Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Kommerzialisierung (BRD) | Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West | bpb.de

Deutsche Fernsehgeschichte in Ost und West Fernsehspiel und Serie Begriffe und Entwicklungen Die 1950er Jahre: Anfänge Die 1960er Jahre Die 1970er Jahre Die 1980er Jahre Die 1990er Jahre Seit 2000 Familie, Heimat, Ärzte, Sitcom Krimis, Abenteuer Soap Operas und Telenovelas Multimedia Hintergrund-Informationen Unterhaltung Unterhaltung in den 50er Jahren Spiel- und Ratesendungen im Osten Spiel- und Ratesendungen im Westen Unterhaltung im Privatfernsehen Sketche und Kabarett Zeit der Comedy-Formate Unterhaltung mit Musiksendungen Volkstheater und Familiengeschichten Talkshows: Wissbegier und Wortwitz Kochen im Fernsehen Wettbewerbs- und Castingshows auf vielen Kanälen Multimedia Hintergrund-Informationen Reality-TV Anfänge und Vorläufer Schadenfreude in den 80ern Neue Formate in den 90er Jahren Reaktionen in den 90er Jahren Daily Talkshows ab Mitte der 90er Gerichtsshows ab 2000 Doku-Soaps und Reality-Soaps ab den 50er Jahren Doku-Soaps ab 2000 Weitere Reality-Formate Potenziale von Reality-TV – Ein Ausblick Multimedia Hintergrund-Informationen Information Information als Programmauftrag Fernseh-Nachrichtensendungen Politische Magazine Wissenschaftsmagazine Dokumentation Ratgeber- und Servicesendungen Infotainment und Boulevardisierung Nachrichtensender, Doku-Kanäle Multimedia Hintergrund-Informationen Kultur und Bildung Die 1950er Jahre: Anfänge Die 1960er: Kulturvermittlung Kulturpräsentation in Ost und West Bildungs- und Schulfernsehen Geschichtsvermittlung als Bildung Multimedia Hintergrund-Informationen Sport Sport im westdeutschen Fernsehen Sport im DDR-Fernsehen Typologie der Sportsendungen Kommerzialisierung des Sports Multimedia Hintergrund-Informationen Kinderprogramme ARD-Kinderprogramm: die Anfänge 1970er Jahre: Umbruch und Reformen (BRD) Kinderprogramm im ZDF (BRD) Kinderfernsehen bis 1969 (DDR) Themen und Formen ab 1970 (DDR) Unterhaltung ab 1980 (DDR) Kommerzialisierung (BRD) Qualität im Kinderprogramm Kinderfernsehen und Werbung Besondere Formate: Zeichentrick Wissensformate für Kinder Multimedia Hintergrund-Informationen Jugendprogramme Die 1950er Jahre Die 1960er Jahre Die 1970er Jahre Die 1980er Jahre Die 1990er Jahre Nach 2000 Multimedia Hintergrund-Informationen Grundlagen und Strukturen Fernseh-Entwicklung vor 1948 Entwicklung zum Massenmedium Fernsehen in getrennten Systemen Das jeweils 'andere Deutschland' BRD: Das duale TV-System ab 1982 TV in Deutschland ab 1989 Neue Medien und Nutzungsformen Rechtliche Grundlagen Fernsehen - regional und global Multimedia Hintergrund-Informationen Finanzierung und Ökonomie Das duale Rundfunksystem Öffentlich-rechtlich und staatlich BRD: Der privatwirtschaftliche Fernsehmarkt Finanzierung des Fernsehens Privatwirtschaftliche Fernsehunternehmen Multimedia Hintergrund-Informationen Nutzung und Nutzer Publikum als Zielgruppe Zuschauerforschung Aufgaben und Formen des Fernsehens Möglichkeiten der Beteiligung Veränderungen des Nutzungsverhaltens Multimedia Hintergrund-Informationen Medienpolitik und Medienethik Entstehung von Ost- und Westfernsehen Gemeinsamkeiten und Differenzen Medienpolitische Entwicklungen Medienethik und "Affektfernsehen" Multimedia Hintergrund-Informationen Produktion und Praxis Fernsehen als professionelle Organisation in Ost und West Orientierungspunkte und technische Anfänge Gründe für die "Industrialisierung" des Fernsehens Zunahme betriebswirtschaftlicher Produktionsaspekte Standardisierte Ablaufstrukturen Distribution und Programmplanung Multimedia Hintergrund-Informationen Technik und Multimedia Anfänge der Fernsehtechnik Einführung des Kabelfernsehens Digitalisierung des Fernsehens Die HDTV-Technik Entwicklungen der Gerätetechnik Multimedia Hintergrund-Informationen Redaktion

Kommerzialisierung (BRD)

/ 12 Minuten zu lesen

Folgen des Dualen Systems

Mit dem Beginn der kommerziellen Programme in der Bundesrepublik 1984 sendeten diese auch Kindersendungen, wollten sie doch schon frühzeitig Kinder als gegenwärtige und zukünftige Konsumenten gewinnen. "Das Kind als Kunde" – so sah die Medienwissenschaftlerin Birgit Hollstein das Konzept der privaten Fernsehanbieter. Nach ihren Ausführungen ging es den Sendern darum, vor allem ein frühes Markenbewusstsein bei Kindern auszuprägen und langfristig den Konsum der Heranwachsenden zu fördern. Um die Kinderfernsehsendungen herum wurde daher kommerzielle Werbung platziert. Mit speziellen Kinderprogrammen boten sie den werbetreibenden Firmen, die sich auf Produkte für Kinder spezialisiert hatten (Spielzeug, Süßigkeiten), ein günstiges Werbeumfeld. Hier wurde also intensiv zielgruppenspezifisch geworben, und dies geschah anfangs auch durch Werbeunterbrechungen innerhalb der einzelnen Kindersendungen. Erst ab 1992 wurde in einer Novellierung des Rundfunkstaatsvertrages diese Unterbrecherwerbung untersagt .

Merchandising und Product Placement

Die Programmbetreiber, insbesondere RTL, entwickelten zusätzliche Strategien, um durch die Herstellung sogenannter Merchandising-Produkte – also Musikkassetten, CDs, Spiele, Bücher, Geschirr, Handtücher, Bademäntel, Plüschtiere, Puzzles – die Bindung der kindlichen Zuschauer an das Programm und an das Werbeumfeld zu vertiefen.

Dazu zählte in der Anfangszeit auch das Platzieren beworbener Produkte in den Kindersendungen selbst . Zwar wurde z. B. RTL wegen der Platzierung der 'Fruchtzwerge' in der Sendereihe "Li-La-Launebär" von den Aufsicht führenden Landesmedienanstalten abgemahnt , dennoch blieb diese Praxis weit verbreitet. Gerade im Bereich des Kinderfernsehens haben sich solche Techniken der Werbung als besonders problematisch erwiesen, weil Kinder noch kaum zwischen Werbung und redaktionell verantworteter Sendung (Nicht-Werbung) unterscheiden können. Erst als es 2006/07 über Product Placement auch in den öffentlich-rechtlichen Programmen zu einer längeren öffentlichen Diskussion kam, wurde die Einbindung von Produkten ins Programm reduziert. Seit dem 01.04.2010 ist in Deutschland Product Placement in Kindersendungen verboten.

Entwicklung ab 1980

Wettbewerb beim Kinderfernsehen

Der Li-La-Launebär und "Metty" Krings (© RTL)

Zu den wichtigsten Kinderprogrammen der Anfangsjahre des kommerziellen Fernsehens gehören die Sendereihen und Figuren "Li-La-Launebär" (RTL), "Bim Bam Bino" (kabel eins) und "Vampy" (RTL II). Dabei handelte es sich anfangs um großflächige Rahmensendungen, in die verschiedene andere Sendungen, vor allem Zeichentrickserien, eingebaut wurden. Nachdem 1992 Unterbrecherwerbung in Kindersendungen untersagt wurde, erklärte man die einzelnen Teile (teilweise auch anderthalb und zwei Minuten dauernde Verbindungsstücke) mit den Puppenfiguren zu Einzelsendungen.

Metty und der Launebär: Malen und Basteln

Der "Li-La-Launebär" wurde von RTL von 1989 bis 1994 jeweils sonntags zwischen 8.00 und 8.25 Uhr gesendet. Die Konstellation der Sendung: Ein Bär wohnte auf einem Kölner Dachboden, zusammen mit Metty, einem Zeichner (es handelte sich hier um den Kinderfernsehproduzenten Metty Krings), und beide erlebten zahlreiche Abenteuer. In Einspielfilmen wurde ähnlich der "Sendung mit der Maus" Wissen vermittelt. Zusätzlich wurden Gäste eingeladen, die Einblicke in ihre Berufe gaben, es gab zeitweise einen Reporter, der Passanten Fragen stellte ("Wie kommen die Löcher in den Käse?"). Die Kritik monierte, dass im Verlauf der Sendereihe die Werbung zunahm: "Die ursprüngliche Zielsetzung des Senders RTL, die Kinder durch die Sendung 'Li-La-Launebär' zu motivieren, 'in ihrem unmittelbaren Umkreis nach Bastel- und Spielmaterial zu stöbern und nicht mit 50 Mark in der Tasche in den Laden zu gehen, um sich dort Bastelmaterial zu kaufen, verschiebt sich mehr und mehr zugunsten der Markt-Kriterien. In den Kindern sollen Kaufbedürfnisse geweckt werden. Das Kind ist primär Kunde".

Bim Bam Bino: Katze und Maus

"Bim Bam Bino" lief von 1988 bis 1998 auf kabel eins (zuvor auf Tele 5, danach auf Der Kabelkanal, dem Vorläufer des Senders kabel eins). Bino war eine freche und neugierige Maus als Stoffpuppe, zu der später noch die Katze Luzy hinzukam. Hier wurde das in den Kindermedien häufig verwendete Tierpaar Katze und Maus (man denke etwa an die Disney-Figuren Tom und Jerry) noch einmal aktiviert, um auf diese Weise rasch das Vertrauen der kindlichen Zuschauer zu erwerben. Neben der Maus gab es noch einen menschlichen Mitmoderator, z. B. Sonja Zietlow oder Alexa Hennig von Lange. Auch hier wurde gebastelt und gespielt, außerdem wurden Feste gefeiert, in die sich dann vieles andere integrieren ließ.

Vampy: Vampir-Puppe und menschliche Moderatorin

"Vampy" war eine Serie auf RTL II, die von 1993 bis 2002 lief. Mit der Moderatorin Thea, einem realen Menschen, erlebte die Vampir-Puppe ständig kleine Abenteuer. Zu Vampy kamen dann auch noch anderen Puppen hinzu, Thea hingegen verschwand. In diese Sendungen wurden dann später vor allem japanische Anime-Serien integriert. Dadurch bildeten die Titel gebenden Puppensequenzen einen Rahmen. Die Puppen begegneten somit häufiger den kindlichen Zuschauern und wurden damit für sie leicht zu Identifikationsfiguren.

KiKA, Super RTL, Nickelodeon und Disney Channel

Mit der Gründung eines kommerziellen Spartenprogramms nur für Kinder (Super RTL) 1995 und eines öffentlich-rechtlichen Kinderkanals (KiKA) 1997 wurde am Ende der 1990er Jahre eine neue Stufe in der Entwicklung des deutschen Kinderfernsehens eingeleitet. Mit Nickelodeon (2005) und Disney Channel (2014) kamen im Free-TV noch zwei weitere Kinderprogramme hinzu. Daneben gibt es aber auch Kindersendungen in den Dritten Fernsehprogrammen oder in kleineren Spartensendern (insbesondere bei Kabelfernseh-Anbietern). Wesentlich wichtiger sind aber das Angebot und die Nutzung von Kindersendungen über das Internet. Streaming und On-Demand-Angebote (z. B. bei YouTube, Netflix, Amazon Prime Video, Apple TV+ und die Mediatheken der Sender). Damit wird – wie in allen anderen Programmsparten auch – ein genauer Überblick über angebotene und genutzte Sendungen nahezu unmöglich. Statistische Aussagen sind also zunehmend mit Vorsicht zu betrachten (z. B. die Abnahme der durchschnittlichen Fernsehnutzung bei 3- bis 13-Jähringen von täglich 93 Min./2010 auf über 82 Min. 2015 auf 64 Min./2018) .

Das Bernd-das-Brot-Denkmal auf dem Fischmarkt in Erfurt (Michael Sander) Lizenz: cc by-sa/3.0/de

Der Kinderkanal von ARD und ZDF

ARD und ZDF haben zwar montags bis freitags ihre Sendungen für Kinder in den beiden Hauptprogrammen eingestellt, liefern aber beide Sendungen für den KiKA. Mit "Bernd das Brot", einer animierten Puppe, die einen stets miesgelaunten Brotlaib darstellt (2004 ausgezeichnet mit einem Adolf-Grimme-Preis), oder "Beutolomäus", dem Geschenkesack des Weihnachtsmannes (Robert Geisendörfer Preis), ist es dem Kinderkanal KiKA gelungen, in den Nullerjahren zwei neue Figuren in der Fernseh-Kinderwelt zu verankern.

Fernsehen für die Kleinsten: "Teletubbies"

Ein Programm, das in der Öffentlichkeit Aufsehen erregte, war "Teletubbies", von 1997 bis 2001 im Auftrag der BBC produziert und in Deutschland vom KiKA ab 1999 ausgestrahlt. Es handelte sich hier um vier Puppen, die aus einem einheitlichen Kunststoffmaterial mit Antennen auf dem Kopf gefertigt waren. Sie wohnten in einem Haus, erlebten kleine Geschichten, wurden mit für sie neuen oder herausfordernden Gegenständen konfrontiert, staunten dabei und sprachen in einer besonderen 'Kleinkindsprache'. Wenn etwa eine Geschichte erzählt wurde, riefen sie "Nomal, nomal" ("Noch einmal, noch einmal"). Sie sollten angeblich die Fantasie von Kleinkindern anregen. Ihnen wurde aber vorgehalten, die Sprachentwicklung der kleinen Zuschauer zu stören, weil sie im Babyton verharrten. Nach dem Ende der Ausstrahlung der Serie wurde auch die Diskussion über die Schädlichkeit solcher Formate für Kleinkinder nicht weitergeführt.

Stattdessen wird z. B. die 2016 mit dem Grimme-Preis in der Kategorie "Kinder & Jugend / Innovation" ausgezeichnete Realserie "Ene Meine Bu" (seit 2011) gezeigt, laut Jury "eine Sendung für Vorschulkinder, die gezielt zum aktiven Gestalten und Erleben von Kreativität und Kunst anregen will".

KiKA auf Erfolgskurs

Anfangs war der 1997 gegründete KiKA bloß als Juniorpartner von ARD und ZDF zu betrachten. Mittlerweile hat sich nicht zuletzt aufgrund der Quotenentwicklung ein beeindruckendes Selbstbewusstsein entwickelt. Mit Doku-Soaps wie "Der Boss sind wir!" (2006), bei der Kinder mit ihren Eltern die Rollen tauschen, oder "Platz für Helden!" (2007), in der Kinder vorgestellt werden, die sich engagieren, wirkt der KiKA immer wieder über das eigene Programm hinaus. Daneben wurden in den letzten Jahren zahlreiche KiKA-Sendungen ausgezeichnet, mehrfach z. B. Folgen aus der Serie "Krimi.de" (2005–2013).

Herausforderungen für die Branche

Nicht nur der KiKA, der gesamte Markt steht vor Herausforderungen, die der ehemalige Programmgeschäftsführer Frank Beckmann in einem im November 2007 geführten Interview so beschrieb: "Demografische und soziale Veränderungen, neue Verbreitungswege und technologische Entwicklungen werden das Kinderfernsehen massiv beeinflussen". Soll das KiKA-Programm seine Zielgruppe weiter erreichen, muss es dort präsent sein, wo sich die Kinder aufhalten. Beckmann schwebte daher ein ganz anderes Medienmodell vor. Er wollte sich vom klassischen Modell des "linear broadcasting" verabschieden und Programme so zur Verfügung stellen, dass Eltern und Kinder sie nach eigenen Vorlieben und unabhängig vom Erwerb von zu kaufenden DVDs nutzen können. Mit der Einführung der Online-Mediathek "KiKA+" sowie der Sendung "Kikaninchen" mit einem ergänzenden Online-Portal, das das gemeinsame Medienerlebnis von Eltern und Vorschulkindern fördern will, wurde diese Idee 2009/10 umgesetzt.

Auch "ältere" Kinder im Blick

Neue Sendeformate gibt es im KiKA seit 2009/10 nicht nur für Vorschulkinder sondern auch für die 10- bis 13-Jährigen. Einen Schwerpunkt bildeten bzw. bilden Doku-Soaps, Doku-Reihen ("Schau in meine Welt", seit 2012) sowie Magazin- bzw. Beratungssendungen, z. B. allgemein für Probleme der "Kummerkasten" oder speziell zur Pubertät ("Du bist kein Werwolf – Über Leben in der Pubertät", seit 2011), "dasbloghaus.tv" (2009–2011) über jugendliche Blogger und zu Umwelt- und Gesellschaftsfragen ("Erde an Zukunft"). Bei den Doku-Soaps (z. B. "Dienstags ein Held sein", 2010–2015) werden verschiedene Jugendliche dabei begleitet, wie sie z. B. ein Praktikum in Berlin machen, zum ersten Mal in einer WG leben oder an einem Surfwettbewerb teilnehmen. Die Doku-Soaps werden abwechselnd zu verschiedenen Themen produziert und haben einen eigenen Sendplatz am Nachmittag.

Weekly Soap "Schloss Einstein"

Zehn Jahre sind im Kinderfernsehen, das sein ständig wechselndes Publikum immer wieder neu erobern muss, eine lange Zeit. Nach zehn Jahren gab es für "Schloss Einstein", seit 1998 auf Sendung, einen durchgreifenden Relaunch: neuer Produktions- und Handlungsort, neue Darsteller. Der federführende Mitteldeutsche Rundfunk (MDR) will auf diese Weise garantieren, dass die "Weekly-Soap" auch weiter eine feste Größe im Kinderalltag bleibt. Bislang haben diverse Generationswechsel vor der Kamera und bei der Zielgruppe der Beliebtheit nicht geschadet. Entstanden ist das Konzept zu "Schloss Einstein", als das Publikum der RTL-Soap "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" (seit 1992 im Programm) immer jünger wurde. Die ARD-Idee, mit einer lang laufenden Serie für Kinder zu antworten, war durchaus riskant; Erfahrungen mit einem Format dieser Art gab es bei Drehbeginn weder in Deutschland noch anderswo auf der Welt.

Verständnisvolle Lehrer, großherziger Hausmeister

Schöpferische Kraft hinter dieser "Lindenstraße für Kinder" war jahrelang der frühere WDR-Redakteur Dieter Saldecki. Er hatte stets von einer "Welt konkreter Utopien" geschwärmt, deren Erfolgsgeheimnis "in der Kombination von Unterhaltung und Orientierung für junge Menschen" liege. In der Tat: Auf "Schloss Einstein" gewinnen immer die Kinder. Die Lehrer sind geradezu traumhaft verständnisvoll, und einen Hausmeister wie den großherzigen Pasulke (Gert Schaefer) muss man in realen deutschen Schulen lange suchen.

Mit einem Budget von weniger als 5.000 Euro pro Minute ist "Schloss Einstein" sehr viel preiswerter als andere Realserien für Kinder. Seit dem Relaunch orientieren sich die Themen noch näher am Kinderalltag. Produziert wird jetzt im Medienzentrum Erfurt, buchstäblich einen Steinwurf vom KiKA entfernt. Eine ganze Reihe von Serienfolgen ist immer auch online abrufbar unter Externer Link: https://www.kika.de/schloss-einstein/buendelgruppe1132.html.

Weitere Realserien für Kinder

Im Bereich der Realserien sind auch andere Sender aktiv – wenn auch nicht so erfolgreich wie bei "Schloss Einstein". Gerade der NDR hat sich in dieser Hinsicht immer wieder hervorgetan. Auch wenn die Kinderkrimis "Die Pfefferkörner" zuletzt etwas in die Jahre gekommen waren und mitunter mehr Soap- als Krimianteile hatten: Die mit langen Unterbrechungen gedrehte Serie ist bei Kindern sehr beliebt. "4 gegen Z" (Das Erste, 2005–2007), eine Mischung aus Abenteuer und Fantasy, in der Kinder aus einer "Patchwork"-Familie immer wieder verhindern, dass Unhold Zanrelot (Udo Kier) die Macht über Lübeck (später Hamburg) gewinnt. Die Serie hielt zwar nicht ganz, was der effektvolle Vorspann versprach, ging aber für eine Kinderfernsehserie innovative Wege.

Erwachsene als Freunde und Helfer

Bei "Krimi.de" (KiKA) wirkte mit Peter Sodann in seiner Rolle als (ehemaliger) "Tatort"-Kommissar Ehrlicher zunächst ebenfalls ein "richtiger" Ermittler mit. Mittlerweile steuern neben dem MDR auch andere ARD-Sender ihre Filme zu dem in loser Reihenfolge ausgestrahlten Kinder-"Tatort" bei, der mit deutlich mehr Aufwand als sonst packende Geschichten für größere Kinder und Jugendliche erzählt.

Das Genre Realserien ist im Kinderfernsehen übrigens eine öffentlich-rechtliche Domäne: Für kommerzielle Sender wären diese Produktionen, die sich zudem kaum ins Ausland verkaufen lassen, viel zu teuer.

Nutzung verschiedener Programme bei Kindern

Im Durchschnitt sehen 3- bis 13-jährige Kinder pro Tag ca. 60 Minuten fern (2018; im Jahr 2000 waren es noch ca. 100 Minuten / zum Vergleich: ab 14-Jährige sahen 2018 im Durschnitt 234 Minuten fern). Auf welche Sender verteilt sich dieses Zeitbudget prozentual?

Nutzung verschiedener Programme bei Kindern 2010/2015 (Auszug)

Marktanteile in %

Sender201020152018
Super RTL20,417,515,8
KiKA 15,715,713,9
Nick 9,48,46,9
Disney Channel ---8,19,9
RTL 10,37,47,2
ProSieben 9,05,84,2
Sat1 5,45,85,3
Das Erste 4,74,05,4

Quellen: Feierabend/Klingler 2011, 2016; vom Orde/Durner 2016.

Seit Disney Channel 2014 im Free TV empfangbar ist, haben viele der angestammten Sender an Marktanteilen eingebüßt. Dadurch könnte z. B. der langjährige Marktführer Super RTL vom KiKA eingeholt zu werden.

Super RTL: Action und Toggo

Im Rahmen der Programm-Vermehrung durch das Kabel- und Satellitenfernsehen und die Bildung zweier großer Konzerne im kommerziellen Fernsehen – der zum Bertelsmann-Konzern gehörenden RTL Group und der ProSiebenSat.1 Media ES (ehemals Kirch-Gruppe) – entstanden auch mehrere neue Spartenkanäle. Zu ihnen gehört auch der auf 3- bis 13-jährige Zuschauer als Zielgruppe ausgerichtete Kanal Super RTL. Er gehört je zur Hälfte der RTL Group und dem amerikanischen Disney-Konzern. (Als öffentlich-rechtliche Reaktion auf ihn war 1997 der KiKA gegründet worden.)

"Toggo" und "Toggolino"

Super RTL sendet von morgens 6.00 Uhr bis abends 20.15 Uhr ein reines Kinderprogramm, das sich unter zwei Sammelmarken an Vorschulkinder bis sechs Jahre ("Toggolino") und an Schüler von sechs bis 13 Jahren ("Toggo") richtet; als Zusatzangebot gibt es inzwischen bis 21.45 Uhr auch Toggo plus. Hier werden zahlreiche Kinderserien ausgestrahlt, die rund um den Globus aufgekauft werden. Zusätzlich zu seinem Kinderprogramm bietet Super RTL im Internet das kostenlose, aber nicht werbefreie Online-Portal "Toggo.de" an, sowie die kostenpflichtigen Online-Plattformen für Vor- und Grundschulkinder "Toggolino.de" und "Toggo-CleverClub.de". Schon vor dem KiKA setzte Super RTL also verstärkt auf crossmediale Möglichkeiten, d. h. insbesondere fernsehbegleitende Angebote für Kinder im Internet.

Marktführer unter den Kindersendern

Im vierten Jahr seines Bestehens war Super RTL erstmals Marktführer im deutschen Kinderfernsehen. Diese Position hat der Kindersender seither nicht mehr abgegeben. Die Rückkehr von Nickelodeon und dem Disney Channel im Free-TV haben den Kölner Sender allerdings einige Prozente der Marktanteile gekostet (siehe Infokasten weiter oben). Inhaltlich war das Programm von Super RTL stärker von der Rückkehr Nickelodeons betroffen. Denn seit dem Nick-Comeback im Herbst 2005 musste sich Super RTL die populäre Zeichentrickfigur "SpongeBob Schwammkopf" (Lieblingsfigur im Fernsehen von 6- bis 13-Jährigen im Jahr 2015) mit der Konkurrenz teilen. Der tollpatschige Schwamm ist ursprünglich ein Nickelodeon-Geschöpf. Seit 2009 verzichtet Super RTL auf die Ausstrahlung. "SpongeBob Schwammkopf" wird seitdem im Free-TV nur noch bei Nickelodeon ausgestrahlt. Allerdings sind Videoclips und Spiele von und mit SpongeBob auch im Internet sehr präsent.

Mit seinem Action-betonten Programmanteil trifft Super RTL den Geschmack vieler Jungen. Daneben finden bzw. fanden sich aber auch Sendungen, die insbesondere Mädchen ansprechen, wie die Zeichentrickserie "Kim Possible" (2004–2013) oder die erfolgreiche Sitcom "Hannah Montana" (2007–2011).

Viele Importe, wenige Eigenproduktionen

Neben der einseitigen Ausrichtung ist die fehlende programmliche Autonomie die zweite große Schwachstelle des Senders: Nur 10 % des Etats sind für Eigenproduktionen vorgesehen, weitere 10 % für Koproduktionen (über absolute Zahlen macht der Sender keine Angaben). Ein Großteil des Programms stammt vom Gesellschafter Disney, der Rest wird beispielsweise auf der Fernsehprogramm-Messe Junior Mipcom (Cannes) eingekauft. Serien mit internationalem Potenzial werden allerdings zum Teil schon gehandelt, noch bevor die Produktion begonnen hat. Dabei kann es durchaus zu Konkurrenzsituationen zwischen Super RTL und KiKA kommen. "LazyTown" zum Beispiel, eine actionreiche isländische Serie, die Kinder zu mehr Bewegung animieren soll, könnte statt bei Super RTL auch beim KiKA laufen (wenn man davon absieht, dass sich der KiKA die Lizenzkosten der weltweit erfolgreichsten Realserie nicht leisten kann).

Nickelodeon/ Nick: erfolgreiche Importe

SpongeBob Schwammkopf (© picture-alliance/dpa, Fotoreport)

1998 war das Programm von Nickelodeon wegen mangelnder Zuschauerzahlen liquidiert worden. Schon damals hatten Beobachter diesen Schritt nicht verstanden, denn der Ableger des US-Konzerns Viacom (MTV) war eigentlich auf einem guten Weg. Allerdings hatte Nickelodeon im Jahr zuvor seinen Platz in den Kabelnetzen absprachegemäß für den Kinderkanal räumen müssen.

KiKA profitierte natürlich enorm von dem etablierten Programmplatz, während die Marktanteile von Nickelodeon erst einmal drastisch sanken. Am Ende lagen sie bei 9 %. Ein Wert, mit dem der Programmchef Markus Andorfer beim Wiedereinstieg von Nickelodeon in den deutschen Fernsehmarkt unter dem Namen "Nick" im Herbst 2005 mit Sicherheit gern gestartet wäre. Dass der Sender nach seiner Rückkehr schon nach wenigen Monaten auf über 6 % kam, lag an den gut eingeführten Sendereihen ("SpongeBob Schwammkopf", "Blue's Clues", "Jimmy Neutron"). 2009/2010 wurde der Kindersender "Nick" wieder in "Nickelodeon" umbenannt – und 2017 zurück in Nick.

Senderprofil: überwiegend Importe

Der Sender setzt ähnlich wie Super RTL fast nur auf Importe. Ausnahmen sind unter anderem die Sendereihe "Forscherexpress", eine von dem populären Jugendbuchautor Thomas Brezina moderierte Koproduktion mit dem ORF, in deren Mittelpunkt Experimente stehen, oder die Kinderkrimireihe "Tom Turbo" (2005–2007). Die anfangs mehrmals täglich erschienene Sendung "Alles Nick" (2006–2008), die sich an wechselnde Zielgruppen richtete, war hingegen kein Erfolg und wurde 2008 nur noch ein Mal pro Woche als Studiosendung mit Gästen ausgestrahlt.

Disney Channel – der Name ist Programm

Der seit 2014 im Free-TV empfangbare Sender zeigt in der Regel importierte US-amerikanische (Zeichentrick-)Filme und Serien (z. B. "Micky Maus Wunderhaus "; seit 2006), gelegentlich aber auch deutsche Eigenproduktionen, z. B. die Krimi-Serie "Binny und der Geist" (2014–2016). Nach 20.00 Uhr soll überwiegend ein erwachsenes und weibliches Publikum angesprochen werden (z. B. "Golden Girls", "Die Nanny").

Kindersender im Internet

Allen Kindersendern gemeinsam ist inzwischen eine starke Webpräsenz. Hier gibt es unterschiedliche Strategien, je nachdem, ob neben der Zuschauerbindung auch weiterer Gewinn generiert werden soll oder nicht. Neben Sendungen (Filme und Serien per Livestream oder Mediathek) sowie interaktiven Spiel-Angeboten werden bei den kommerziellen Sendern auch Gewinnspiele, Shop-Bereiche und Werbung präsentiert. Diese unterschiedlichen Verwertungsmodelle im modernen crossmedialen Angebot für Kinder und die Frage nach der Fähigkeit der Kinder, Werbung nicht nur im Fernsehen, sondern auch im Internet zu erkennen, führen verstärkt zu den nachfolgenden Überlegungen zur Qualität und der Präsenz von Werbung im Kinderprogramm.

Weitere Inhalte