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Unbezahlte Arbeit

Gisela Notz

/ 5 Minuten zu lesen

Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeiten werden oftmals von Frauen ausgeführt. Das Privatleben vieler Paare ist noch immer vom Rollenmodell des "männlichen Haupternährers" geprägt und einer Ehefrau, die Kinderbetreung und Haushalt neben der Erwerbsarbeit erledigt.

Erziehungsarbeit wird größtenteils unbezahlt von Frauen geleistet. (© iStockphoto)

Die großen Gesellschaftstheorien, die sich mit Arbeit befassen, sehen Arbeit als Tätigkeit, die der Herstellung eines Produktes dient (Produktionsarbeit). Sie ignorieren jedoch die Leistung besonders der Frauen für die Erschaffung und den Erhalt der Gesellschaft (Reproduktionsarbeit). Die Arbeiten im Haus, bei der Erziehung der Kinder, der Pflege der Alten und Hilfsbedürftigen und in der sozialen und kulturellen ehrenamtlichen Arbeit werden (außerhalb der Frauenforschung) nicht unter dem Begriff Arbeit subsumiert, obwohl sie gesellschaftlich ebenso notwendig sind wie die Erwerbsarbeit.

Sowohl im Produktionsbereich als auch im Reproduktionsbereich werden gesellschaftlich notwendige und nützliche Tätigkeiten verrichtet. Unter "Produktionsarbeit" ist die instrumentell gebundene, zielgerichtete, gesellschaftlich nützliche planmäßige Tätigkeit, für die geistige und körperliche Kräfte in Produktion und Dienstleistung eingesetzt werden, zu verstehen. Tätigkeiten jenseits der Lohnarbeit (oder einer anderen das Einkommen sicher stellenden Erwerbsarbeit), die zur Erhaltung der menschlichen Arbeitskraft einschließlich der Kinder notwendig sind, werden in der Soziologie als "Reproduktionsarbeit" definiert.

Zu den Reproduktionsarbeiten gehören sowohl die Hausarbeitsverhältnisse (Hausarbeit, Erziehungsarbeit, Pflegearbeit für Alte, Kranke und Behinderte) als auch die ehrenamtlichen Arbeitsverhältnisse im Sinne bürgerschaftlichen Engagements und freiwilliger Arbeit (ehrenamtliche politische, soziale oder kulturelle Arbeit, unbezahlte Arbeit in Selbsthilfegruppen). Zu den Produktionsarbeiten gehören alle Erwerbsarbeitsverhältnisse, also sowohl ungeschützte (prekäre) Erwerbsarbeit als auch Teilzeitarbeit, tariflich abgesicherte Erwerbsarbeit und selbstständige Arbeit.

In den Hausarbeitsverhältnissen, die meist privat, isoliert und unbezahlt geleistet werden und der eigenen Reproduktion, sowie der des (Ehe)partners, der Erziehung und Sorge der Kinder sowie der Pflege und Betreuung kranker, behinderter und alter Familienangehöriger dienen, arbeiten aufgrund der traditionellen geschlechtshierarchischen Arbeitsteilung innerhalb der kapitalistisch-patriarchalen Gesellschaft weit überwiegend Frauen. Trotz zunehmender Erwerbsbeteiligung der Frauen ist das Privatleben vieler Paare noch immer vom Rollenmodell des Mannes als "Haupternährer" geprägt. Danach verdienen Männer zumeist den Familienunterhalt, Frauen übernehmen die unbezahlte Hausarbeit und verdienen bestenfalls ein bisschen dazu. Die in unbezahlter Haus- und Familienarbeit erbrachten Leistungen gehen bisher nicht in die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung ein. Schätzungen zufolge würden sie, wenn ihr Geldwert gemessen würde, etwa ein Drittel des Sozialprodukts moderner Industriegesellschaften ausmachen (Schmid 2004).

Hausarbeit ist noch immer Frauensache

Europaweite- und deutsche Studien (z.B. Statistisches Bundesamt 2010 und Eurostat 4/2006), in denen die Anzahl von Stunden verglichen wird, die Frauen und Männer mit Erwerbsarbeit, Familienpflichten und Freizeit verbringen, machen deutlich, wie schwer dieses traditionelle Modell zu überwinden ist. Berücksichtigt man die gesamte für Berufstätigkeit und Hausarbeit aufgewendete Zeit, sind die Arbeitstage der Frauen in der EU im Durchschnitt viel länger als die der Männer. Gehören Kleinkinder zum Haushalt, öffnet sich die Schere zwischen den Geschlechtern noch weiter. Für Männer in Paarbeziehungen gilt: Wenn Kinder da sind, wird für Familienpflichten mehr Zeit aufgewendet. Doch im Gegensatz zu den Frauen steigt die für eine bezahlte Tätigkeit verwendete Zeit oder bleibt zumindest gleich.

Die Zustimmung zu dieser traditionellen Arbeitsteilung in Westdeutschland hat in den 1990er Jahren stark abgenommen. Dennoch waren im Jahr 2010 nach einer Auswertung von ALLBUS noch immer 35 Prozent aller befragten über 18jährigen Männer und Frauen in der Bundesrepublik der Meinung, dass es für alle Beteiligten viel besser sei, wenn der Mann voll im Berufsleben stehe und die Frau zu Hause bleibe. Nach der differenzierten Auswertung von 2004 gab es keine gravierenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Deutlich niedriger lag die Zustimmung zur traditionellen Arbeitsteilung allerdings in Ostdeutschland. 40 Prozent aller Befragten (West) und 17 Prozent (Ost) stimmten der traditionellen Arbeitsteilung zu. Nach Geschlechtern differenziert waren es 19 Prozent Männer und 16 Prozent Frauen in Ostdeutschland sowie je 40 Prozent Frauen und Männer in Westdeutschland. Auch stimmten weitaus mehr ältere Menschen und mehr nicht Berufstätige dieser Arbeitsteilung zu.

Hartnäckig hält sich die traditionelle Arbeitsteilung. Das zeigt auch der siebte und bisher jüngste Familienbericht der Bundesregierung von 2006. Aus ihm geht hervor, dass Männer zur Beteiligung an den Hausarbeiten immer noch schwer zu bewegen sind, bestenfalls helfen sie mit. Mahlzeiten zubereiten, Wäschewaschen, Bügeln und Hausreinigen überlassen sie ebenso wie die Kindererziehung weit überwiegend den Frauen; eher übernehmen sie Reparaturen und Gartenarbeiten, und für die Kinder sind sie für Sport und Spiel zuständig. Laut Bericht sind private Pflegearbeiten zu 80 Prozent Frauensache. Die geringere Beteiligung an den Haus-, Erziehungs- und Pflegearbeiten ändert sich auch dann nicht wesentlich, wenn Männer mit berufstätigen Frauen zusammenleben. Das Gros der Hausarbeit leisten jedoch teilzeitarbeitende Frauen.

Unterschiedliche Ehrenämter

In den ehrenamtlichen Arbeitsbereichen sind Männer eher zu Arbeiten bereit, die mit gesellschaftlicher Anerkennung und Einfluss, sowie mit Aufwandsentschädigungen verbunden sind: Schöffen, ehrenamtliche Richter, Leitungsfunktionen in Vereinen und Verbänden. In sozialen Feldern oder im Gesundheits- und Erziehungsbereich sowie im kirchlichen Bereich arbeiten auch nach den neuesten Studien (z. B. Dritter Freiwilligensurvey (1999 – 2009) der Bundesregierung 2009) vor allem Frauen. Insgesamt leisten Frauen ungefähr zwei Drittel dieser Arbeiten. "Sorge- und Kümmerarbeiten" übernehmen sie auch zu 70 Prozent in der Selbsthilfe, in der Familienselbsthilfe sogar zu 90 Prozent (Vgl. Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. 2006). Ohne diese unbezahlt geleisteten Arbeiten würde das System der sozialen Dienste zusammenbrechen.

Die Teilung der Arbeit in bezahlte und unbezahlte Arbeit ist weder zufällig noch ohne Wirkung. Schließlich beeinflusst sie die Teilhabe von Frauen an wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Belangen und Entscheidungen und an der Verteilung von ökonomischen Gütern, Geld und Vermögen. Die geschlechtsspezifische Arbeitsverteilung folgt dem Vorbild der bürgerlichen Kleinfamilie wie sie sich Mitte des 19. Jahrhunderts herausgebildet hat. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde das traditionelle Familienbild auch für die Arbeiterklasse zum erstrebenswerten Ziel. Es blieb aber aufgrund der materiellen Lebensumstände der Lohnabhängigen für die meisten ein nicht zu realisierender Traum. Das Gros der Hausarbeit hatten jedoch auch die Arbeiterinnen, die eine Familie zu Hause hatten, zu leisten.

Bezahlte und unbezahlte Arbeit sind zwei Seiten einer Medaille: Ehegattensplitting, das alleine am Tatbestand der Ehe orientiert ist und Männer mit nicht berufstätigen Frauen begünstigt sowie die Ideologisierung der Hausversorgung von Kindern und Pflegebedürftigen tragen jedoch zur weiteren Existenz des traditionellen Ehe- und Familienbildes bei – besonders in den Zeiten, in denen es ein Überangebot an Arbeitskräften gibt.

Einen ganz neuen Aspekt wirft indes die Frage auf, wie die häuslichen Versorgungssysteme erhalten werden können, wenn immer mehr Frauen einer außerhäuslichen Erwerbsarbeit nachgehen. In besser verdienenden Haushalten werden häusliche Arbeiten dann von niedrig bezahlten, meist weiblichen Haushaltshilfen erledigt. Haushaltsarbeiterinnen sind vor allem Migrantinnen, von denen die meisten aus Osteuropa, Südamerika oder aus anderen armen Regionen der Welt stammen (Lutz 2008). Nach dem siebten Familienbericht ist der Beschäftigungssektor "Privathaushalt" derjenige mit dem höchsten Anteil an ungeschützter, nicht existenzsichernder, sogenannter prekärer Arbeit. Neue Unterschichtungen, auch unter Frauen, sind die Folge.

Notwendig wird eine öffentliche Diskussion um politische Handlungsstrategien der Arbeitsteilung im Haushalt, die sich nicht mehr allein auf die Kritik an der geschlechtsspezifische Arbeitsteilung bezieht, sondern nun auch auf schichtspezifische Aspekte.

Quellen / Literatur

Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e.V. (Hrsg.) (2006): Selbsthilfegruppenjahrbuch, Gießen.

Statistisches Bundesamt (4/2006): Frauen und Männer in verschiedenen Lebensphasen, Wiesbaden, Mai 2010; Eurostat: Statistik kurz gefasst: Bevölkerung und soziale Bedingungen.

Dritter Freiwilligensurvey (1999 – 2009) der Bundesregierung (BMFFJS, Berlin 2009)

Lutz, Helma (2008): Vom Weltmarkt in den Privathaushalt. Die neuen Dienstmädchen im Zeitalter der Globalisierung, 2., überarbeitete Aufl. Opladen.

Notz, Gisela (1989): Frauen im sozialen Ehrenamt, Freiburg.

Notz, Gisela (1999): Die neuen Freiwilligen. Das Ehrenamt – Eine Antwort auf die Krise? 2. aktualisierte Auflage, Neu-Ulm.

Notz, Gisela (2005): Arbeit – Mehr als eine Beschäftigung, die Geld einbringt, Berlin: ver.di.

Notz, Gisela (2008): Arbeit: Hausarbeit, Ehrenamt, Erwerbsarbeit, in: Ruth Becker/Beate Kortendiek (Hg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage, Wiesbaden, S. 472 – 480.

Schmid, Günther (2004): Gleichheit und Effizienz auf dem Arbeitsmarkt, Gender...politik...online.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Dr. Gisela Notz ist seit 1979 wissenschaftliche Referentin in der Friedrich-Ebert-Stiftung, bis 2007 im Historischen Forschungszentrum, Forschungsabteilung für Sozial- und Zeitgeschichte, jetzt freiberuflich. Seit 2003 Herausgeberin des Kalenders Wegbereiterinnen, der fortgesetzt wird.