützt ist. Auf die Menschenwürde können sich Unternehmen jedoch offensichtlich nicht berufen. Eine vergleichbare "Unternehmenswürde" gibt es nicht. Das wäre auch nicht angebracht, da ein Unternehmen eben kein Intim- oder Privatleben besitzt. Hinzu kommt, dass Unternehmen in aller Regel am Marktgeschehen teilnehmen. Sie treten also freiwillig in das Licht der Öffentlichkeit. Wie bei Menschen führt auch das zu einem schwächeren Schutz. Dieser nimmt sogar noch weiter ab, je bekannter und prägender das Unternehmen ist, da es sich dann umso mehr der Kritik zu stellen hat.

Eine weitere Besonderheit ist, dass Unternehmen keine Entschädigung wegen einer besonders schweren Persönlichkeitsrechtsverletzung verlangen können (früher als Schmerzensgeld bezeichnet). Erlittene Schmerzen oder entgangene Lebensfreude, die damit ausgeglichen werden sollen, sowie Genugtuung kann ein Unternehmen gar nicht empfinden. Anders als etwa in den USA dient die Entschädigungszahlung in Deutschland nicht dazu, jemanden zu bestrafen (sogenannter "punitive damage").

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Philipp Otto ist Gründer und Executive Director des unabhängigen Think Tank für digitale Strategien iRights.Lab. Externer Link: irights-lab.de.

Valie Djordjevic ist Mitgründerin und Herausgeberin von iRights.info. Sie schreibt vor allem zu den Themen Urheberrecht und Kunst, Gender und unterrichtet als Dozentin Schreiben fürs Netz. Beim iRights.Lab arbeitet sie als Scientific Editor.

Jana Maire ist freie Beraterin für digitalen Gesellschaftswandel beim Think Tank iRights.Lab und beim Verlag iRights.Media.

Tom Hirche hat Rechtswissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin studiert und ist Alumnus der ersten deutschen Law Clinic für Internetrecht. Er beschäftigt sich mit den Wechselwirkungen zwischen digitaler Welt und dem Recht. Beim iRights.Lab arbeitet er als Analyst für Policy & Legal Affairs.

Eike Gräf ist Policy Advisor beim iRights.Lab. Seine Schwerpunkte liegen in der Projektentwicklung, der Erstellung von Konzepten zur Wissensvermittlung über digitale Themen sowie der Mitarbeit an Berichten und Studien.

Henry Steinhau arbeitet als freier Medien-Journalist und Autor in Berlin, er veröffentlicht Berichte, Interviews und Artikel, Hintergründe und Kolumnen zu medienrelevanten Themen. Er ist als freier Online-Redakteur beiExterner Link: iRights.info tätig.